Mein Engel... - Teil 22

Autor: Demre
veröffentlicht am: 10.01.2012


* Hallöchen Liebe Leute, da bin ich wieder :)
Ich entschuldige mich dafür, dass es so lange gedauert hat, und ich hoffe trotzdem der Teil ist mir gelungen. Ich freue mich wie immer über Kritik und Kommentare. :)
Liebe Grüße ♥ *




Letzte Chance


Ein leises flüstern durchbrach die Stille. Eine schöne, samtweiche Stimme, in der unendlichen Dunkelheit.
„Ava. Wach auf Ava.“, ein rascheln.
„Wach auf. Wach auf. Wach auf.“, das flüstern wurde immer leiser, verschwand fast. Wieder die schwärze.
Dann drei Wörter. Wunderschöne Wörter.
„Ich brauche dich.“

Als ich ein dumpfes Geräusch links neben meinem Ohr hörte, riss ich die Augen auf und schaute irritiert durch die Gegend. Es war nicht wie sonst immer. Ich war plötzlich hell wach, keine Schmerzen, keine pochenden Augenlider. Ich erkannte die blauen Wände meines Zimmers, das warme kuschelige Bett auf dem ich lag, und der Geruch von Flieder, der aus einem Raumsprayer sprühte. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich meinen Vater, der links neben meinem Bett kniete, und Jeff der mit einer gekrümmten Haltung am Türrahmen lehnte. Ethan konnte ich nirgends entdecken. Ich versuchte mich aufzurichten, aber mein Vater drückte mich mit einer hastigen Bewegung auf das Bett zurück, als er bemerkte, dass ich aufgewacht war. Ergeben legte ich mich wieder aufs Bett und schloss die Augen. Und da war es, ein Gedanke…
Abrupt riss ich die Augen auf und versuchte mich hochzustemmen, schlug die Hand meines Vaters weg.
„Wo ist er.“, ein krächzendes Geräusch kam aus meinem Hals, und ich war selbst ein wenig über das Geräusch verwundert. Meine Stimme war grauenvoll, und auch wenn es nicht weh tat, fühlte sich mein Hals an wie eine vertrocknete Wüste.
Als keine Antwort kam wurde ich stinkig. „Wo ist er?“, fragte ich erneut und blickte beide, meinen Vater und Jeff, mit ernster Miene an.
Mein Vater zögerte… „Leg dich wieder ins Bett mein Schatz.“, entgegnete er nur stattdessen und regte meinen Zorn nur noch mehr an.
„Wo ist er!“, schrie ich beinah und bemerkte gleichgültig, dass mein Vater zusammen zuckte.
„Er ist in Untersuchungshaft.“
Die Antwort kam von Jeff. Entsetzt wandte ich mich an ihn.
„Jeff!“, schrie mein Vater wütend. Doch dieser schien nicht aus der Fassung zu kommen. Er wirkte sehr erschöpft. Dunkle Ringe hatten sich unter seinen Augen gezeichnet und seine Haare waren nicht wie immer gekämmt, sondern total unordentlich.
„Es ist ihr gutes Recht zu erfahren wo er ist.“, sagte Jeff gleichgültig und warf mir einen kurzen Blick zu.
Tränen traten mir in die Augen. Er…er war in Untersuchungshaft? Cian war nicht zu Hause, sondern in Haft? Warum?
Dann erinnerte ich mich wieder an mein erwachen in Cians Zimmer. War das erst gestern gewesen?
Ja, erst gestern hatte Cian mich geküsst, und dann war die Polizei aufgetaucht, hatte alles kaputt gemacht. Und was war dann passiert?
Ich warf Jeff einen fragenden Blick zu, doch dieser schüttelte nur den Kopf und entfernte sich von meiner Tür, bis ich ihn nicht mehr sehen konnte.
Ich blickte wieder mit verschleierter Sicht zu meinem Vater, der Gedankenverloren auf meine Haare starrte und erst wieder zu sich kam, als ich beim versuch mein Bein zu bewegen, ein leises stöhnen von mir gab.
Mein Vater bedachte mich mit einem bösen Blick.
„Du sollst liegen bleiben! Du wirst dich jetzt schön ausruhen. Ich will das du an nichts anderes denkst.“ Pah! Davon konnte er nur träumen! Während Cian irgendwo in einer dunklen Zelle oder sonst wo hockte, würde ich nicht seelenruhig hier sitzen bleiben und Tage lang warten. Etwas fegte beiläufig durch meine Gedanken. In etwa fünf Tagen müsste Weihnachten sein! Schon so schnell…
„Wenn du Hunger hast, dann sag bescheid. Und ich möchte kein Wort mehr von dir über diesen Jungen hören!“ Er drehte sich um, schritt zu Tür und zog diese hinter sich wieder zu.
Mit angezogenen Knien starrte ich die Tür an, Sekunden wurden zu Minuten, doch mein Kopf war wie versteinert. Gefühle der Angst, Einsamkeit und der Traurigkeit überfluteten mich, sodass ich plötzlich zu weinen anfing. Einzeln kullerten die Tränen mir über die Wangen, mein Atem wich gequält aus mir. Ein Schrei brach mir aus der Kehle. So tief und schmerzerfüllt.
CIAN schrie es in meinem Kopf, und es war der einzige Gedanke der wirklich da war. Ich schrie wieder, weinte und ignorierte meinen Vater der hoch gerannt kam, mich fest hielt, anschrie aber damit nichts bewirkte. Dann landete seine Handfläche klatschend auf meiner Wange und ich schwieg. Starrte ihn stumm an, während die Tränen stetig liefen.
Irgendwann ging er wieder weg. Ich blieb still, schaute ein Mal kurz auf die Uhr. Sie zeigte 15:35 Uhr an. Was Cian jetzt wohl machte? Ob er sehr einsam war? Ob er… Mit einem ruck war ich aufgestanden, rannte zu meinem Kleiderschrank und zog mir einen Dicken Pulli und eine schwarze Hose an. Ich traute mich nicht, in den Spiegel zu gucken, ich wusste, dass der Anblick mich schockieren würde. Also kämmte ich mir zwei bis drei Mal mit den Fingern durch die Haare, bevor ich mich mit schnellen Schritten zu Tür auf machte.
Unten war es Still. Nur das leise poltern der Geschirrspülmaschine war zu hören, aber sonst nichts.
Als ich die Treppen runter ging, blieb ich an der Tür vor dem Wohnzimmer stehen. Stimmen drangen zu mir hindurch. Vorsichtig stieß ich die Tür so weit auf, dass ich die Stimmen deutlich genug hören konnte. Der eine war mein Vater, seine Stimme war angespannt und trostlos zugleich. Wem die andere Stimme gehörte, wusste ich zuerst nicht. Doch dann erinnerte ich mich zurück und nährte mich der Tür ein Stück mehr. Steve Mclow, der Steuerberater meines Vaters sprach gerade mit ihm. Beide hörten sich angespannt an.
„Was gedenken sie zu tun, Mr. Collister?“, fragte er meinen Vater. Darauf folgte Schweigen.
„Ich weiß es nicht. Ich habe Tage- Nächtelang überlegt. Ich kann es nicht auftreiben.“
Wieder sprach der Steuerberater. „Sie müssen eine Möglichkeit finden, ihre ganze Firma könnte bankrott gehen. Sie würden alles verlieren, selbst ihr Privatvermögen wäre in Gefahr, ihr Haus, ihr Auto…“ Mein Vater unterbrach in aufgebracht. „Ich weiß! Aber 2 Millionen sind viel zu viel. Ich hab noch die ganzen anderen Schulden, die Kinder…“ Dieses Mal fiel Mclow ihm ins Wort.
„Sie müssen als aller erstes diese Schulden aus dem Weg schaffen. Es steht alles auf dem Spiel.“ Ich war schockiert, mein Mund war leicht aufgeklappt. Mein Vater hatte Schulden? So viel Geld…
„Ich habe getan was ich konnte. Ich habe Mitarbeiter rausgeworfen, habe den Kontakt zu sämtlichen Lieferanten und Käufern abgebrochen. Aber ich weiß nicht weiter.“ Bei dem letzten Satz würde die Stimme leiser.
Dann war einige Zeit stille, nur das leise rascheln von Blättern war zu hören.
Dann wieder mein Vater. „Haben sie die Papiere dabei?“
„Mr. Collister, das ist sehr Riskant. Sie wissen was ich davon halte.“ Wieder Schweigen.
„Ich kann ihnen eine Möglichkeit sagen, aber ich weiß dass er ihnen nicht gefallen wird. Es könnte jedoch unsere einzige Chance sein.“
„Sagen sie es.“ Ich hörte das laute Ausatmen meines Vaters.
„Sie brauchen einen Geschäftspartner.“
Ein kurzer erschrockener Laut meines Vaters, dann seine zornige Stimme.
„Ich habe 20 Jahre lang alleine gearbeitet! Ich brauchte weder einen Partner noch irgendwelche die mir helfen mussten! Und ich werde mir doch nicht jetzt einen suchen nur weil…“ Wieder unterbrach ihn Mclow.
„Sie haben ihre Firma super geführt Mr. Collister. Das weiß ich. Aber sie sind jetzt in einer Lage wo sie den Stolz weglassen müssen. Sie brauchen Geld. Investoren sind das einzige und dazu brauchen sie diesen Geschäftspartner.“ Kurz war es still. Dann die fragende Stimme meines Vater. „Diesen Geschäftspartner? Haben sie…“
„Ja, wir haben bereits einen der sich vor einer Woche gemeldet hat. Sie werden nicht erfreut sein, aber sie müssen es wissen. Er hat uns 50 Prozent seines Einkommens in seiner Firma zugesprochen. Er hat gesagt das er die Schulden aus dem Weg räumt, aber eine Bedingung gibt es.“ Mclow stockte. „Er möchte ihr Vorsitzender sein, und über das ganze Geschäft bestimmen.“ Ich hörte wie mein Vater keuchte. Dann sagte er etwas ganz leise, was ich nicht verstand.
