Zum Glück gibt es Wunder - Teil 5

Autor: Yaksi
veröffentlicht am: 18.04.2011


Mein erster Gedanke war: Oh-Mein-Gott.
Das Hotel vor dem wir standen war in einem auffallenden rosa Ton gestrichen und die Fensterrahmen hatten jeweils eine andere Farbe. Sogar die Tür war mit bunten Spritzern bemalt worden.
Ich schüttelte fassungslos den Kopf und warf meiner Mutter einen ungläubigen Blick zu. Doch sie bemerkte mich nicht, denn mit ihren Augen, die so hell strahlten wie die Sonne, betrachtete sie mit einer ungewöhnlichen Faszination das Clowns-Hotel, welches mich an die Villa Kunterbunt von Pippi Langstrumpf erinnerte. Auch Joice hatte ein zufriedenes Grinsen in ihrem Gesicht und sagte voller Stolz: „Genauso, wie ich es mir vorgestellt hatte.“
Meinen Erwartungen entsprach es jedoch nicht.
Ich merkte, dass Blondchen ein wenig verwirrt das Hotel anschaute und dann verächtlich schnaubte.
„Wo sind wir denn hier gelandet? Im Kindergarten?“, fragte er vorwurfsvoll und ließ sich in einem der grünen Plüsch-Sessel fallen, die in der Empfangshalle standen.
Meine Mutter kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus, so dass Joice bei der Rezeption die wichtigsten Informationen sammelte. Als sich Mom zu mir umdrehte, bemerkte ich mit einem genervten Seufzer, dass sie Freudentränen in den Augen hatte. Sie kam auf mich zu und umarmte mich so fest wie sie konnte. Ich schnappte nach Luft und keuchte vorwurfsvoll: „Mom, du erdrückst mich!“
Mit einer leisen Entschuldigung ließ sie mich wieder frei und strahlte mich dann glücklich an. „Oh, Spätzchen. Du weißt ja gar nicht wie glücklich ich bin“
„Das weiß ich wirklich nicht“, sagte ich und rollte den Koffer neben meine Füße. „Aber können wir jetzt auf unser Zimmer gehen? Meine Beine tun weh und ich würde mich gerne mal ausruhen“
Blondchen stellte sich neben mich und verschränkte die Arme vor seiner Brust. Als sich meine Mutter umdrehte, um die vielen Treppenstufen zu erklimmen, beugte er sich zu mir und flüsterte: „Ich will nicht wissen, wie das Zimmer aussieht. Ich glaub, ich bekomme noch Augenkrebs“
Ich musste mir ein Lächeln verkneifen und hob meinen Koffer hoch. „Ich werde den Arzt rufen“, sagte ich und machte mich auf den Weg, die Treppen hochzulaufen. Mit dem Koffer hoch zugehen, fand ich einfacher, als mit schnellem Tempo hinunter zu poltern. Ich folgte meiner Mutter, bis wir schließlich vor unserer Zimmertür stehen blieben. Nummer 204. Irgendwie passend, da ich am 20. April Geburtstag hatte. Welch Ironie.
„Willkommen im Hotel \'Flara\'“, sagte Mom lächelnd und trat in das Zimmer hinein. Ein kleiner Flur mit grünen Tapeten führte in das helle Schlafzimmer mit einem Doppelbett, welches gelb-rot gepunktete Bettwäsche besaß. Ich schluckte schwer und warf einen kurzen Blick auf den kleinen Balkon mit den blauen Plastikstühlen, der uns einen wunderschönen Ausblick auf den naheliegenden See bot. Das Badezimmer besaß eine schöne Dusche, ein Waschbecken mit bunten Handtüchern und eine saubere Toilette. Eigentlich war alles recht ordentlich, nur der Geschmack war etwas…außergewöhnlich.
„Vor zwanzig Jahren war das Hotel noch eine Baustelle, da sie alles komplett abgerissen hatten, aber jetzt ist es wirklich wunderschön und ich…“, redete meine Mutter drauf los, doch ich hörte ich gar nicht mehr zu. Mein Blick blieb entsetzt an einem ausgestopften Tier hängen, das wie eine Lampe über unserem Bett hing. Ich schrie erschrocken auf und deutete mit meinem Finger auf den kleinen Vogel.
