Leben ist ein Luxus, aber Lieben ist ein Genuss - Teil 12

Autor: Noa
veröffentlicht am: 28.03.2011


Kapitel 12 – Milena

Auf dem Bildschirm stand Milena drauf. Sollte ich die SMS lesen? Das wäre ja Schnüffelei. Noch kurz schaute ich zur Zimmertür von Phoebe um mich zu vergewissern, dass er noch beschäftigt war und drückte auf Lesen.

Hey Roxas,
danke, dein Angebot nehme ich gerne an. Morgen wäre ein guter Tag um etwas zu unternehmen. Wir könnten ja eine Runde spazieren gehen im Wald um uns besser kennen zu lernen. Wenn es dir nichts ausmacht, dann nehme ich noch meinen Hund mit. LG Milena

Mir stank dieses Mädchen. Sie mischte sich überall ein. Grüßte übertrieben die Nachbarn und schrieb dann auch noch Roxas, das sie sein Angebot gerne annahm. Dabei wollten wir zwei doch morgen etwas unternehmen. Sie kann mit ihm jeden Tag etwas unternehmen, aber nicht wenn ich in Koblenz war. Immerhin war ich nur zwei Wochen da und nicht ganze vier, wie in den Sommerferien. Ich hörte wie Roxas aus der Tür wieder kam und da die Nachricht schon gelesen wurde, fiel das auf, also musste ich schauspielern. Ich tat so, als fiele mir das Handy runter und würde ausversehen auf Lesen gedrückt haben. Er glaubte mir die Geschichte.
Als er sich neben mich wieder setzte und dann die SMS las, beobachtete ich ganz genau seine Gesichtszüge. Er lächelte kurz auf.
„Wer hat dir denn geschrieben?“, fragte ich unwissend. Er gab mir keine Antwort und konzentrierte sich darauf zurückzuschreiben. Das gefiel mir nicht. Ganz und gar nicht. Am liebsten hätte ich nochmal gefragt, aber das würde nur auffallen. Schließlich machte ich mich schon um zehn auf den Heimweg. Er blickte mich verwundert an, als er sah dass ich schon gehen wollte. Aber ich hielt es nicht länger aus die ganze Zeit mit einem eifersüchtigen Gedanken bei ihm zu sein. Das machte mich völlig unruhig und deshalb fragte ich ihn noch etwas bevor ich aus dem Haus ging.
„Machen wir morgen etwas?“
„Das würde ich gerne, Süße, aber morgen hat mein Opa Geburtstag in Koblenz, er wird achtzig, da kann ich nicht einfach daheim bleiben. Wer weiß, ob er wieder rund wird.“
Dummerweise wusste ich nicht, ob er mir die Wahrheit sagte oder mich anlog, da ich nicht gelesen hatte, ob er ihr zusagte oder nicht. Das machte mich total nervös und ich konnte die Nacht deswegen nicht schlafen. Vielleicht machte ich mir deswegen auch zu viele Sorgen. Ich musste Roxas vertrauen und darf nicht ständig eifersüchtig sein. Aber dagegen konnte ich auch nichts tun, es überkam mich einfach. Am Morgen frühstückte ich eilig und setzte mich wie ein übertriebener Stalker an das Fenster. Nach einer halben Stunde gab ich auf und schaltete den Fernseher unten ein. Gerade als ich in die Küche ging um mir eine Banane zu holen, sah ich wie Roxas vor der Haustür von Milena stand. Sie öffnete die Tür und umarmte ihn freudig.
Das setzte bei mir ein wütendes Feuer frei. Ich hatte es doch gewusst, von wegen, er ging zu seinen Opa. Am liebsten wäre ich hinausgerannt und hätte ihn angeschnauzt, aber ich beobachtete das Geschehen weiter. Milena flitzte wieder hinein und nahm ihren Hund heraus. Es war ein Yorkshire Terrier. Sie konnte ihr Lächeln nicht aus dem Gesicht nehmen und freute sich anscheinend dass sogar Roxas sie besuchte. Sie zog noch ihre Jacke an, da es schon leicht Herbst war und sie gingen von meinem Haus weg, in den Wald. Ich schlug wütend auf den Tisch. Roxas log mich an. Von wegen er hatte keine Zeit! Lügner! In mir brodelte alles und Brigitta kam von unten zur Küche hochgerannt. Sie verfolgte meine Blickrichtung und traf dann auf Roxas und Milena.
„Milena kennt auch schon Roxas?“, fragte sie.
„Ja.“, knurrte ich.
