Die Stille der Nacht - Teil 14

Autor: chanti95
veröffentlicht am: 07.06.2011


Ich stiess einen gellenden Schrei aus, der sogar Malik erschrecken liess. Tom schaute mich alarmiert an und schaute dann in die Richtung, in die ich starrte. Auf einmal stand da kein Charlie mehr.
Tom ritt besorgt auf mich zu.
„Sammy! Was ist denn los?“
„Da...Da...Da! Da drüben!! Ch..Ch..Chaa...Charlie!!!!“, schrie ich entsetzt.
„Sam. Sam! SAM!
Tom rüttelte an meinem Arm.
„Du musst keine Angst haben. Das war eine Halluzination! Komm schon. Charlie ist bei der Polizei, sie werden ihn wegen Mordes anklagen! Sam! Beruhige dich. Komm, Kleines. Trink etwas.“
Er hielt mir eine Wasserflasche hin, von der ich dann gierige Schlucke nahm.
Im Laufe des Nachmittags gab Tom mir immer wieder etwas zu Trinken oder etwas zu Essen. So gewöhnte sich mein Magen langsam wieder daran, dass er nicht mehr so zusammen gezogen war.
Ich war immer noch geschockt, doch ich beruhigte mich langsam wieder.
„Sam. Komm schon.“
Tom holte mich mit seinen Worten aus den Gedanken, und ich merkte, dass ich richtig schräg im Sattel sass.
Ich trieb Malik an und wir ritten weiter.
Der Nachmittag zog an mir vorbei, ohne dass ich auch nur ein Wort gesagt hätte. Tom versuchte noch ein paar Mal, mit mir zu sprechen, doch ich ging nie darauf ein.
Er war es auch, der uns für diese Nacht ein Schlafplatz aussuchte.
Es war wieder einmal ein kleines Wäldchen, von Wind und Wetter geschützt. Ich stieg von Malik herunter und streichelte dem treuen Schwarzen über den Hals. Er wendete seinen Kopf und sah mir mit seinen vertrauten Augen direkt ins Gesicht.
„Mein Schöner. Was würde ich ohne dich nur tun?“, sagte ich und band die Satteltasche vom Sattel. Ich suchte mir Halfter und Strick heraus und zäumte Malik ab, um sie ihm anzulegen. Mit dem langen Strick band ich ihn an einen Baum und nahm dann auch den schweren Sattel von seinem Rücken. Ich dachte nicht mehr nach, sondern verlor mich in den routinierten Bewegungen, die mir inzwischen so vertraut waren. Mit dem Striegel putzte ich Maliks Fell, mit der Mähnenbürste säuberte ich seine Mähne und den Schweif. Ich kratzte die Hufe aus und fuhr mit dem Tuch Maliks Körper noch einmal ab. Wärme stieg von seinem Leib auf, ausserdem konnte ich unter meinen Händen jeden Muskel des Pferdes spüren. Eiskalt lief es mir den Rücken hinunter, als ich ein weiteres Mal die Stärke des Schwarzen bewunderte. Er war zäh und würde nie aufgeben. Er würde um jeden Preis sein Leben verteidigen und würde sich nie unterdrücken lassen. Ich wusste, dass ich den Hengst nie beherrschen würde, denn ich konnte ihn nur reiten, weil er das auch wollte.

Tom holte mich aus meinen vertäumten Gedanken.
„Sammy? Bist du fertig?“
„Hmmm.“
Ich wollte nicht mit ihm sprechen und widmete mich daher wieder Maliks inzwischen sauberem Fell.
Unentschlossen band ich den Grossen ab und führte ihn an ein geschütztes Plätzchen mit viel frischem, saftigem Gras. Ich band ihn am langen Strick an, so dass er recht viel Bewegungsfreiheit hatte. Malik senkte sofort seinen Kopf und ass. Kauend hob er den Kopf und schaute mich an. Habt ihr schon mal gesehen, wie ein Pferd prustet? Es sieht echt lustig aus. Auf jeden Fall prustete Malik mich an, so dass ich einfach lachen musste. Vielleicht war das auch eine Reaktion meines Körpers, der inzwischen seine überschüssige Energie loswerden wollte. Ist ja auch egal, denn ich plumpste auf mein Hinterteil und hielt mir den Bauch, weil ich einen heftigen Lachanfall bekam. Malik störte das nicht, denn er frass seelenruhig weiter.
Tom fand es scheinbar auch lustig, denn ich konnte sein Lachen hören. Teilweise musste er auch noch glucksen, was das Ganze noch lustiger für mich machte. Ich rollte mich da auf dem Boden herum, lachte und hatte bald Bauchschmerzen.
„Sammy.. Schön, dich wieder zu haben..!“, sagte Tom zwischen zwei grossen Lachern. Ich hatte keine Lust mehr auf Streit oder Ärger oder was auch immer. Ich wollte einfach nur... Lachen..

