Leben ist ein Luxus, aber Lieben ist ein Genuss - Teil 16

Autor: Noa
veröffentlicht am: 04.04.2011


Kapitel 17 – Alles nur geträumt

Max ließ mich nicht los und dabei wehrte ich mich reißend.
„Bitte, schau mich an.“, bat er mich und mein Zappeln stoppte.
„Nein, ich will nicht.“, schniefte ich ängstlich.
„Bitte, tu es für mich, Jessy.“
Entsetzt blickte ich ihn an und sah dann ein völlig anderes Gesicht. Braune stirnlange Haare ragten aus der Kapuze und braune Augen funkelten. Ich kannte diese Person und hatte zu ihr mein absolutes Vertrauen. Aber woher wusste er meinen richtigen Namen, der mir in diesem Moment bewusst wurde? Irgendetwas verwirrte mich an der ganzen Geschichte.
Gerade als ich mich selbst als verrückt erklären wollte, nahm er mich in den Arm und ließ mich nicht mehr los.
„Bitte, versprich mir, dass du zurückkommst. Du musst stark bleiben.“, weinte er und mein Gefühl sagte mir, das ich auf ihn hören sollte. Auch wenn er mir nur bekannt vorkam, nahm ich ihn ebenfalls in den Arm und empfand Liebe für ihn. Das Gefühl war einfach unglaublich stark und ich hatte keine Angst mehr. Ich schloss die Augen und eine wärmende Welle umschloss mich. Doch dann sah ich vor mir ein Licht auf mich zukommen, es war grell und wurde immer schneller. Als ich hinunter schaute, standen wir beide auf Gleisen und ein lautes Hupen eines Zuges war zu hören. Das Licht raste auf uns zu und dann hörte ich nur sein Flüstern.
„Hab keine Angst, Jessy, ich bin bei dir.“
Im nächsten Moment erschrak ich und atmete tief ein. Eine Ärztin zog eine riesige Spritze aus meiner Brust und jemand zog mir eine Sauerstoffmaske an.
„Sie ist wieder bei uns!“, rief jemand und alle seufzten erleichtert. Ein anderer Arzt wusch sich den Schweiß von der Stirn und fuhr den Defibrillator weg. An meinen Armen waren Schläuche und es war heiß. Eine Krankenschwester nahm meine Hand und streichelte sie sanft. Ihr Gesicht strahlte vor Erleichterung und sie versuchte mit mir zu reden.
„Du hast es geschafft, Kleine.“, lächelte sie.
Aber meine Kräfte waren alle verbraucht und ich schlief ein. Meine Erinnerungen kehrten zurück. Diesen Traum den ich hatte, wollte mir etwas vermitteln und er fühlte sich so unglaublich real an. Fast hätte ich auch alles geglaubt, dass dies vielleicht passiert wäre, aber meine Gedanken spielten mir einen Streich. Das heißt, der Unfall mit Roxas, Phoebe, Vanessa und Martin war wirklich passiert, aber was war mit ihnen? Sind sie schwer verletzt? Vor allem sorgte ich mich um Roxas, immerhin war er der Fahrer.
Mitten in der Nacht erschrak ich auf.
„Roxas!“, schrie ich ängstlich und lag wieder im Krankenhaus. Dieses Mal hatte ich erneut Angst in einem Traum zu sein. Mein Wunsch war es Roxas wieder zu sehen und ich blickte auf die Uhr die vor mir an der Wand hang. Es war vier Uhr morgens. In meiner Hand steckte nur eine Kanüle und ich brauchte keine Sauerstoffmaske mehr. Langsam stieg ich aus dem Bett und fiel erstmals auf den Boden. Ich war wackelig auf den Beinen, als müsste ich erst lernen wieder zu gehen und zog mich am Bett hoch. Nach einigen weiteren Versuchen nahm ich mir eine weiße Wollweste und ging Barfuß auf den Flur. Es liefen einige Ärzte, die im Stress waren an mir vorbei. Als ich in einen Raum ging, wo sich zwei Schwestern unterhielten, blickten sie mich entgeistert an.
„Wo kann ich den Patienten Roxas Stiehler finden?“
Sie gab in den Computer seinen Namen ein und dann drehte sie sich zu mir um.
„Im dritten Stock, Zimmer 308.“
„Danke.“, rief ich und lief in den Fahrstuhl. Eine ältere Dame stand neben mir und begutachtete mich. Sie sah sofort die Kanüle in meiner Hand und den Verband darum.
„An deiner Stelle hätte ich mir Hausschuhe angezogen. Sonst wirst du noch krank.“, bemerkte sie.
„Dafür hatte ich keine Zeit.“, lächelte ich und sie nickte nur freundlich. Im dritten Stock verließ ich sie und suchte das Zimmer 308. An den Schildern an der Decke war es schnell zu finden. Bevor ich es betrat, hielt ich kurz inne. Ob er schwer verletzt war? Immerhin war das Auto direkt in uns hinein gefahren. Ich atmete kurz tief durch und klopfte schwach an die Tür. Den Griff zog ich nach unten und blickte durch den kleinen Spalt. Roxas war allein im Zimmer und hatte Schläuche in der Nase und in seiner Hand einen stecken. Er schlief und ich wollte eigentlich nur wissen, ob es ihm gut ging. Kurz ging ich zu ihm hin, strich über seine Wange und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Mit einem zufriedenen Lächeln wollte ich das Zimmer verlassen, aber Roxas wurde wach. Er schrak auf und setzte sich auf.
„Wer ist da?“, rief er, da er mich nur von hinten sah. Langsam drehte ich mich zu ihm um und lächelte. Seine Augen weiteten sich und er wollte aus dem Bett steigen.
„Jessy!“, rief er und musste an seine Brust greifen, da er einen dicken Verband darum hatte und es schmerzte. Ich lief zu ihm hin und drückte ihn sanft wieder auf das Bett zurück.
„Du lebst? Die Ärzte hatten zehn Minuten lang versucht dich wiederzubeleben. Als ich keine weiteren Nachrichten mehr von dir hörte, dachte ich sie wollten deinen Tod mir verheimlichen. Ich bin so froh, dass es dir gut geht.“
Erleichtert nahm ich ihn in den Arm und versuchte dabei seine Schulter nicht zu belasten. Er streichelte mich am Kopf und musste nach einigen Sekunden aufgeben, da sein Bauch schmerzte. Er zog sein T-Shirt hoch und dort war ein weiterer Verband.
„Was ist passiert?“, fragte ich besorgt und nahm seine Hand.
„Etwas Spitzes durchbohrte meine Schulter und das Lenkrad zerquetschte meinen Bauch. Die Ärzte meinten, ich hätte großes Glück gehabt, da sonst bei solch schlimmen Unfällen immer der Fahrer stirbt.“
Roxas tat mir furchtbar leid. Seitdem ich bei ihm bin, passierten nur noch Unfälle, Meinungsverschiedenheiten zwischen uns und er hatte mehr Feinde als zuvor. Ich brachte nur Leid und das durfte nicht so weiter gehen. Zögernd riss ich meine Hand weg und drehte meinen Kopf von ihm weg.
„Was hast du?“
Am liebsten wäre ich einfach aus der Tür gegangen, aber schließlich bekam ich doch noch meinen Mund auf.
„Ich muss gehen.“, sagte ich schnell und verschwand aus dem Zimmer. Tränengefüllt rannte ich in den Fahrstuhl und begann leise zu weinen. Es hatte einfach keinen Sinn mehr. Es tat mir zu sehr weh, Roxas leiden zu sehen. Aus seinem normalen Leben hatte sich ein Albtraum entwickelt, der vielleicht sogar nie enden würde. Vielleicht drückte genau das mein Traum aus. Roxas Leiden. Es kam alle Feinde, allen Schmerz und die quälende Angst vor. Wenn Roxas weiter bei mir bleiben würde, stünde am nächsten Tag der Tod vor seiner Tür. Beim ersten Unfall war er ein Haar davongekommen in die Luft gesprengt zu werden, aber beim zweiten Mal landete er durch Glück im Krankenhaus. Ein drittes Mal durfte es nicht geben, das musste ich verhindern. Auch wenn es für mich äußerst schmerzhaft war. Wenn ich ihn verlieren würde, hätte mein Leben keinen Sinn mehr. Deswegen blieb nur eine Trennung übrig. Sie war seine Rettung vor dem Tod und von allen Dingen, vor mir. Ich würde alles tun, damit ihm kein weiteres Leid zustieße, auch wenn ich das schlimmste machen musste, mich von ihm zu trennen. Die Angst davor ihn zu verlieren, war viel größer und wichtiger. Vielleicht wäre es der gleiche Schmerz mich von ihm fern zu halten, wie ihn zu verlieren. Trotzdem wusste ich dann, dass es ihm gut ging und er noch lebte. Die Fahrstuhltür wollte zugehen, doch ich hielt meinen Arm dazwischen. Mit geballten Fäusten und entschlossenen Gedanken lief ich zurück in Roxas Zimmer. Fraglich schaute er mich an, als ich einen Meter Abstand von ihm hielt. Kurz atmete ich tief durch und blickte ihm direkt in die Augen. Jetzt war der Augenblick gekommen, auch wenn all meine Tränen fließen wollten, mein Gefühl mir sagte, dass es falsch war und mir bewusst war, danach nie wieder seine Nähe zu spüren, riss ich mich am Riemen. Um auch ernst bei ihm anzukommen, setzte ich mein kältestes Gesicht auf. Schon allein der Anblick versetzte Roxas in einen schockierenden Zustand. Er wusste, da die Worte, die gleich aus meinem Mund kamen, absolut ernst gemeint waren. Noch einmal atmete ich tief ein und aus, um all meinen Mut fassen und halten zu können. Denn ich tat es für Roxas und nur für ihn. All das Leid, das danach auf mich zukommen würde, musste ich hinunterschlucken oder kurz gesagt, vergessen. All die Erinnerungen an der Nordsee, unsere erste Begegnung und die Abmachung auf unserem Lieblingsort, auf der Bank am Waldrand müsste ich vergessen. Auch meine Liebe zu ihm werde ich wohl oder übel loslassen müssen. Ob ich die Kraft überhaupt dazu hatte, wusste ich nicht, aber ich werde sie mir nehmen müssen, wenn ich weiß, dass es Roxas dadurch das Leben rettete. Um keine verweichlichten Anmerkungen an mir sehen zu lassen, ballte ich die Fäuste zusammen.
„Roxas, es ist vorbei.“, sagte ich schließlich kalt. Gespannt wartete ich auf seine Reaktion ab, die mir es noch mehr erschwerte, weich zu werden.






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