Dann die Stimme von Mclow. „Es ist Carter. Tomas Carter.“
Ein lautes Geräusch links von mir erschreckte mich dermaßen, dass ich mit dem Kopf gegen die Tür stieß. Die Türklingel hatte geläutet. Im Wohnzimmer war es plötzlich still und ohne weiter zu überlegen floh ich ins Bad neben der Küche. Ich schloss so leise wie möglich die Tür und lehnte mich mit dem Ohr gegen das Eichenholz. Schritte waren zu hören, dann wurde die Tür geöffnet.
„Guten Tag. Post für sie.“
Tränen traten mir in die Augen. Für einen Moment hatte ich wirklich gehofft, es wäre Cian. Aber dann zerplatzte diese Hoffnung in Sekunden.
Ich hörte wie die Tür wieder geschlossen wurde, Schritte und dann war es wieder still. Ganz leise schloss ich die Tür wieder auf, spähte durch den Schlitz und als ich mich vergewissert hatte, dass mein Vater wieder im Wohnzimmer war, hastete ich zum Ausgang, stieß die Tür auf und trat hinaus. Tief sog ich die kühle Luft durch meine Lunge und blickte mich um. Ich musste direkt zu Cian.
Das Gespräch das eben stattgefunden hatte, und welches ich belauscht hatte, trat in den Hintergrund, und auch den Namen von Cians Onkel versuchte ich zu verdrängen, auch wenn mir das alles total seltsam vorkam. Das wichtigste war jedoch jetzt Cian.
Das einzige, und größte Problem das ich jetzt hatte war, dass ich nicht wusste ob Cian in der Polizei Station war, oder ob sie ihn ganz woanders hingebracht hatten.
Meine einzige Chance war Jeff.
Mit schnellen Schritten überquerte ich die Straße und versuchte die sanften Schneeflocken, die nach einer Zeit zum Glück aber aufhörten, aus meinem Blickfeld zu wischen. Dann fluchte ich leise vor mich hin, als meine Hände anfingen, zu erfrieren. Hätte ich bloß Handschuhe mitgenommen.
Der Schnee unter meinen Füßen war fest und ließ die ganze Angelegenheit rutschiger werden. Ich hatte das Glück, dass mein Knöchel zwar schmerzte, aber mich nicht am schnellen gehen hinderte. Erst gestern hatte ich mit meinen Krücken hinken müssen, jetzt unterdrückte ich den starken Schmerz, um ja keine Zeit zu verlieren. Aber das ich es später bereuen würde, war mir von Anfang an klar. Stampfend bog ich in die N 24th Street und lief die Straße durchgängig hoch bis ich an der Berks Street rechts abbog. Leider wohnte Jeff ein gutes Stück entfernt, sodass ich nach einiger Zeit selber mit mir schimpfte, kein Geld für ein Taxi mitgenommen zu haben.
Nach knapp zehn Minuten bog ich in die N 19th Street und rannte die letzten Meter bis zur Jeffs Haustür. Mein Fuß fühlte sich wie ein heißer, schmerzender Klotz an. Kleine Stiche jagten mir durch die Knöchel, so als ob man eine Nadel in heißes Feuer steckte, und danach an meinen Fuß drückte. Ich biss die Zähne zusammen und klingelte, doch ich war zu ungeduldig und schließlich hämmerte ich gegen das Holz. Kurz darauf wurde die Tür aufgemacht und Mama Emma begrüßte mich überrascht.
„Ava mein Kind, was ist passiert?“ Ich blickte mit gerecktem Hals an ihr vorbei.
„Nichts Mama Emma, alles in Ordnung. Ist Jeff da?“ Als sie nickte und zur Seite trat stürzte ich die Treppen hoch und winkte Lillia, die gerade aus dem Bad kam und mich völlig verdattert begrüßte, kurz zu, bevor ich Jeffs Zimmertür aufstieß.
Er saß auf seinem Bett, hatte Kopfhörer im Ohr, und riss sie sich erschrocken raus, als er mich sah.
Sein Zimmer war unordentlicher als sonst, und wie ich überrascht bemerkte, hing das Bild von uns beiden, welches wir an Jeffs 7. Geburtstag gemacht hatten, nicht mehr an der Wand. Ein wenig gekränkt wandte ich mich zu ihm.
Er war aufgesprungen und stellte sich vor mich, ein besorgter Ausdruck im Gesicht.
„Ava was machst du hier? Du sollst dich doch ausruhen!“
Ohne seinen Vorwurf zu beachten blickte ich ihn flehend an. Auch wenn ich mir nicht viel erhoffte, ich musste es versuchen.
