Sommerregen - Teil 4

Autor: Yaksi
veröffentlicht am: 17.05.2011


Wir brauchten eine gute halbe Stunde, bis wir schließlich bei einem großen, isolierten Holzhaus ankamen. Es stand mitten auf einem Hügel, welcher von einer riesigen Waldlandschaft umgeben war. Das Haus wurde wegen der Bäume in einen düsteren Schatten eingetaucht, obwohl die Sonne am Horizont immer noch dem Himmel einen rötlichen Schimmer verlieh. Ich blickte mich kurz um und bemerkte, dass wir nur knapp zwanzig Leute waren, was mich gar nicht verwunderte. Die Mutter von Raphael und der Vater von Aliza waren beide Einzelkinder, so dass es nicht viele Tanten und Onkels gab und dann erst recht keine Cousinen und Cousins.
Mir fiel auf, dass es außer Ivan und mir nur zwei weitere Kinder gab. Ein Junge, der ungefähr zehn Jahre alt war und ein circa zwölf Jahre altes Mädchen. Na, das konnte ja heiter werden. Wir vier wurden gemeinsam in ein kleines Zimmer im ersten Stock gesteckt, wo zwei Hochbetten, ein Schreibtisch und ein paar Schränke verirrt im Raum standen.
Ich drehte mich einmal um die eigene Achse, ehe ich mich seufzend auf das untere Bett fallen ließ und meinen Zeichenblock aus der Tasche kramte. Kurz warf ich noch einen Blick auf die Uhr, die mir mitteilte, dass es 19:38 Uhr war. Und die Kinder waren hyperaktiv.
„Ich will oben schlafen!“, brüllten das Mädchen und der Junge gleichzeitig, während sie hastig auf die oberen Betten kletterten – das Mädel war über mir. Das andere Hochbett an der gegenüberliegenden Wand, wo der kleine Junge aufgeregt auf dem oberen Bett hoch und runter hopste, knatschte gewaltig unter seinem enormen Gewicht. Für sein Alter hatte er große Pausbäckchen und einen etwas rundlichen Bauch. Ich versuchte ihn einfach zu ignorieren.
Mein Zeichenblock besaß nur noch lose Bilder, die ich irgendwann mal herausgerissen hatte, um sie wegzuschmeißen, mich dann aber nicht überwinden konnte. Schließlich fand ich aber noch ein freies Blatt und spitzte hastig meinen Bleistift an, während ich Ivans neugierigen Blick im Augenwinkel bemerkte, als er sich an den Schreibtisch setzte. Ich machte es mir auf meinem Bett gemütlich und setzte mich auf die Bettdecke, die schon frisch überzogen war. Dann schloss ich die Augen und ließ ein paar Bilder in meinem Inneren auftauchen, während der Stift sich wie von Zauberhand auf dem Blatt bewegte. Das Bild, das ich in meinem Kopf hatte, war nicht gerade die schönste Erinnerung, die ich besaß. Ich konnte sogar die perverse Pilz-Zwiebel-Suppe riechen und das nasse T-Shirt an meiner Haut kleben fühlen, als ich damals einen Blick auf einen Tisch geworfen hatte, der von drei Leuten besetzt worden war.
„Sofie! Mirco! Oma Lisbeth hat ein Spiel für euch vorbereitet!“, ertönte die freundliche Stimme einer Frau. Ich seufzte und schlug die Augen wieder auf, während ich aus meinem Bett robbte und den Block krampfhaft in meinen Händen festhielt. Hier in diesem Haus würde es jetzt sicherlich laut werden, wenn die beiden aufgeweckten Kinder ein Spiel spielen würden. Da wollte ich mir doch lieber einen anderen Platz suchen.
Das blonde Mädchen kletterte aufgeregt vom Bett und klatschte in die Hände, bevor sie auf einmal losrannte und geradewegs in mich hineinlief, als ich vom Bett aufstand. Sofie brachte mich ins Stolpern und riss mit ihrem Aufprall meinen Block aus den Händen, während sie taumelnd weiterrannte und mir noch ein kleinlautes „Entschuldigung“ an den Kopf warf. Ihr dicklicher Bruder verfolgte sie.
Ich seufzte und massierte wieder meine Schläfen, ehe ich mich hinkniete und meine zerstreuten Zeichnungen aufsammelte.
„Ich wusste gar nicht, dass du künstlerisch begabt bist“
Ich zuckte zusammen, als ich seine Stimme hörte. Vorsichtig kniete Ivan sich neben mich und nahm das Bild, das ich gerade angefangen hatte zu malen, in die Hand.