Überrascht drehte sich Mom zu mir um und folgte meinem Blick. Sie runzelte kurz die Stirn und seufzte dann. Ich konnte nicht sagen, ob das ein genervtes oder liebliches Seufzen war. Jedenfalls sagte sie dann mit trockener Stimme: „Ein Eisvogel. Wirklich wunderschöne Tiere“ Sie bewegte sich auf das Tier zu, kletterte mit ihren Schuhen auf das Bett und befühlte vorsichtig die Federn. „Jedoch, hätte ich ein ausgestopftes Tier nicht in ein Hotelzimmer gehängt“, fuhr sie fort und warf mir einen prüfenden Blick zu. „Wir können es ja abhängen“, schlug sie vor und wartete gar nicht auf meine Antwort ab.
Ich war wie angewurzelt stehen geblieben und hatte meiner Mom mit großen Augen zugeschaut. In dieser Hinsicht hatte ich ein echt schwaches Herz. Ich war eine besorgte Tierliebhaberin. Schon sehr oft hatte ich mich für Tierschutzorganisationen eingesetzt und war auch selbst eine waschechte Vegetarierin. Doch leider durfte ich nach meinem sechsten Kaninchen kein Haustier mehr haben.
Ich schloss die Augen, bis meine Mutter endlich den toten Eisvogel in eine Schublade gelegt hatte. Danach war ich ins Bad gegangen und hatte mir Gesicht ins Wasser gespritzt, um mich zu beruhigen. Der Tag hatte schon so schrecklich begonnen und würde wahrscheinlich kein Ende mehr nehmen.
Während ich auf dem Balkon saß und frische Luft schnappte, zog sich meine Mutter einen Bikini an und streifte sich dann ein luftiges Sommerkleid über. Meiner Meinung nach fand ich es viel zu kalt für solch ein Kleid. Vielleicht war der Schock ja immer noch in mir drin und ließ mich eiskalt gefrieren. Das Thermometer zeigte jedenfalls 23°.
„Ich geh mit Joice in das Café nebenan. Ruf mich auf dem Handy an, wenn du Probleme hast, okay?“, fragte sie.
„Alles klar“, sagte ich und fischte dabei mein Mobiltelefon aus der Hosentasche. Ich hatte Mona versprochen sie anzurufen, wenn ich ankam. Also tat ich das.

Nach einer halben Stunde hatte ich aufgelegt. Es kostete sehr viel Geld, wenn man aus einem anderen Land jemanden anrief, also mussten wir unsere zwei-Stunden-Gespräche reduzieren, um nicht irgendwann pleite zu werden. Inzwischen war es ungefähr viertel nach sechs und mein Magen knurrte. Also beschloss ich nach Essen zu suchen. Oder Essen zu kaufen.
Ich zog mir eine normale Jeanshose an und wechselte mein verschwitztes T-Shirt mit einem schwarzen Top. Darüber warf ich mir eine leichte Strickjacke und schlüpfte mit meinen schmerzenden Füßen in ebenfalls schwarze Ballerinas. Dann steckte ich mir noch einen Fünf-Euro-Schein in die Hosentasche. Kurz bevor ich aus dem Zimmer ging, erinnerte ich mich, dass ich mein Handy auf dem Balkontisch liegen gelassen hatte. Schnell steckte ich es in meine andere Hosentasche, als ich auf einmal meinen Namen hörte.
„June“, brüllte eine männliche Stimme.
Eine Stimme, die zu blonden Haaren, blauen Augen und einem attraktiven Gesicht gehörte. Ich seufzte und lehnte mich über das Geländer um Ausschau nach Blondchen zu halten.
Er stand unten auf der Terrasse und winkte mir hastig zu. So ein Blödmann, dachte ich und schüttelte mit verdrehten Augen den Kopf. Jetzt machte er sich noch zum Affen, indem er wie ein bekloppter unten stand und mit seinen Armen wedelte.
„Was willst du?“, brüllte ich ebenfalls und beugte mich noch weiter über das Geländer. Doch die blöden Pflanzen, die daran gemacht worden waren, kitzelten mein Gesicht, so dass ich mich schnaubend wieder zurücklehnte.
„Hier in der Nähe gibt es eine Pizzeria. Willst du mitkommen?“, fragte er und hatte dabei endlich aufgehört mir zuzuwinken.
