Willkommen in meinem Leben - Teil 16

Autor: Lydia
veröffentlicht am: 22.03.2011


„Was für ein schrecklicher Film“ Ich schüttele mit dem Kopf und bei den Gedanken an den Horrorfilm, den ich gerade mehr oder weniger freiwillig im Kino gesehen habe, bekomme ich erneut eine Gänsehaut. „Ich meine, wer sich diese ganzen schwachsinnigen Saw Teile überhaupt ausgedacht hat, ist doch schon krank im Kopf, doch das ganze dann noch in 3D rauszubringen ist ja noch gestörter!“ rege ich mich weiter auf und werfe meine 3D-Brille in den Mülleimer.
Freiwillig wäre ich niemals in diesen Film gegangen, doch das ist eben der Nachteil einer Sneak Preview. Als ich einmal mit Hanna in der Sneak war, kam „Mit dir an meiner Seite“. Da hatten wir echt Glück gehabt. Seitdem war ich nicht noch einmal im Kino – bis heute.
„Ich hab dir gesagt, dass wir eher gehen können“ wiederholt Luca und ich schaue empört zu ihm hoch: „Was?! Ich habe Geld für die Karte gezahlt, da geh’ ich doch nicht eher“ Die automatischen Schiebetüren gehen auf und uns kommt ein milder Lufthauch entgegen. Die Sonne ist schon untergegangen und man kann vereinzelt Sterne am Himmel erkennen.
„Ich“ meint Luca.
„Was?“
„Ich habe Geld für die Karten gezahlt“ Er zwinkert mir zu und ich merke wie ich rot im Gesicht werde. Wie peinlich. Ich zögere eine Weile, dann bleibe ich stehen, lege meine Arme um seinen Hals und zieh’ ihn zu mir herunter und küsse ihn. „Tut mir Leid. Danke“
Er grinst süffisant: „Entschuldigung angenommen“
Ich trete ein Schritt zurück und wir gehen weiter. Schweigend. Noch nie gab es einen Menschen in meinen Leben, mit dem Schweigen so angenehm sein konnte.
Dennoch durchbreche ich die Stille: „Wann hast du eigentlich Prüfungen?“
Luca seufzt und fährt sich mit einer Hand durch die schwarzen Haare: „Bald… Leider“
Ich nehme seine Hand und wie von selbst verschränken sich unsere Finger: „So schlimm?“
Er schüttelt mit dem Kopf und lacht leise: „Unsinn, ich komm klar. Nur die Prüfungen überschneiden sich etwas mit dem Termin einen wichtigen Boxwettkampfes“
„Oh“ sage ich nur, weil mir nicht einfällt, was ich sagen soll.
„Ich muss mich jetzt auf eines dieser Dinge konzentrieren. Ich weiß nur noch nicht auf was“
„Auf das, das dir wichtiger ist“
„Das wäre das Boxen“
Ich riss die Augen auf: „Echt?“ In diesem Fall hatte ich ihn falsch eingeschätzt.
„Na ja, versteh’ mich nicht falsch, Lydia. Aber in der Schule musste ich mich nie anstrengen. Ich musste nie um gute Noten kämpfen, so wie du beispielsweise in Mathe. Beim Boxen ist das etwas anderes. Das ist bei jedem Training ein Kampf“
Ich nicke verständnisvoll und sage dann: „Ich möchte mal bei einem Wettkampf von dir dabei sein“
Verwundert und auch ein bisschen überrascht schaut er mich an: „Ernsthaft?“
Ich nicke bestätigend: „Sonst hätte ich es nicht gesagt“
Er lächelt mich an: „Freut mich. Ich schau’ mal, wann ich’s einrichten kann“ Dann wechselt er das Thema: „Wie geht’s eigentlich Lissy?“
Ein „Oh“ entweicht mir und schweige erstmal eine Weile, dann antworte ich ehrlich: „Ich glaube nicht so gut. Irgendwie schafft sie es nicht. Doch sonst geht es ihr gut. Ich habe erst gestern mit ihr telefoniert“
Er nimmt es nur nickend zur Kenntnis und schweigt. Auch ich weiß nicht, was ich sagen soll.
„Es ist bestimmt auch nicht ganz leicht“ meint er schließlich und ich weiß, dass er es aus reiner Höflichkeit sagt. Denn auch, wenn er sehr verständnisvoll ist, so hat er keine Ahnung, von der Qual, die man mit sich herumschleppt, wenn man Essgestört ist. Doch ich nehme es ihm nicht übel – dafür ist er viel zu lieb.
Wir biegen in die Straße ein, in der ich wohne und vor der Haustür bleiben wir stehen. Er sieht mich mit einer gewissen Erwartung an und ich hätte liebend gern gesagt: „Komm doch mit rein“, doch das kann ich nicht. Ich weiß, dass meine Eltern da sind, und vor allem meine Mutter würde ihn schon einen Kopf kürzer machen, bevor er überhaupt Hallo sagen konnte. Außerdem war ich irgendwie zu ängstlich dafür – keine Ahnung warum.
Ich zögere eine Weile, und antworte dann auf seine Frage, die er noch nicht einmal stellen musste: „Hör mal, Luca. Ich würde gerne, aber ich kann nicht. Meine Eltern, und Alina und…“ Ich schaue an ihm vorbei und wage es nicht ihn anzuschauen. Er unterbricht mich, indem er mein Gesicht in seine Hände nimmt: „Ist okay. Das macht mir nichts“
„Wann anders. Versprochen“ sage ich leise, bevor er mich küsst.
„Ich lass’ dir Zeit“ meint er und ich weiß, dass das bei ihm nicht nur so dämlich dahergequatscht ist, wie bei allen anderen, die ich bisher kennen gelernt habe.
„Danke“ flüsterte ich noch, bevor ich ihn sanft von mir schiebe und mich umdrehe und die Treppen zu Haustür hoch renne Bevor ich die Tür hinter schließe, drehe ich mich noch mal kurz um und sehe nur noch, wie er schon über die Straße geht.

Ich gehe in die Küche in der Erwartung Alina und meine Eltern vorzufinden. Umso erschreckter bin ich, als ich Simon mit am Küchentisch sitzen sehe. Wie angewurzelt bleibe ich in der Tür stehen und hebe die Hand zum Gruß: „Hi“
Sofort springt Alina auf: „Endlich! Da bist du ja“ Sie greift nach meinem Arm und zieht mich auf den Stuhl neben sich. „Lydia, du kennst Simon ja schon“
Ich nicke und lächle Simon an: „Schön, dich wiederzusehen“ Lüge! Aber in angebrachten Situationen kann man auch mal lügen.
„Er studiert Medizin!“ wispert mir meine Mutter von der anderen Seite zu und ich befürchte, dass sie wahrscheinlich schon das Aufgebot bestellen wird. Arme Alina.
„Ja, im vierten Semester“ ergänzt Simon und ich bin mir sicher, dass er das nicht zum ersten Mal erwähnt.
Mein Vater lächelt ihn nur höflich an und schaut dann zu mir: „Wo warst du?“
„Ich war im Kino…“ sage ich und einigem Zögern füge ich hinzu: „… mit Luca“
„Uhhh“ macht Alina gleich. „Welcher Film?“
Ich verdrehe die Augen: „Das willst du gar nicht wissen“ Doch Alinas Blick sagt, dass sie das ganz genau wissen will. Also lenke ich schnell von mir ab: „Und du studierst also Medizin? Auf was willst du dich später mal spezialisieren?“ Ich selber wollte – oder will – auch mal Medizin studieren, wenn mein Abi-Durchschnitt das denn zulässt und ich habe schon eine ganz genaue Vorstellung davon, auf was ich mich als Oberärztin mal spezialisieren möchte.
Simon fällt kurz die Kinnlade herunter und er druckst eine Weile herum, und die Fassade des perfekten Schwiegersohns – wie ihn meine Mutter sieht – fängt noch mehr an zu bröckeln, als sie es seit dem Abend nach dem Deep sowieso schon tut.
„Ach, das muss er ja auch nicht wissen!“ erwidert Alina schnell und auch meine Mutter schnalzt mit der Zunge: „Was Lydia wieder alles fragt“ Sie lacht und ich zucke nur mit den Schultern. Nur meinem Vater ist keine Reaktion zu entlocken. So war das schon immer gewesen.
Ich greife über den Tisch und nehme mir die letzte Bretzel aus dem Brotkorb und stehe auf. „Ich geh’ in mein Zimmer… Wir sehen uns sicher noch mal, Simon“ Wieder zwinge ich mich zu einem höflichen Lächeln.
„Mit der Bretzel?“ Meine Mutter zieht skeptisch die Brauen nach oben.
„Ja, genau. Mit der Bretzel gehe ich in mein Zimmer und dann gehe ich schlafen – mit der Bretzel im Magen“ Impulsiv beuge ich mich zu meiner Mutter vor und küsse sie auf die Wange.
„Aber, Lydia“ höre ich sie noch empört rufen, doch ich schließe schon die Tür zu meinem Zimmer. Ich weiß, dass das unhöflich ist, aber ich mag Simon einfach nicht und bleibe besser nicht allzu lange mit ihm in einem Raum, bevor ich irgendetwas richtig Unhöfliches sage.
Ich nehme mein Handy aus meiner Handtasche und schaue auf das Display: Eine neue Nachricht; von Sophia.
„Lydia <3. Wie geht’s dir? Wie war Kino mit Luca? Schöner Film? Will alles wissen. Ruf’ mich mal an. Ld, Sophia“ Ich lächle, während ich die SMS lese. Das letzte Mal, dass ich eine solche SMS bekommen habe, ist bestimmt mindestens ein Jahr her.
Ich lege mich auf den Bauch auf mein Bett und antworte Sophia sofort. Vielleicht wird sie wirklich eine gute Freundin von mir werden… Vielleicht.