„Jeff, ich brauche deine Hilfe.“ Wie erwartet zog er nur eine Augenbraue hoch.
„Ach ja. Seit wann das denn?“, fragte er grimmig.
Ich hätte ahnen müssen das er sauer war, und vielleicht hatte ich es ja auch verdient, aber jetzt war ja wohl nicht der Zeitpunkt, um gekränkt zu sein.
„Jeff bitte, Cian…“, Jeff stieß ein Schnauben aus und fuhr sich durch die Haare. Ich hatte ihn selten so außer sich gesehen, aber wenn er es Mal war, dann ziemlich heftig und für eine längere Zeit.
„Cian, Cian, Cian! Immer geht es dir um ihn! Hast du Mal an dich selber gedacht? Hast du dich gefragt, warum er überhaupt festgenommen wurde? Gott Ava, was ist nur in dich gefahren!“ Als er den letzten Satz schrie zuckte ich erschrocken zusammen und entfernte mich ein paar Schritte von ihm. Was war denn nur in ihn gefahren? Er hatte mich noch nie so angeschrien.
Tränen traten mir in die Augen, als ich ihn so vor mir stehen sah, Wut verzerrte sein Gesicht und die Schatten unter seinen Lidern machten deutlich, dass er sehr wenig schlaf gehabt haben müsste.
Okey, wenn Jeff mir nicht helfen wollte musste ich das auf eigener Faust regeln.
„In Ordnung Jeff.“, murmelte ich leise und entfernte mich zu Tür.
„Weißt du warum sie ihn festgenommen haben Ava?“ Ich blieb stehen, aber drehte mich nicht zu ihm um, als er mir erzählte, was die Polizei gesagt hatte, als Cian Jeff zu sich nach Hause gerufen hatte, um mich abzuholen.
„Sie haben gesagt, er hätte Vorgestern Abend Joy Deli ausgeraubt.“
Ein erschrockener Laut kam mir über die Lippen. Nicht Joy Deli!
„Joy…?“, fragte ich, brachte es aber nicht über mich den Satz zu beenden. Dieses Mal hatte ich mich umgedreht und blickte Jeff nun mit großen Augen an.
Er hatte einen grimmigen Gesichtsausdruck und setzte sich schließlich auf die Bettkante.
„Ja Ava, Joy. Er wurde brutal zusammen geschlagen, man hat ihn kaum wieder erkannt.“
Eine Träne kullerte meine Wange hinunter und ich schloss die Augen. Mein schmerzender Fuß trug nicht gerade zur einer besseren Laune herbei, und wenn ich daran dachte, dass der arme Joy zusammengeschlagen worden ist… Er war immer ein netter alter Herr gewesen, hatte uns, als wir kleine Kinder waren immer Schokolade oder Gummibärchen gegeben.
Und jetzt lag er schwer verletzt im Krankenhaus?
Jeffs Stimme holte mich wieder zurück und ich riss ruckartig meinen Kopf zu ihm hoch.
„Das war Cian der Bastard! Sie haben die Kameraaufnahme…“ Ich beachtete seine Beleidigung Cian gegenüber gar nicht, sondern unterbrach ihn mit leiser, aber ruhiger Stimme.
„Krieg ich bitte Geld? Ich möchte den ganzen Weg nicht zurück laufen.“
Ich wusste wie erschöpft ich klang, aber Jeff blickte mir einfach nur ein paar Minuten lang in die Augen, bevor er nach seinem Portmonee auf seinem Schreibtisch griff und mir 10 Dollar vor die Füße warf. Ich griff danach, steckte es in meine Jackentasche und zog an der Türklinke.
„Ava.“, rief Jeff und blickte mich besorgt an. „Ruhe dich aus, bitte. Du hast so viel durchgemacht, ich möchte, dass es dir endlich wieder besser geht.“
Ich nickte, versuchte sogar ein Lächeln rüber zu bringen und stieg dann die Treppen runter und winkte Mama Emma nur kurz zu und verschwand dann durch die Eingangstür.
Ich ließ mir nicht mal richtig Zeit zum durchatmen, sondern hastete sofort zur Hauptstraße und bestellte mir ein Taxi.
Dieser hielt nach ca. fünf Minuten mit quietschenden Reifen vor mir an und ich stieg schnell ein.
„750 Race Street, Polizeipräsidium bitte.“, wies ich den Fahrer an, kurz darauf wendete dieser auf die Ridge Avenue. Ich war mir nicht sicher, ob sie Cian zum Stadtpräsidium gebracht hatten, aber ich hatte keine andere Wahl. Ich musste Cian sehen, musste wissen was passiert war. Und ich musste die Polizei darüber aufklären, das Cian am Samstagabend bei mir gewesen war. In der Nacht war er doch auf unserer Hollywood Schaukel eingeschlafen, also war es unmöglich, das er diese Tat begannen haben sollte.