Ich hatte wirklich lange überlegt, bevor ich antwortete. Mein erster Instinkt war \'Nein\' zu sagen, doch da hatte sich mein Magen protestierend gemeldet. Jedoch stellte ich mir einen Abend allein mit Blondchen in einer Pizzeria nicht gerade sehr amüsant vor, so dass ich weiter grübelte. Andererseits hatte er auf dem Flughafen einen stummen Pakt mit mir beschlossen, den ich leider Gottes verstanden hatte. Er hatte bemerkt, dass er einfach nur freundlich sein musste, um mich eventuell zum Lachen zu bringen. Und dass ich ihm das auch noch persönlich ausgeplaudert hatte – wenn auch indirekt – machte mich irgendwie wütend. Anscheinend wollte er doch keinen Krieg, was mich verwunderte, sondern sich einfach nur an meinen Ausrastern vergnügen. Ich hatte bemerkt, dass er es mochte, wenn ich wütend war und dass er mich so leicht auf die Palme bringen konnte. Vielleicht war heute die Chance gekommen, um ihn möglicherweise besser kennen zu lernen und eventuell einen wunden Punkt zu treffen.
Wenn er keinen Krieg wollte, dann eben ich. Die weiße Fahne würde ich auf jeden Fall nicht schwenken.
„Okay, ich bin in zwei Minuten unten“, antwortete ich auf seine Frage und schloss die Balkontür hinter mich. Sorgfältig drehte ich den Schlüssel zwei Mal in der Tür von Zimmer 204 ab und lief die Treppen nach unten. Ich versuchte die seltsamen Bilder an den Wänden zu übersehen und hoffte einfach schnell den Ausgang zu finden. Dabei bemerkte ich plötzlich im Vorbeigehen einen Jungen, der an der Rezeption stand und heftig mit der Frau hinter dem Schalter diskutierte. In seiner rechten Hand hatte er eine Hundeleine, die zu einem großen, braunen Hund mit süßen Schlappohren führte. Der Hund sah mich fragend an und legte den Kopf schief.
Der Junge fuhr sich nach der kurzen Diskussion erleichtert durch den dunklen Haarschopf und drehte sich dann glücklich mit einem Hotelschlüssel in der Hand um und sah mir dann plötzlich direkt in die Augen. Für einen kurzen Moment setzte mein Herz einen Schlag aus, als ich in seine braunen Augen blickte, die mich zuerst überrascht anstarrten, danach aber freundlich lächelten. Ich hatte noch nie einen Jungen gesehen, der so viel Lebensfreude ausstrahlte. Das machte mich echt baff.
Mein Gesicht wurde wieder rot und schnell huschte ich durch die Tür, die nach draußen auf die Terrasse führte. Dort erwartete mich schon Coby, der an einem der Tische lehnte und seine Hände in die Hosentaschen versteckt hatte. Er blickte auf und grinste mich an, als ich näher kam.
„Da hat das Kätzchen sich wirklich entschieden mit mir zu Pizzeria zu gehen“, sagte er lachend.
Ich biss mir auf die Unterlippe und versuchte durch eine Frage nicht näher auf das Thema einzugehen.
„Darf man Hunde im Hotel haben?“, fragte ich also und verschränkte die Arme vor meiner Brust, um die Gänsehaut zu verbergen, die sich durch den Wind bei mir ausbreitete. Diese Frage interessierte mich wirklich, denn ich kannte bisher noch kein Hotel, welches Hunde erlaubte. Aber andererseits war dieses Hotel wirklich seltsam, also würde mich das nicht wirklich wundern.
„Hm. Keine Ahnung“, sagte Coby und führte mich von der Terrasse zu einer kleinen Promenade, die am See entlang führte. Der See war wirklich sehr groß und wenn ich die kleinen Häuser am Horizont nicht gesehen hätte, hätte ich wahrscheinlich gedacht, er würde im Meer münden. Auch wenn das eigentlich unlogisch war. „Wieso fragst du?“
„Ich habe jemanden gesehen, der an der Rezeption ein Hotelschlüssel bekam, obwohl ein Hund neben ihm saß.“, erklärte ich.
„Vielleicht hat er einen Deal vorgeschlagen. Möglichweise gibt es heute Abend Hunde-Fleisch im Restaurant“, scherzte Blondchen und erntete von mir einen giftigen Blick.
„Das ist überhaupt nicht witzig“, sagte ich wütend und schlug mit meiner Faust gegen seinen Oberarm. Dann zischte ich: „Tierquäler“
Coby lachte auf, reckte sich und grinste mich wieder amüsiert an. „Oho, das Kätzchen fährt ihre Krallen aus. Da bin ich aber mal gespannt“
Meine Hände ballten sich wieder zu Fäusten und die Wut durchströmte mich wie ein Hitzeball. Ich musste mich beherrschen, auch wenn ich diese Zurückhaltung hasste, aber schließlich hatte ich mir einen Plan in den Kopf gesetzt. Also atmete ich wieder tief ein und ließ die Luft mit einem langen Seufzer wieder raus.
Mir fiel ein Spruch ein, den ich irgendwo mal gehört hatte und wiederholte ihn ungefähr zehn Mal in meinem Kopf. \'Praktisch denken, Särge schenken. Praktisch denken, Särge schenken\'…
„Ich bin Vegetarierin“, sagte ich knapp, um damit vielleicht meinen kleinen Wutanfall zu erklären.
Coby warf mir tatsächlich einen verwunderten Blick zu und in meinem Inneren spürte ich den Stolz in mir aufsteigen. Ich hatte ihn also wirklich zum Staunen gebracht! Haha!
„Wow, die kleine June ist eine Pflanzenfresserin und verschont die lieben Tiere. Da hätte ich ja echt gerne mal dein Gesicht gesehen, als du den ausgestopften Eisvogel entdeckt hattest“, meinte Blondchen und wieder hörte ich seinen belustigten Tonfall.
Ich merkte, wie mein Gesicht blasser wurde und schaute ihn fragend an.
„Woher weißt du davon?“, hauchte ich leise.
„Nun ja, als deine Mutter zu uns rüber kam, um meine Mutter abzuholen, schnappte ich ein paar Gesprächsfetzen auf. Unter anderem auch dieses Gespräch“, antwortete er triumphierend .
Ich blinzelte ihn entsetzt an und wollte gerade etwas erwidern, als Blondchen sagte: „Dahinten ist die Pizzeria“
Mit einem Ruck erwachte ich aus meiner Starre. Mein Magen meldete sich wieder und gab ein lautes Grummeln von sich. Ich nahm mir vor, mit meiner Mutter noch ein paar Dinge zu klären, damit sowas nicht wieder passierte. Da hatte ich endlich mal sein verblüfftes Gesicht gesehen und war kurz davor die Oberhand unseres Gespräches zu gewinnen, da musste er mich auch gleich wieder Bloß stellen. Das konnte so nicht weitergehen.
„Ich gebe dir eine Pizza aus. Dann kannst du dich vom Schock erholen“, meinte Coby grinsend.
„Zu Großzügig“, sagte ich mit einem falschen Lächeln.
„Ich nehme an, du nimmst eine Margherita?“, fragte er.
Ich nickte und setzte mich an einen Tisch etwas abseits der stickigen Bude und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. Es waren nicht viele Leute da, ein paar kauten gelangweilt auf ihrem Essen herum und andere hatten sich zusammen an einem Tisch gesetzt und plauderten ein bisschen.
Während ich auf meine Pizza wartete, dachte ich über meinen Plan nach. Ich musste eine andere Strategie finden, um Blondchens selbstgefälliges Grinsen verschwinden zu lassen und seine Schwachstellen zu finden. Irgendetwas musste ihn doch aus der Bahn werfen können! Welcher Mensch hatte denn keinen empfindlichen Punkt, in dem man besser nicht rumstochern sollte? Wenn ich es an diesem Tag nicht herausfinden würde, würde Blondchen ab sofort ein Alien sein. Das stand fest.
Der berühmte Duft einer leckeren Pizza stieg in meine Nase und überrascht stellte ich fest, dass meine Margherita schon vor mir stand. Blondchen hatte sich gegenüber von mir gesetzt und kaute nachdenklich auf einem Pizzastück, während er mich betrachtete. Diese Chance nutzte ich gleich aus und stellte die bekannteste Frage in solchen Szenarien: „Woran denkst du?“
Ich hatte gehofft, er würde sich verschlucken, doch er kaute einfach stumm weiter auf seinem Essen und überlegte kurz, ehe er antwortete.
„Du hast ein Muttermal unter deinem Auge“, antwortete er tonlos und starrte mich weiterhin an.
Nun gut, diese Antwort hatte ich nicht erhofft, also hakte ich weiter nach.
„Erinnert dich dieses Muttermal vielleicht an etwas?“
Das ließ ihn wieder schmunzeln und enttäuscht wand ich mich meiner Pizza zu.
„Du stellst wirklich seltsame Fragen, June. Bist du etwa meine Therapeutin?“, meinte Coby und wischte sich seine fettigen Hände an einer Serviette ab.
