Willkommen in meinem Leben - Teil 15

Autor: Lydia
veröffentlicht am: 19.01.2011


Erst im Auto breche ich in Tränen aus. Ich bin eben doch nicht so stark, wie ich es sein soll oder – wie ich es sein will. Ich habe die ganze Zeit geschwiegen und Luca hat auch keine Fragen gestellt.
Und auch jetzt sage ich nichts. Ich sitze nur im Auto neben ihn, sehe, wie wir wieder auf die Autobahn fahren, während ich ein Schluchzen unterdrücke und mir unentwegt Tränen über die Wangen laufen.
Luca zögert eine ganze Weile, doch schließlich fragt er: „Ist es so schlimm gelaufen?“
Ich schniefe lauter als beabsichtigt und schüttele mit dem Kopf: „Nein, es war toll, Lissy wieder zu sehen“ Ich schaue zu ihm, doch er sieht mich nicht an. Lucas Blick ist starr auf die Straße gerichtet. Vielleicht ist es auch besser so. Mit rot verquollenen Augen sehe ich bestimmt nicht unbedingt toll aus.
Ich mache eine kurze Pause und auch Luca hakt nicht weiter nach. Er wartet einfach bis ich weiter rede.
„Es geht ihr einfach nicht besser. Ich glaube sogar, dass es ihr schlechter geht – doch das kann ich nicht beurteilen. Ich bin kein Arzt“
„Es ist nur normal, dass du dir Sorgen machst“ meint er verständnisvoll und ich schaue ihn mit skeptischen Blick an: „Woher nimmst du eigentlich die Geduld und das ganze Verständnis?“ Ich streiche mir die Tränen von den Wangen und krame ein Taschentuch aus meiner Handtasche.
Erst jetzt löst er kurz seinen Blick von der Straße und schaut mich verwundert an. Dann schüttelt er mit dem Kopf, doch er sagt nichts.
„Danke“ sage ich nach einer Weile des Schweigens leise. „Für’s hinfahren“ füge ich noch hinzu. „Es hat mich…gefreut Lissy wieder zu sehen, obwohl es auch nicht ganz leicht war. Ich meine…die ganzen… Erinnerungen und – verstehst du, was ich dir sagen will?“ Mit hochgezogenen Brauen schaue ich ihn an und bin mir nicht ganz sicher, ob er meinem Geplapper folgen kann.
Wieder wendet er sich von der Straße ab und schaut mich an. Er lächelt – oder nein – er grinst, bevor er zu lachen beginnt. „Ja, ich denke, ich kann dir folgen“
Ich merke wie ich erröte und sinke beschämt tiefer in den Ledersitz. „Ich habe Lissy versprochen, sie wieder zu besuchen“ Ich beginne an meinen Nägeln zu kauen; eine sehr unschöne Macke, die ich mir angewöhnt hatte, als ich kaum mehr etwas gegessen hatte.
Luca und ich schweigen die ganze weitere Fahrt. Auch, wenn ich ihm so viel erzählen könnte, so ist diese Stille im Moment angenehmer, als jegliche sinnlos daher geredeten Wörter. Und ich fühle mich wohl – bei ihm.

„Wo kommst du her?“ Meine Mutter schaut mich streng an und steht schon im Flur, bevor ich überhaupt die Haustür aufschließen konnte. „Weißt du wie spät es ist?! Es ist bereits nach sechs!“
„Was? Ich – ähm, ich komme aus der Schule“ Ich drängle mich an ihr vorbei und ziehe meine Schuhe aus.
„Lüg’ mich nicht an!“ Die Stimme meiner Mutter wird streng und Alina kommt aus ihrem Zimmer mit einem traurigem Blick: „Die aus der Schule haben angerufen“ sagt sie leise.
Geschockt reiße ich die Augen auf: „Aber ich habe doch nur zwei Stunden geschwänzt – und zwar Sport“
„Aha, mein Fräulein. Schwänzen wir jetzt also wieder die Schule“ redet meine Mutter weiter und verschränkt die Arme vor der Brust. „Ich bin es leid, Lydia! Das wiederholt sich doch alles! Vielleicht solltest du wieder zurück in die Klinik, viell…“ Sie kann nicht weiterreden, denn Alina unterbricht sie: „Mama! Was redest du denn da?!“
Meine Mutter reißt die Augen auf und erst jetzt scheint ihr bewusst zu werden, was sie das gesagt hat. „Oh… Lydia, tut mir Leid, was ich da gesagt hab. Nimm’ das nicht ernst. Ich will…“
Ich schüttele nur mit dem Kopf: „Vielleicht hast du ja Recht. Aber ich habe nicht die Schule geschwänzt, um… um… das zu machen, was ich früher gemacht habe“ Geraucht. Getrunken. Drogen genommen. „Ich war in der Klinik“
„In Königsfeld?“ Alina zieht die Brauen nach oben. „Wie bist du denn da hingekommen?“
Ich habe keine Zeit zu antworten, denn meine Mutter stellt gleich eine andere Frage: „Was wolltest du in der Klinik?!“
Ich schaue von meiner Mutter zu Alina. Dann wieder zu meiner Mutter: „Ich habe Lissy besucht“
„Lissy?“ Meine Mutter zieht fragend die Brauen nach oben.
„Meine ehemalige Zimmernachbarin. Sie hat Bulimie“
„Ach ja, stimmt. Lissy“ Meine Mutter nickt und ihr Blick wird besorgt: „Aber… warum besuchst du sie? Ich meine, die Klinik…“ Sie redet nicht weiter. Doch ich weiß auch so, was sie meint. Ich zucke mit den Schultern: „Lissy ist eine Freundin. Ich… ich wollte sie einfach sehen“
„Aber Königsfeld ist doch drei Stunden entfernt. Wie bist denn da hingekommen?!“
„Damit wären wir bei meiner Frage“ mischt sich Alina wieder mit ein.
Ich zögere eine Weile, dann seufze ich schließe und antworte: „Luca hat mich hingefahren. Es war sogar seine Idee“
„Ahhh“ sagt Alina wissend, während meine Mutter fragend die Brauen nach oben zieht und gleichzeitig fragt: „Wer ist Luca?“
Wieder zögere ich. Wer ist Luca? Ein Junge aus meiner Schule. Doch ich glaube, die Frage meiner Mutter bezieht sich eher auf: Wer ist Luca für mich? Ein Freund? Der Freund? Ich habe keine Ahnung. Ich bin total verwirrt.
Ich zucke mit den Schultern. „Ich…ähm – ich weiß nicht“
„Du steigst zu einem Fremden ins Auto und fährst nach Königsfeld?!“ Jetzt ist Mama kurz vor’m durchdrehen.
Ich bin unfähig etwas zu sagen. Alina springt für mich ein: „Nein, Mama. Er ist kein Fremder! Er ist ihr Freund“
Ist er das? Irgendwie schon.
Meiner Mutter klappt der Unterkiefer runter. Kurz stammelt sie irgendetwas, was keiner versteht, dann fragt sie schrill: „Du hast einen Freund?!“
„Ja… Nein… ach, keine Ahnung!“ rufe ich und mache hilflose Gestiken mit den Händen.
Meine Mutter schweigt eine Weile, dann zieht sie die Brauen zusammen: „Was ist das für ein Junge? So einer mit diesen schrecklichen schwarzen Haare und diesen dunklen Klamotten? Wie nennt ihr das? – Emo?“ Während sie das Wort „Emo“ ausspricht, macht sie ein Gesicht, als würde sie eine Made sehen.
Ich zögere eine Weile, dann schüttele ich mit dem Kopf: „Nein, du würdest ihn mögen“ Sie schaut mich skeptisch an, und in meiner Hilflosigkeit füge ich noch hinzu: „Er ist Schülersprecher!“
Der Blick meiner Mutter ist etwas entspannter. Alina legt mir einen Arm um die Schulter und drückt mich an sich, dann schaut sie mit schelmischen Blick zu Mama: „Aber schwarze Haare hat er schon!“ Sie zwinkert, und meine Mutter blinzelt: „Bitte?“
„Vergiss’ es“ sage ich gereizter, als ich eigentlich wollte. Bei Alina machen sie doch auch nie so ein Theater. Von Simon wissen sie immerhin auch, und ich kann mich nicht erinnern, dass meine Mutter Alina jemals so ins Verhör genommen hat.
„Nein, mein Fräulein. Ich würde den Jungen gerne kennen lernen“ erwidert meine Mutter streng und ich reiße die Augen auf und schaue sie geschockt an. Alina reagiert ähnlich wie ich.
Ich schweige eine ganze Weile, dann seufze ich und sage ruhig: „Lasst mich ihn doch erst mal selber richtig kennen lernen. Ich mach’ schon keine Dummheiten mehr, Mama“ Ich befreie mich aus Alinas Griff und verschwinde schnell in mein Zimmer, bevor meine Mutter irgendetwas erwidern kann.
Ich denke für’s Erste ist diese Diskussion abgeschlossen… Für’s Erste.






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