„Was ist los? Du bist doch nicht wegen Milena eifersüchtig, oder?“
„Roxas log mich an! Das machte mich sauer. Gestern las ich auf seinem Handy eine SMS von ihr und darin stand, dass sie am Morgen mit ihm spazieren gehen wollte. Ich tat so, als las ich die SMS nicht und fragte ihn hinterher mit wem er schrieb und er gab mir keine Antwort. Zum Schluss sprach ich ihn darauf an, ob er Lust hätte etwas mit mir zu unternehmen und er meinte, er hätte überhaupt keine Zeit.“
„Das mag sein, aber vielleicht wollte er dich nicht eifersüchtig machen. Ich meine wie wäre es denn gelaufen, wenn er dir ins Gesicht gesagt hätte Milena hatte ihm geschrieben? Dann wärst du auch sauer gewesen, oder nicht?“
„Ja, doch schon. Aber dann hätte er mir wenigstens die Wahrheit gesagt.“, brummte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Außerdem fährt er ja vielleicht doch zu seinem Opa, immerhin ist es erst zehn Uhr. Wenn du ständig eifersüchtig bist auf jede Kleinigkeit, wird er Angst haben dich zu verlieren, weil er denkt, dass du mit ihm Schluss machst, wenn du erfährst mit wem er ausgeht.“
„Moment!“, rief ich und packte mein Handy aus um Phoebe eine SMS zu schreiben. Ich fragte ob sie heute Mittag irgendwo hinfährt. Nach einigen Sekunden schrieb sie zurück und sagte dass sie und ihre Familie zu ihrem Opa fahren, da er Geburtstag hatte. Er log doch nicht. Vielleicht hatte Brigitta doch Recht. Ich sollte meine Eifersucht zügeln und Roxas einfach vertrauen.
„Du hattest Recht, Oma.“, sagte ich schließlich und seufzte erleichtert.
„Siehst du. Du musst nur Vertrauen zu ihm haben, aber nicht zu fiel, sonst wirst du noch so blind wie ich es damals war. Bestimmt möchte Roxas nur ein guter Nachbar sein. Ich meine du hast dich doch auch gefreut, wo er an meinem Geburtstag auftauchte.“
„Ja, sehr sogar. Ich glaube ohne dich, hätten sich mein und Roxas Weg nie gekreuzt.“, lächelte ich und atmete einmal tief durch. Da ich endlich ein reines Gewissen hatte, legte ich mich vor den Fernseher und verbrachte den ganzen Tag davor. Phoebe war nicht da und Roxas auch nicht. Langeweile pur.
Damit die Zeit schneller vorbei ging, legte ich mich ein wenig hin. Selbst nach dieser Zeit war es noch nicht einmal sieben. Doch da klingelte die Haustür. Könnte das vielleicht Roxas sein? Aufgeregt sprang ich die Treppen hinunter und es war die Nachbarin Sabine. Sie nahm Brigitta freudig in den Arm und setzte sich mit ihr an den Esstisch.
„Und? Wie war dein Urlaub auf den Seychellen?“, fragte sie Sabine.
„Es war unglaublich, der Sand war…“, ihre Gespräche verstummten, da ich mich traurig wieder ins Zimmer schlenderte. Wieso war ich so eifersüchtig auf Milena? Vielleicht hatte ich auch ein ganz falsches Bild von ihr. Auf Phoebe war ich immerhin auch sauer und nun sind wir dicke Freunde. Am besten ich mache mir ein eigenes Bild und gehe sie besuchen. Bei dem Gedanken riss ich all meinen Mut zusammen und stand schließlich vor ihrer Tür. Es klingelte. Eine schlanke junge große Frau, fast wie ein Model, mit roten Lippen und Make-up überdeckter Haut stand vor mir. Sie lächelte mich freundlich an und rief Milena hinunter. Es polterte kurz oben und dann schaute sie mich wunderlich an.
„Hallo Jessy.“, rief sie und das Model verschwand ins Wohnzimmer. Ich schaute ihr nach.
„Das ist meine Mom.“, gab sie zu und jetzt wusste ich warum sie so hübsch war.
„Eine nette Frau. Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du Lust hättest, etwas mit mir zu unternehmen. Da du so freundlich gewesen warst, dich bei uns vorzustellen, möchte ich auch einmal nett sein.“, grinste ich. Sie nickte begeistert und bat mich hinein.
„Es ist zu dunkel, als das wir noch spazieren gehen könnten, aber wenn du willst, dann können wir oben bei mir im Zimmer etwas machen. Wunder dich nicht wenn dort das reinste Chaos ist, aber wir sind noch am Auspacken. Außerdem gehen meine Eltern sowieso gleich aus.“, sagte sie und ich musste mich oben durch herumliegende Kisten, Kleiderstapel und einen Staubsauger kämpfen. Wir setzten uns auf das Bett und sie nahm ihren Laptop auf den Schoß.
