Für eine Weile gehör ich dir - Teil 20

Autor: Mariella
veröffentlicht am: 01.07.2011


Tag der Abreise

Die Koffer der drei Frauen waren gepackt und es konnte mit der Kutsche auf zu Isabells Anwesen außerhalb Englands gehen. Die Fahrt aufs Festland dauerte nur wenige Stunden. Die Frauen unterhielten sich viel über alles Mögliche, jedoch das Thema Entführung kam nicht auf. Lauren war ihnen dankbar, das sie ihr keine Fragen stellten. Bis auf wenige Bedienstete die fleißig damit beschäftigt waren, das Anwesen auf Vordermann zu bringen, war niemand in dem Haus. Im Haus angekommen zeigte der Butler ihnen ihre Zimmer. Isabell hatte wie immer dasselbe Zimmer, ein großes Zimmer mit weißen Möbeln und einer Rosentapete. Lauren ihr Zimmer war in einem hellen grün gehalten mit toll verzierten dunklen Möbeln. Auch Julietta bekam ein helles Zimmer in zarten Fliederton und dunklen Möbeln. Die Zimmer von Isabell hatten alle eine andere Farbe und ein bestimmtes Thema. Ihr Salon war in Gold rot gehalten mit chinesischen Möbeln, wo sich die Frauen hin begaben, nachdem jede ihr Zimmer bezogen hatte um einen grünen Tee zu trinken. Nach dem Tee ging jede der Frauen in ihr Zimmer um sich etwas frisch zu machen und sich für das Abendessen umzuziehen. Das Essen nahmen sie im großen Speisesaal ein. Es gab Kalbsfilet mit grünen Bohnen und Kartoffeln und zum Nachtisch eine Kirschcreme mit Schokoladenraspeln. Nach dem Essen gingen sie noch eine Weile in den chinesischen Salon und machten es sich mit einem Glas Rotwein vor dem Kamin gemütlich. Die Tage waren warm, aber die Abende und Nächte konnten hier kalt werden. Gegen 23 Uhr verabschiedeten sich die Frauen mit einem Kuss auf die Wange voneinander und verschwanden in ihre Zimmer um sich schlafen zu legen.

Lauren konnte nicht einschlafen, ihr kreisten zu viele Gedanken durch den Kopf rum, sie fühlte sich einsam in diesem Zimmer, sie brauchte frische Luft. Leise schlich sie sich nach draußen in den wunderschönen Garten, der voll von Lavendel, Sonnenblumen, verschiedenfarbigen Rosen und blühenden Kakteen war. Sie schlenderte eine Weile ziellos durch den Garten, bis sie eine Bank in einem Pavillon entdeckte auf die sie sich setzte.

Sie dachte an Arthur wie sehr sie seine Gesellschaft vermisste.

‚War dies vielleicht doch Liebe, die ich für Arthur empfinde? Könnte ich ihn glücklich machen so wie er es verdiente? Er ist mir in Laufe der Zeit wichtig geworden, aber reicht das aus um mit ihm eine Ehe einzugehen? Ich wollte ihn heiraten und das nicht nur aus Herzensgüte, aber beweist mir die Nacht nach meiner Befreiung nicht, das ich, wenn ich mit William zusammen bin ihm nicht wiedersehen kann. Kann ich die Anziehung die ich ihm gegenüber spüre hinter mir lassen um glücklich mit Arthur zu leben? Gehen die Gefühle für William weg, wenn ich Arthur so bald wie möglich heirate? Sie wollte keine Beziehung mit William aus vielerlei Gründen. Erstens er war ein Lebemann, zweitens war er so von sich selbst überzeugt und drittens… ach es gab so viele Gründe. Aber ich fühle mich leidenschaftlich zu ihm hingezogen. Sollte ich Arthur verlassen, nur weil mein Körper stark auf William reagierte? Mein Verstand sagt mir Arthur ist die richtige Wahl und ein Teil meines Herzens sieht es ebenfalls so, aber der andere Teil meines Herzens eben nicht.‘

