Der Anfang vom Ende - Teil 4

Autor: Joy
veröffentlicht am: 09.08.2011


Ich wurde von den Sonnenstrahlen geblendet, die direkt in mein Gesicht fielen. Ich streckte mich und schob meine Vorhänge zur Seite. Ich ging schläfrig in die Küche, wo alle aufräumten. „Laaleh! Jetzt aber schnell! Zieh dich an, Aadish und seine Familie kommen doch gleich!“
Ich verdrehte die Augen und drehte mich wieder um. Ich machte mich schnell fertig, obwohl ich so was von keine Lust darauf hatte. Ich wollte sein Gesicht nicht schon wieder sehen. Ich wollte auch nicht schick für ihn aussehen. Also band ich mir einfach nur meine Haare zu einem zerzausten Dutt zusammen, schminkte mich nicht und zog mir nichts sonderlich Schickes an. ich überlegte mir, ob ich nicht einfach nur eine Jogginghose anziehen sollte. Aber nein, damit würde ich meine Eltern verärgern. Vielleicht sage ich, mir geht es heute nicht gut. Dann lege ich mich ins Bett und habe ganz dolle Bauchschmerzen oder so etwas. Aber dann würde Aadish wahrscheinlich zu mir hoch kommen und mich pflegen wollen.
Ich wartete im Wohnzimmer auf die Familie und machte ihnen nicht die Tür auf. Die Begrüßung fand wie letztes Mal statt. Der Vater küsste mir die Hand, die Mutter umarmte mich herzlich. Aadish gab mir dieses Mal einen Kuss auf die Wange, worüber sich meine Mutter wahnsinnig freute. Ich bereitete mich meiner Mutter Tee vor und setzte mich wieder vor Aadish. Erst redeten wir über unnutzes Zeugs, bis mein Vater anfing etwas zu sagen:
„Bei euch ist es doch auch klar, dass Laaleh euren Namen annimmt oder?“
Nein! Darüber hatte ich mir noch überhaupt keine Gedanken gemacht! Ich hatte einen wunderschönen Namen. Laaleh Dəmirçi. Wie hört sich denn Laaleh Gül an?! Ich war so stolz auf meinen Namen! Diesen Namen tragen zu dürfen, zu zeigen, dass ich stolz auf meine Familie bin! Und jetzt wurde mir auch noch das genommen!
„Ja natürlich. Das war für uns eigentlich von Anfang an klar. So, jetzt wollen wir aber mal ein bisschen über die Hochzeit sprechen.“
„Die machen wir natürlich traditionell. Wir fliegen nach Aserbaidschan, denn da sind mehr Verwandte und Freunde. Die Gästeliste fertigen wir noch an.“ Sprach mein Vater.
„Ja, so haben wir uns das auch gedacht. Das Datum ist noch das gleiche?“
„Ja, ist es. Der 09.09.2011. Da ist genau 10 Tage nach Laalehs Hochzeit und passt daher doch gut.“ Erzählte Aadishs Vater. Hatte ich eigentlich auch ein mitspracherecht?
„Die Tickets nach Aserbaidschan haben wir schon gekauft und der Saal wurde auch schon gemietet. Das einzige was wir noch machen müssen, ist, die Gästeliste anfertigen und ein Brautkleid kaufen. Sonst haben wir uns schon um alles gekümmert.“ Sagte meine Mutter.
„Ach so, wird Laaleh erst einmal bei euch wohnen oder habt ihr schon ein Haus für die beiden?“ Fragte mein Vater.
Nein! Ich will nicht bei den Eltern mit einziehen!
„Sie wird erst einmal bei uns wohnen, aber wir haben schon ein Grundstück, wo der Rohbau des Hauses steht. Aber das wird noch alles gemacht. Sie wird wahrscheinlich einen halben Monat bei uns wohnen und dann können sie endlich zusammen. Ach, ich freue mich schon so auch dich. Du bist ein so nettes Mädchen, Laaleh. Freust du dich auch schon so wie wir?“ Fragte mich Aadishs Mutter. Nein! Ich freue mich nicht! Ich hasse mein Leben! Wieso musste ich in diesem Körper geboren werden?