„Roxas hast du bestimmt auch schon kennen gelernt.“, sagte ich und sprach sie auf das Thema an. Mal sehen, was sie dazu meinte.
„Ja, Roxas ist ziemlich nett. Er erinnert mich ein wenig an jemanden aus meiner alten Heimatstadt.“
„Wirklich? Woher kommst du denn?“
„Aus Hessen und davor wohnten wir in Berlin. Als ich geboren wurde, war ich sogar in Belgien. Meine Eltern kommen dort her.“
„Spricht man dort nicht flämisch oder wallonisch?“
„Doch. Meine Eltern sind Flandern.“, erzählte sie mir.
„Kannst du denn ein wenig französisch?“, fragte ich neugierig.
„Klar. Sie sprachen als ich noch klein war, nur mit mir Französisch. Deswegen bin ich in dem Fach auch richtig gut.“
Sie ging auf einer Chatseite on und da schrieb ihr Roxas eine Nachricht. Ich versuchte die Nerven zu behalten. Sie texteten sich ein wenig zu und sie musste manchmal beschämend kichern. Es wunderte mich auch dass er ihr so viele Komplimente machte. Trotzdem vertraute ich Roxas und versuchte Ruhe zu bewahren. Aber was jetzt kam, übertraf alles andere.
„Findest du nicht auch das Roxas ein richtig süßer Typ ist? Schade das er schon vergeben ist, sonst hätte ich ihn noch besser kennen lernen wollen.“
Meine Augen weiteten sich. Was sagte sie da? Das war der Beweis. Milena stand auf Roxas, eindeutig. Verkrampft krallte ich mich an die Bettdecke und versuchte neutral zu bleiben. Sie wusste nicht einmal dass ich diejenige gewesen bin. Aber die Maske wollte ich lieber noch ein wenig anbehalten, um noch mehr zu erfahren. Also tat ich so, als wäre ich überhaupt nicht eifersüchtig.
„Ja, genau. Ich finde ihn auch richtig süß.“, gab ich lächelnd zu.
„Wieso sind immer die hübschesten Typen bloß vergeben? Wir würden so gut zusammen passen, immerhin wohnt er direkt gegenüber von mir und studiert. Mal ganz unter uns, ich fahre total auf Studenten ab.“, lachte sie zum Schluss und klang wie eine kleine Tratschtante. Es war verdammt schwer meinen Mund zu halten und ihr nicht ins Gesicht zu sagen, dass ich Roxas Freundin war.
„Mich würde wirklich interessieren wer sie ist. Bestimmt so ein langweiliges Mädchen aus der letzten Straßenecke. Sie besitzt wahrscheinlich nur einen Hauptschulabschluss und war anscheinend überhaupt nicht hübsch.“, prahlte sie und am liebsten hätte ich ihr in diesem Moment eine geklatscht. In mir staute sich eine enorme Wut.
Ich räusperte mich jedoch und tat so, als hätte ich das alles nicht mitbekommen.
„Vielleicht gibt es sie ja bei seiner Freundesliste.“, murmelte sie und ging bei Roxas auf seine Freunde. Er hatte über sechshundert. Die meistens waren bestimmt Bekannte von ihm. Trotzdem konnte sie so viel nachschauen wie sie wollte, ich war dort nicht angemeldet. Im Saarland gab es andere bessere Chatseiten und die gefielen mir eben auch besser, weil dort all meine Freunde waren. Nur bei einem Chatprogramm waren ich und Roxas beide angemeldet und das durfte sie bitte auch nicht haben. Denn da stand dort auf seinem Profil:
>in der einer Beziehung mit: Jessica Schnatz<. Dann wäre meine Tarnung aufgeschmissen und sie würde sich wundern, warum ich noch nicht ausgestickt bin. Aber nun konnte ich sie einschätzen. Genau wie ich es befürchtet hatte, sie war arrogant. Sie prahlte nur dummes Ziegengeschwätz und dachte sie stünde über allen hier. Am Abend ging ich schließlich wieder nach Hause und mir gingen ihre Worte nicht aus dem Kopf. Besondern den einen Satz „Findest du nicht auch das Roxas ein richtig süßer Typ ist?“. Das machte mich völlig wahnsinnig und wollte es auch Roxas erzählen, aber dann käme ich mir genauso wie sie vor. Über jemanden schlecht zu reden, auch wenn er das über mich tat, konnte ich nicht. Es verunsicherte mich.