Aha! Er wich mir aus, indem er mir eine Gegenfrage stellte! Okay, darauf musste ich jetzt gut antworten.
„Nehmen wir an, ich wäre es und will nun mehr über dich erfahren“, sagte ich. „Was ist mit deinem verstorbenen Vater?“
Da musste sich doch irgendwas in seinem Gesicht regen. Konnte ich denn kein bisschen Schmerz erkennen? Oder vielleicht Trauer? Hoffnungslosigkeit?
Doch Coby legte lediglich sein Pizzastück beiseite, tupfte sich seinen Mund ab und stützte sein Gesicht auf die Hände, als er antwortete: „Spencer war nicht mein leiblicher Vater. Nur mein Stiefvater“
Da schnellten meine Augenbrauen in die Höhe. Der Mann, der verstorben war, war nicht sein Vater? Interessant.
„Aber er war doch bestimmt so wie ein richtiger Vater für dich, oder?“
„Nein. Spencer war ein Arsch“, sagte Coby grob und blickte mir dann direkt in die Augen. Mein Herz galoppierte plötzlich wild drauf los, stolperte und fing sich wieder auf. Seine Augen hatten mich wieder in den Bann gezogen, so dass ich heftig schlucken musste und große Mühe hatte, um endlich meinen Blick abzuwenden. Ich versuchte meine Pizza in die Hand zu nehmen, doch dafür zitterten meine Hände viel zu sehr. Also legte ich das Pizzastück wieder beiseite und beobachtete die Leute. Dabei bemerkte ich Coby’s intensiven Blick wie weiche Federn auf meinem Gesicht und schielte vorsichtig zu ihm rüber. Als ich sah, wie er endlich seinen Blick von mir abgewandt hatte, atmete ich erleichtert aus. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte.
„Ich nehme an, dass du nicht darüber reden willst“, krächzte ich. Hastig räusperte ich mich, um meine seltsame Stimme wieder normal klingen zu lassen. Wie peinlich.
Was war eigentlich los mit mir? Da schaute mich Blondchen –der arrogante Typ mit den blauen Augen – einmal an und schon überrollte mich eine gewaltige Lawine und brachte meine sorgfältig geordneten Gefühle durcheinander. Das konnte doch wohl nicht wahr sein!
„Richtig“, hörte ich seine Stimme und schaute auf. Ach genau, ich hatte ihm ja eine Frage gestellt. „Vielleicht erzähle ich dir ein anderes Mal über mein Leben in Amerika. Doch im Moment möchte ich einfach nur den Urlaub genießen, okay?“
Ich nickte stumm. Dann war das sicherlich sein wunder Punkt. Was würde wohl passieren, wenn ich seine Schwachstelle provozieren würde? Würde Blondchen dann eine andere Seite von sich zeigen? Aber andererseits: Wollte ich diese Seite überhaupt sehen?
„Hey, June. Was ist los?“, fragte Coby und wedelte mit seiner Hand vor meinem Gesicht. „Muss das Kätzchen jetzt etwa ihre Haare auskotzen?“
Das war wieder der alte Coby. Ich konnte seine Belustigung wieder hören und funkelte ihn wütend an. Ich wusste nicht, wieso mich seine Erheiterung jedes Mal zum Kochen brachte. Vielleicht lag es daran, dass er sich immer über MICH lustig machte.
„Sehr witzig“, sagte ich ironisch und schob meine Pizza zur Seite. Vor wenigen Minuten hatte mein Magen noch laut gegrummelt, doch jetzt schien es so, als würde er bei beim nächsten Bissen platzen. Dabei hatte ich gerade mal die Hälfte der Pizza aufgegessen.
„Schon satt?“, fragte Blondchen verwundert. Er hatte gerade sein letztes Stück verdaut und tupfte nun seinen Mund ab.
„Ja. Noch ein Bissen und ich platze gleich“, stöhnte ich und lehnte mich in den Stuhl zurück. Das vorherige Gespräch schien vergessen.
„Das würde ich zu gerne sehen“, meinte Coby und schmunzelte.
Als wir aufstanden und uns auf den Weg zurück zum Hotel machten, wurde mir klar, dass Blondchen auch seine wunden Punkte hatte, über die er nicht gerne sprach. Somit stellte ich fest, dass Coby kein Alien war.






Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9 Teil 10


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz