Das Leben ist wertvoll - Teil 6

Autor: Anna :)
veröffentlicht am: 04.06.2011


Hey Leuts, danke für die netten Kommentare, obwohl ich so das Gefühl habe, dass ich euch mit meinen Geschichten immer zum Weinen bringe. Ich hoffe, dem ist nicht so... :D LG
_________________________



„Tücher! Tücher, schnell!“
Etwas Weißes flog an ihren Augen vorbei und sie spürte eine leichte, aber unangenehme Nässe an ihrer Haut. Der Schmerz raubte ihr fast das Bewusstsein. „Sie hat hohes Fieber, wir brauchen Eis zum Kühlen.“ Eine sanfte Frauenstimme nah an ihrem Ohr. „Entspannen Sie sich, Mrs. Evans. Sie werden durchkommen.“ Dann wurde alles schwarz.

Der grüne Strich auf dem Bildschirm des EKG wurde von regelmäßigen Wellen erschüttert. „Herzschlag konstant“, dokumentierte eine braunhaarige Schwester mit einer ungewöhnlich sanften und angenehmen Stimme. Morgana öffnete die Augen. Die Lider flatterten noch eine Weile, dann konnte sie sich orientieren.
„Wo bin ich?“, murmelte sie und musterte die kleine Schwester.
Diese lies ein sympathisches Lächeln erscheinen.
„Guten Abend, Mrs. Evans. Sie sind im Vinzentius – Krankenhaus. Wie geht es Ihnen?“
„Warum bin ich hier?“, stellte sie eine Gegenfrage, die Erkundung nach ihrem Wohlbefinden ignorierend. Die Schwester schaute auf ähnliche Weise in ihre Akten, wie Dr. Griffin es tat.
„Sie haben Glück“, stellte sie fest. „Um ein Haar hätten wir das Baby verloren.“
Morgana riss die Augen auf, denn die Erinnerung kam nicht langsam und schonend, sondern hart und grausam.
„Wo ist er?“, presste sie hervor. „Wo ist dieser-“
„Wen meinen Sie?“, unterbrach die Schwester sie stirnrunzelnd.
„Doch nicht etwa den netten Herrn, der Ihnen das Leben gerettet hat.“
„Was?“
„Nun ja. Hier hat ein gewisser Mr. Evans angerufen und einen Notfall gemeldet.“ Sie deutete auf Morgana. „Ihren Notfall.“
Morganas Herz setzte einen Moment aus, was man auf dem EKG sehen konnte. Die gleichmäßige Erschütterung der grünen Linie hörte für einen Moment auf, um dann wieder in derselben Ebenmäßigkeit fortzufahren.
„Dave Evans?“, stieß sie hervor.
Die Schwester lächelte. „Ja. Genau der.“
Morgana richtete sich auf. „Er hat mir das angetan“, sagte sie und sah die Schwester mit einem, von Tränen verschleierten Blick an.
Diese klopfte ihr beruhigend auf die Schulter und drückte sie sanft ins Kissen zurück. „Mrs. Evans“, sagte sie, wie man mit einem kleinen Kind redete. „Das ist doch höchst unwahrscheinlich. Warum sollte Mr. Evans Ihnen das antun und dann hier anrufen? Das macht doch keinen Sinn.“
Morgana verstand. Man glaubte doch lieber dem netten Lebensretter, als der verwirrten Patientin.
„Er ist mein Mann“, sagte sie kalt. „Er will das Baby nicht, denn wenn ich es bekommen würde, würde ich sterben. Das“, sie deutete auf ihren Bauch. „hat er getan, um mich zu retten, wie er es ausdrückt.“
Die Schwester sah sie einen Moment lang mit undefinierbarem Blick an und sah noch einmal in ihre Akten. „Aber warum treiben Sie es nicht einfach ab?“
Morgana sank erschöpft zurück. Waren denn alle verrückt geworden? War denn keiner mehr für das Leben, anstatt gegen es?
„Ist das Leben meines Mädchens nicht genau so viel Wert wie Ihres oder meins?“ Sie schaute die Krankenschwester während der Frage so durchdringend an, dass diese schließlich den Blick senkte.
„Ihre Geschichte ist sehr unwahrscheinlich“, sagte sie dann ungerührt.
„Ich werde sie nicht in der Akte dokumentieren. Schlafen Sie jetzt. Sie sind erschöpft.“
Sie wandte sich ab und wollte das Zimmer verlassen. Morgana wollte auf keinen Fall, dass sie ging.
„Warten Sie“, rief sie. Die Schwester stoppte und drehte sich langsam um.
„Ist mein Baby in Ordnung?“
Sie nickte. „Ja, der Schlag war zwar fest, aber das Baby wurde nicht verletzt. Allerdings müssen Sie den Fötus sowieso abtreiben. Er hat Schieflage, unmöglich zu gebären.“
„Das weiß ich bereits.“
Die Schwester nickte. „Gute Nacht, Mrs. Evans. Morgen wird die Lage anders aussehen. Ihr Mann hat Ihnen übrigens Blumen mitgebracht.“ Sie zeigte lächelnd auf einen kleinen Strauß Rosen und ging dann hinaus.
Morgana lag noch lange so da, und lauschte dem monotonen Geräusch des EKG. Rosen. Die Blumen der Liebe. Welche Ironie, dachte sie bitter.
In einem Anflug von Wut nahm sie die Rosen aus der Vase und schleuderte sie zu Boden. Da lagen sie nun. Immer noch schön und ansehnlich. Morgana rannen Tränen über die Wange. Sie würde Dave nie vergeben was er ihr angetan hatte. Selbst wenn sie es wollte, sie könnte es nicht. Er hatte versucht, das Baby umzubringen. So etwas war unverzeihlich.

„Ihr geht es gut, dem Baby auch.“
Schwester Rosalie lächelte den gutaussehenden Mann vor ihr an. Sie mochte Happy Ends, ein Unfall, ein paar Tage Krankenhaus und alles war wieder gut. Eine glückliche Familie. Ja, das gefiel der untersetzten, moppeligen Krankenschwester sehr.
Daves Gesicht verzerrte sich. „Es geht ihr gut?“
Schwester Rosalie nickte lächelnd. „Ja, das Baby hat es überlebt. Ich weiß zwar nicht, wer einer Schwangeren so etwas angetan haben könnte, aber es hat ja noch mal ein gutes Ende genommen.“ Dave fuhr sich mit der Hand über die verschwitzte Stirn. Er war von zu Hause bis zum Krankenhaus gerannt, nur um von dieser dicken, mondgesichtigen Person zu erfahren, dass es dem Kind gut ging. Das war nicht sein Plan.
„Da haben Sie Glück gehabt, dass das Kleine noch lebt.“
Er sah die immer noch lächelnde Schwester mit einiger Abscheu an, hinter einer höflichen Fassade.
„Ja...Glück.“

„Hush, little baby, don't say a word. Mama's gonna buy you a mockingbird…”
Ohne es zu merken, sang Morgana das Schlaflied vor sich hin und streichelte den Bauch.
„And if that mockingbird won't sing, Mama's gonna buy you a diamond ring.”
Die Tür öffnete sich. Sie lies von der prallen Kugel ab und erstarrte im nächsten Moment.
„Du wagst es…du wagst es, hier her zu kommen?“, fragte sie mit leiser Stimme, die von unterdrückter Wut bebte. Dave trat ruhig an ihr Bett.
„Hallo Schatz“, sagte er ruhig.






Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9 Teil 10 Teil 11 Teil 12


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz