Lieben ohne Worte - Teil 4

Autor: Noa
veröffentlicht am: 22.08.2011


Kapitel 4

[„Wie weit ist es wohl noch?“, fragte Selena panisch und konnte einfach nicht ruhig sitzen bleiben.
„Es dauert nicht mehr lange.“, beruhigte Liam sie.
Obwohl es nur fünf Minuten waren, bis Emma ins Krankenhaus geliefert wurde, kam es den beiden wie eine Ewigkeit vor. Wie konnte sie nur unter den Baumstamm geraten? Sie hätte Emma nicht allein lassen dürfen. Sie wusste doch, dass ihr dazu die Stimme fehlte, um überhaupt eine Chance zu haben allein zurecht zu kommen.
Selbst Christopher war völlig ratlos. Noch immer flossen Tränen über seine Wange und er wischte sie sich schnell weg, da er schon auf dem Parkplatz Halt machte. Er glaubte dass dieses Geschehnis ihm einen Ruck verpasst, hatte, wodurch sich nun einiges ändern würde. Er akzeptierte endlich die Gegenwart.]
War das so hell! Ich wusste, dass ich mich bewegte. Meine Beine konnte ich auch wieder spüren und trotzdem tat er mir mein Knöchel unglaublich weh. Nicht nur das Licht störte mich, sondern auch die Schreie und rufe die durch meinen Ohren drangen. Meine Lider waren zu schlaff, als das ich sie hätte aufschlagen können. Ich war so schrecklich müde und erschlafft, das ich sofort wieder die Augen schloss und einschlief.
[Christopher, Selena und Liam standen vor ihrem Zimmer, indem sie sich nun ausruhte. Der Arzt kam mit einer Akte aus der Tür und schloss sie leise hinter sich.
„Sie braucht nun sehr viel Ruhe.“, meinte er und rückte seine Brille zurecht.
„Wie geht es ihr?“, fragte ihr Vater.
„Ihr Zustand ist kritisch. Sie wäre dort draußen fast erfroren. Sie trug nur ein Top, eine dünne Hose und eine dicke Wolljacke. Durch ihre Behinderung hatte sie keine Chance nach Hilfe zu schreien. Ihr Knöchel ist gebrochen und der andere Fuß schwer geprellt. Außerdem hatte sie den Nagel abgerissen von ihrem Daumen. Es könnte sein, das er sich entzündet, wenn man mal nur ihre schmutzigen Hände ansah. Morgen oder vielleicht sogar in zwei Tagen wird sie wieder zu sich kommen, aber Ruhe ist im Moment das Beste für sie.“
Alle verabschiedeten sich dankend von ihm und stellten sich ans Fenster.
Christopher blickte seine Tochter an, die dort reglos schlief. Es schmerzte zusehen zu müssen wie ihre Füße verbunden und eingegipst worden waren. Über ihrem Daumen war ein dicker Verband und im Mondschein war sie weiß. Wie sehr ihm das alles Leid tat. Von nun an würde er alles ändern. Er ließ sich nach der Arbeit nicht mehr in den Sessel fallen und bedienen, sondern lernte kochen. Er schlug mit der Faust entschlossen auf seine flache Hand. Genau das tat er jetzt auch. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, lief er aus dem Krankenhaus und fuhr nach Hause.
Selena setzte sich auf die Bank. Sie konnte jedoch nicht lange dort bleiben und stand dann sogleich wieder auf. Nervös lief sie einige Male den Gang rauf und runter. Dabei vergingen nur die ersten drei Minuten. Immer wieder blickte sie ins Fenster und schaute Emma beim Schlafen zu. Es durchfuhr sie eine Gänsehaut, bei der Vorstellung, dass sie ganze dreißig Stunden dort lag. In der Nacht musste sie doch Panik bekommen haben oder schlief sie dann? Es brachte nichts. Sie müsste morgen wieder kommen um mit ihrer besten Freundin zu sprechen. Deshalb verabschiedete sie sich von Liam und fuhr mit dem Taxi nach Hause.