„Naja, ich zeichne nur ein wenig. Nichts Besonderes“, meinte ich und betrachtete ein Bild, das ich auf der Klassenfahrt vor zwei Jahren gemalt hatte: Kaylee und Sasha lehnten beide an einem Baum und plauderten ein wenig. Damals hatten sie bestimmt noch nicht gewusst, dass sie zusammenkommen und meine beste Freundin irgendwann von ihm schwanger werden würde. Falls es denn überhaupt stimmte und nicht irgendein Fehler unterlaufen war.
„Nichts Besonderes?“, schnaubte Ivan und deutete auf ein Bild, das mal wieder meine Sehnsucht zur Freiheit darstellte. Ich fühlte mich auf einmal unbehaglich und ertappt, als hätte jemand ein Tagebuch von mir gelesen und würde nun all meine Wünsche kennen. Meine Zeichnungen waren privat.
Hastig nahm ich ihm das Bild aus der Hand und legte schnell die anderen künstlerischen Werke in meinen Block zurück. Ich rappelte mich auf, verstaute den Zeichenblock in meinem Rucksack und zupfte mein Kleid zu Recht, das mir ein wenig hochgerutscht war.
„Tut mir leid, wenn ich zu neugierig und unhöflich war“, meinte Ivan und war in einer einzigen, fließenden Bewegung wieder auf den Beinen. Ich seufzte. Wollten sich heute etwa alle Jungs bei mir entschuldigen? „Aber…irgendwie habe ich das Gefühl, dass die Bilder viel mehr über dich aussagen, als du von dir preisgibst“
Überrascht schaute ich auf und blickte in seine hellbraunen Augen, die mich so intensiv anschauten, dass ich wieder den Blick abwenden musste. Ich sollte etwas sagen. Irgendetwas. Doch ich bekam einfach nicht den Mund auf.
Und dann spürte ich plötzlich seine Nähe. Seine Wärme und sein Duft nach…Schokolade. Dabei bemerkte ich, wie mein Herz aufgeregt gegen meine Brust klopfte und ich heftig schlucken musste. Während mein Kopf schwirrte, bereitete sich ein mulmiges Gefühl in mir aus. Gleichzeitig konnte ich aber auch eine gewisse Glückseligkeit fühlen. Was war nur mit mir los?
„Ebby? Alles in Ordnung mit dir? Du siehst blass aus“, hörte ich seine Stimme und wurde ruckartig aus meinen Gedanken gerissen. Ich blinzelte Ivan verwirrt an und bemerkte, dass er nur ungefähr eine Armlänge von mir entfernt war.
„Mir ist schlecht“, sagte ich und rannte hastig aus dem Zimmer raus. Ich brauchte Luft. Frische Luft zum Atmen.
Die Kinder tollten lachend in der Küche rum, während irgendeine alte Frau einen Teig knetete– wahrscheinlich war das Oma Lisbeth.
„Die Erwachsenen und das Brautpaar sind in ein Restaurant gefahren“, hörte ich die Stimme der alten Dame. „Sie meinten, ihr würdet auch gut allein zurechtkommen. Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen“
Dankbar lächelte ich Oma Lisbeth an und verschwand hastig nach draußen auf die Veranda. Es war schon ein wenig kühler geworden und auch der Himmel schien jetzt dunkler zu sein.
Ich zog meine Schuhe aus, stellte sie neben die Tür und lief seufzend den Hügel hinunter über das trockene Gras. In diesem Moment fühlte ich mich ein bisschen lebendiger und ließ mich langsam auf die Grashalme fallen, die sich sanft im kühlen Wind bogen. Ich dachte kurz an meinen Vater, was er wohl gerade machte und an Kaylee, wie so wohl reagieren würde, wenn ich ihr von Derick erzählen würde. Oder von Drew und Sasha, die beide auf der Hochzeit aufgetaucht waren. Oder von Donna und Ivan.
Ich hatte gar nicht bemerkt, wie ich meine Beine angezogen und meinen Kopf darauf gelegt hatte, als sich plötzlich eine andere Person neben mir nieder ließ. Wir schwiegen uns eine Weile an und ich wischte mir die aufsteigenden Tränen weg, während ich meine Beine wieder gerade streckte, da man sonst wegen des Kleides zu viel gesehen hätte.
„Drew mag dich sehr gerne“, hörte ich seine Stimme. Er hatte sich so dicht neben mich gesetzt, dass sich unsere Arme berührten. „Und da ist er nicht der Einzige“
Ich warf Ivan einen verwunderten Blick zu, den er offen erwiderte. Er lächelte mich sanft an und warf einen Blick in den sternenübersäten Himmel, wo der Mond uns erwartungsvoll anfunkelte. Und dann, als er seine Augen wieder auf mich richtete, beugte er sich langsam zu mir. In diesem Moment bestätigte mir sogar mein wild klopfendes Herz, dass er mich küssen würde und mir die Gelegenheit gab, zurückzuweichen. Er streckte seine Hand aus und berührte vorsichtig meine Wange, als sei ich etwas Zerbrechliches. Mit seinem Daumen strich er mir die Träne weg, die langsam meine Wange hinunter kullerte. „Du bist etwas Besonderes, Ebony Young“, flüsterte er leise. Sein warmer Atem ließ mich schaudern und als er mit seinen Lippen meinen Mund streifte, musste ich über seine Worte lächeln. Doch dann sog ich scharf die Luft ein und drängte Ivan widerwillig weg, als plötzlich die Kinder kreischend aus dem Haus rannten. Oma Lisbeth fasste sich verzweifelt an den Kopf, während auf mich auf einmal die ganze Realität einstürzte. Was machte ich da? Wollte ich gerade wirklich zulassen, dass einer aus Derick’s Gang mich küsste?
Ich konnte über mich selbst nur fassungslos den Kopf schütteln und stand abrupt auf, während ich Ivans bestürzten Blick sah und mir in die Innenwange biss, damit ich jetzt nicht weich wurde. Hastig rannte ich wieder zur Veranda, schnappte mir meine Schuhe und konnte kurz den Geruch von Pizza wahrnehmen, als ich auch schon die Treppe hoch rannte und mich in das nächstbeste Zimmer einschloss. Keuchend lehnte ich mich gegen die Tür und ließ mich langsam auf den Boden nieder, während ich angestrengt auf irgendwelche Schritte lauschte. Doch da war nichts.
Drei Mal hämmerte ich mit meinem Schädel hart gegen die Holztür und verfluchte mich selbst, für meine Schüchtern –und Dummheit. Ich glaube, ich hätte noch weiter so rumgeflucht, wenn ich nicht auf einmal Rauch gerochen hätte. Da setzte mein Herz für einen Schlag aus und panisch riss ich die Augen auf. Mit einem Satz war ich wieder auf den Beinen und konnte sogar die Hitze spüren, als ich hektisch an der Tür rumfummelte und sie versuchte zu öffnen. Währenddessen konnte ich von draußen einen erschrockenen Schrei hören und rüttelte noch verzweifelter an der Tür. Doch sie ließ sich nicht öffnen. Der alte Schlüssel klemmte. Da ergriff die Panik in mir nun die Oberhand und nervös rannte ich durch das dunkle Zimmer, wobei ich einen kurzen Blick aus dem Fenster warf. Nein, ich wollte nicht sterben. Ich wollte aus diesem verdammten Zimmer raus!
„Hilfe!“, brüllte ich und klopfte gegen die Fensterscheibe. Dann wieder gegen die Holztür. Der Tränenschleier bedeckte meine Sicht und wieder rüttelte ich an der Türklinke. Da hörte ich auf einmal Ivans Stimme und wäre vor Erleichterung fast in mich hinein gesunken. „Ivan!“
„Ebby? Verdammt, das ganze Holzhaus brennt!“, brüllte er und im nächsten Moment hörte ich ihn husten.
„Die Tür geht nicht auf!“, rief ich niedergeschmettert und rüttelte wieder demonstrativ an der Klinke.
„Geh zur Seite!“
Ich gehorchte und schnappte im nächsten Moment überrascht nach Luft, als die Tür mit einem lauten Knall aus den Riemen flog. Er hatte sie mit seinem Fuß aus den Türangeln getreten und blickte sich nun gehetzt im Raum um.