Am nächsten Tag erhielt ich eine SMS von Roxas, in der stand er habe heute leider auch keine Zeit, da er seinem Dad in der Garage helfen musste. Er hatte wieder keine Zeit. Ich schrieb ihm zurück, dass ich dann mit meiner Oma ihren Cousin Frederik besuchen werde. Er entschuldigte sich noch und wies darauf hin, das sich ja nur zwei Wochen da bin und versprach mir am nächsten Tag etwas zu machen, aber erst nachmittags, weil er montags Schule hatte. Bevor ich mit meiner Oma ins Auto steigen wollte, sah ich noch bekannte blonde Haare in Roxas Auto einsteigen. Schnell schlüpfte ich ins Auto und versuchte das Mädchen zu analysieren. War das vielleicht Phoebe? Gleich im nächsten Moment schlich sich Roxas aus dem Haus und stieg schnell ins Auto ein um losfahren zu können. Das war bestimmt Phoebe, sprach ich mir sicher zu. Einige Minuten später, als wir an Roxas Haus vorbeifuhren, öffnete Phoebe die Tür und sah mich im Auto sitzen und sie wank mir noch zu. Sie wollte den Müll rausbringen, da sie einen vollgeprallten gelben Sack in der Hand hielt. Aber gerade eben dachte ich noch Phoebe war im Auto gewesen.
„Stopp!“, rief ich und meine Oma hielt erschrocken an. Schockiert starrte sie mich an.
„Na warte, wenn ich den in die Finger bekomme!“, schrie ich wutentbrannt und stieg aus dem Auto. „Tut mir Leid, Oma, ich kann nicht mit dir fahren. Da gibt es noch etwas zu klären.“
Sie verstand mich sofort und nickte nur, gab mir den Haustürschlüssel und fuhr weiter. Entgeistert schaute sie mich an.
„Wo ist Roxas?“, fragte ich Phoebe wütend.
Sie drehte sich rasch um und wollte wieder ins Haus laufen, aber ich packte ihren Arm. Sie seufzte und gab auf.
„Also gut, er ist mit Milena in die Stadt gefahren. Milena schlug ihm etwas vor und er konnte nicht anlehnen.“
Ich nahm mein Handy heraus und drückte es ihr in die Hand, damit sie seine SMS lesen konnte. Zuerst zog sie nur die Augenbrauen zusammen und hielt dann ihre Hand vor den Mund.
„Man ist der fies.“, knurrte sie und konnte es selbst nicht fassen, dass ihr Cousin mir so etwas antun würde.
„Er hat mich belogen.“, brummte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Ich bin ganze drei Monate weg gewesen und verbringe drei Tage wieder hier und nun belügt er mich und geht lieber mit dieser Milena shoppen.“, brüllte ich wutentbrannt.
„Mensch, Jessy, das tut mir so leid. Roxas hatte das bestimmt nicht mit Absicht vor. Außerdem würde er dich nie betrügen. Da bin ich mir sicher.“, wollte sie mich beruhigen, aber genau das versetzte mich in noch größere Panik. Was war wenn er in diesem Moment sie küsste oder weit aus schlimmeres. Nein. Wenn er sich lieber mit Milena vergnügte, dann hatte ich wohl nichts mehr hier verloren.
„Das reicht!“, rief ich und nahm mein Handy wieder an mich, drehte mich um und ging zu meinem Haus.
„Was hast du vor?“
„Bestell deinem Cousin noch einen schönen Gruß. Ich hau ab! Wenn er meint mit Milena ist es lustiger, dann soll er doch den Rest der Ferien mit ihr verbringen. Morgen bin ich wieder in Saarbrücken.“
„Bitte nicht! Bleib noch!“, rief sie mir nach, aber ich steckte schon den Schlüssel in die Haustür. Ich sah nur noch, wie Phoebe versuchte Roxas zu erreichen. Auch wenn ich damit gedroht hatte nach Hause zu fahren, konnte ich nicht. Mir ging es schlecht, richtig schlecht. Musste mir manchmal sogar die Tränen zurückhalten, allein bei der Vorstellung, dass er sie lieber mochte, als mich. Vielleicht küssten sie sich ja sogar, das wäre der Höhepunkt gewesen. Von wegen vertrauen. Ich war stocksauer. Roxas konnte ich das nicht verzeihen, er log mich an um mit einem anderen Mädchen shoppen zu gehen. Wahrscheinlich gingen sie dann auch noch anschließend in die Disco. Aber da klingelte schon mein Handy. Es war Roxas. Ich wollte nicht mit ihm reden, um mir seine dummen Ausreden anzuhören und schmiss es unters Kissen. Fast jede Minute rief er an und nach einer knappen halben Stunde, verstummte das Klingeln. Erschöpft legte ich mich schlafen und nach einer Stunde klingelte es unten. Bitte ließ es nicht Roxas sein. Was sollte ich ihm sagen? Ihn anschreien? Nein, das musste ein Ende haben. Jetzt und hier.






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