Vor allem könnte ich Cian so etwas nie zutrauen. Er hatte zwar Fehler begannen, er hatte sich auch geprügelte aber er würde doch nie im Leben einen wehrlosen Mann zusammenschlagen.
Das war so absurd und ich würde versuchen, die Sache aufzuklären.
Dass mein Vater total sauer sein würde, wenn er erfuhr dass ich zu Cian wollte, wusste ich. Und auch Jeff würde ziemlich enttäuscht sein. Aber sie hatten mir alle keine Wahl gelassen! Ich konnte doch nicht abwarten, dass sie Cian vielleicht sogar ins Gefängnis warfen, für eine Tat, die er gar nicht begangen hat.
Das Taxi riss mich wieder in die Realität zurück, als es vor dem Gebäuden mit den drei Stockwerken anhielt.
Das Präsidium bestand aus zwei Runden komplexen Flügeln und einem dreistöckigen Fundament in der Mitte.
Ich bezahlte dem Fahrer das Geld, stieg aus und hastete zum Eingang, wo zwei Uniformierte Polizisten standen, die mich aber nicht weiter beachteten.
Als ich drinnen ankam begrüßte mich als aller erstes ein Polizist, der neben einem Körperscanner stand, und mir deutete, dadurch zu gehen. Als kein Piepen zu hören war nickte er nur und ließ mich durch passieren. Daher, dass ich nicht wusste wo ich hin musste, suchte ich nach einer Rezeption und hastete schnell an den Schalter.
„Untersuchungshaft?“, fragte ich außer Atem, doch die Frau starrte mich nur verständnislos an.
„Ich muss zur Untersuchungshaft!“, wiederholte ich, dieses Mal etwas unfreundlicher. Die Frau zog jedoch nur eine Augenbraue in die Höhe und starrte mich an, als hätte ich sie nicht mehr alle.
Wut stieg in mir auf und ich fühlte mich gerade total veräppelt. Meine ganze Sorge galt Cian, ich war fast verrückt vor Angst und alle taten so, als wäre das irgendein Witz.
„Mädchen, was genau möchtest du denn?“, fragte die Frau ungeduldig und tippte irgendwas in ihren Computer ein.
Ich atmete tief durch die Nase, bevor ich mich weiter auf die glatte Oberfläche des Empfangs beugte.
„Ich möchte Cian Clark sehen.“, sagte ich mit fester, und lauter Stimme. Sie blickte mich nur kurz an, bevor sie seinen Namen wiederholte, was irgendwie falsch in meinen Ohren klang. Sie sprach seinen Namen total herablassend aus, sodass ich mir nur schwer zurück halten konnte, um ihr nicht den Kopf abzureißen. Mit ihren blonden, hoch toupierten Haaren und den langen Plastikfingernägeln dachte sie wohl auch, sie wäre hier die ganz große Nummer.
Sie tippte eine Nummer im Telefon ein und hielt sich den Hörer ans Ohr. Kurz darauf sagte sie:“ Hier ist jemand der Cian Clark sprechen möchte.“ Wieder dieser widerwärtige Ton.
Wieder sagte sie seinen Namen, dann gab sie eine Nummer durch und legte schließlich auf.
„Sie sollen zum 2. Stock, Raum 209. Dort wird sie Officer Blackburn erwarten.“ Ich nickte kurz bevor ich mich schnell auf den Weg machte.
Auf den Gängen begegnete ich an fast jeder Ecke einem Uniformierten Mann, was mir nach einer Zeit ziemlich unbehaglich wurde. Ich lief an Büroräumen vorbei, in denen lauter Menschen saßen, einige sahen wütend aus, andere weinten. Ein paar Meter weiter sah ich eine Frau, die ein kleines Baby auf dem Schoss hatte und heftig schluchzte. Mitgefühl stieg in mir auf, und ich fragte mich automatisch, was ihr wohl widerfahren war.
Als ich schließlich vor einer grauen Tür ankam, auf der „209“ stand, blieb ich stehen. Nervös blickte ich mich um, beäugte misstrauisch die Räume deren Türen auf und zu klappten und fragte mich, wo sie wohl Cian festhielten.
„Sie wollen Mr. Clark sehen?“ Als die Stimme plötzlich hinter mir auftauchte zuckte ich zusammen und drehte mich hastig um.
Vor mir stand ein großer, breitschultriger Officer, dessen schwarzen Haare ihm bis zum Nacken reichten, und der mich aus seinen braunen Augen interessiert anschaute.
Er musste ungefähr vierzig sein, aber er hatte sich gut gehalten, und nun stand er mit seiner vollen Länge knapp zwei Meter vor mir und schaute auf mich hinunter.
Ein noch nervöseres Zittern erfasste mich, und ich nickte nur als Antwort auf seine Frage.