„Natürlich.“ Ich betonte es nicht wirklich, aber es hörte sich einigermaßen ehrlich an.
„Das ist schön.“
„Tut mir wirklich sehr Leid, aber ich muss noch etwas erledigen.“ Musste ich natürlich nicht, aber ich wollte nicht mehr bei ihnen sitzen. Sonst würde ich gleich in Tränen ausbrechen.
Aadishs Mutter umarmte ich liebevoll, denn sie war wirklich ein guter Mensch. Der Vater küsste mich wieder auf die Hand und Aadish, der umarmte mich sehr lange. Er flüsterte mir, dass er sich auf die Hochzeitsnacht freuen würde. Bei diesem Gedanken wurde mir schlecht.
Als ich vor der Tür stand, rieb ich mir die Augen. Ich konnte nicht hier bleiben, also ging ich wieder an meine Bucht. Ob der Mann schon wieder da sein würde? Aber nein, war er nicht.
Ich saß eine gute Stunde hier, bis ich ein Knacken in den Bäumen hörte. Ich drehte mich ruckartig um und natürlich war der Mann da.
„Sie wollten gerade gehen?“
„Ja, ich sitze schon lange hier.“
„Schade. Sie sehen fertig aus.“
„Danke, sie wissen wie man Komplimente macht.“ Meinte ich ironisch.
„Das war nicht böse gemeint. Sie sind doch eine hübsche Frau. Aber sie sehen einfach fertig aus. Ist wieder etwas passier?“
Ich entschied mich dafür, dass ich doch noch kurz sitzen blieb.
„Seine Familie und er waren heute zum letzten Mal da. Am 09.09 heiraten wir.“
Erst sagte er nichts. „Oh. Das tut mir Leid. Haben Sie denn nichts mehr gesagt?“
„Nein. Ich habe mich nicht getraut.“
„Er hat Sie geschlagen! Verstehen Sie das doch! Sie können diesen Mann nicht heiraten!“
Es war wirklich süß, wie er darüber nachdachte.
Er hatte Recht, deshalb sagte ich nichts mehr. Ich schaute ihn an und merkte zum ersten Mal, wie hübsch dieser Mann war. Er hatte sehr dunkel braune Augen. Seine Wimpern waren so lang, das sie sich in seinen Augen widerspiegelten. Seine braunen Haare lagen etwas struppig auf seinem Kopf. Er hatte eine sehr gute Figur. Er merkte, dass ich ihn anschaute und schaute ich ebenfalls an.
„Sie sind wirklich sehr hübsch. Sie haben etwas Besseres verdient.“
Ich lächelte ihn nur an.
„Ich meine es ernst. Schauen Sie sich an! Sie sind so wunderschön. Dieser Mann, kann so froh sein, dass er so etwas bekommen hat. Er soll sie bloß auf Händen tragen!“
So etwas schönes, habe ich vorher noch nie von einem Mann gehört.
Ich verspürte einen starken Drang, meinen ersten Kuss an ihn zu verlieren.
Ich beugte mich nicht langsam, sonder schnell zu ihm und gab ihm einen Kuss auf den Mund. Ohne zu überlegen, legte er seine Hand auf meine Wange und zog mich näher an sich heran. Seine Hände fuhren durch meine Haare. Wir waren eng miteinander umschlungen. Das war doch nicht normal? Ich hatte diesen Mann vielleicht zwei, drei Mal gesehen und verspürte einen so heftigen Drang? Mein Magen drehte sich, es fühlte sich merkwürdig an.
Ich konnte nicht klar denken, deshalb zog ich meinen Kopf schnell zurück.
