Clyde Cannaghan - Teil 4

Autor: Kim
veröffentlicht am: 28.04.2011


Ein wunderschöner roter Rosenstrauß erstreckte sich mir gegenüber. Er wurde von Clyde gehalten. Aber das eigentliche Wow galt Clyde.
Er trug einen schwarzen slim- Anzug mit einem weißen Hemd darunter. Zwei oder drei Knöpfe seines Hemdes waren aufgeknöpft, seine Haare waren diesmal nicht verstrubbelt, sondern waren fein säuberlich gekämmt. Wow! Da hat sich aber jemand schick raus geputzt. Ich staunte, bis er mich schnell wieder zur Besinnung brachte: „Nelly-Darling, du bist ja noch gar nicht fertig! Wo ist dein Brautkleid?“ Natürlich fehlte sein Weltmeistergrinsen nicht.

Es war wirklich keine Absicht. Wenn nur Clyde in der Türe gestanden wäre, wäre es ja auch nicht so schlimm, aber Herr Cannaghan gegenüber war das schon ziemlich unhöflich gewesen, aber wie gesagt, es war nicht vorsätzlich, sondern purer Reflex.

Ich knallte eiskalt die Türe vor Clydes Nase zu. Erst als ich das laute Knallen vernahm, zuckte ich erschrocken zusammen und wurde mir meiner Schuld bewusst. Allerdings hatte ich nicht sonderlich viel Zeit um meinen Fehler zu korrigieren, denn mein Vater kam schnellen Schrittes zur Tür und murmelte davor noch entrüstet: „Nala was sollte denn das bitte!“ Weiterhin schnell öffnete er die Türe und entschuldigte sich bei unseren Nachbarn. Ich war gottfroh dass meine Mutter von dem Ganzen nichts mitbekam. Es hätte nur Stress gegeben.
Die Cannaghans nahmen es mir zum Glück nicht übel und lachten bloß darüber. Clyde witzelte wieder: „Das ist also deutsche Gastfreundschaft, hm.“ Während Mike mir den Rücken zuhielt in dem er sagte, er hätte nicht anderes reagiert, merkte ich, dass er echt cool war.

Beim Essen wurde gelacht und geredet, wie vor zwei Tagen auch schon, aber irgendwie benahm sich allgemein meine Familie seltsam. So fröhlich…

Ich schwieg hauptsächlich. Manchmal stellte mir Mike eine Frage, die ich bei ihm gerne beantwortete.
Ich erfuhr, dass Mike 42 Jahre alt war. Er war genauso honigblond wie sein Sohn und war ebenfalls sehr formell gekleidet wir er. Ich wusste ja nicht ob es normal bei Amis war, zum Essen mit Anzügen zu erscheinen, aber ich wollte jetzt auch keine Frage stellen die sich später als peinlich entpuppen würde.

Irgendwann warf meine Mutter die Frage auf, ob Clyde denn keine Freundin gehabt hatte, schließlich sei er ja ein so ´gutaussehender und charmanter junger Mann´.
Als Clyde dann antwortete, er hätte eine Freundin gehabt, die allerdings mit ihm Schluss machte, als sie erfuhr, dass er nach Deutschland auswandern würde, murmelte ich in meinem Essen herumstochernd vor mich hin: „Wen wunderts, bei so einer hässlichen Visage.“
Verdutzt über die plötzliche Stille die aufgekommen war, schaute ich auf und musste feststellen, dass alle Blicke mehr oder weniger geschockt auf mich gerichtet waren.
Verdammt, das war doch kaum hörbar gewesen. Es war mir verdammt peinlich und Angst stieg in mir auf. Angst vor der Reaktion meiner Mutter. Sie war auch die erste die die Stille unterbrach. „Du entschuldigst dich auf der Stelle bei Clyde.“ Presste sie so ruhig wie möglich hervor, aber ich wusste dass diese Ruhe bei ihr nicht anders wie die Ruhe vor dem Sturm war.
Mit hochrotem Kopf entschuldigte ich mich bei ihm und widmete danach wieder meine ganze Aufmerksamkeit meinem Teller. Natürlich war mir der Appetit gehörig vergangen.
Was war auch in mich gefahren? Was kümmerte es mich ob Clyde gut oder schlecht aussehend war?
Nicht nur meine Familie hatte Probleme, auch ich, seit der Ankunft der Cannaghans.