Nachdem wir uns endlich mal beruhigt hatten, half ich Tom das Lager aufzubauen. Wir sammelten wieder Holz für das Feuer und legten unsere Schlafsäcke hin. Ich wollte endlich wieder mal etwas Warmes essen, also holte ich, während Tom die Pferde fütterte, die letzte Dose Erbsen aus den Satteltaschen und stellte diese mit geöffnetem Deckel ins Feuer. Tom war inzwischen zurück.
„Nimm die Dose da weg. Ich hab ne bessere Idee. Komm, hilf mir!“, sagte er zu mir. Widerwillig nahm ich die Dose weg vom Feuer und ging zu Tom. Er wies mich an, mein Messer mit zu nehmen, dann gingen wir zusammen aus dem Wäldchen hinaus aufs Feld.
„Schau, das hab ich vorhin gesehen. Das waren Wölfe.“
Trotz der Entfernung konnte ich erkennen, das dies ein totes Tier war. Wir gingen auf den Kadaver zu und fanden heraus, das dies ein totes Rind war.
Tom stellte schnell fest, dass das Fleisch noch gut war, daher schnitten wir uns Fleisch ab.
„Wir dürfen nicht zuviel mitnehmen. Erstens muss es noch in den Satteltaschen Platz haben, und ausserdem kommen die Wölfe sicher zurück.“
Ich wollte fragen, weshalb er das wusste, doch überwältigt wie ich war, brachte ich kein Wort hinaus.
Mit dem rohen Fleisch machten wir uns auf den Weg zurück zum Lager. Da wir heute schon früh unser Lager aufgeschlagen hatten, setzte die Dämmerung erst ein, als wir beim Lager angekommen waren.
Tom briet einen Teil Fleisch, während ich die Erbsen wieder ins Feuer stellte. Schweigend warteten wir, bis unser Essen gut war. Während dem Warten bereitete Tom die Marinade für das restliche Fleisch vor, um daraus Jerky, so etwas wie Dörrfleisch, zu machen.
Er wusch sich die Hände, bevor wir assen. Es war eine einfache Mahlzeit, allerdings füllte sie den Bauch, was wir beide nötig hatten.
„Was ist mit Chris geschehen?“, fragte ich.
Tom schwieg eine Weile, dann erst antwortete er mir.
„Gefängnis.“
Stirnrunzelnd schaute ich ihn an. Ich wusste, dass er mich anlog, aber wenn er das schon tat, wollte ich es dann überhaupt erfahren? Ich beschloss nicht weiter nach zu haken und widmete mich wieder meine Essen. In weiter Ferne hörte ich einen Wolf heulen.
„Sollten wir nicht eine Nachtwache machen?“, fragte ich. „Nicht nur wegen den Wölfen.“
„Keine Angst. Uns folgt niemand mehr.“
Diese Worte bereiteten wir Unbehagen, ausserdem gefiel es mir nicht, wie kalt Tom das aussprach.
Nach dem Essen schaute ich nach Malik. Ich untersuchte seine Wunde und stellte entsetzt fest, das diese schlechter als am Tag zuvor aussah.
Yarrow. Ich brauchte eine Pflanze, die Pflanze Yarrow, oder auch Schafgarbe. Ich wusste, diese Pflanze half zur Blutgerinnung. Nach kurzer Zeit schon fand ich die Yarrow. Nachdem ich sie zu einem Brei verarbeitet hatte, strich ich diesen auf Maliks Wunde. Ich hoffte, das würde etwas nützen.
Die Nacht verging schnell. Wir hatten keine Probleme; Es kamen weder Wölfe, noch Räuber. Am nächsten Morgen schaute ich nach Malik und stellte überrascht fest, dass sich schon eine rosige zweite Haut gebildet hatte. Nachdem ich mich mit Tom beraten hatte, sattelte ich Malik und ritt mit ihm in das nächst gelegene Dorf. Wir brauchten unbedingt zwei Planen, neue Essens-Vorräte und wir brauchten neue Informationen. Ich fand heraus, dass Tom und ich nicht mehr gesucht wurden. Als ich alle neu gekauften Artikel in den Satteltaschen verstaut hatte, ritt ich auf Malik durchs Dorf. Auf einmal sprang ein Hund vor Malik und versteckte sich zwischen den Beinen des Grossen. Von einer Seitengasse kam ein grosser Mann angerannt, dessen Hose völlig zerrissen war.
„Du Köter! Komm her! Ich schlag dir den Kopf ein!“, schrie er völlig ausser sich.
„Hey! Schreien sie nicht so!“, sagte ich. Ich stieg vom Pferd ab und betrachtete den Hund. Er sah aus wie ein zu gross gewachsener Beagle, es war ein American Foxhound. Ich stellte schnell fest, dass es ein Rüde war, noch nicht besonders alt, ca. ein Jahr alt. Er hatte kein Halsband an und schaute mich aus seinen grossen, sanften Augen an.
„Na du?“, sagte ich und wurde gleich darauf an den mann erinnert, denn er schrie mich an.
„Geh weg, du Göre! Ich schlag dem Vieh jetzt den Kopf ein! Nimm dein Pferd weg!“
„Nein.“
Ich schaute den Mann herausfordernd an. Seine braunen Haare waren fettig und zerzaust, er hatte einen Bierbauch und sah alles in allem recht schäbig aus. Ich mochte ihn nicht und wusste, der Mann durfte den Hund nicht in die Hände bekommen.
Er packte mich an dem Oberarm und wollte mich von Malik und dem Hund wegzerren. In diesem Moment wieherte Malik laut auf, stieg und wollte mit den Hufen auf den Mann einschlagen. Gleichzeitig fing der Hund an zu bellen und sprang den Mann an, umrundete ihn und kniete sich hinter ihn. Der Mann wollte vor Malik zurückweichen, dabei stolperte er allerdings über den Hund. Er liess mich los und fiel hin. Ich musste lachen, weil die beiden Tiere als perfektes Team zusammen gearbeitet hatten. Ich liess den Mann liegen und stieg auf Malik auf. Ich ritt aus dem Dorf hinaus und stellte fest, dass der Hund mir folgte. Ich musste lächeln, denn er folgte uns den ganzen Weg. Als ich das Lager erreicht hatte, sattelte ich Malik wie gewohnt ab, putzte ihn und fütterte ihn dann. Der Hund schaute mir die ganze Zeit über zu. Ich ging mit der eingekauften Ware zu Tom hinüber, der Hund folgte mir. Verdutzt schaute Tom mich an.
„Was ist denn das für ein Hund?“, fragt er.
„Der ist mir nachgelaufen. Ich glaub, er hat kein Zuhause“, antwortete ich.
Ich schaute den Hund an. Er sass am Rande unseres Lagers, weit entfernt von Tom. Ich kramte ein Stück Trockenfleisch aus meiner Satteltasche und ging dann auf den Hund zu.
„Na, Kleiner?“
Ich ging in die Hocke und hielt ihm etwasn von dem übrigen Trockenfleisch hin. Vorsichtig schnupperte er in der Luft und blickte mich an. Langsam ging ich, immer noch in der Hocke, auf ihn zu, hielt dabei das Fleisch in seine Richtung. Als ich nur noch eine Armlänge von ihm entfernt war, machte der Hund ein Schritt auf mich zu und packte dann zögerlich das Fleisch. Er wedelte mit dem Schwanz und kam, nachdem er das ganze Fleisch verzehrt hatte, auf mich zu und stupste fordernd mit seiner Nase an meine Hand.