Lauren wusste sie muss sich entscheiden, denn sie konnte so nicht weiter machen. Und in der heutigen Gesellschaft hatte sie sowieso schon einen Fauxpas begangen. Langsam wurde es mächtig kalt, auch wenn sie der Pavillon vor dem Wind schützte. Ihre Grübelei brachte sie nicht weiter, also verließ sie den Garten und ging zurück ins Haus auf ihr Zimmer. Dort schlüpfte sie in ihr blaues Nachthemd und legte sich ins Bett. Doch die Nacht verlief ruhelos. Sie war immer wieder wach. Sie träumte von der Entführung, von Arthur, von William. Sie hätte schreien können. Nur wenige Stunden Schlaf waren ihr in der Nacht vergönnt und das sah man ihr an diesem Morgen auch an. Julietta und Isabell machten sich Sorgen.

„Guten Morgen Liebes“, wurde Lauren von Julietta begrüßt.
„Guten Morgen“, sagte sie zu beiden.

Isabell gab ihr einen Kuss auf die Wange. Sie saßen draußen auf der schönen Terrasse wo ihnen der Butler auch gleich das Frühstück brachte. Das Essen verlief recht still. Sie sprachen kaum ein Wort. Nach dem Frühstück begab sich Lauren zu einem Spaziergang in den Garten. Sie wollte im Moment mit Niemand reden. Nachdem sie eine Stunde lang die Pracht der schönen Pflanzen begutachtet hatte, ging sie zurück zum Haus und setzte sich zu Isabell und Julietta auf die Terrasse. Sie schwiegen eine Weile, bis Lauren damit begann von ihrer Entführung zu erzählen. Die beiden Frauen sagten kein Wort, sie hörten ihr einfach nur zu.

„Oh man, was du alles durchmachen musstest“, sagte Julietta.
„Es muss grausam sein so jegliches Zeitgefühl verloren zu haben“, sprach Isabell.
„Aber nun bist du ja wieder im Kreis deiner Lieben“, sagte Julietta und streichelte ihr über die Wange.
„Ja das hat mir am meisten gefehlt“, sagte Lauren und verfiel wieder ins Schweigen.

Sie verfiel in Gedanken. Julietta stand auf und ging ins Haus um sich etwas auszuruhen und um Lauren nicht länger zu stören. Isabell wollte jedoch lieber an der frischen Luft bleiben.

„Wie hast du dich Gefühlt, als William dich befreite?“, fragte Isabell neugierig.
„Ich war überglücklich ihn zu sehen. Das Gefühl endlich wieder frei zu sein, war toll, ich war ihm unendlich dankbar“, antwortete Lauren.
„Wie hast du ihm das bekundet?“

Lauren schwieg. Wie konnte sie Isabell sagen, dass sie mit William schlief.

„Du verheimlichst mir irgend etwas“, sagte Isabell unverblümt.
„Als wir in dem Gasthaus ankamen, war die Angst vor dem allein sein da, also ging ich in Williams Zimmer um einfach nicht alleine zu sein. Er war für mich da, er gab mir das, was ich brauchte, aber nicht hätte haben dürfen.“

Isabell schaute sie fragend an.

„Es war so falsch, ich hätte nicht in sein Zimmer gehen dürfen. Ich möchte Arthur auf keinen Fall verletzen. Er ist mir wichtig und ich habe ihn versprochen ihn zu heiraten. Ich wollte mit ihm durchbrennen, aber inzwischen finde ich diese Idee absurd und je länger ich darüber nachdenke, umso mehr freue ich mich auf ein gemeinsames Leben mit ihm. Aber ich schlief mit William. Ich fühle mich zu ihm hingezogen, aber ein anderer Teil meines Herzens und mein Verstand sagt mir ich soll Arthur heiraten.“
„Du hast was?“, fragte Isabell, aber nicht schockiert, sondern eher weil sie glaubte sich verhört zu haben. „Aber wenn du Arthur unbedingt heiraten möchtest, solltest du das tun und ich werde dir bei den Vorbereitungen helfen, auch wenn ich immer noch der Ansicht bin, das William besser zu dir passt. Aber ich mische mich da nicht mehr ein.“

Sie blieben noch ein paar Tage auf dem Land und genossen die Zeit. Als sie wieder in England waren, bereiteten sie alles für die Hochzeit vor. Einladungen mussten geschrieben werden, Blumen und Essen musste bestellt werden, das Hochzeitskleid musste gekauft werden. Sie hatten alle Hände voll zu tun, denn die Hochzeit sollte in einem Monat beginnen. Lauren freute sich auf diesen Tag. Sie sah Arthur wenig, aber das störte sie nicht, denn auch er hatte viel zu tun und es gab ja noch genug Zeit für den Rest ihres Lebens, den sie gemeinsam verbringen konnten.

Die Albträume die Lauren anfangs noch verfolgten, verflogen mit der Zeit. Je näher jedoch der Tag ihrer Hochzeit rückte umso unsicherer wurde sie sich, ob sie Arthur wirklich glücklich machen konnte und ihn eines Tages lieben lernte. Sie versuchte dieses Gefühl so gut es ging zu ignorieren, sie schob es auf das Lampenfieber was mache Frauen bei ihrer bevorstehenden Hochzeit bekamen. Eine Woche vor ihrer Hochzeit träumte sie nachts immer häufiger. Ihr wurde von allen möglichen Leuten immer wieder die Frage gestellt, ob sie wirklich dazu bereit war, den Rest ihres Lebens mit Arthur zu verbringen.

Drei Tage vor ihrem besagten Termin, ging sie bei Zeiten schlafen. Sie träumte wieder wie üblich diesen Traum. Nur diesmal tauchte William in ihrem Traum auf und sprach zu ihr: „Heirate ihn nicht, komm zu mir, du weißt das wir für einander bestimmt sind. Du wirst nicht glücklich, wenn du ihn heiratest. Du liebst ihn doch gar nicht, du begehrst ihn doch nicht einmal. Ich werde dich glücklich machen, wenn du mich nur lässt.“
Lauren wachte schreiend auf. Sie war schweißgebadet und zitterte am ganzen Leib. Mit einem Mal wurde ihr bewusst, das sie Arthur nicht heiraten konnte. Warum brauchte sie nur so lange um zu begreifen, das sie nie von William losgekommen wäre, nicht einmal wenn sie Arthur geheiratet hätte. Ihr Herz schlug wild in Ihrer Brust, nur langsam beruhigte sie sich wieder und fand in den Schlaf.

Am frühen morgen tobte ein heftiger Sturm über das Land, ein Unwetter bahnte sich an. Es passte zu ihrer Stimmung. In ihr tobte ebenfalls ein Sturm, ein Sturm der Angst, wie Arthur wohl reagieren würde, wenn sie es ihm beichtete. Sie stand auf und schaute aus dem Fenster. Es begann ganz leicht zu regnen und auch Lauren liefen die Tränen über ihr Gesicht, denn es schmerzte ihr, einen Menschen den sie so sehr mochte wie Arthur weh zu tun.

‚Aber da muss ich durch. Ich hätte gar nicht erst so lange warten sollen. Reiß dich zusammen und bemitleide dich nicht selbst, du allein bist Schuld daran, du brachtest dich selbst in diese Lage, nur weil du nicht auf den Großteil deines Herzens hören wolltest, das deine Gefühle für William einfach stärker sind.‘

Lauren ging ins Bad und machte sich frisch um dann in den gelben Salon zu gehen um ein kleines Frühstück zu sich zu nehmen. Sie musste sich jedoch noch ein Weilchen gedulden bevor sie zu Arthur fahren konnte um es ihm zu sagen. Am späten Vormittag stand ihre Kutsche bereit vor der Haustür um sie zu Arthur zu fahren. Die Fahrt kam ihr endlos lange vor. Sie schickte den Kutscher wieder nach Hause und teilte ihm mit, wenn sie ihn bräuchte würde sie sich melden. Sie stand unter einem Regenschirm und wartete bis der Butler ihr aufmachte. Er verbeugte sich vor ihr und ließ sie eintreten. Er ging ihr voraus bis zu Arthurs Büro, wo er sie ankündigte. Lauren war die ganze Zeit schon mulmig zu Mute, aber sie konnte jetzt auch keinen Rückzieher mehr machen.

„Oh hallo Liebste, schön dich zu sehen“, wurde sie freudestrahlend von Arthur begrüßt.

Er gab ihr einen Kuss auf die Wange.

„Was verschlägt dich denn bei solch einem Wetter zu mir? Hast du es nicht mehr ohne mich ausgehalten?“
„Ich… ich… muss dir was sagen. Es tut mir so unendlich leid…“, begann sie.
„Was tut dir leid?“, fragte er.
„Ich kann dich nicht… ich liebe dich nicht… ich dachte, wenn wir einmal verheiratet sind wird sich das vielleicht ändern… aber…“
„Worauf willst du hinaus, mein Liebling?“, sagte er und streichelte ihr sanft über die Wange.
„Ich kann dich nicht… heiraten“, sagte Lauren mit bebender Stimme.

Arthur wusste nicht was er sagen sollte. Er schaute sie einfach nur an. Im kullerten ein paar Tränen über die Wange und er versank in Gedanken.

‚Habe ich vielleicht etwas falsch gemacht? Ihr nicht genug Beachtung geschenkt? Ihr nicht genug gesagt wie wichtig sie mir ist?‘

„Es ist nicht deine Schuld, es liegt an mir“, sagte sie.
„Liebst du einen anderen? Ist es das?“, fragte er mit bebender Stimme.
„Nein ich liebe keinen anderen… es ist nicht liebe… es ist eher…“, sie brach mitten im Satz ab.

‚Liebe ich William oder ist es nur begehren? Ich fühle mich zu ihm hingezogen, das stand außer Frage. Aber war dies auch liebe?‘, fragte sich Lauren.

„Ich werde mich um alles kümmern“, sagte Arthur, „ich werde allen sagen, dass es keine Hochzeit gibt. Werde alles absagen.“
„Ich kann dir helfen, lass mich dir helfen, es ist ja schließlich meine Schuld“, sprach Lauren.
„Nein, ich möchte deine Hilfe nicht, bitte geh“, antwortete er.

Nachdem Lauren gegangen war, schrieb er allen einen Brief und teilte ihnen mit das es keine Hochzeit geben wird. Dies verursachte einen Aufruhr in England und die Leute fragten sich was wohl der Grund dafür war. Die Leute bemitleideten Lauren, weil die Leute glaubten Arthur wollte nicht mehr, doch als sie ihnen sagte das er nichts dafür kann, verpönten sie Lauren. Wie konnte sie sowas nur machen. Es wurde getuschelt, wenn sie Lauren auf der Straße sahen. Sie fühlte sich schlecht. Nur ihre wahren Freunde hielten zu ihr. Und William ging öfter zu ihr um sie zu besuchen und zu trösten, bis sie ihm eine Abfuhr erteilte, das sie ihn nicht sehen wollte, denn sie wollte nicht das die Leute noch mehr tratschten. Die Hauptsaison ging zu Ende, das Wetter wurde immer schlechter und die Leute verließen nach und nach England und reisten auf ihre Ländereien außerhalb. Isabell und Julietta hatten England ebenfalls verlassen und sie war allein. Sie wollten das Lauren sie begleitete, aber sie wollte nicht. Doch mit der Zeit fühlte sie sich einsam und schrieb Isabell einen Brief, dass sie doch zu ihr kommen würde um ein paar Wochen auf dem Land zu verbringen. Als sie eine freudige Antwort von Isabell bekam ließ sie ihre Koffer für eine längere Reise packen. Sie freute sich ihre kleine Schwester und Maximilian wieder zu sehen.







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