„Tut mir Leid.“ Meinte ich und senkte meinen Blick. Doch was machte er? Er hob mein Kinn mit seiner Hand an und zog mich wieder langsam an sich. Wie konnte man nur so toll sein? Er war so vorsichtig, aber trotzdem selbstsicher, darin, was er tat.
Es fühlte sich so an, als wenn mein Herz gleich heraus springen würde. Ich wollte mehr, aber konnte nicht. „Nein! Es tut mir Leid, aber ich kann nicht.“
Ich stand auf und drehte mich um, blieb aber stehen. Ich hörte nicht, dass er aufstand, aber spürte seine Hand auf meiner Schulter. Er legte seine Hände auf meine Hüften und flüsterte mir: „Doch, du kannst. Oder möchtest du dein restliches Leben in Aserbaidschan verbringen? Deine letzten Stunden solltest du also noch genießen. Möchtest du mir zu mir kommen?“
„Das würde ich gerne.“
Er nahm mich an die Hand und ging mit mir zu seinem Auto. Nein! Wie konnte ich bei einem fremden ins Auto steigen? Er könnte sonst was mit mir machen. Aber nein, er nicht. Tief im inneren spürte ich, dass er ein guter Mensch war. Wir fuhren nicht lange, nach schon zehn Minuten waren wir da.
„So, dass ich meine Wohnung. Komm, lass uns herein gehen.“
Er öffnete die Tür und mir kam ein frischer Geruch entgegen. Ich trat langsam ein und es sah hier wirklich sehr schön aus. Alles war hell und überall waren Farben versteckt.
„Du hast es schön hier.“
„Danke. Ich bin vor vier Jahren hier her gezogen.“
„Und wie kommt es dann, dass ich dich vorher an der Bucht nie gesehen habe?“ Fragte ich ihn.
„Na ja, ich habe sie auch erst vor kurzem entdeckt. Möchtest du etwas trinken?“
Nein, ich will dich.
„Nein danke.“
Er setzte sich neben mich und schon nach ein paar Sekunden waren wir wieder miteinander verschlungen. Seine Hand ging unter mein Top, auf meinen Bauch. Er schob es langsam nach oben. Ich wusste, dass das kommen würde. Aber das konnte ich nicht tun. Aadish würde es merken und dann würde alles für mich vorbei sein.
„Ich kann das nicht.“
„Wieso?“
„Ich…ich…bin noch…Jungfrau.“
„Oh.“ Mehr wusste er wohl nicht zu sagen.
„Aber…es muss doch nicht so bleiben?“




„Morgen Fremde.“ Lächelte der Mann und gab mir einen Kuss auf meine Stirn.
„Morgen Fremder.“
Nein! Wie konnte ich das nur tun?! Ich habe nicht nachgedacht und das war der größte Fehler, den ich machen konnte. Was sollte ich Aadish sagen? Mein Leben war ab heute vorbei.
„Oh Gott. Nein. Ich muss jetzt gehen.“
„Wieso denn? Bleib doch hier. Wir können heute den Tag miteinander verbringen.“
„Nein. Das geht nicht. Meine Eltern werden sich solche Sorgen machen!“
Ich zog mich so schnell ich konnte ich an.
„Wollen wir uns den jetzt nicht unsere Namen verraten?“
Ich blinzelte ihm noch zu und verschwand dann schnell aus seiner Wohnung. Zehn Meter weiter war gleich eine Bushaltestelle, also wartete ich hier. Ich konnte immer noch nicht glauben, was ich getan habe. Nach zehn Minuten kam der Bus und ich freute mich, als ich dort drin saß. Endlich hier weg. Mir gingen nun so viele Sachen durch den Kopf. Am besten, ich sage niemanden, irgendetwas. Aadish wird es schon nicht merken. Oder? Vielleicht findet er es ja auch gar nicht schlimm, aber das wohl eher nicht. Nach fünfzehn Minuten fahrt, traute ich mich nicht, in unser Haus zu gehen. Meine Mutter würde es mir sofort anmerken, dass ich irgendetwas habe. Ich steckte langsam den Schlüssel in das Loch und schob die Tür auf. Sofort kam meine Mutter um die Ecke.