Wie vermutet bekam ich mächtigen Ärger. Andauernd wiederholte meine Mutter sich, wie sehr sie sich für mein Verhalten geschämt hatte, ich sie in eine extrem unangenehme Situation gebracht hatte und zeigte mir nur wieder wie wenig sie mich liebte.
Ich konnte nur Tim dankbar sein. Er kam zu unserer einseitigen Diskussion dazu und meinte irgendwie, er müsste noch voll viel lernen und hätte eine Rechtsfrage nicht verstanden. Er bat daher unsere Mutter um Hilfe. Ehrlich gesagt wunderte es mich, dass Tim um diese Uhrzeit noch lernen wollte. Er war eigentlich der bequeme Typ und war eher mit chatten und telefonieren beschäftigt.
Es war mir aber eh nicht so wichtig. Ich wollte nur noch auf mein Zimmer und meine Ruhe. Nachdem mir das Taschengeld für die nächsten beiden Wochen gekürzt worden war durfte ich auch gehen.

Am nächsten Tag war wieder Schule. Ich wartete auf dem Gehweg vor dem Nachbarshaus bis Mr. Cannaghan-Junior mich mit seiner Anwesenheit ehrte. Tss, ich kickte auf einen Stein; und da meint man Frauen bräuchten immer so lang. Wenn der werte Herr nicht langsam seinen Arsch in Bewegung setzt werden wir zu spät zur Schule kommen. „Good morning honey!“ Ich schaute auf. Na endlich!

Clyde trug eine etwas engere dunkle Jeans, darüber einen marineblauen Trenchcoat und dunkelblaue moderne Mokassin Schuhe. Seine Haare waren leicht verstrubbelt. Ich vermute er ließ sie auch noch zusätzlich mit Gel oder Haarwachs glänzen. Ach du Schande! Jetzt musste ich mich auch noch mit einem Stylo rumschlagen. Ich musste, denn ich hatte gestern versprochen, dass ich mich an dem ersten Schultag des Blondies um ihn kümmere. Daher hatte ich keine große Wahl. Aber… ich musste zugeben er sah nicht schlecht aus, vor allem sein Modegeschmack ließ ihn reifer wirken, als er es eigentlich war.

„Morgen“ grüßte ich ihn zurück und lief los. Clyde holte mich schnell ein. Ein unangenehmes Schweigen entstand. Es war ungewöhnlich neben jemanden zur Schule zu laufen. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Die üppige Montagsfrage: Wie war dein Wochenende? Würde hier ausfallen, schließlich hatte er ja das halbe Wochenende bei uns verbracht.

„Hast du gestern Ärger bekommen?“ fragte er mich plötzlich. Etwas irritiert zog ich die Augenbrauen zusammen. Was interessierte es ihn? Würde er sich freuen, wenn ich ja sagen würde? Daher sagte ich leicht gereizt: „Nein, wegen was denn?“
Ich spürte Clydes Blick auf mir, jedoch blickte ich stur geradeaus und ehrlich gesagt hatte ich eh keinen Bock mehr mit ihm ein Gespräch anzufangen.
„Honey, da ist ein See!“ vernahm ich erneut Clydes Stimme. Ich schaute auf. Er wies mit dem Zeigefinger auf den See, den ich gestern noch umrundet hatte. Man konnte diesen See zwar von unserer Position aus sehen, aber um zu ihm zu gelangen müsste man einen anderen weg einschlagen. „How beautiful, findest du nicht auch Nala?“ Er kontaktierte meine Augen. Seine haselnussbraunen Augen leuchteten intensiv. Wenn ich dieses Leuchten nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, hätte ich an der Wahrhaftigkeit seiner Worte gezweifelt. „Gehen wir da mal zusammen hin?“ fragte Clyde mich abrupt. Einen Moment lang war ich verwirrt und auch peinlich berührt. Jemand wollte mal mit mir etwas unternehmen und dann auch noch ein Junge… Ich errötete und stotterte: „Ähm, ich …also, ja irgendwann… bestimmt.“ Er lächelte warm. Was machte ich daraufhin, drehte mich weg und lief schnell weiter um meine Nervosität und aufkommende Panik zu verbergen: „Wir müssen uns beeilen sonst kommen wir zu spät.“
Verdammt dieser Clyde. Ich weiß einfach nicht was ich von ihm halten soll. Spielt er mir etwas vor oder hat ihn der Anblick des Sees eben so verzaubert wie mich auch schon so oft. Das kann ich mir aber kaum vorstellen. Solch banale Menschen achten doch nicht auf die Schönheiten der Natur. Oder ist er gar nicht so banal, wie ich denke dass er es wäre.