Da stürzten der ganze Rauch und die Hitze wie eine Lawine auf mich ein und keuchend verkrampfte ich mich zu einem Hustanfall. Ivan packte meine Hand und stürmte aus dem Zimmer, wobei ich resigniert bemerkte, dass wir die Treppe hinunter rannten. Dort sah ich auch zum ersten Mal die riesigen Flammen und spürte den kratzigen Rauch in meiner Kehle. Abrupt hielt Ivan inne und fluchte, als er einen lodernden Balken vor der Tür sah. Schnell ging er zu einem Fenster und schlug mit der Faust gegen die Scheibe, die in vielen kleinen Scherben auseinander sprang. Ich war total perplex und kämpfte mit dem nächsten Hustanfall, als er plötzlich die Arme um meine Taille schlang und mich anscheinend mühelos hochhob. Dann warf er mich plötzlich ohne Umschweife aus dem Fenster, wo ich mit einem leisen Stöhnen auf den harten Boden unter mir prallte und im nächsten Moment den Berg hinab rollte. Ich wurde immer schneller und überschlug mich selbst, bis ich schließlich mit solch einer Wucht gegen einen Baum knallte, dass es mir den Atem raubte. Auch Ivan kam den Berg hinab gerollt, rollte sich jedoch ab und kam auf die Knie, ehe er einen prüfenden Blick zum flammenden Holzhaus warf. Ich wollte mich aufsetzten, doch Ivan zog mich hastig hinter den Baum und drückte mich mit seinem Gewicht runter, als er sich schützend über mich legte. Im nächsten Augenblick ertönte eine laute Explosion, so dass ich zusammenzuckte. Ich hörte ein Prasseln und dachte verwirrt, es hätte angefangen zu regnen. Doch als ich einen Blick über Ivans Schulter warf, bemerkte ich, dass die Trümmer des Holzhauses auf uns niederschlugen. Keuchend blickte ich in seine braunen Augen, die in der Dunkelheit in ein tiefschwarz getaucht waren. Sein Gesicht war mit Ruß und Dreck beschmiert und erschöpft schloss ich die Augen.
Ivan hatte mich gerettet. Mal wieder.
„Geht es dir gut?“, fragte er, als das Prasseln aufgehört hatte.
Ich nickte, öffnete wieder meine Lider und blickte ihm direkt in die sorgenvollen Augen. Er stützte sich mit seinen Ellenbogen ab und sah auf mich hinunter, während sich ein dankbares Lächeln über meine Lippen schlich.
„Ivan…“, sagte ich sanft. „Du bist mein Schutzengel, weißt du das eigentlich?“
Er machte ein betrübtes Gesicht. „Ja, ich weiß. Und ich weiß, dass wir niemals mehr als Freunde werden. Auch wenn ich es mir sehr gerne wünsche, dass dein Herz für mich schlagen würde. Ich weiß, dass du in mir nur einen liebevollen Helden-Freund siehst, aber niemals auf eine ernste Beziehung eingehen würdest. Und selbst wenn du dich in mich verlieben solltest, dann weiß ich, dass das nur aufgrund meiner Heldentaten sein wird. Eigentlich hätte ich dich gerne auf eine andere Wiese kennengelernt, Ebby. Naja, irgendwie fand ich dich schon immer interessant, aber ich bin froh, dass wir wenigstens Freunde sind“
Ehrlich gesagt, war ich nicht überrascht, dass er das sagte. Denn genauso fühlte ich. Und ich wusste, dass Ivan mich gut einschätzen konnte. Und ich wusste auch, dass er mich liebte, obwohl ich diese Liebe nicht erwiderte. Er war für mich ein guter Freund geworden. Irgendwie. Und dafür war ich ihm sehr dankbar. Trotzdem war es auf eine gewisse Art traurig, diese Tatsache aus seinem Mund zu hören.
Vorsichtig nahm ich sein Gesicht in beide Hände und zog ihn langsam zu mir runter. In seinen Augen sah ich Überraschung wiederspiegeln, und sanft drückte ich ihm einen Kuss auf die Wange. „Danke“, flüsterte ich und schlang die Arme um seinen Hals, während ich ihn an mich drückte und innerlich einen Freudentanz vollführte. Endlich konnte ich ihn umarmen und als einen guten Freund bezeichnen.


Meine Mutter war Ivan unendlich dankbar.
Nachdem die Feuerwehr gekommen war und einen Waldbrand verhindert hatte, wurden auch sofort die Erwachsenen informiert. Ivan und ich mussten ins Krankenhaus und wurden kurz untersucht. Glücklicherweise hatte keiner von uns eine Rauchvergiftung oder schwere Verletzungen. Nur ein paar Kratzer und Narben erinnerten an das Feuer, den der Ofen verursacht hatte, als Oma Lisbeth und die Kinder Pizza backen wollten. Es war Glück im Unglück.