Er machte eine Handbewegung, dass ich ihm folgen sollte und so durchquerten wir einige Flure bis er mich zu einem Büroraum brachte, und mich aufforderte auf den freien Stuhl zu setzten. Ich lächelte im dankbar zu, denn jetzt wurde mir der Schmerz wieder bewusst und ich biss die Zähne zusammen um nicht aufzuschreien. Entweder hatte ich einen Bänderriss, oder irgendwas war erneut gebrochen.
Der Officer holte eine Mappe aus dem Schrank hinter seinem Schreibtisch und blätterte durch die ganzen Blätter. Währenddessen beobachtete ich die Gegend und fragte mich ungeduldig, wann ich endlich zu Cian dürfte.
Der Schreibtisch war ziemlich groß, aber außer dem Computer, ein paar Unterlagen und Stiften befand sich kaum etwas darauf. Nur ein Bilderrahmen stand rechts vom Computer, aber ich konnte nur die Rückseite erkennen.
An der Wand neben der Tür hing ein Bild von Jesus, und daneben ein Gemälde, das mich an Afrika erinnerte. Eine Wüste war abgebildet, dessen Farben in warmen rot und braun Tönen schimmerten. Keine einzige Menschenseele war auf dem Bild. Ich blickte wieder zum Officer, der ebenfalls zu mir schaute.
„Sind sie eine Bekannte von Mr. Clark?“ Auf die Frage war ich nicht vorbereitet, sodass ich nur irgendwelches Zeug babbelte. War ich eine Bekannte? Nein. Aber was war ich dann? Ich war weder eine Klassenkameradin, noch seine Freundin…
Bei dem Wort Freundin musste ich stark schlucken.
„Ist ja auch egal.“, sagte der Mann. „Sie können ihn leider nicht sprechen Er ist in Haft, und zu dieser Zeit dürfen die Verdächtigen keine Besucher empfangen.“
Verdächtigen? Das Wort hörte sich so komisch an.
Aber ich musste doch mit Cian reden! Ich musste ihn doch sehen! Wie sollte ich denn nach Hause kehren, ohne ein Wort mit ihm gewechselt zu haben? Er hatte doch nichts getan verdammt noch Mal!
Tränen brannten mir in den Augen als ich den Officer bittend anschaute. Nur ein paar Minuten…Konnte ich ihn denn nicht ein Mal kurz sehen?
„Aber…“, stotterte ich und gestikulierte hilflos mit den Armen. “Aber er war es doch gar nicht!“, versuchte ich zu erklären. Sie konnten doch nicht einfach einen unschuldigen Jungen einsperren! Er war doch die ganze Nacht bei mir gewesen!
Der Officer sah mich jetzt mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Wie heißen Sie?“, fragte der Mann und blickte mir direkt in die Augen, sodass ich unbehaglich meinen Blick woanders hin richtete.
„Ava Collister, Officer.“, antwortete ich und blickte auf meine Hände hinunter, die ein wenig zitterten.
Dann sah ich wieder zum Officer. „Und woher wissen sie denn, dass er es nicht war?“, fragte er und setzte sich auf den Drehstuhl hinter dem Pult, die Mappe immer noch in der Hand.
Ich fuhr mir durch die Haare und blickte ihn dann ernst an.
„Er war in dieser Nacht bei mir.“, gab ich zu, und spürte das Gefühl von Unwissenheit. Knapp zwei Stunden später war ich erst wieder zu Cian gegangen, hätte er in den zwei Stunden so etwas machen können? Aber was hätte es ihm gebracht, danach wieder zu mir zu kommen? Das war schwachsinnig, und sofort schlug ich den Gedanken aus meinem Kopf.
„Von wann bis wann war er bei ihnen?“, fragte Blackburn, ohne sich weiter mit dem Grund seines Besuches zu befassen.
Ich überlegte kurz.
„Es müsste ungefähr von 19.00 – 22.00 Uhr gewesen sein.“, erklärte ich und versuchte nicht zu unsicher zu klingen.
Der Officer blätterte in seiner Mappe und schaute mich dann wieder an.
„Der Überfall fand um 23.30 Uhr statt. Gegen Mitternacht wurde von einem Zeugen gemeldet, dass Joy Delias, der Besitzer des Supermarkts bewusstlos auf dem Boden lag.“ Ich hielt während seiner Angaben angespannt die Luft an, und unmerklich lief ein Zittern durch meinen ganzen Körper. Das konnte nicht stimmen, da musste es doch irgendeine Verwechslung geben!
„Sie verstehen das nicht.“, stammelte ich und unterdrückte nur mit Mühe einen lauten schmerzhaften Schrei, weil mir gerade alles zu viel wurde. „Wir sind zu ihm nach Hause gegangen, gleich nach dem wir geredet haben. Ich hab die ganze Nacht dort verbracht.“
Ich konnte den Blick, den mir der Officer zuwarf nicht deuten, aber ich wusste dass ich es nicht ertragen würde, wenn ich wüsste was er jetzt von mir hielt.
Aber dann dachte ich mir, dass es doch egal war. Sollte er denken was er wollte.