Clyde war extrem gesprächsfreudig. Das genaue Gegenteil von mir und obwohl ich keine Anteilnahme zeigte erzählte er mir von sich und seinem früheren Leben in seiner Amistadt.
Er stammt aus Kansas, um genau zu sein aus Wichita, der größten Stadt dort, obwohl Topega die Hauptstadt sein soll. Er wäre ein großer Fan von den ´Kansas city wizards´. Als er mir von seinem tollen Fußballclub erzählte strahlte er wie ein Honigkuchenpferd und ich wunderte mich, dass er sich als Ami so sehr für Fußball interessierte. Er soll auch ein leidenschaftlicher Fußballspieler sein und hätte öfters mit seinen Freunden gespielt. Dann ärgerte er sich, dass seine tolle Fußballmannschaft anscheinend den Namen geändert haben soll. Sie würde inzwischen ´Sporting Kansas City´ heißen. Dabei rümpfte er die Nase, die Wizards wären deutlich passender als Name. Er erzählte mir auch von seinen Freunden dort und dass er ursprünglich an der größten Uni, nämlich der ´Wichita State University´ vorgehabt hatte zu studieren oder in New York dann. Eigentlich wüsste ich gerne was er denn dann dort studiert hätte, meinte aber stattdessen nur trocken, dass er dann dort hätte bleiben können, wenn es ihm doch so gut gefiele. Daraufhin stockte er und versuchte mich mit einem detektivischen Blick zu durchschauen. Viel Zeit hatte er allerdings nicht, da wir an der Schule angelangt waren.
„Unsere Schule war schöner“ meinte Clyde mürrisch. Oh, oh, oh… da ist ja jemand beleidigt. Ich musste kurz grinsen. Clyde bemerkte es und strahlte erneut: „What? It´s the true. Meine Schule war zwar etwas kleiner, aber dafür moderner als diese alte ´Bruchbude´.“ Er zwinkerte mir zu und ich staunte, wie perfekt er doch Deutsch sprach. Eigentlich würde ich es gerne wissen, jedoch ersparte ich mir die Frage um ja nicht zu spät zu kommen. Wir hatten kaum noch Zeit.
Clyde zeigte ich noch schnell das Sekretariat und ging anschließend in meine Klasse.
So Aufgabe erledigt. Ich hab ihn nicht nur zur Schule geführt sondern hab ihm auch noch das Sekretariat gezeigt. Das war wohl genug Großzügigkeit für einen so selbstverliebten Jungen wie ihn.

Der Tag begann wie jeder andere auch. Jeder ignorierte mich. Ich saß in der letzten Reihe und versuchte meine Konzentration dem Stoff und dem Lehrer zu widmen. Aber im Verlauf des Tages, vor allem nach der großen Pause hörte ich einige Mädels aufgeregt tuscheln. „Wow habt ihr den Neuen gesehen. Wow der sieht so Hammer aus“ „Echt“ „Ja und er ist ein Ami!! Ein Ami!!“ „Boah ich glaub ich bin verliebt.“ „Ich auch“ „Ich muss ihn auch sehen, wo ist er“ „Der gehört schon mir, also Finger weg.“ Daraufhin blödes Gekicher.
Innerlich schüttelte ich den Kopf. Wie kann man sich in jemanden verlieben, den man nur mal kurz gesehen hat und nicht mal persönlich kennt. Ich war noch nie so richtig verliebt und auf den ersten Blick verlieben werde ich mich garantiert nicht.
Im Verlauf des Tages unterhielt sich nahezu die ganze Klasse über Clyde. Ami hier, Ami da. Ich saß wieder mal teilnahmslos an meinem Platz und las ein Buch. Schließlich hatte ich nichts Besseres zu tun.