„Ich verstehe nicht, warum du ihn nicht magst“ Irgendwie aufgebracht läuft Alina in meinem Zimmer auf und ab, wie ein Tiger im Käfig. „Ich meine, er ist höflich, gebildet, gutaussehend… warum magst du ihn nicht? Sogar Mama mag ihn!“
Ich seufze und bewerfe meine Schwester mit meinem Kissen: „Bleib doch mal stehen. Das macht mich total kirre“
Trotzig bleibt sie stehen, stemmt die Hände in die Hüften und lässt sich auf meinem Teppich in Schneidersitz nieder.
„Ich muss ihn doch gar nicht mögen. Das ist doch total… irrelevant!“
Alina seufzt und zögert eine Weile, dann sagt sie: „Ja, du hast Recht. Aber ich will es wissen, denn ich fände es angenehmer, wenn meine Lieblingsschwester meine Freund auch mögen würde“
Ich seufze erneut und lasse mir mit meiner Antwort Zeit. Dann richte ich mich auf: „Okay, gut. Ich sag’s dir. Ich finde, dass er falsch wirkt. Zu unecht, zu glatt gebügelt, uninteressant, langweilig…“
Alina lacht und unterbricht mich: „Schon gut, ich hab’s ja verstanden!“ Sie steht auf, setzt sich neben mich und wuschelt mir durch die Haare. „Wann willst du Lissy eigentlich mal wieder besuchen?“
„Keine Ahnung. Aber ich dachte eigentlich bald“
„Gut, dann fahr’ ich dich diesmal hin“
Ich reiße die Augen auf: „Wirklich?“
„Ja, dann muss dein werter Freund nicht wieder fahren – außerdem will ich das nicht. Ich bin noch nicht von seinen ehrlichen Absichten überzeugt“
„Das sagst du nur, weil du beleidigt wegen Simon bist!“ Ich grinse spöttisch.
„Stimmt gar nicht. Ich habe nur Angst um dich. Vor ein paar Wochen, als du aus der Klinik kamst, durfte ich dich erst zusammenflicken. Ich habe keine Lust das wieder zu tun“ verteidigt Alina sich und lacht dabei. Und ich lache mit ihr mit.
„Wie sieht’s aus? Fahren wir nächste Woche Sonntag mit Königsfeld?“ frage ich schließlich. Und Alina nickt und steht auf: „Wenn ich hinfinde“
„Schon mal was von Navi gehört?“
„Schon mal was von Führerschein gehört?“ Sie wirft mein Kissen zurück zu mir und ziehe eine Grimasse: „Gut gekontert“






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