Take me anywhere - Teil 22

Autor: Kathrin
veröffentlicht am: 15.12.2011


„Oh, Helena, bitte! Kannst du mich damit nicht einfach in Ruhe lassen?“
„Nein. Ich sehe es dir doch an. Was ist passiert?“ Sie warf mir nur einen kurzen Blick über die Schulter zu, während sie weiter Lichterketten über dem Fensterrahmen befestigte.
Helena war ein absoluter Fan von Weihnachten. Sie liebte das Fest der Liebe und der Familie und konnte von Weihnachts-Kitsch-Deko gar nicht genug bekommen und sie fing schon immer mindestens 4 Wochen vorher an zu dekorieren.
Sogar einen kleinen Tischtannenbaum hatte sie gekauft. Allerdings hatte Helena auch schon mal bessere Ideen gehabt, denn dieses kleine tannenähnliche Teil ist bestimmt schon mindestens zehnmal umgefallen.
„Es ist rein gar nichts passiert“ versuche ich weiter zu lügen.
„Reichst du mir mal bitte das Lametta?“ fragte sie nach einer kurzen Pause und ich dachte schon, dass Helena aufgegeben hätte, doch sie konnte wahnsinnig hartnäckig sein. Während ich ihr das Lametta reichte, hielt sich mich am Handgelenk fest, sah mir eindringlich in die Augen und wiederholte ihre Frage: „Was ist passiert?“
„Nichts!“ Ich befreie mich aus ihrem Griff und nehme mir eine Tasse aus dem Schrank und schenke mir Kaffee ein.
„Ich studieren Psychologie! Mir kannst du nichts vormachen“ Sie grinste mich triumphierend an und ich wusste, dass ich verloren hatte. Also gab ich auf, lehnte mich gegen die Spüle und zuckte mit den Schultern: „Ich habe mit ihm geschlafen?“
Helena riss die Augen auf und unbewusst fiel ihr die Kinnlade herunter und sie setzte sich auf den Stuhl, auf dem sie die ganze Zeit stand, um Lichterketten, Lametta und anderen unnötigen Kram aufzuhängen, als Fabian die Küche betrat: „Mit wem hast du geschlafen?“
Erschrocken schaute ich auf und schüttelte schnell mit dem Kopf: „Mit niemanden“
„Du hast mit Moritz geschlafen?!“ stotterte Helena fassungslos und schien irgendwie nicht mitbekommen zu haben, dass Fabi anwesend war. Dieser schaute langsam vom Kühlschrank auf und zog prüfend die Brauen nach oben: „Mila?“
„Helena!“
„Fabi!“
„Leon“ Er fuhr sich durch die dunklen Locken und schob Fabian vom Kühlschrank weg. „Schön, dass wir das geklärt haben. Was ist los?“
„Nichts!“ antwortete ich schnell.
„Gar nichts!“ stimmte auch Helena zu und räumte schnell ihr Zeug zusammen. „Ich muss los. Ich verpass sonst die Vorlesung“
„Ich muss auch weg“ Ich schnappte mit mein Handy und wollte aus der Küche stürmen, als Fabian mich festhielt: „Wir reden nachher noch!“
„Muss das sein?“ Ich verzog gequält das Gesicht.
Und dann sah ich Fabian das erste Mal ernst – und damit meine ich, so richtig ernst. „Ja, das muss sein“
Ich befreite mich aus seinem Griff und nickte: „Na schön“ Dann verließ ich die Küche und hörte Leon nur noch fragen: „Was ist denn bei der los?“
Ich hoffte, dass Fabian ihm nicht Wahrheit erzählen würde, da er Leon doch sonst nie anlog. Doch dieses eine Mal schien er eine Ausnahme zu machen.
„Ach, es geht um ihren Geburtstag. Sie kriegt Panik weil sie in vier Tagen 20 wird“
Danke Fabi!

Wir saßen zusammen in einem dieser Cafés, die auch im Winter Stühle und Tische draußen stehen haben und mit Heizlampen und Decken ein bisschen für Wärme schaffen.
Anstatt in unserer Mittagspause unsere Mägen mit Mensaessen zu verderben, sind Fabian und ich in ein Uni nahes Café gegangen. Die Preise ließen mich zwar schlucken, aber dann musste ich wohl ein paar extra Schichten in der Imbissbude einlegen.
„Warum hast du mit ihm geschlafen?!“
Ich schaute von der Karte auf und seufzte: „Fabi, ich weiß es nicht. Er ist attraktiv. Er wirkt eine gewisse Anziehungskraft auf mich aus, okay?“
„Tja, das ist Moritz“
„Sei nicht so abfällig. Du bist auch nicht besser“
Er begann breit zu grinsen und klimperte affektiert mit den Wimpern: „Und? Wirke ich auch eine gewisse Anziehungskraft auf dich aus?“
Ich schlug ihn spielerisch mit der Karte: „Das ist nicht lustig“ Und dennoch lachte ich.
„Ich weiß“ Er wurde wieder ernst. „Ich weiß nicht, was das zwischen euch ist, aber nimm’s nicht zu ernst. Ich kenne Moritz schon eine Weile und kenne niemanden der schlimmere Bindungsängste hat, als er. Und du hast eindeutig Probleme Emotionen zu zeigen. Also, das wäre von Anfang an zum Scheitern verurteilt“
„Meinst du?“
„Keine Ahnung“ Er zuckte mit den Schultern und grinste mich über den Rand seiner Karte hinweg an. „Ich will nur, dass du so denkst. Was ich meine ist egal“
„Und wenn ich dich frage?“
„Was frage?“
„Was du meinst“
Fabian zögerte kurz, dann seufzte er und nickte: „Ich sage das nur, weil ich dich echt gern hab, Mila und weil ich ein Kerl bin der etwas ähnlich wie Moritz tickt und weil ich Moritz gut kenne“ Er legte eine kurze Pause ein, dann redete er weiter: „Moritz mag dich. Das merkt jeder. Du bist ihm wirklich wichtig geworden. Aber unser lieber Mo bleibt nun mal Mo. Der ändert sich so schnell nicht. Vergiss’ es, ich glaube er würde dir nur weh tun“
Ich schluckte und legte meine Karte auf den Tisch: „Danke für deine Ehrlichkeit“
„Du hast dich in ihn verliebt, oder?“
Und Fabian ist der Erste zu dem ich ehrlich bin. „Ja, ich glaube schon“
„Wehe du kommst auf die Idee, deswegen ausziehen zu wollen! Ich kette eigenhändig ans Bett“
„Höchst erotische Vorstellung“ Ich zog eine Grimasse und schüttelte mit dem Kopf: „Nein, ich bleibe. Finde in Hamburg mal ein so tolles Zimmer für den Preis“
„Eben. Das haben wir Helena auch erzählt, als sie ausziehen wollte“
„Warum wollte sie denn ausziehen?“ Ich riss überrascht die Augen auf und schaute Fabian fragend an, obwohl ich mir die Antwort eigentlich denken konnte: Max.
„Wegen Max“ bestätigte Fabi meine Ahnung. „Hat sie dir das eigentlich erzählt?“
„Dass sie mal mit Max zusammen war? Ja, das hat sie“
„Dann weißt du sicherlich auch, dass er sie betrogen hat und nachdem sie ihm das endlich verziehen hat und sein Vater zu Besuch kam und nicht begeistert von der Freundin seines Sohnes war, hat er sie abserviert“
„Wegen der Meinung seines Vaters?“ Ich schüttelte ungläubig mit dem Kopf und nahm dankbar die heiße Schokolade entgegen, die mir die Kellnerin brachte. Trotz zwei Decken und Heizlampe wurde es nach einer Weile doch ziemlich kalt draußen.
„Ja, Max’ Vater spielt eine wichtige Rolle in Max’ Leben. Er finanziert ihm alles. Er hat ihm alles ermöglicht. Ohne ihn, wäre er nicht halb soweit, wie er jetzt ist“
Das würde auch Max’ besessene Lernerei erklären – nur um seinen Vater stolz zu machen und um ihm zu zeigen, dass sich das Geld, das er in ihn investiert auch lohnt. Langsam ergab das Rätsel um Max Sinn.
Ich glaube, ich hätte öfters mit Fabian reden sollen, da er nur zu gerne Informationen über die Leute aus der WG preisgab. Dennoch war er ein liebenswert tratschender Volltrottel. Beinahe war er wie ein kleiner Bruder für mich, nur dass er eigentlich der Ältere von uns beiden war.
„Was ist eigentlich mit Lukas?“ riss er mich aus meinen Gedanken.
„Oh“ Ich kicherte unsicher. „Puh! Keine Ahnung“
„Wenn ich dir einen Tipp geben darf“
„Nur zu!“
„Vergiss Moritz und schnapp dir Lukas, solange er noch auf dich wartet. Er ist ein anständiger Kerl und wirklich nett“ Fabian grinste breit und bezahlte bei der Kellnerin gleich für mich mit. Bestimmt war das ein kleines Dankeschön dafür, dass ich ihn die ganze Zeit durchfütterte.
Ich seufzte leise und dachte über seine Worte nach. Er hatte Recht: Moritz tat mir nicht gut und Lukas war wirklich nett. Aber nett ist eben der kleine Bruder von scheiße. Lukas reizte mich nicht. Es war Moritz der mir weiche Knie beschaffte.






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