Es war kurz nach 15.00 Uhr. Bald wäre auch dieser Tag vorbei. Plötzlich klopfte es an der Türe.
Geschockt sah ich wie Clyde eintrat. Er grüßte sofort den Lehrer auf seine Art: „Hello teacher!“ Dazu salutierte er noch halbwegs und grinste wieder mal über beide Ohren. „Eee ich suche jemanden…“ Clyde schweifte mit seinem Blick über unsere Klasse bis er mich entdeckte. „…aah da bist du ja Nala. Wann hast du aus? Bei mir ist die letzte Stunde ausgefallen. Ich war aber noch kurz beim teacher. Hast du dann in einer halben Stunde aus? Ich kann auf dich warten wenn du willst.“ Alle Blicke richteten sich auf mich, die mich erstaunt aber auch geschockt ansahen. Ich merkte wie meine Wangen zu glühen begannen. Mir wurde unglaublich heiß. Ich war das nicht gewohnt. Nicht einmal bei Präsentationen schaffte ich es die ganze Aufmerksamkeit auf mich zu lenken…
Ich kam mir wie ein aktiver Vulkan vor. Jeden Moment könnte mein Kopf explodieren.
Ich wollte ja sagen um diesem Schweigen ein Ende zu bereiten und wieder Normalität zu verschaffen. Doch der Kloß in meinem Hals verhinderte meinen Sprachgebrauch, also antwortete ich bejahend mit Kopfnicken.
„Great, Ok Nelly-Darling, ich warte dann auf dem Gang. See you.“
Damit drehte er sich um und ging raus.
Er sollte nicht auf mich warten, aber ich brachte nicht mal ein vernünftiges Wort zu Stande, geschweige denn einen vollständigen Satz.
Ich blickte immer noch mit hochrotem Kopf auf mein Buch und spürte weiterhin alle Blicke auf mir. Mein Herz raste. Einige tuschelten erneut. „Woher kennt ´die´ den?“ „Hat der süße Junge gerade im Ernst mit der ´Kiesbrunn´ geredet?“ Das war Ninas Stimme. Sie… ich hasste sie. Sie war ein absolut billiges Flittchen in meinen Augen, nur darauf fixiert im Mittelpunkt zu stehen. Und sie war eine Lästertante. Sie lästerte wirklich über jeden diese Schlange.
Zu meinem Glück fuhr der Lehrer mit dem Unterricht fort und zwang somit alle sich nach vorne zu drehen.

Dieser blöde Clyde…Was musste der auch in unser Zimmer platzen? Hätte er nicht einfach auf dem Gang die halbe Stunde warten können?

Es gongte und ich beeilte mich und packte schnell meine Sachen in meine Tasche. Nicht weil ich es nicht abwarten konnte Clyde zu sehen, der konnte mir ruhig erspart bleiben mit seiner lauten Art, sondern weil ich einfach keine Lust auf meine Klasse hatte.
Gerade wollte ich aus der Türe raus, da hörte ich Nina-Kuhs Stimme: „Hey Nala, warte mal“ Ich drehte bloß meinen Kopf in ihre Richtung. Ich wusste was sie wissen wollte und überlegte, ob ich wirklich die Wahrheit sagen sollte, bis… „Nelly!“ Ich drehte meinen Kopf wieder Richtung Türe. Clyde. „Nelly?“ hörte ich hinter meinem Rücken Ninas skeptische Stimme.
Unwillkürlich wirbelte ich um 180°. Kaum stand ich Nina gegenüber, schon spürte ich Clydes Arm auf meinen Schultern. Wieder grinste der Blondie: „Yes…“ betonte Clyde übertrieben „…das ist schließlich Nelly. Wusstest du das nicht?“ fragte er Nina noch gespielt geschockt. Nina schüttelte daraufhin nur blöd ihren Strohkopf. Was ist die blöd?! Die glaubt es auch noch…
Beide blickten mich dann an und um genau zu sein auch der Rest meiner Klasse… Wie neugierig manche Menschen doch sein können. Wenn sie wenigstens ihre Neugier besser verstecken würden…

Ich lächelte nur gezwungen und wollte endlich von hier weg. Allein Clydes Arm störte mich gewaltig. Abgesehen davon, dass ich ein eher berührungsscheuer Mensch war, verlagerte Clyde auch noch sein Gewicht auf mich. Und eigentlich bin ich in keiner Schwergewichtsklasse…
„Komm jetzt“ meinte ich nur kurz und befreite mich und ging aus der Türe. Clyde folgte mir.






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