zur Zeit noch titellos

Autor: ceres
veröffentlicht am: 03.12.2010


I. Das Museum

"Milena, sagst du?", die rauhe körperlose Stimme haucht die Worte in die Dunkelheit des Museums.

Romano steht still. Das schwache Licht der Laterne von den Straßen erleuchten das Skelett eines Tyrannosaurus Rex, der bedrohlich sein Maul aufgerissen hat. Die Stimme, die aus der Dunkelheit kommt, jagt ihm immernoch einen Schauer über den Rücken. "Ja. Was könnt Ihr mir über sie erzählen?"

Ein zynisches Lachen durchbricht die Dunkelheit. Das Lachen hallt von allen Wänden, sodass Romano nicht sagen kann, wo sich sein Gegenüber befindet. "Nun... Was willst du denn wissen, über die kleine Lilli? Und... noch wichtiger...", auf einmal scheint die Stimme ganz
nah hinter ihm zu sein und zischt in sein Ohr "was willst du eintauschen?" Romano fährt erschrocken herum und hinter ihm
ist nur Dunkelheit.

"Ich würde gerne ihren Wohnort wissen.", presst Romano durch seinen Lippen und ist bemüht dabei souverän zu klingen. Kurz ist es still im Museum. "Ich möchte dafür deinen Geburtsnamen, deinen Geburtsort und deinen Geburtsjahr.", die Stimme klingt ernst und dann wird die Stimme dunkler und bedrohlicher: "Und versuche mich nicht anzulügen."
Nervosität ergreift Romano, es ist über 50 Jahren her, wo er das letzte Mal seinen Geburtsnamen erwähnte. Es bringt niemandem etwas zu wissen, wer er früher war. Er hat keine lebenden Verwandten und er selbst ist auch soweit von der Vergangenheit entfernt, als sei sie aus einem anderen Leben. Doch trotzdem wird die Nervosität stärker. Es ist unangenehm andere Personen Dinge von sich zu verraten, dem man seinen Freunden nicht erzählt hatte und es macht die Sache nicht besser, wenn der Andere nicht einmal einen Körper besitzt. Er holt einmal tief Luft, versucht sich zu beruhigen und konzentriert sich mit dem Gedanken darauf, dass diese Information objektiv gesehen wertlos ist.
"Janosh Matei, 1912, Nürnberg."

Als er seinen alten Namen ausspricht, schiessen Bilder vor seinen Augen... Das erste Mal, als er den fremden Mann sah, der sein Vater sein sollte. Wie seine Mutter und seine beiden kleinen Brüder am Tisch saßen und fröhlich lachten. Der Tag, als ein Klassenkamerad Joska mit dem Zirkel ein Auge ausstoch. Die verachtungsvolle Blicke von allen Seiten, das brennende Haus, Blut, überall...

Die Stimme reißt ihn aus seinen Gedanken: "Sie wohnt unter der Alten Pinakothek."
Das Museum scheint nicht mehr so bedrohlich zu sein wie vorher. Vielleicht nur deswegen, weil seine Erinnerungen einen viel größeren Horror beherbergen, als die körperlose Stimme und das Skelett des riesigen ausgestorbenen Tieres vor ihm.

Romano versucht sich zusammenzureißen. Er ist nicht hierher gekommen, um in Erinnerungen zu schwelgen. "Wie alt ist sie?"
Die Stimme kichert und antwortet dann mit schmierigen Worte: "Erzähl mir mehr von dir... Wie bist du gestorben?"

...die dunklen Gestalten beugten sich über ihn und schlugen zu. Dann treteten sie. Die Schmerzen wurden so stark, dass sein Körper taub wurde... "Ich bin verblutet."

"Ich schätze durch Ausseneinfluss?" kichert die Stimme mit einer nicht zu überhörenden Schadenfreude.

Romanos Augen sind leer, gefangen in den Schrecken der Vergangenheit, und nickt nur leicht apathisch.

"Sie ist 17."

Die Antwort versetzt ihn wieder zurück in die Gegenwart und fragt hastig: "Seit wielange schon?"

Ein hysterisches Lachen und dann in völliger Ruhe und Ernst, antwortet es: "Seit sechs Monaten."

In Romanos Gesicht kommt Verwunderung. "Sie ist so jung?" Er erinnert sich an ihr wunderschönes, makelloses Gesicht und mit welcher Distanziertheit sie ihn betrachtet und mit welcher Professionalität sie gesprochen hat. Bei dem Gedanken an ihren Augen macht sein Herz einen Sprung. "Wisst ihr, ob sie vergeben ist?"

Ein leichtes Sabbern ist aus dem Hintergrund zu hören, antwortet es schmierig: "Jaaa... ich weiß. Welch ein schöner, wohlgeformter Körper... hmm..." ein deutlicheres Sabbern ist zu hören. Wut steigt in Romano auf. Die Stimme spricht jetzt lüstern mit nasalen langgezogene Vokale"Diese Information ist teuer. Ich möchte im Gegenzug deine erste Liebesnacht... Jetzt wo ich schon in Stimmung bin... bitte im Detail..."

"NEIN!" schreit Romano wütend ins leere Museum. "Verdammter Perversling!"
Jetzt wieder kichert die Stimme und wird dabei lauter, bis sie ein lautes Gelächter wird. Sie scheint überall zu sein.

Romano stürmt aus dem Museum, steigt in sein Auto und gibt Gas. Das einzige, was er von der Nacht noch wahrnimmt, ist sein lautes Herzpochen und seine Hände, die den Lenkrad umklammern, sodass die Knöcheln schmerzen. Er möchte fort, fort von diesem Museum, fort von seiner Vergangenheit, fort von dieser Hilflosigkeit.







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