Du bist mein Retter! - Teil 8

Autor: Calandra
veröffentlicht am: 27.01.2011


Gerade, als sie mit dem Essen beginnen wollte, piepte ihr Handy. Schlagartig hielt sie in ihrer Bewegung inne. Wo war ihr Handy? Wahrscheinlich lag es im Zimmer, in dem sie in der ersten Nacht geschlafen hatte. Laura konnte keinen Happen essen, wenn sie nicht wusste, wer ihr eine Nachricht geschickt hatte. Sie hatte ein ungutes Gefühl und war sich sicher, dass es ihre Mutter war, die ihr schrieb. Nach längerem ungeduldigem Suchen, fand sie endlich ihr Telefon. Mit zittriger Hand öffnete sie die Nachricht und wurde in ihrem Verdacht bestätigt. Es war von ihrer Mutter. „Hallo Laura! Wo bist du? Wie geht es dir? Ich möchte mit dir reden! Bitte! Ruf mich an. Bitte. Deine Mutter!“, las Laura mit Tränen in den Augen. Minutenlang rang Laura mit sich, ob sie ihre Mutter nun anrufen sollte, oder nicht. Schliesslich entschied sie sich dafür. Eva, ihre Mutter, hob den Hörer sofort ab, als sie das Telefon klingeln hörte. „Laura?“, fragte sie besorgt. Laura hatte einen Kloss im Hals und war nicht fähig ihrer Mutter zu antworten. „Laura, bist du es? Geht es dir gut? Wo bist du?“ Stille. „Laura? So sag doch etwas!“ Laura räusperte sich und sagte mit holpriger Stimme schliesslich: „Mir geht es gut!“ Eva atmete erleichtert aus. „Wo bist du?“, fragte sie weiter. „Ich bin bei einem Freund. Mach dir keine Sorgen. Ich weiss noch nicht, ob und wann ich zurück komme. Aber lass mir bitte Zeit“, sprach Laura mit rauer Stimme. „Laura, wieso hast du diesen Brief geschrieben? Du hättest mit mir doch reden können!“, jammerte Eva. Laura presste ihre Lippen zusammen. Reden, ja genau! Wie oft hatte sie wohl versucht mit ihrer Mutter zu reden. Aber immer gab es etwas Wichtigeres. Irgendwann hatte sie dann die Hoffnung aufgegeben. „Komm doch zurück, Laura! Zusammen schaffen wir das schon! In deinem Alter hatte ich auch eine kleine Krise und keine Lust mehr auf die Schule und auf meine Mutter. Aber du solltest nicht dein ganzes Leben wegschmeissen. Denk nur an deine Freunde von der Schule, Dina und Theo hiessen sie doch, sie vermissen dich sicher schon. Und Oma und Opa, da wollten wir doch mit allen Verwandten diesen Sonntag an diesen See fahren. Aber die wissen alle noch nichts von der ganzen Sache und darum wäre es wirklich schön, wenn du zurück kämest. Weißt du, sonst machen sie sich alle so schreckliche Sorgen! Du kannst dir denken, was sie von mir und Thorsten denken werden, wenn die hören, dass du weggelaufen bist. Laura? Bist du noch dran? Laura?“ Laura hatte aufgelegt. Die Tränen liefen ihr in Bächen die Wangen herunter. Das war ihre Mutter, dachte Laura wütend und traurig zugleich. Sie wollte nicht mehr zurück, da war sie sich in diesem Moment sicher.

Laura hatte keine Kraft mehr, sie wollte einfach nur noch weinen. Das Gespräch mit ihrer Mutter hatte ihr die ganze Freude der letzten Tage genommen und sie auf den Nullpunkt versetzt. Ihre Mutter hatte es gar nicht richtig interessiert, wie es ihr ging. Sie wollte einfach nur, dass Laura zurückkam, damit die Verwandtschaft weiter an das gute Muttertochterverhältnis und an die heile Welt in ihrer Familie glaubte.