An diesem Abend wurden die Familien schnell wieder nach Hause gefahren und das Brautpaar entschuldigte sich abermals für den Schaden und die Wertgegenstände, die nun zerstört waren. Es versetzte mir einen leichten Stich im Herzen, dass all meine Zeichnungen verbrannt worden waren und meine ganzen Bilder in Asche verwandelt wurden. Meine Wünsche und Geheimnisse gingen verloren. Ein für alle Mal.
Kaylee hatte während der Strandparty sechs Mal versucht mich anzurufen und mir zehn SMS geschrieben, bis sie bemerkt hatte, dass ich einfach nicht mit ihr reden wollte. Da war sie zwei Tage nach dem Unfall zu mir gefahren – verweint, aufgelöst und schockiert. Ich erzählte ihr von dem Vorfall mit Derick, meinem Helden-Freund Ivan und der Strandparty. Als ich ihr von Sasha und Donna berichtete, unterbrach sie mir kurz.
„Er hat mich übrigens angerufen“, sagte sie. „Als ich ihm von dem Baby erzählt habe, war er als erstes total sauer gewesen. Doch dann habe ich ihn beruhigt und konnte ihn dank unserer alten Liebe überzeugen, dass Kind nicht abtreiben zu lassen. Das wäre unmenschlich“
„Du willst es behalten?“, fragte ich geschockt.
„Natürlich. Ich war auch noch beim Frauenarzt gewesen, der mir bestätig hatte, dass ich wirklich schwanger bin. Meine Mutter musste das erst mal verdauen, aber nun will sie mich unterstützen. Und Sasha und ich sind jetzt auch wieder ein Paar“, erklärte Kay aufgeregt.
Ich seufzte, versuchte aber diesmal nicht näher auf das Thema einzugehen und fragte stattdessen: „Kennst du eigentlich Sasha’s Schwester? Donna?“
Kaylee nickte. „Ja, ich habe sie ein paar Mal gesehen und finde sie ein wenig komisch. Aber ich denke, dass sie ganz nett ist“
Damit plätscherte unser Gespräch dahin, bis meine beste Freundin auch wieder gehen musste. Kurze Zeit später, klingelte es an der Haustür.
Ich hatte schon gedacht, sie hätte irgendetwas vergessen. Doch als ich die Tür öffnete, schnappte ich erschrocken nach Luft. Dieser Mensch war eindeutig nicht Kaylee. Dieser Mensch hatte mir schon mal einen großen Stich ins Herz versetzt.

Da war er.
Der Mann, den ich seit fünf Jahren nicht mehr gesehen hatte. Der mit der Zeit immer verrückter wurde, wobei meine Mutter noch versucht hatte ihn zur Vernunft zu bringen. Doch da war er völlig ausgetickt und hatte sich von ihr scheiden lassen, da sie ihn angeblich betrug, ihm Vorwürfe machte
und ihm überhaupt kein Vertrauen mehr schenkte.
„Hi Dad“, sagte ich leise und kam mir plötzlich so vor, als wäre ich wieder acht. Damals, als die Streitereien noch nicht losgegangen waren. Damals, als ich das unbeschwerte Kinderleben genießen durfte.
„Ich bin froh, dass du mich noch erkennst“, hörte ich seine raue Stimme. Natürlich erkannte ich ihn. Selbst nach fünf Jahren Funkstille würde ich meinen Vater wiedererkennen. Sein hellrotes Haar schien jetzt noch zerzauster zu sein, als hätte er in eine Steckdose gefasst. Wie bei Albert Einstein. Außerdem hatte er ein paar Falten bekommen und seine Hände und Gesicht waren mit Schmutz übersät. Ich fragte mich, woher er gerade kam. Und wie er uns gefunden hatte. Schließlich hatten wir den Kontakt mit ihm abgebrochen und keine Informationen über unseren Standort mehr gegeben.
Hinter mir hörte ich das Staksen der Schuhe meiner Mutter, die immer näher kam. Ich warf einen Blick über die Schulter und abrupt hielt sie inne. Ihre Augen waren auf dem Mann geheftet, der sie damals auch tief im Herzen verletzt hatte.
„Martyn“, hauchte sie geschockt.
„Hallo Roselyn“, ertönte seine amüsierte Stimme.
Meine Nackenhaare stellten sich auf, während mein Herz wild los donnerte und die Flucht ergriff. Er war wieder da. Mein verrückter Daddy hatte uns gefunden.






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