Take me anywhere - Teil 19

Autor: Kathrin
veröffentlicht am: 17.11.2011


Der Wind am Meer war kühl und frisch und ließ meine Locken noch verwuschelter werden, als sie es sowieso schon waren. Auch das regelmäßige Zurückstreichen hinderte sie nicht daran, mir unkontrolliert ins Gesicht zu fliegen.
Trotz der Kälte hatte ich meine Schuhe ausgezogen und lief barfuss durch den kalten Sand und streckte die Füße ins Wasser. Meine Jeans hatte ich bis über die Knöchel hochgekrempelt.
Kara rannte wie wild ins Wasser, als ich den Stock warf. Doch sonderlich weit flog er nicht. Ich konnte noch nie besonders gut werfen.
Während Kara dem Stock hinterher hechtete, drehte ich mich über die Schulter um. Moritz lief ziellos mit seinem Vater am Arm am Meer entlang. Man merkte Konrad an, dass das Laufen anstrengend für ihn war, doch sich setzen und „wie ein Vortoter behandelt werden“ – wie er selber sagte – wollte er auch nicht.
Seit einer halben Stunde redeten die beiden schon. Ich wusste nicht worüber und ich wollte es auch nicht wissen. Das war ein Vater-Sohn-Gespräch; das ging mich nichts an.
Die Sonne, die unentwegt schien, ließ Moritz’ Haare heller leuchten als sie waren. Ich seufzte leise, während ich ihn betrachtete und als würde er meinen Blick spüren, schaute er auf. Unsere Blicke trafen sich und er lächelte mir zu und bevor ich das Lächeln erwidern konnte, stupste Kara mit ihrer nassen Schnauze gegen meine Hand und reichte mir den Stock. Ich wandte mich von Moritz ab und nahm den glitschigen Holzstock wieder an mich.
Allein an der Art wie Kara einen Schritt zurücktrat und die Vorderpfoten nach vorne streckte, wusste ich schon was sie vorhatte. Doch der Sprung zurück, den ich machte, kam zu spät. Kara schüttelte sich und die Wassertropfen aus ihrem Fell trafen mich. Jake tat das auch immer. Am besten ganz dicht vor mir.
Ich konnte einen spitzen Schrei nicht unterdrücken und musste gleichzeitig lachen. Ich warf den Stock wieder ins Wasser, als ich Konrads Stimme hinter mir hörte: „Werfen gehört wohl nicht zu deinen Stärken, was?“
Ich lief rot an und schüttelte mit dem Kopf: „Nein, noch nie“
„Arme Kara. Da hat mein Mädchen ja gar nichts zu tun“ Er schnalzte mit der Zunge und schüttelte bedauernd mit dem Kopf und nahm dem Hund den Stock ab, als er wiederkam. Mit erstaunlich viel Kraft für einen alten, gebrechlichen Mann holte er aus und schleuderte den Stock mindestens doppelt so weit weg, wie ich es geschafft hatte.
Ich trat einen Schritt zurück, schirmte meine Augen mit der Hand ab und schaute dem Stock hinterher, welcher im hohen Bogen über das Wasser flog. Ohne zu zögern, hastete Kara hinterher und verscheuchte Möwen und Muschelsammler.
Mir klappte die Kinnlade herunter und ich musste lachen, als Moritz völlig unvorbereitet seinen Arm meine Schulter legte.
Überrascht schaute ich zu ihm hoch und wollte mich seinem Griff entziehen, als er mich einfach wortlos weiter zog, sodass wir für seinen Vater außer Hörweite waren: „Das war eine gute Idee. Er liebt das Meer“
Ich nickte und lächelte zu Moritz empor: „Und er liebt Kara“
Er lachte leise, drehte sich über die Schulter zu dem Hund und seinem Vater um, welche immer noch das gleiche Spiel spielten.
Sanft umspielten die Wellen meine Knöchel und durch das kalte Wasser konnte ich meine eigenen Füße kaum noch spüren. „Was ist mit deiner Schwester?“ fragte ich plötzlich und trat einen Schritt zurück, sodass er mich losließ.
Moritz zuckte mit den Schultern: „Sie weiß Bescheid. Aber sie ist so weit weg. Es kostet sie ein Vermögen, wenn sie jetzt hierher fliegt“
„Aber es ist ihr Vater!“
„Ramona hat schon immer andere Prioritäten gesetzt“ Er schaute an mir vorbei und auf’s Meer. Auf das endlos weite Meer. Das Wasser am Horizont verschmolz beinahe mit dem Blau des Himmels, sodass man nicht genau sagen konnte, wo das Meer endete und der Himmel anfing.
„Es tut mir Leid, was gerade mit deiner Familie passiert“ flüsterte ich schließlich und erst jetzt schaute er mich wieder an.
„Meine Familie ist nicht erst seit heute kaputt. Und ich bin nicht ganz unschuldig daran“
„Du weißt, wenn du reden willst…“
„Und du weißt, dass ich der Meinung bin, dass sich Probleme nicht mit Reden lösen“ Er zwang sich zu einem Lächeln, doch ich wusste, dass es nicht echt war, denn es erreichte seine Augen nicht. Er kam einen Schritt auf mich zu und küsste mich auf die Stirn. Eigentlich hätte ich diese Geste als brüderlich oder freundschaftlich bezeichnen können, doch wem wollte ich damit was vormachen?
Ich hob den Kopf und sah zu ihm auf, als die Frage einfach so aus mir heraus brach: „Was ist das hier zwischen uns?“
Seine Miene versteinerte sich und er trat einen Schritt zurück: „Zwischen uns?“ Skeptisch zog er die Brauen zusammen und sofort bereute ich meine Frage.
„Oh Gott, vergiss es einfach“ Ich drehte mich über die Schulter um und wollte vor ihm weglaufen, doch er bekam mein Handgelenk zu fassen und drehte mich zu ihm herum: „Ich vergesse das nicht einfach!“
Ich seufzte leise und ließ die Schultern hängen: „Moritz, wir sind sehr gut befreundet“
„Ich weiß… Also, lass’ uns das nicht durch eine so blöde Frage kaputt machen“
„Ja, das muss am Ortswechsel liegen. An der Schönheit des Meeres. An dem traurigen Grund weshalb wir hier sind.“ Ich kicherte nervös und zuckte mit den Schultern: „Ich finde auch, dass wir unsere Freundschaft nicht gefährden sollte. Nicht wegen solch blöder Launen…“
Doch wenn ich ehrlich bin, dann klangen wir in diesem Moment beide nicht recht überzeugend.
Eine Weile standen wir uns noch schweigend gegenüber, bis ich an Moritz’ Blick sah, dass er mich etwas fragen wollte, dass gegen mich war. Ich sah es am Glitzern seiner Augen, an dem verschmitzen, spöttischen Blick. Hastig kam ich ihm zuvor: „Also, ich habe Hunger. Ich frage mal deinen Vater ob er auch was Essen möchte“ Ich befreite mich aus seinem Griff und ging. Und wenn ich ehrlich bin, dann muss ich mir eingestehen, dass ich vor ihm weglief.






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