Wir lieben die Sterne zu sehr, um uns vor der Nacht zu fürchten - Teil 11

Autor: MusicJunkie91
veröffentlicht am: 04.10.2011


Als ich ende schaut er mich nachdenklich an, doch nickt dann. „Ich hab mir schon was in diese Richtung gedacht.“ Seine Augen bleiben an meinen hängen und er schlingt schnell fest seine Arme um mich. „Jetzt kann ich viel besser für dich da sein. Ich werde jetzt besser für dich da sein. Das verspreche ich dir.“

Drei Tage später stehe ich mit gepacktem Koffer vor der Haustür und warte nervös auf Ted. Drei verschiedene Sportkurse fahren auf eine Segeltour nach Maine. An mir ist das irgendwie vorbeigegangen, aber seltsamerweise habe ich eine Anmeldung abgegeben und es ist auch alles bezahlt. Als ich meine Eltern darüber ausgefragt habe, haben sie nur gemurmelt, dass ich mal ein wenig Abwechslung brauche. Ted gehört auch zu einem der Kurse und fährt mit uns, da er sein Auto keine Woche an der Schule stehen lassen möchte, was ich absolut verstehe, bei der Karre.
Meine Mutter fährt aus der Garage und lädt meinen Koffer ein, als Ted dann auch aus der Haustür kommt und mit einem breiten Grinsen zu uns kommt. „Und Val? Bereit?“ Ich brumme und lasse mich auf den Beifahrersitz fallen. Ted lädt seine Tasche ein, die wesentlich kleiner ist als meine, und setzt sich hinter mich. „Komm schon, Val. Stell dir das mal vor, wir beide auf einem Schiff, dem Sonnenuntergang entgegen segelnd... wie romantisch das wird!“ Ich drehe mich um und werfe ihm einen wütenden Blick zu. „Erstens sind wir auf verschieden Schiffen. Und zweitens gibt’s zwischen uns keine Romantik!“ Er lacht und lässt sich in den Sitz zurück sinken. Ich lege meinen Kopf an die Fensterscheibe und schließe die Augen. Dass Ted immer solche Sachen sagen muss. Nicht, dass ich nicht gerne mit ihm auf einem Schiff wäre – auch wenn ich im weiterhin die Sache mit dem Sternenmädchen nicht glaube, vertraue ich dennoch darauf, dass er mich vor allem beschützen wird. Dass er bei mir sein wird, wenn mich wieder eine solche Vision überrollt. Ich weiß es einfach, ich spüre es. Denn wir haben eine Verbindung, auch wenn ich sie nicht zuordnen kann. Liebe ist es nicht, aber es herrscht eine unglaubliche Anziehung zwischen uns und diese möchte ich nicht mehr missen. Nur deshalb habe ich mich mit ihm vertragen, obwohl ich immer noch verletzt, sauer bin, dass er mich drei Monate vollkommen ignoriert hat.
Wir kommen an der Schule an und steigen aus. Ich verabschiede mich mit einer langen Umarmung von meiner Mutter und lasse Ted meinen Koffer zum Bus tragen. Ich trotte ihm hinterher und schaue mich um. Viele Mädchen tuscheln, Piper wirft mir tödliche Blicke zu. Viola sitzt blass in einer Ecke und Kristina redet mit einer neuen Mitschülerin.
Ted sieht, dass ich mich unwohl fühle, vielleicht spürt er es auch. Schnell bringt er die Koffer weg, kommt dann zu mir und nimmt mich in den Arm. „Sitzen wir im Bus nebeneinander?“ Abwesend nicke ich. Violas Aussehen macht mir Sorgen. Sie hat dicke Augenringe, blaue Flecken an den Armen. Langsam mache ich mich wieder von Ted los und gehe zu ihr. „Vi?“ Sie dreht sich weg und flüstert: „Lass mich zufrieden, Val. Ich dachte, wir sind Freunde.“ Mir steigen Tränen in die Augen. „Es tut mir so leid.“ „Dafür ist es jetzt auch zu spät.“ Sie dreht sich wieder zu mir und ich sehe, dass sie noch viel schlimmere Verletzungen hat, als ich geahnt habe. Ich lasse mich auf die Knie fallen, ziehe sie in meine Arme und fange an zu weinen. „Ich habe so gehofft, dass es nicht passiert, wirklich, ich hatte so Angst, so Angst, die ganze Zeit, ich...“ Auch sie fängt an zu weinen und klammert sich fest an mich. So bleiben wir eine Weile sitzen, bis ich eine sanfte Hand auf meinen Haaren spüre. „Kommt, wir müssen in den Bus“, flüstert Teds sanfte Stimme. Viola lässt mich schlagartig los, springt auf und geht schnell weg. Ich schaue zu Ted hoch. Dieser sieht mich besorgt an und hilft mir dann hoch. „Habt ihr euch wieder vertragen?“ Traurig schüttle ich den Kopf und legt ihn dann an seine Brust. „Ich habe... Visionen. Von ihr. Seit ich dich kenne.“ Seine Arme legen sich um meine Taille. „Magst du mir erzählen was für welche?“ „Wir müssen in den Bus.“ „Ja... aber...“ „Wenn wir das nächste Mal allein sind, ja?“
