Take me anywhere - Teil 27

Autor: Kathrin
veröffentlicht am: 10.05.2012


„Moritz!“ rief ich und überquerte schnell die Straße, als er aufschaute.
Sein Blick war überrascht, als er mich erblickte, doch dann lächelte er: „Was machst du hier?“
Ich zuckte mit den Schultern und deutete auf das Haus hinter mir: „Ich wollte mir hier eigentlich eine Wohnung anschauen, aber anscheinend habe ich mir die falsche Adresse aufgeschrieben“
Er lachte leise und schüttelte mit dem Kopf: „Das passt zu dir“
Dann standen wir uns eine Weile nur schweigend gegenüber und schauten uns an, bis ich mich aus dieser Starre löste: „Ich denke, ich werde noch mal in der WG anrufen… und ich… ich sollte dann gehen“
Moritz nickte und warf den Zigarettenstummel in den Abflussgulli: „Ja, ich sollte dann auch wieder an die Arbeit“
„Wann bist du hier fertig?“ fragte ich neugieriger als ich sein wollte.
Belustigt schaute Moritz vom Boden auf und grinste mich an: „Warum interessiert dich das?“
„Es interessiert mich nicht!“ fügte ich hastig hinzu. „Ich wollte nur höflich sein“
„Ich finde es schade, dass du ausziehst. Ich werde dich vermissen“ gab er plötzlich erschreckend ehrlich zu und ich konnte nicht verhindern, dass ich zusammenzuckte, als hätte er mich geschlagen.
„Ich finde es auch schade. Aber lass’ uns bitte nicht darüber reden. Ich will nicht darüber reden – schon gar nicht mit dir“
Er erwiderte meine Worte nicht, sondern musterte mich nur schweigend, bis ich unruhig von einem Fuß auf den anderen tappte und mich leicht zum Gehen wandte: „Ich sollte jetzt wirklich gehen“
„Solltest du“ stimmte Moritz mir zu und ich nickte ihm nur flüchtig zu und drehte mich um, als seine Stimme mich plötzlich zurückhielt: „Ah, verdammt! Warte mal. Ich hab noch was für dich“
„Für mich?“ Sofort wirbelte ich herum und schaute ihn fragend an.
„Ja, es ist dein Geburtstagsgeschenk. Ich hab’s schon seit zwei Wochen in meinem Spind liegen aber immer wieder vergessen“ Er zwinkerte mir zu. „Warte hier, lauf nicht weg“ Dann verschwand er im Café und ich war hin und her gerissen zwischen Warten und einfach Abhauen. Doch einfach zu gehen, wäre nicht gegenüber Moritz nicht fair gewesen, also blieb ich stehen und wartete eine gefühlte Ewigkeit in der Kälte, bis er wieder raus kam.
Das Tablett hatte er abgelegt, stattdessen trug er ein in dunkelblau-schwarzes Geschenkpapier eingewickeltes Geschenk mit sich. Es war Kastenförmig, mit einer kleineren Schachtel obendrauf geklebt und ich wusste beim besten Willen nicht, was er mir wohl schenken wollte. Und trotz meiner Neugierde trat ich einen Schritt zurück, als er es mir reichen wollte.
„Ich will es nicht. Das fühlt sich nicht richtig an“
Moritz verdrehte nur die Augen und stöhnte genervt auf: „Stell’ dich nicht so an. Nimm das Päckchen. Ich kann damit nichts anfangen“
„Dann geb’ es zurück“ bemerkte ich leise, als er ruckartig, beinahe schon grob mein Handgelenk ergriff und das Geschenk in meine Hand drückte. Es war schwerer als erwartet. „Nimm’s einfach und halt jetzt bitte die Klappe“
Ich wollte gerade etwas Zynisches erwidern, als die Tür des Cafés aufschwang und ein blondes Mädchen, vielleicht ein Jahr jünger als ich, hinaustrat. Sie trug ebenfalls eine schwarze Schürze wie Moritz, woraus ich schloss, dass sie ebenfalls im Extrablatt arbeiten musste.
„Moritz, du sollst wieder reinkommen. Ich will auch Pause machen und…“ Sie erblickte mich, errötete und fuhr sich dann durch die Haare: „Oh, es scheint wichtig zu sein“
„Nein, ich wollte gerade wieder gehen“ Dann schaute ich zu Moritz. „Ich will dich nicht länger vom Arbeiten abhalten“
„John wird schon böse“ fügte das blonde Mädchen leise hinzu.
„Ich komm ja schon!“ erwiderte Moritz gereizt und fuhr sich durch die Haare. „Pack’s aus oder werf’s weg. Ist mir egal“ meinte er noch zu mir, bevor er sich umdrehte.
Auch ich verweilte keine Sekunde mehr vor dem Café, sondern wirbelte herum und ging schnellen Schrittes die Straße entlang, zurück zur S-Bahn Haltestelle.
Ich konnte nur noch hören wie das blonde Mädchen fragte: „War das Mila?“
„Ja, das war sie“

Ich saß lange vor dem kleinen Päckchen, das ich von Moritz bekommen hatte. Immer mal wieder war ich kurz davor, es zu öffnen, doch dann besann ich mich wieder und ließ es bleiben. Ich wollte kein Geschenk von Moritz annehmen – er hatte mit meiner besten Freundin geschlafen; er hatte mich betrogen! Doch hatte er das wirklich? Moritz und ich waren kein Paar, kann man dann jemanden betrügen? Kann man jemanden betrügen, wenn man nicht mit ihm zusammen ist?
Mit einem gequälten Seufzen stand ich auf und fuhr mir durch die Haare. Ich lief zwei Mal auf und ab, bis ich mich wieder vor dem Geschenk fallen ließ und wieder einmal kurz davor war, das Verpackungspapier abzureißen.
„Ist das das Geschenk von Moritz? Zu deinem Geburtstag?“ fragte Max, welcher in die Küche gekommen war und mir jetzt über die Schulter starrte.
„Ja“ knurrte ich. „Und hör’ auf mir über die Schulter zu starren. Das kann ich nicht leiden“
„Uh, da ist ja jemand ganz gut gelaunt“ mischte sich jetzt auch Fabi an.
„Müsst ihr eigentlich auch immer alle in der Küche sein, wenn ich hier bin?!“
„Sorry, wir wohnen auch hier“ Leon trat als Letzter ein und schnappte Helena die Flasche Rotwein aus der Hand. „Wollen wir was kochen, Mila?“
„Wie war die Wohnungsbesichtigung?
„Willst du das Geschenk von Moritz nicht aufmachen?“
„Warum bist du so mies gelaunt?“
Zu viele Fragen. Zu viele Fragen!
Ich hob abwehrend die Hände: „Ihr macht mich krank!“ Mit diesen Worten schnappte ich mir die Zeitungsseiten mit den Wohnungsanzeigen vom Tisch, drängelte mich durch die überfüllte Küche und stürmte in mein Zimmer, nicht ohne die Tür laut hinter mir zu schließen.
Und ohne, dass ich etwas dagegen hätte tun können, warf ich mich auf mein Bett und fing an zu weinen.
Ich war nicht lange allein, als ein leises Klopfen meine Heulkrämpfe unterbrach.
„Verschwinde Fabi!“ rief ich, ohne wirklich zu wissen, wer vor meiner Tür stand.
„Ich bin nicht Fabi. Muss ich trotzdem verschwinden?“ fragte Max und ich hörte einen Anflug von Humor in seiner Stimme. Ohne meine Antwort abzuwarten, schloss er die Tür hinter sich und setzte sich zu mir auf die Bettkante. „Hm… Moritz und du also?“
Ich schniefte einmal laut, putzte mir die Nase mit dem Taschentuch, das Max mir reichte und wischte mir die Tränen von den Wangen. „Es gibt kein Moritz und ich als Einheit. Es gibt nur Moritz und mich! Getrennt!“
„Ich glaube, er mag dich“
„Er mag jede, die er ins Bett kriegen kann. Und ich war auch noch so dumm und hab mit ihm…“ Wieder begann ich zu heulen und dann geschah etwas, womit ich nicht gerechnet hätte: Max schloss seine Arme um mich und drückte mich an sich. Eine einfache freundschaftliche Geste, die ich von Max am allerwenigsten erwartet hätte.
„Bist du dir sicher, dass du ausziehen willst?“ fragte er mich leise.
Ich nickte schniefend.
„Fabi wird am Boden zerstört sein! Und Helena erst“
Ich nickte wieder und schob Max von mir: „Du musst das mit Helena klären“
Kurz schaute er mich skeptisch dann, dann zuckte er mit den Schultern: „Sie hat Dave“
„Schon lange nicht mehr!“
Seine grünen Augen wurden ein Stück größer: „Ernsthaft?“
„Ernsthaft. Kümmer’ dich drum“
„Vielleicht werde ich das“
„Nicht nur vielleicht!“ widersprach ich energisch. „Sie liebt dich“
„Sie liebt…“ stammelte er unbeholfen und wider Willen musste ich kichern. „Du kannst ja auch richtig süß sein“
„Wehe, du sagst das noch mal!“
Ich schüttelte mit dem Kopf und kicherte erneut, bis er etwas sagte, was mich plötzlich verstummen ließ: „Ich klär’ das mit Helena…“
„Sehr gut!“
„…wenn…“ Er machte eine theatralische Denkerpause.
„Wenn was?“
„…wenn du endlich mit Lukas Klartext sprichst. Das hat der arme Kerl nicht verdient“
„Ich denke, seit meinem Geburtstag weiß er Bescheid“
„Ich denke, tief in seinem Inneren weiß er seit Anfang an Bescheid. Aber Mila, ich denke, du gehörst zu der Sorte Frauen, die einem Mann schon mal ordentlich den Kopf verdrehen können“
Nicht, dass ich wüsste, dachte ich im Stillen bei mir. Doch laut sagte ich nichts. Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte oder überhaupt konnte.
„Er hat trotzdem die Wahrheit verdient. Manche können Dinge erst realisieren, wenn sie ausgesprochen sind“ fuhr Max ruhig fort.
„Glaubst du, die Ohrfeige, die ich ihm gegeben habe, reicht nicht aus?“
„Du hast ihm eine verpasst?!“ Ungläubig starrte er mich an und begann laut zu lachen. „Das wusste ich ja noch gar nicht“
„Also, reicht das? Muss ich nicht mehr mit ihm reden?“
„Nein, das reicht natürlich nicht“
Ich seufzte leise und nickte schließlich: „Gut, ich klär das mit Lukas und du redest mit Helena, noch heute!“
„Dann solltest du am besten jetzt noch Lukas anrufen“ sagte Max, während er aufstand und ich wusste, dass ich die Sache noch heute hinter mich bringen musste.






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