Laura dachte, dass ihr irgendwann die Tränen ausgehen mussten, so viel wie sie auf einmal weinte, aber es ging nichts aus, Laura weinte und weinte und weinte. Und ihre Tränen flossen und flossen und flossen. Es war bereits Abend und Laura fragte sich, wo Dave steckte. Sie brauchte ihn in diesem Moment, sie wollte, dass er sie in den Arm nahm und sie sich ihm anvertrauen konnte. Was war, wenn er nicht mehr zurückkam? Was war, wenn er nicht länger bei Laura bleiben wollte und sich nicht mehr von ihr so mies behandelt werden wollte? Was war sie nur für ein Egoist! Sie beanspruchte Daves ganze Zeit und das Haus seiner Verwandten und behandelte ihn so was von herablassend, dass es normal war, dass er nun gegangen war. Ein neuer Schwall von Tränen brach aus und machte, dass das T-shirt, das sie diesen Nachmittag angezogen hatte, ganz nass war von Tränen. Plötzlich hörte sie ein Rascheln vor der Türe, dann wurde der Schlüssel umgedreht und schliesslich die Tür geöffnet. ‚Er ist da. Dave ist zurückgekommen’, dachte Laura nur und konnte nicht länger warten, von Dave getröstet zu werden. So schnell wie möglich humpelte sie in Richtung Eingangstüre. Dave schaute überrascht hoch und als er Laura tränennasses Gesicht sah, liess er die Einkaufstüten liegen und lief auf Laura zu. Minutenlang umarmte er das Mädchen und strich ihr über ihr langes, zersaustes Haar. Als er spürte, dass Laura etwas ruhiger wurde, hob er sie hoch und ging langsam ins Wohnzimmer.

Eine halbe Stunde später sass Dave immer noch auf dem Sofa, Laura sass auf seinem Schoss und hielt ihn weiter umarmt. Noch kein einziges Wort wurde gewechselt. Dave liess Laura Zeit. Sie sollte dann sprechen, wenn sie bereit dazu war. Mit jeder Minute auf Daves Schoss wurde Lauras Bedürfnis zu sprechen grösser. Bis sie es fast nicht mehr aushielt. Ein neuer Tränenschwall brach aus, als sie mit leiser, brüchiger und tränenerstickter Stimme begann ihr Geheimnis zu lüften: „Meine Mutter hat angerufen. Sie hat gesagt, dass ich zurückkommen sollte. Aber meine Mutter… Sie..“ Ein Schluchzer hinderte sie daran weiter zu reden. Dave strich ihr behutsam über den Rücken, bis sie sich wieder etwas beruhigt hatte. „Ich wollte mit meiner Mutter immer reden, ich wollte es ihr erzählen, aber sie… sie hat mir… g… gar nie zugehört. Immer war etwas Wichtiger. Aber ich brauchte jemanden…!“ Wieder begann sie zu zittern und zu schluchzen. „Ich hatte viele gute Freunde, mit denen ich etwas unternommen habe, aber dann… ist das… ich meine… Mann!“ Sie wollte doch reden, wieso musste sie dann immer so stottern? Sie wollte es, aber ihr fielen die richtigen Worte nicht ein. Kein einziges Wort war bis jetzt über Daves Mund gekommen und Laura wusste, dass er ihr zuhörte, nicht so wie ihre Mutter. Und dann fasste sie sich nochmals und begann schliesslich.

„Ich war acht Jahre alt. Es war drei Tage nach meinem Geburtstag am Abend und wir wollten mit meiner Verwandtschaft meinen Geburtstag feiern, es war etwa acht Uhr. Ich bin rausgegangen zum Spielen, ohne meiner Mutter etwas zu sagen, da die Gäste um halb neun etwa kamen. Es war ein Spielplatz am Waldrand. Plötzlich kamen aus dem Wald drei Gestalten gelaufen. Sie waren etwa achtzehn Jahre alt und lachten laut und dreckig. Sie waren sturzbesoffen und… Sie… sie haben mich gesehen, aber ich habe weiter geschaukelt. Sie schauten mir zu und redeten über mich und lachten. Dann kam einer auf mich zu und fragte mich, wie ich heisse. Ich sagte ihm meinen Namen nicht, sondern schaukelte einfach weiter. Der Junge fragte mich noch einmal, aber ich sagte ihm nichts, da mir das meine Mutter so beigebracht hatte. Er wurde wütend und hielt meine Schaukel an, ich war nicht darauf gefasst und fiel rückwärts runter auf den Rücken. Es schmerzte und ich dachte… ich dachte ich könne nie wieder laufen. Die anderen zwei kamen dann auch zu mir. Der Junge sagte, ich solle aufstehen, aber ich konnte mich ja nicht bewegen. Er sagte es mir nochmals. Und als ich mich nicht bewegte, begann er mich zu treten, überall. Die anderen zwei machten dann auch mit. Sie spuckten auf mich und der eine riss an meiner Strumpfhose. Er zog seine Hose aus und dann hielten mich die anderen beiden fest. Aber dann konnte man plötzlich ein Bellen hören. Und ein Fremder fragte, wer da sei. Sie warfen mich in ein Gestrüpp und liefen weg. Der Mann fand mich nicht. Ich hatte Todesangst. Zuhause wartete meine Mutter auf mich, die ganze Verwandtschaft war dort und wartete auf das Geburtstagskind. Als ich merkte, dass ich mich doch noch bewegen konnte, wollte ich nach Hause laufen. Aber das ging schlecht, da ich überall grausame Schmerzen hatte. Ich klingelte bei meiner Mutter und als sie an die Tür kam und mich so sah, erschrak sie sich zu Tode. Meine Verwandtschaft ist ziemlich reich und jede Familie versucht das perfekte Familienbild zu erhalten. Darum sollte mich meine Verwandtschaft in diesem Zustand nicht sehen. Meine Mutter brachte mich in mein Bett, ohne dass jemand etwas bemerkt hatte und ging zurück zu den Verwandten und erklärte ihnen, dass ich mit einer Grippe im Bett liegen würde. Das reichte, weil die Verwandtschaft sich auf keinen Fall anstecken wollte. Am nächsten Morgen wurde ich von meiner Mutter verarztet und es wurde kein Wort mehr darüber gesprochen. Dem Familienfrieden zuliebe“, beendete Laura ihre Geschichte und begann wieder hemmungslos zu weinen. Dave drückte sie fest an sich. Es tat ihm weh, als sie ihm ihre Geschichte erzählte und er verspürte eine Wut in sich gegen diese Typen und ihre Mutter. Und er schwor sich, dass Laura so etwas nie wieder zustossen würde. Er wollte sie beschützen und kein Mann sollte ihr je wieder in die Quere kommen, na ja, kein Mann ausser ihm. Denn er wurde sich bewusst, dass er für dieses Mädchen jede Menge Gefühle hatte. Aber im Moment war das unwichtig, jetzt war nur wichtig, dass es Laura wieder besser ging und sie wieder auf die Beine kam. Noch lange blieben die zwei so sitzen. Laura liess sich von Dave trösten und wusste, dass es die richtige Entscheidung war, sich Dave anzuvertrauen. Dave dachte nach, wie er Laura am besten unterstützen konnte. Laura spürte die Müdigkeit, das ganze Weinen hat sie müde gemacht. Mit den Gedanken beim heutigen Tag, schlief sie bald darauf ein. Als Dave die gleichmässigen Atemzüge von Laura hörte, legte er sich mit Laura auf sich hin und versuchte ebenfalls einzuschlafen. Doch seine Gedanken kreisten weiter um Lauras Vergangenheit.

Gerade, als Dave beinahe eingeschlafen war, schrie Laura laut auf und rollte sich ängstlich zusammen. Dave war sofort hellwach und nahm Laura in seine Arme. „Psst. Ist gut“, flüsterte er ihr ins Ohr und schaukelte sie ganz sanft in seinen Armen. „Dave. Halt mich fest!“, flüsterte Laura verzweifelt. „Ich bin bei dir!“, flüsterte dieser leise zurück und drückte Laura fester an sich.




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