Kaum, dass wir losfahren, schlafe ich ein. Ich habe mir mal wieder meine Kopfhörer in die Ohren gesteckt und die Musik voll aufgedreht und mich in eine gemütliche Position gebracht. Ted dient als Kissen, was er ziemlich zu genießen scheint, jedenfalls hat er ein zufriedenes Grinsen auf den Lippen.
Aber das ist auch alles, was ich von der Fahrt mitbekomme. Selbst in den Pausen schlafe ich einfach weiter. Kann mir das jemand verübeln? Ich habe schon lange nicht mehr so gut geschlafen. Und ich träume nicht. Ausnahmsweise. Ted weckt mich erst, als wir da sind. Verpennt schaue ich mich um, nur um mich erneut an ihn zu kuscheln. „Will nicht aufstehen.“ Er lacht. „Musst du aber, du Langschläferin.“ „Nein. Trag mich.“ Ich schlinge meine Arme um seinen Hals und schließe wieder die Augen. Natürlich hört er auf mich und hebt mich hoch. Zuerst trägt er mich raus und setzt mich auf eine Bank, dann geht er erneut in den Bus, holt unsere Taschen und anschließend auch noch unsere Koffer. „Hey, soll ich dir was erzählen?“, fragt er, während er sich neben mich setzt und mich schief angrinst. „Auf dem Schiff von meiner Klasse gibt es einen Kerl zuviel. Jemand musste sich freiwillig melden um auf einem anderen zu schlafen, damit es mit den Zimmern hinkommt. Und wie es der Zufall will war bloß bei euch noch ein Platz frei.“ Ich lege meinen Kopf mal wieder an seine Schulter und gähne laut. „Natürlich hast du dich gemeldet. Und es war nur Zufall.“ „Es war wirklich Zufall. Sie haben sich da total verplant.“ Ich öffne die Augen und schiele zu ihm hoch. „Das gefällt dir, oder?“ Er nickt grinsend und drückt mich an sich. „Ich kann mit meiner Prinzessin zusammen sein, was will ich mehr?“ „Dich in ein Mädchen aus deinem Kurs verlieben.“ Ich stehe auf und nehme meinen Koffer in die Hand. „Deine Gefühle für mich verlieren. Du musst nicht mit auf mein Schiff – du musst mir nicht nah sein. Ich weiß, dass du auch so in der Nähe bist und auf mich aufpasst.“ Langsam gehe ich zu dem Schiff, auf dem sich mein Kurs versammelt und setze mich neben die noch immer verheulte Viola. Sie rutscht sofort weg, was mir einen leichten Stich versetzt, aber ich kann dagegen ja nichts tun. Vielleicht hätte ich ihr von meinen Visionen erzählen sollen...
Als Ted sich neben mich setzt passiert es automatisch. Mein Kopf findet wieder die Kuhle an seiner Schulter und meine Arme legen sich um seine Brust. Wir hören unserem Skipper und dem Matrose zu, wie sie erklären, was in den nächsten Tagen so passiert, und bringen danach unsere Sachen runter. Wieder oben verlassen wir den Hafen, setzten dann die Segel. Hinterher zieht Ted mich zum Klüver, einem Segel am Bug des Schiffes. Dort ist ein Netz gespannt, das über dem Wasser liegt, in das er hereinklettert. Ich verschränke die Arme vor der Brust und schaue ihn an. „Da soll ich rein?“ Zwischen Bug und Netz sind nämlich bestimmt dreißig Zentimeter Platz. Wenn ich da reinfalle, dann bin ich tot. „Ich helfe dir.“ Er steckt seine Hand aus und nach einem kurzem Zögern nehme ich sie. Ich lege mich mit ihm zusammen in das Netz und schmiege mich an ihn. „Jetzt erzähl mir von den Visionen.“ Einen Moment schaue ich ihn an, nicke dann und erzähle leise davon, was ich die letzten Monate gesehen habe. Viola. Viola, wie sie wieder und wieder gequält wurde. Jetzt, da ich weiß, dass es wirklich geschehen ist, kann ich ihren Namen aussprechen und versuchen, sie davor zu schützen, dass auch die erste Vision in Erfüllung geht.
