Love Line

Autor: Addielein
veröffentlicht am: 16.06.2011


Wild um sich schlagend suchte Lotta den Wecker. Verschlafen drehte sie sich auf den Bauch und griff blind nach ihrem Handy; 7:22 Uhr. Sie öffnete die Augen und stöhnte.
„Kannst du nicht dieses Scheiß Ding ausmachen?!“ fauchte Milo, welcher mit einem Schlafsack auf dem Boden lag.
„Ich mach’s ja schon“ Lotta verdrehte genervt die Augen, schaltete den Wecker aus und richtete sich auf. Ihr Kopf dröhnte und ihr Knie schmerzte. „Milo?“
„Mhm?“
„Bin ich gestern Abend hingefallen?“
„Weiß ich nicht, tut mir Leid“
„Idiot“ zischte sie, stand auf und zog einfach die Klamotten an die rum lagen. Gestern war der letzte Schultag gewesen. Der letzte Schultag für immer. Sie hatte ihre letzte Prüfung geschrieben und war dann mit Linn, Jule und Mel (ihren drei besten Freundinnen) feiern gegangen. Jetzt musste sie nur noch alle Prüfungen bestanden haben und sich durch’s mündliche Abi quälen, dann war sie mit der Schule fertig – für immer!
In der Alten Feuerwache, in Mannheim, hatte die Band, in der Milo Drummer war ihren ersten Gig gehabt.
„Ich muss hingefallen sein!“ mutmaßte Lotta weiter und betrachtete ihr blaues Knie.
„Kann sein. Vielleicht bist du die Treppe hinunter gefallen“ Milo richtete sich auf und schaute auf sein Handy: „Linn hat geschrieben… Wer zum Teufel ist Linn?!“
„Die Kleine von gestern. Die mit den dunkelblonden Haaren. Du müsstest sie kennen; sie ist meine beste Freundin“
„Ahhh“ machte Milo und Lotta wusste trotzdem, dass er keine Ahnung hatte, von wem sie redete. Sie lachte leise und setzte sich dann neben ihn auf die Isomatte, auf der Milo immer schlief, wenn er bei Lotta im Jugendwohnheim übernachtete. Lotta war kein Sozialamt-Problemkind; ihre Eltern mussten einfach nur aus beruflichen Gründen in die Schweiz ziehen, und da Lotta nicht im letzten Jahr vor dem alles entscheidenden Abi die Schule wechseln wollte, blieb sie in Mannheim und zog ins Kolpinghaus, ein Wohnheim für Schüler, Studenten und Azubis.
„Was hat sie denn geschrieben?“ fragte Lotta und versuchte einen Blick auf Milos iPhone zu erhaschen.
„Sei’ doch nicht immer so neugierig, Charlotta!“ Milo schubste sie spielerisch, reichte ihr dann aber doch sein Handy. „Nur weil du’s bist“ Als seine beste Freundin durfte sie so manche Vorzüge genießen.

Hey Milo, ich wollte nur wissen, ob du und Lotti gut nach Hause gekommen seid. War ja ganz schön spät gestern. Lg, Linn.

Lotta runzelte die Stirn. „Linn hat sich an Worten übertroffen. Die SMS, die sie an mich schickt, beinhalten nur halb so viele Zeichen“ Sie kicherte und stand schließlich auf. „Was hast du heute vor?“
„Probe mit der Band“ Auch Milo stand auf und zog sich sein weißes T-Shirt über den Kopf. Die helle Farbe des Weiß’ stellte einen starken Kontrast zu seiner sonnengebräunten Haut dar.
Kurz betrachtete Lotta ihn, dann lächelte sie sanft und warf ihm seine Hose zu. „Du weißt schon, dass alle im Haus denken, du bist mein Freund“
Milo zuckte mit den Schultern: „Sollen sie doch denken! Du bist wie eine Schwester für mich und das wissen wir beide“
„Allerdings!“ stimmte Lotta zu und wuschelte ihm durch die dunkelblonden Haare. „Und jetzt ab mit dir. Du musst nach Hause und ich muss zu Mel“
Milo zog skeptisch eine Braue nach oben: „Die, die jetzt schon verlobt ist? Mit – wie heißt er noch mal?“
„Jens“
„Genau, Jens. Schwachkopf“
Lotta zog eine Grimasse und schlug Milo spielerisch gegen die Schulter. „Er kann ganz nett sein. Und wenn sie ihn liebt“
„Ja, ja!“ meinte Milo ungeduldig und verdrehte die Augen. Lotta wusste ganz genau, dass er nichts von Liebe hielt. Und schon gar nichts von ewiger Liebe. Deswegen würde er eigentlich auch ziemlich gut zu Linn passen, welche ähnliche Ansichten, wie Milo hat.
Lotta lachte leise, wuschelt Milo noch mal durch die Haare und schob ihn dann durch die Tür nach draußen auf den Flur.
Zwei Zimmer weiter stand ebenfalls ein Junge auf dem Flur. Kurz warf Lotta ihm einen Blick zu. Dunkles, leicht gewelltes Haar, gebräunte Haut, dunkle Klamotten (und das im Sommer!). Vor ihm stand Tina, eine Nachbarin und Freundin von Lotta im Kolpinghaus.
„Ich ruf’ dich an, Lotti“ meinte Milo, drückte Lotta kurz an sich und schulterte sich seinen Gitarrenkoffer und ging.
Kurz schaute sie Milo noch hinterher, dann warf sie einen erneuten Blick zu Tina und dem jungen Mann, dessen Namen sie nicht kannte – und eigentlich auch gar nicht kennen wollte.
Die beiden küssten sich und Lotta lächelte. Die Liebe ist etwas Schönes, dachte sie bei sich. Doch sofort wurde ihr Blick traurig. Seit Dino sie vor sechs Monaten wegen einer anderen verlassen hatte, sah es in puncto Liebe eher schlecht bei Lotta aus.
Dino war ihr erster Freund und auch ihre erste große Liebe. Und entgegengesetzt der Erwartungen von Mel und Jule, spielte Dino kein Spiel mit ihr – na ja, zumindest ein halbes Jahr lang schien er es ernst mit ihr zu meinen. Dann betrog er sich mit einer Schlampe namens Katharina und verließ Lotta. Der Traum von der großen Liebe war geplatzt.
Schnell vertrieb Lotta den Gedanken. Sie wollte nicht mehr an Dino denken. Dino war für sie gestorben; und zwar für immer!

„Zwei Caramel Macchiato, bitte“ bestellte Mel für Jule und sie. Dann drehte sie sich zu ihrer Cousine um: „Wie liefen deine Prüfungen?“
Jule strich sich die dunkelblonden Locken zurück und seufzte: „Ganz ehrlich? Ich kann es nicht einschätzen. Ich habe keine Ahnung“
Mel lachte und nahm die beiden Tassen von Starbucks entgegen. „So ging’s mir auch“
„Ach, das sagst du nur, damit ich mich nicht so schlecht fühle“
„Nein, das meine ich vollkommen ernst!“
Die beiden ließen sich auf die mokkabraunen Sessel nieder und Jule schlug sofort die Beine übereinander, damit man ihr nicht unter ihren Rock schauen konnte. „Wie geht es Jens?“
Jens war der Freund von Mel und das schon seit ungefähr fünf Jahren. Mit 16 hatte sie sich unsterblich in ihn verliebt und schon immer durfte sich die Geschichten über ihn zuhören.
„Ach, ganz gut. Aber die Arbeit im Krankenhaus nervt ihn. Die vielen Schichten…“ Mel wurde von Jule unterbrochen: „Ach ja, stimmt. Er arbeitet ja als Krankenschwester“ Spöttisch blinzelte sie Melanie zu, welche genervt aufstöhnte und mit dem Kopf schüttelte: „Krankenpfleger! Er arbeitet als Krankenpfleger“
„Ist ja gut“ kapitulierte Jule und nahm einen Schluck von ihrem Kaffee, wobei sie sich die Zunge verbrannte und zusammenzuckte. „Wann bist du gestern nach Hause?“
„Relativ früh schon. Ich war müde und in…“ Mel warf einen Blick auf ihre Uhr. „…zwei Stunden habe ich eine wichtige Vorlesung“
„Hm…“ erwiderte Jule daraufhin nur und Mel redete einfach weiter: „Außerdem hatte ich keine Lust mit weiter ansehen zu müssen, wie Linn diesen Typen anschmachtete“
„Welchen Typen?“ fragend zog Jule die Brauen nach oben.
„Na, der Typ, mit dem Lotta gekommen war“
„Ah, du meinst Milo. Ihr bester Freund“
„Ach, komm. Zwischen denen läuft doch mehr!“
Jule lachte und schüttelte mit dem Kopf: „Nein, wirklich nicht! Dafür kennen sich die beiden einfach viel zu gut“
Mel kicherte, wurde dann aber wieder ernst: „Außerdem ist sie über die Sache mit Dino immer noch nicht hinweg“
Jule nickte nur und trank wieder einen Schluck von ihrem Kaffee. Dann sagte sie: „Kannst du was für dich behalten?“
„Immer doch!“
„Wenn meine Prüfungsergebnisse da sind wollen Tom und ich nach Berlin ziehen. Wir beide, in eine gemeinsame Wohnung“
Sofort fiel Mel alles aus dem Gesicht: „Was?! Deine Mutter wird dich umbringen“
„Ich weiß, ich weiß“ sagte Jule schnell. „Ich weiß auch noch nicht so genau, wie ich es ihr beibringen soll“
„Am besten gar nicht! Die lässt dich nicht gehen“
„Oh doch! Sie muss!“ widersprach Jule energisch. „Toms Eltern und sein Bruder wissen es schon. Sie sind mit einverstanden…“
„Tom hat einen Bruder?!“
Genervt stöhnte Jule auf und zog misstrauisch die Brauen nach oben: „Milo?!“
„Kein Wunder, dass man da nicht durchblickt“ Mel lachte herzhaft und leerte ihre Kaffeetasse. Dann stand sie auf, beugte sich zu Jule herüber und küsste sie auf beide Wangen: „Tut mir Leid. Aber ich muss los – und ich schwör dir, deine Mutter lässt dich nicht gehen“
Jule verzog das Gesicht zu einer Grimasse und schüttelte dann mit dem Kopf: „Ach, ich kriege das schon hin“








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