Den ganzen Nachmittag lang blieb der Hund in meiner Nähe, getraute sich jedoch nicht an Tom heran. Als ich mich an einem kleinen Bächlein wusch, war der Hund die ganze Zeit am Bach. Es sah fast aus, als würde er nach Feinden Ausschau halten.
„Sammy? Hilf mir mal, wir müssen die Planen aufhängen“, sagte Tom, als ich von dem Bach zurück kam. „Siehst du? Gut, dass du sie gekauft hast, denn ich glaube, es kommt wirklich Regen auf.“
Nachdem wir die passenden Äste in die richtigen Positionen gestellt hatten, konnten wir die Planen darüber spannen. Jetzt hatten wir einen trockenen Schlafplatz und unter dem Dach hatte unser Hab und Gut gerade Platz. Ich hielt Ausschau nach dem Hund. Er sass wieder am Rande des Lagers und schaute uns zu.
Während Tom sein Fleisch mit der Marinade einrieb, ging ich nochmal zu dem Hund und streichelte ihn. Er liess es über sich ergehen und wedelte eifrig mit seiner Rute.
„Na du. Du brauchst einen Namen, mein Kleiner..“
Ich überlegte lange, fand jedoch keinen geeigneten. Ich fragte Tom.
„Ich weiss nicht. So spontan fällt mir nur der Name Kanoa ein. Mir hat mal jemand gesagt, Kanoa ist der hawaiianische Name für „Frei“. Vielleicht wäre das etwas?“
„Kanoa.. Kanoa.. Na, wie gefällt dir das, Kleiner? Wäre Kanoa was für dich?“
Der Hund wedelte mit seiner Rute und bellte. Wer weiss, vielleicht hatte er mich wirklich verstanden, auf jeden Fall hiess er von nun an Kanoa.