Ted hört mir zu und drückt mich dann fester an sich. „Wie sieht der Mann aus?“ Ich zucke mit den Schultern. „Ich hab sein Gesicht nie gesehen und er ist immer komplett schwarz gekleidet und hat eine Kapuze auf. Und dann ist da ja noch die Maske.“ Er beißt sich auf die Unterlippe. „Ich werde herausfinden, wer es ist. Denn wenn er deine beste Freundin quält, kann er auch zu dir kommen.“ Ich schaue ihn an und legt meine Wange an seine. „Ich glaube, es geht um mich. Hab ich so das Gefühl.“ Seine Umarmung wird noch fester, ich hab das Gefühl gleich erdrückt zu werden. Aber es fühlt sich auch gut an, ich würde ihm am liebsten noch näher sein. Prompt schiebt sich unsere Liebesnacht vor mein inneres Auge und ich werde knallrot. Auch wenn versuche diese Gedanken wegzuschieben, bringt es nicht, ich muss wieder daran denken, wie sich seine Hände auf meiner Haut angefühlt haben, seine Lippen, an seinen Körper und sofort will ich, dass wir nackt sind. Ich presse mich an ihn, meine Lippen finden seine. Ich spüre seine Überraschung, aber dann auch, wie sein Widerstand fällt und er meinen Kuss erwidert. Warm, liebevoll. Ich will mehr, mehr, mehr. Meine Hand schiebt sich unter sein T-Shirt, sie gleitet über seine Brust, ich... da werden wir unterbrochen.
„Val?“ Es ist Violas Stimme, früher voller Selbstbewusstsein, doch jetzt gebrochen und leise. Sofort löse ich mich von Ted, klettere aus dem Klüvernetz und schließe sie in meine Arme. „Vi, bitte, bitte, verzeih mir.“ Sie schaut mich müde an und flüstert: „Hast du meinen Tod gesehen?“ Mir steigen Tränen, langsam nicke ich. „Tut er sehr weh?“ Ich zucke mit den Schultern, setze mich auf den Boden. „Schon, irgendwie. Aber es gibt schlimmere Sachen.“ Ein leises Schluchzen entweicht mir. „Du darfst nicht sterben!“ Sie lässt sich neben mich fallen und fängt wieder an zu weinen. „Meinst du, meinst du ich will das? Ich will noch so viel erleben! Ich will Carlos heiraten, Kinder mit ihm bekommen!“ Ich nehme sie in den Arm, drücke sie fest an mich. Will sie trösten, nicht nur sie, auch mich.
Ted hält sich zurück, bleibt einfach in dem Netz liegen, wartet darauf, dass Viola und ich unsere Differenzen klären.
Nach einer Weile löst sie sich von mir und flüstert: „Er fragt immer wieder nach dir. Er will wissen, was du kannst, wieso du es kannst. Ich hab es ihm nicht erzählt. Ich wollte dich nicht verraten, du bist immerhin meine beste Freundin – auch wenn ich nicht mehr mit dir geredet hab, was einfach daran lag, dass ich eifersüchtig war. Du bist jemand Besonderes, im Gegensatz zu mir. Und als du mir erzählt hast, dass du mit Ted geschlafen hast... zu dem Zeitpunkt war ich immer noch Jungfrau. Weißt du, ich war so lange mit Carlos zusammen. Wir hatten alles so geplant... es hat nicht geklappt. Ich hatte zu schlimme Schmerzen. Ich hab erst vor zwei Tagen mit ihm... und du hast gesagt, dass alles wunderschön war, außer dass du dich erstmal nicht mehr erinnert hast. Ted ist aber auch ein Fang.“ Sie schaut mich an. „Es tut mir so leid, Val. Wirklich.“ Ich nicke. „Ich bin doch selbst Schuld. Ich hätte nicht als rumjammern sollen. Und vorallem hätte ich dir erzählen sollen, was ich sehe.“ Ich umarme sie erneut. „Ich hab dich so lieb, Vi.“ „Ich dich auch, Val.“ Sie drückt sich fester an mich. „Und diesmal stehen wir zu dieser Freundschaft, ja? Es ist mir jetzt egal, was Piper und so denken, wer weiß, wie lange ich noch zu leben habe.“ Sie küsst mich auf die Wange, steht dann auf und geht zurück zu den Sitzplätzen, wo der Rest des Kurses sitzt. Zwei Sekunden später hockt Ted neben mir. „Alles wieder gut?“ „Zwischen ihr und mir? Ja.“ Ich schaue ihn an. „Aber wir müssen endlich klären, was jetzt mit uns ist. Ich meine, du sagst, du darfst mich nicht lieben, aber du tust es doch offensichtlich.“ „Durchaus, ja.“ „Und ich.“ Ich schließe die Augen. „Ich will dich nicht lieben.“ Er schweigt und wartet darauf, dass ich weiterspreche. „Aber das tue ich“, beende ich meinen Satz.


_________________________

Hach, ich hatte so viele Ideen, während ich über das Ijsselmeer gesegelt bin. Mal schauen, ob ich die alle unterbringen kann ^^


Über konstruktive Kritik freu ich mich, wie immer :)





Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9 Teil 10 Teil 11 Teil 12 Teil 13 Teil 14 Teil 15 Teil 16 Teil 17 Teil 18 Teil 19 Teil 20


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz