Willkommen in meinem Leben - Teil 23

Autor: Lydia
veröffentlicht am: 30.07.2011


Kurz vor sechs Uhr sitzen wir wieder in seinem Auto; ich noch mit einem Erdbeereis in der Hand und er mit seinem iPhone am Ohr. Soweit ich weiß, telefoniert er mit Anna bezüglich des Abiballs. Nur wenige aus der unteren Stufe gehen hin. Doch Anna wird wohl mitgehen; als Begleitung für John, nehme ich an. Dass deren Beziehung so lange hält, habe ich nicht gedacht.
Ob ich mit Luca zum Abi Ball gehen werde, weiß ich immer noch nicht. Bis jetzt hat er mich noch nicht gefragt. Und ich bin zu stolz und auch vielleicht auch ein wenig zu feige, um ihn danach zu fragen.
„Anna“ An der Art wie er die Luft zwischen den Zähnen einatmet, merke ich, dass er um Fassung bemüht ist. „Die Sache ist die, dass das Programm schon festgelegt ist. Der Catering auch… Was?... Ich dachte, sie arbeitet an dem Tag als Kellnerin… Hm… Hm… Ne, okay. Bis dann“ Er atmet hörbar erleichtert aus und steckt sein Handy zurück in seine Hosentasche. Dann schaut er zu mir, lächelt und zeigt auf mein Eis: „Du tropfst da ein wenig“
Überrascht schaue ich auf mein Eis und fluche leise. Dann schaue ich wieder auf und halte ihm mein Eis vor die Nase: „Probier’ mal!“
Er schaut mich skeptisch an und schüttelt dann ablehnend mit dem Kopf: „Nein, danke. Ich bin nicht so der Fan von Erdbeereis“
Ich mache ein entsetztes Gesicht, lache dann aber und beharre auf meinem Standpunkt: „Trotzdem!“ Ich halte ihm das Eis erneut vor die Nase; dieses Mal zu nah.
Kurz schauen wir beide überrascht, dann fange ich an zu lachen, während er die Nase kraus zieht und mich misstrauisch anschaut. „Hab’ ich jetzt Eis auf der Nase?“
Ich kichere und suche nach einem Taschentuch in meiner Handtasche. „Ein bisschen“
Er fährt sich mit dem Handrücken über die Nase, und macht sich dann mit dem Taschentuch, das ich ihm reiche die Hände sauber.
Ich muss immer noch lachen, und will gerade etwas sagen, als er mir mit ernster Miene zuvor kommt und fragt: „Willst du mit mir zum Abiball gehen?“
Ich schließe den Mund wieder und merke wie ich anfange strahlend zu lächeln. Dann nicke ich heftig: „Ja, sicher! Gerne. Wirklich…“ Ich breche ab, beuge mich zu ihm vor und küsse ihn zaghaft und vergesse dabei vollkommen, dass mir immer noch das Erdbeereis über die Finger läuft.

„Ich brauche ein Kleid! Ich brauche ein Kleid! Ich brauche ein Kleid!“ Bevor ich überhaupt richtig zu Hause ankomme, werfe ich meine Tasche in die Ecke und stürme in Alinas Zimmer. Atemlos stehe ich im Türrahmen und Alina schaut mich skeptisch an. Sie legt ihre Studienunterlagen beiseite und steht auf: „Von was um Himmels Willen redest du denn?“
„Ich brauche ein Kleid“ wiederhole ich.
„Ja, aber für was denn?!“
„Für den Abiball!“
Sie verzieht das Gesicht und will an mir vorbei gehen: „Du hast noch lange kein Abschlussball“
Ich halte sie an den Schultern zurück: „Ach, jetzt stell’ dich nicht so dumm! Es geht hier natürlich nicht um meinen Abschlussball! Luca hat mich gefragt, ob ich mit zu seinem Abiball gehe“
Und jetzt schaut Alina interessiert: „Was?! Wie?! Seid ihr wieder zusammen?!“
Ich beiße mir auf die Unterlippe und nicke: „Ja“ meine ich leise. Und bevor ich weiß, wie mir geschieht, umarmt sie mich und gibt mir einen stürmischen Kuss auf die Wange: „Du hast deinen Freund wieder und ich habe neue Kleidung im unbezahlbaren Wert von Papas Nerven!“ Sie lacht und küsst mich noch mal.
„Kaufst du mit mir ein Kleid? Ich könnte natürlich auch Maleen oder Sophia oder…“
Alina unterbricht mit: „Ich kaufe mit dir das beste Kleid, das die Welt gesehen hat. Und das weißt du auch!“ Sie zwinkert mir zu und ich muss lachen.
„Sagst du uns jetzt nicht noch einmal guten Tag?“ fragt meine Mutter und kommt aus dem Wohnzimmer. Sie hat die Hände in die Hüften gestemmt und schaut mich streng an.
„’tschuldigung“ murmele ich, obwohl ich es gar nicht so meine. Doch ich sage ihr lieber das, was sie hören will, bevor alles wieder in einem Streit ausartet.
„Wo warst du?“
„Jetzt quetsch’ sie doch nicht schon wieder so aus!“ Mein Vater tritt hinter sie und legt ihr eine Hand auf die Schulter. „Hattest du einen schönen Tag?“
Ich nicke nur und sage dann ganz direkt: „Ich gehe mit Luca zum Abiball. Ich brauche Geld für ein Kleid“ Ich weiß nicht, warum ich ihnen diese Tatsache so unverblümt ins Gesicht schleudere. Vielleicht, weil es für die beiden keine große Sache ist. Vielleicht, weil ich weiß, dass es, ganz egal wie es ausdrücke Ärger geben wird – zumindest mit Mutter.
„Ein neues Kleid?! Weißt du wie viel das kostet?! Und was ist mit deinen ganzen alten Kleidern? Du hattest doch Abschlussball von der Tanzschule vor drei Jahren, oder so? Was ist mit diesem Kleid“
Ich zögere eine ganze Weile, dann schüttele ich mit dem Kopf: „Das Kleid passt mir nicht“
„Was soll das heißen, es passt nicht?!“ ereifert sich meine Mutter weiter.
„Mama!“ ruft Alina warnend aus.
Ich schaue zu meiner Mutter und sage dann leise: „Es ist zu groß. Ich bin zu dünn für dieses Kleid“
Meine Mutter will gerade den Mund aufmachen, um etwas zu erwidern, als mein Vater ihr zuvorkommt: „Ist gut, Lydi. Du bekommt ein bisschen Geld für ein neues Kleid. Ich dachte da an so 50€… Die Differenz zahlst du selber. Das sollte für alle Beteiligten ein Kompromiss sein, nicht?“
Ich schaue überrascht zu meinem Vater und forme mit den Lippen ein stummes „Danke“. Und das nicht, weil er mir Geld gibt, sondern weil er mich mal wieder aus den Klauen meiner Mutter befreit hat.
Bitte, versteht das nicht falsch. Ich liebe meine Mutter, wie eine Tochter ihre Mutter nur lieben kann. Aber manchmal macht sie es mir schwer. Sie ist uneinfühlsam und sehr praktisch veranlagt und unglaublich hektisch und dennoch kontrolliert – zu kontrolliert, zu perfektionistisch für mich.

Am Abend klopft es an meiner Zimmertür und ich denke schon, dass es Alina ist. Umso erstaunter bin ich, als es mein Vater ist, der mein Zimmer betritt. Ohne Aufforderung setzt er sich auf meinen Schreibtischstuhl und blickt mich schweigend an, bis er eine einfache Frage stellt. „Wie geht es dir?“ Eine Frage, die oftmals nur als Floskel verwendet wird. Eine Frage, auf die man normalerweise keine ehrliche Antwort hören will. Doch mein Vater fragt diese Frage mit ehrlichem Interesse.
„Besser, als vor ein paar Wochen“ antworte ich wahrheitsgemäß. „Ich bin zufrieden. Aber nicht glücklich“
Er nickt und lächelt verständnisvoll und kurz erinnert er mich an den Psychologen aus der Klinik – aber nur ganz kurz. „Ich hoffe, du bist deiner Mutter nicht böse. Sie meint es nur gut“
„Ich weiß… Aber das macht es nicht besser“
„Glaub’ mir. Ich tue was ich kann. Ich rede jeden Abend auf sie ein. Aber du kennst ja deine Mutter, sie hört auf niemanden“ Er grinst schief und ich muss leise lachen. Ja, ich kenne meine Mutter nur zu gut.
„Danke, für das Geld für das Kleid. Und auch danke, für deine Hilfe“
„Das ist selbstverständlich“ winkt er meine Bemerkung ab und fährt dann ernsthafter fort: „Hast du dich mit Luca ausgesprochen?“
Normalerweise rede ich mit meinem Vater nicht über solche Dinge. Normalerweise fragt er auch nicht danach. Aber es gibt Dinge, die ändern sich mit der Zeit.
Ich nicke: „Ja, wir haben geredet. Wir waren heute im Zoo“
„Und auf einmal bist du wieder ein kleines Mädchen“ lacht er und ich muss mit ihm lachen, bis er ernst und ehrlich sagt: „Ich glaube, der Junge tut dir gut“






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