Diesen Abend gab es gebratenes Fleisch. Als wir am Essen waren, fing es an, zu regnen. Die Pferde waren durch das Laub gut geschützt, Kanoa hatte einen Schlafplatz unter der Plane bekommen und Tom und ich sassen ebenfalls geschützt an unserem Schlafplatz und kauten gemütlich auf unserem Fleisch herum.
Die Pferde waren versorgt, der Hund hatte auch schon gegessen und wir waren inzwischen auch fertig. Tom schaute mich mit seinen stahlblauen Augen an und ich verlor mich einmal mehr in seinem umwerfenden Blick. Ich wurde magisch angezogen und musste unwillkürlich seufzen. Er legte sich auf den Rücken, hatte den Blick allerdings nicht von mir gewendet. Zufrieden schmiegte ich mich an ihn. Ich konnte seinen Geruch riechen; Er roch nach Wald, vermischt mit seinem eigenen Geruch. Sein Körper wärmte mich und ich legte meine Hand auf seine Brust. Langsam strich ich mit meinem Zeigefinger von seinem Brustbein hinunter zum Bauchnabel und wieder hinauf.
„Wieso magst du deinen Namen eigentlich nicht?“, fragte Tom mich.
„Ich weiss nicht. Ich denke, weil es so.. zerbrechlich und liebreizend klingt. Das will ich aber nicht sein. Weißt du, alle Männer, denen ich bisher begegnet bin, wollten nur mit mir schlafen und hatten kein Interesse an meiner Persönlichkeit. Ich will keine Puppe sein, die man überall herum zeigen kann.“
„Ich will mit dir schlafen. Aber ich mag deine Persönlichkeit auch ganz gerne“, fügte Tom noch schnell dran, als ich mich halb aufgesetzt hatte und ihn entrüstet angeschaut hatte.
„Du bist ein Idiot, weißt du das?“, scherzte ich.
„Ich weiss. Bin stolz drauf!“, sagte er und drückte mir einen Kuss auf die Wange.
„Huch! Was war denn das? Ich dachte, du magst mich? Bleibts bei so ’nem kleinen?“
Er griff mit seiner rechten Hals an meinen Nacken und zog mich hinunter zu sich, so dass seine Lippen nur noch wenig von meinen entfernt waren. Wir verloren uns in einem innigen Kuss und ich fühlte mich plötzlich echt komisch.
Alles an mir kribbelte, in meinem Bauch breitete sich ein warmes Gefühl aus und ich wollte mich einfach nur noch in seine Arme legen. Das tat ich auch, denn seine Arme umschlossen meinen Oberkörper und noch einmal schmiegte ich mich an ihn, roch seinen Duft.
„Tom?“
„Hmm?“
Du hast doch gesagt, du liebst mich?“
„Hmm“, brummte er zustimmend. Ich entnahm daraus einmal ein „Ja“.
„Wieso liebst du mich?“
Er schwieg. Dann kam seine Antwort.
„Ach Sammy. Was du wieder für Fragen stellst. Ich liebe dich, weil ich dich liebe. Ganz einfach!“, sagte er schmunzelnd.
„Ok. Andere Frage. Was liebst du an mir?“
Ein Seufzer ging seiner Antwort voraus.
„Was ich an dir liebe. Hmmm. Mal nachdenken. Ich liebe deinen Geruch, ich liebe dein Aussehen, ich liebe es, wie du lachst, ich liebe deine Art, wenn du sauer wirst. Ich liebe es, wie du reitest, wie du mit Tieren und Menschen umgehst, ich liebe deine Einstellung gegenüber der ganzen Welt. Ich liebe es, wenn dein Haar ganz zerzaust ist, weil du schnell geritten bist, ich liebe es, wenn du stark bist. Ich liebe es, wenn du schwach bist, ich liebe deinen unbrechbaren Willen, dieses Freiheitsliebende. Ich liebe es, wenn du mit mir streitest, aber am meisten liebe ich es, wenn du in meinem Arm liegst und ich dich einfach festhalten kann.“
Meine Gefühle waren unbeschreiblich. Glück durchströmte mich, ich empfand Zuneigung, wie ich es noch nie empfunden hatte. Ich war sprachlos.
Wortlos drückte ich mich fester an Tom und merkte, dass der Mann, den ich und der mich liebte, seine Arme stärker um mich schloss, als wolle er mich nie mehr los lassen.
Bald darauf schlief ich ein.


So, hier bin ich stecken geblieben. Falls jemand von euch noch einen Vorschlag hat, wie es weitergehen könnte, schreibt mir doch einfach. =)





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