Liam stand am Fenster und beobachtete Emma genauestens. Er wollte nicht gehen. Wenn er sie lächeln sah, durchfuhr ihn ein leichtes Bauchkribbeln. Sie war ein sehr besonderes Mädchen. Auch wenn ihr die Fähigkeit zu Sprechen genommen wurde, empfand er sie als normalen Menschen, mit dem man sich gut unterhalten konnte. Er wusste wie die anderen sie ansahen, die sie kannten. Wer würde schon mit einer Behinderten herumlaufen? Selena hatte ein gutes Herz. Sie schätzte das Innere eines Menschen und beurteilte sie nicht nach dem Äußeren. Obwohl Emma genauso schön aussah, wie sie es immer Inneren war. Liam fand sie bildschön. Am hübschesten waren ihre leuchtend braunen Haare, die im Sonnenlicht schimmerten und im Mondlicht wie Seide aussahen. Ihre schimmernden grünen Augen sahen wie Diamanten aus, wenn das Licht in sie hineinfiel. Ihr Lächeln verzauberte einen und auch wenn er sie nicht sehr gut kannte, entwickelte er eigenartige Gefühle für sie.]
Es dauerte einige Tage bis meine Migräne und die Gliederschmerzen aufhörten. Manchmal musste mir eine Schwester Tabletten bringen, damit ich überhaupt einschlafen konnte. Mir mangelte es an Flüssigkeit und Nahrung. Mein Vater besuchte mich jeden Tag und neben meinen Tisch standen immer neue Blumen. Sie waren aber nicht von ihm.
Mit dem Finger deutete ich auf die Blumen und blickte meinem Vater mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Er zuckte mit den Schultern und steckte seine Nase zwischen die Blüten.
„Du liebst Lilien.“, bestätigte er. „Deine Mutter hatte sie auch sehr geliebt. Du mochtest am liebsten blaue, Sarina verliebte sich in die roten. Sie sagte immer, es sei die Farbe des Sonnenuntergangs, als ich und sie uns zum ersten Mal trafen.“
In seinen Augen stauten sich Tränen und ihn schmerzte immer noch der Tod meiner Mutter. Er musste sie über alles geliebt haben.
„Übrigens hatte ich die letzten Tage stark nachgedacht und möchte mich für alles entschuldigen. Zu Hause benahm ich mich wie ein Tyrann und kommandierte dich überall herum. Das war falsch und deswegen habe ich eine Überraschung für dich, wenn du wieder nach Hause kommst.“
Meine Augen funkelten und aufgeregt hüpfte ich auf dem Bett herum.
„Erst wenn du wieder zu Hause bist.“, grinste er und schon lange hatte ich ihn nicht mehr so strahlend erlebt.
Es klopfte an der Zimmertür und mein Vater bat ihn hinein.
Liam tauchte auf und lächelte mich erleichtert an. Selena trottete ihm hinterher und fiel mir freudig in die Arme. Ich hatte ihre Gegenwart sehr vermisst. Sogar Leo schmuggelten sie heimlich ins Krankenhaus, der dann aufgeregt auf dem Boden tanzte.
Als die Stille unangenehm wurde, räusperte sich mein Vater, drückte seine Lippen gegen meine Stirn und verschwand verabschiedend aus meinem Zimmer. Selena entdeckte die Blumen und bewunderte sie.
„Dein Vater weiß wohl deine Lieblingsblumen zu schätzen. Jeden Tag stehen neue neben dir.“
Ich schüttelte heftig den Kopf und nahm FUD (Funktionierender Display) auf meinen Schoß. Nachdem ich letztens die Anleitung davon fand und ein komplizierter Name darauf stand, gab ich ihm selbst einen Namen. Darauf schrieb ich meine Aussage und sie las mit.
Danach blickte sie zu Liam der uns aufmerksam beobachtete. Dann grinste sie erkennend und Liam zog die Schultern ahnungslos hoch.
„Was guckst du so?“, fragte er.
Selena ging an ihm vorbei, klopfte auf seine Schulter und öffnete die Tür. Bevor sie sich einen Kaffee unten in der Cafeteria holen wollte, sagte sie noch: „Das du mir ja auf meine kleine Schwester aufpasst.“
Ihr Lachen war noch auf dem Flur zuhören, aber nachdem sie zufiel, blickte mich Liam musternd an.
„Was hast du geschrieben?“, fragte er interessiert. Bevor er auf die Idee kam mir FUD aus meinen Händen zu nehmen, wollte ich alles wegwischen auf dem Display, jedoch griff er schon danach. FUD wurde nach links gehoben, sodass Liam sich weiter über mich strecken musste. Dabei drückte er seine harten Brustmuskeln gegen mein Gesicht. Sein Parfum grub sich durch meine Nase und es fesselte mich für einen kurzen Moment. Mein Arm sank herunter und er schnappte sich FUD.

… sind nicht von meinem Vater. Aber ich glaube es ist der Mensch der jeden Tag neben mir sitzt, das wäre dann… Gewissenhaft…der einzige Gedanke…Sag es aber bitte niemanden.

Mehr konnte ich nicht entfernen, aber es war gut, das Liam das Wichtigste nicht lesen konnte. Was hätte er wohl von mir gedacht? Bestimmt würde er mich dann nicht mehr jeden Tag besuchen.
„Schade, ich hätte es so gerne gelesen.“, sagte er schließlich. „Aber aus den fehlenden Wörtern kann ich mir trotzdem keinen Reim machen. Es ergibt alles keinen Sinn. Du wirst es mir bestimmt sowieso früher oder später sagen.“
Ich schüttelte frech den Kopf und legte FUD aus meinen Händen. Liam blieb noch einige Stunden bei mir und erzählte mir fast alles. Die Wörter sprudelten aus seinem Mund wie ein Wasserfall heraus, der bis in den Abend hinein noch lief.
In den nächsten Tagen widmete ich mich der Schule und Selena hielt mich auf dem Laufenden. Mein Vater wurde immer munter und fröhlicher. Nun hatte er seine alte Arbeit zurück und wurde nicht mehr so depressiv, wenn ich mal Mom erwähnte. Jedoch wurde ich schon nach wenigen Tagen entlassen und besuchte glücklich meine Schule. Wenn Selena mal nicht mit mir die Pause verbringen konnte, hatte ich immer Liam an meiner Seite. Er hatte ich sehr viele Sachen zu erzählen und ich liebte es nach seiner Stimme zu lauschen.
„Komm doch einfach mit! Alt genug bist du ja und Selena hätte bestimmt auch daran Spaß.“, schlug er mir vor, jedoch hatte ich wieder einmal zu viel geträumt und nicht aufgepasst. Ich schüttelte verwirrt den Kopf.
„Auf die Oberstufenparty. Du, ich und Selena. Na, was sagst du?“
Zuerst war ich mir nicht ganz sicher, aber wann war ich schon mal feiern? Eigentlich war ich lieber das Nesthäkchen, das still in ihrem Zimmer saß und lernte. Discos, Partys, Ausflüge waren für Leute die Sprechen konnten. Wie sollte ich mir denn etwas an der Bar bestellen? FUD herausnehmen und alles aufschreiben? Die Leute würden mich auslachen oder dumm angucken! Aber vielleicht könnte Liam für mich sprechen. Dort muss es bestimmt sehr laut sein und außerdem tanzen dort doch alle. Aber allein das Gefühl spüren dazuzugehören, dafür würde ich einfach alles geben.
Nach wenigen, gut durchdachten Sekunden, willigte ich unsicher ein.
„Das wird sicher lustig. Dann werde ich dich morgen Abend abholen. Sag Selena am besten sie soll zu dir kommen. Wir fahren mit meinen Auto dort hin.
Der morgige Abend kam fiel zu verfrüht und ich war furchtbar aufgeregt. Mein Vater hatte eingewilligt, auch wenn er es für keine gute Idee hielt, aber dennoch erinnerte er sich an seine Kindheit. Schließlich dachte er sogar, dass ich dorthin gehen musste.
Selena hatte aus meinen einzelnen Kleidungsstücken, ein fetziges und atemberaubendes Outfit hergezaubert. Ich trug ein weites beiges Oberteil, verziert mit einigen glitzernden Steinchen. Das Unterteil war eine dunkle enge Röhrenjeans mit beigen High Heels. Vor dem Spiegel erkannte ich mich selbst nicht mehr wieder und drehte mich einmal um meine eigene Achse. Selena glättete meine Haare und strich meinen Pony zurecht. Die Augen schminkte ich mir selbst und geduldig warteten wir nur noch auf Liam. Als endlich die Tür klingelte, riss Selena sie auf und begrüßte ihn ungeduldig. Sie stieg schon ins Auto und Liam schaute in die Wohnung hinein. Seine Blicke suchten nach mir, bis er dann mich um die Ecke kommen sah. Seine Augen weiteten sich und sein Gesichtsausdruck verriet mir, dass er vollkommen baff war. Durch den Durchzug der Tür, stieß mir ein leichter Windstoß ins Gesicht und meine Haare flogen hinter meine Schulter. Ich grinste ihn leidenschaftlich an und musste dann lachen.
Im Auto kribbelte alles in mir. Einerseits freute ich mich total darauf, jedoch ein anderes Gefühl sagte mir, das etwas passieren wird.






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