„Laaleh! Wo warst?! Ich habe mir solche Sorgen gemacht!“
Sie nahm mich fest in den Arm. Sofort bekam ich ein schlechtes Gewissen.
„Ist ja alle in Ordnung. Ich war bei einer Freundin.“
„Bei welcher denn? Und wieso hast du nichts gesagt?“
„Kennst du nicht. Sie heißt…Christie. Ich habe vergessen, dich anzurufen. Und außerdem ich werde einundzwanzig Ana.“
„Trotzdem! So etwas hast du sonst auch nicht gemacht. Na ja, zum Glück ist alles in Ordnung.“ Sie war sehr froh darüber, dass ich wieder zuhause war. Wenn sie mich schon die eine Nacht so vermisst hat oder sich Sorgen gemacht hat, wie sollte es denn werden, wenn ich sie nur ungefähr einmal oder zweimal im Jahr sehen werde? Ich hatte solche Angst vor der Zukunft.
„Ich werde mich jetzt erst einmal duschen gehen und dann etwas essen, Ana.“
„Ja, mach das.“ Ich ging unsere Treppe hoch und schmiss nach einander meine Anziehsachen in die Ecke. Ich ließ mir Badewasser ein und wartete ein Moment.
Ich stieg vorsichtig herein und es war ein angenehmes Gefühl. Ich tauchte meinen Kopf unter Wasser und genoss es, für einen Moment nichts zu hören. Einfach nur das Rauschen von dem Wasser. Es klopfte an der Badezimmertür.
„Ja?!“ Rief ich.
„Laaleh!“ Rief meine kleine Schwester.
„Nein Ladan, jetzt nicht! Ich bade!“
Ich hörte wie ihre kleinen Füße wieder die Treppe herunter tippelten. Ich tauchte wieder meinen Kopf unter Wasser und dann klopfte es schon wieder.
„Ja?! Rief ich jetzt noch wütender.
„Laaleh, du musst auf Ladan aufpassen! Dein Bruder ist bei Freunden und dein Vater und ich fahren jetzt einkaufen.“ Ich kniff einmal feste meine Augen zusammen, stieg dann aus der Badewanne und zog mir einen Bademantel über.
„Komm Ladan, wir gehen in dein Zimmer. Bis nachher, Ana.“
Ladan hatte ein wirklich schönes Zimmer. So wie man sich ein Mädchenzimmer für eine vier Jährige vorstellt. Die Wände waren mit einem leichten rosa bestrichen und es lagen viele Barbies auf dem Fußboden. Der Fußboden war aus hellem Laminat und darauf lag ein rosa Teppich.
„Spielen wir Barbie?“ Fragte sie mich mit großen Augen.
„Ja, können wir machen.“
Ich nahm mir eine Barbie, die langes braunes Haar hatte. Es war ganz glatt und glänzte wunderschön. Ich zog ihr ein blaues Kleid an, wo gelbe Blumen drauf abgebildet waren.
„Hallo!“ Sprach sie mit ihrem Ken zu meiner Barbie. Ich wusste nicht wieso, aber ich musste sofort wieder an Aadish denken.
„Hallo Ken. Meine Eltern sagen, ich muss dich heiraten. Also komm! Lass und heiraten und versau mir mein ganzes Leben!“
Meine Schwester schaute mich komisch an, spielte aber sofort weiter. Ich hatte nicht wirklich Lust darauf, aber ich wollte auch nicht nein sagen. Nach einer halben Stunde kochte ich ihr etwas zu Essen und schaute dann mit ihr Fernsehen. Ich verbrachte den ganzen Tag mit Ladan, aber musste ständig an den Fremden denken. Morgen werde ich wieder zu meiner Bucht gehen und hoffe, dass ich ihn dort antreffen werde. Ich musste die ganze Sache klar stellen.






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