„Was hatte Mr. Clark an dem Abend an, Ms. Collister?“
Überrascht schaute ich zu ihm. Was Cian anhatte? Woher…
Ich versuchte mich wieder daran zu erinnern und rief mir den Augenblick in Gedanken, wo er auf unserer Veranda gestanden hatte, erschöpft und traurig.
„Eine Jacke, eine dicke Strickjacke.“ Blackburn nickte fast unmerklich und schloss dann die Mappe in seiner Hand.
Er stand auf, legte den Ordner wieder auf seinen Platz und blickte mich dann mit einem komischen Ausdruck in den Augen an.
„Gehen Sie nach Hause Ms. Collister. Sie sehen müde aus. Sie sollten sich ausruhen. Und wie ich sehe haben Sie eine Verletzung am Fuß.“ Er blickte kurz runter, auf mein Bein das ich vor mir ausgestreckt hatte und öffnete seine Bürotür.
Ich schüttelte verwirrt den Kopf. Nein! Das konnte nicht wahr sein! Ich dachte ich würde ihn sehen, ein Mal kurz in seine Augen blicken…
„Aber…“, stammelte ich und wischte mir die Träne weg, die über meine Wange lief, wie ein Tropfen Wasser auf meiner erhitzten Haut.
„Ryan!“ Officer Blackburn schrie durch die Tür hindurch und kurz darauf tauchte ein, ebenfalls sehr großer, junger Mann auf. Als ich ihn genauer betrachtete, erinnerte er mich an Aiden. Er hatte ebenfalls blondes Haar, aber seins war länger, und sah nicht gefärbt aus. Er war ziemlich schlank, nicht schlaksig wie diese 14 Jährigen, sondern muskulös und mit einem Waschbrettbauch, dass sich unter seiner Uniform deutlich abzeichnete.
„Ja Officer?“, fragte er, und seine stimme hatte einen Jugendlichen Ton, obwohl er schon um die 25 sein müsste.
„Begleiten sie Ms. Collister bitte zur Tür.“ Als dieser Ryan mich am Arm packen wollte sprang ich hysterisch auf und lief auf den Officer zu.
„Bitte, sie verstehen dass nicht, ich muss…“ Doch dieser nickte Ryan nur zu und dann wurde ich sanft, aber bestimmend am Arm gepackt und aus dem Raum geschliffen.
Ich versuchte mich dem Griff zu entwenden, aber dieser wurde nur noch fester, desto mehr ich Gegenwehr leistete. „Ich muss doch mit ihm reden!“, schrie ich hilflos und beachtete gar nicht, dass alle anderen mich musterten und mir teilweise Mitleidende Blicke zuwarfen. Verstand mich denn keiner! Konnte mir denn keiner helfen?
So schnell wie möglich schleppte mich Ryan zu Eingangstür und setzte mich dort dann ab. Mit hängendem Kopf trottete ich zu den Stufen, setzte mich hin, beachtete gar nicht den kalten Schnee unter mir und gestattete mir schließlich zu weinen. Hemmungslos vergoss ich all die Tränen die ich zurück gehalten hatte, und vergrub schniefend mein Gesicht zwischen den Knien. Mein Herz war nur noch ein Klumpen Müll, auf dass so oft getrampelt wurde, dass ich nicht mehr wusste ob es intakt war. Ich hätte alles ertragen, selbst Cians Lügen hätte ich ertragen, aber jetzt zu wissen, dass er irgendwo in Haft saß, das nahm mir auch den letzten Lebenswillen. Ich wusste nicht mehr weiter, wusste nicht warum man mir das antat, warum man das uns antat. Welche schlimme Tat hatten wir begangne? Was hatten wir gemacht, dass ich und Cian nicht endlich zusammen sein konnten?
Ich wüsste nur zu gern, ob ich irgendwann all dieses Leid los werden würde.
Genau jetzt, wo alles auf mich einstürzte, wo mein ganzes Leben den Bach hinunter lief, wünschte ich mir meine Mutter an meine Seite. Meine liebe Mama die mich jetzt in den Arm nehmen würde, mir beruhigende Worte zuflüstern würde.
Ich war froh dass ich mein Handy nicht mitgenommen hatte. Bestimmt hatte mein Vater vor Sorge schon die ganze Stadt in Aufruhr versetzt. Wie viel Uhr es wohl war?
Ich blickte auf meine Armbanduhr und war im weitesten nicht überrascht darüber, dass es schon kurz nach fünf Uhr war.
Ich wischte mir die Tränen weg, blickte hoch und bemerkte erschrocken, dass jemand mir ein Taschentuch hinhielt.
Als ich aufblickte entgegnete ich Ryans warmen, blauen Augen und war erst hin und hergerissen in dem Versuch, einfach abzuhauen. Doch dann lächelte er mich ermutigend an und ich griff nach dem Taschentuch um meine Nase zu putzen.
Er hatte sich nicht neben mich gesetzt, sondern hockte schräg neben mir, die Hände auf den Knien zusammengefaltet.
„Danke.“, schniefte ich und blickte wieder geradeaus.
„Gerne doch.“, entgegnete Ryan, und er hockte einfach nur neben mir, während ich versuchte mich ein wenig zu beruhigen.
Nach einer Weile, niemand von uns hatte sich auch nur ein Millimeter bewegt, veranlasste mich mein kaputtes Herz dazu, zu reden.
„Ich wollte doch nur kurz mit ihm reden.“, flüsterte ich und wusste nicht genau ob Ryan es gehört hatte. Ich spürte nur einen warmen Atem links von meinem Ohr.
„Ich wollte doch nur wissen wie es ihm geht.“ Das war die Wahrheit. Ich wollte einfach nur wissen, ob es ihm sehr schlecht ging, ob er leidete. Denn wem ging es denn schon in einer dunklen Zelle gut? Er war kein Verbrecher, aber wahrscheinlich fühlte er sich gerade wie einer.
„Wenn du willst…“, hörte Ryan neben mir sagen und abrupt wandte ich mich zu ihm. Er blickte mir kurz in die Augen, bevor er laut ausatmete. „Wenn du willst kann ich noch Mal versuchen mit Officer Blackburn zu reden.“ Ein kleiner Hoffnungsschimmer stieg in mir auf und ich blickte ihn mit großen Augen an. Das würde er wirklich tun? Er war meine einzige Chance Cian zu sehen, und vielleicht, wenn er ein gutes Wort bei dem Officer einlegte…
„Wirklich?“, fragte ich kleinlaut und wartete gespannt auf seine Reaktion.
„Warte hier. Bin gleich da.“, wies er mich an, und bevor ich ihm an den Hals springen konnte war er auch schon aufgestanden und ging mit schnellen Schritte auf die Tür zu, bevor er aus meinem Blickwinkel verschwand.
Mit zitternden Gliedmaßen und kalten Händen, die natürlich Mal wieder nicht durch Handschuhe geschützt waren, wartete ich auf Ryan und versuchte nicht zu Hyperaktiv zu wirken. Wenn er es schaffen konnte…wenn er zuließ, dass ich Cian sah, ich wäre ihm auf Ewig dankbar. Ich würde ihm die Füße küssen, ich würde…Komm runter Ava, sagte eine Innere Stimme und ich blickte wieder ungeduldig auf die Straße, während Menschen aller Art an mir vorbei liefen und mich beäugten, als wäre ich verrückt geworden. Ich konnte es ihnen nicht verdenken.
Schließlich saß ich hier auf dem kalten Boden, während es draußen wahrscheinlich gerade Mal um die 6° Celsius waren.
Immer noch nervös trommelte ich mit den Fingern auf meinen Knien und massierte nach einer Zeit meinen Knöchel, der wie immer nur schmerzen konnte. Wann der Schmerz wohl vorbei gehen würde…Bestimmt nicht wenn du jeden Tag einen Marathonlauf zurück legst Ava, sagte mein Verstand spöttisch. Ich ignorierte die Stimme und blickte auf meine Uhr. Ryan hatte „Gleich“ gesagt, aber anscheinend hieß das bei ihm mehr als 20 Minuten, denn als ich einen Blick nach hinten warf, entdeckte ich ihn schließlich, als er gerade raus kam.
Er machte eine Handbewegung und ich sprang so schnell auf, sodass ich fast mein Gleichgewicht verloren hätte, aber dann konnte ich mich noch halten und eilte schließlich auf ihn zu.
Hätte er mich nicht gebremst, hätte ich ihn wahrscheinlich umgeworfen.
Erwartungsvoll blickte ich zu ihm auf und presste meine zitternden Hände aneinander.
„Sie können Ihn sehen. Aber nur für 15 Minuten.“ Mit einem lauten Freudenschrei sprang ich ihn an und umarmte ihn fest, und entlockte ihm damit ein leises kehliges Lachen, bevor er mich von sich zog und belustigt betrachtete. Dann wurde mir klar was ich gerade gemacht hatte und peinlich berührt folgte ich ihm schließlich durch das Gebäude.
Er führte mich durch komplexe Gänge, durch Fluren die nur spärlich beleuchtet waren und schließlich fuhren wir in das 3. Obergeschoss, und vor der Tür begrüßte uns dann ein grimmig dreinblickender Officer.
Wir liefen durch Gänge die ziemlich eng waren und dessen graue Wände einen beinah erdrückten.
Dann kamen wir an einer schwarzen Gittertür an, die der Officer aufschloss und uns durchtreten ließ. Mir wollte zuerst nicht klar werden, dass Cian in so einer Zelle saß, dessen Türen auch vergittert waren, aber schließlich fielen mir die diversen Kriminal Filme ein und mich überlief ein Schaudern.
Links von uns erstreckten sich dunkele Zellen, die aber zum Glück alle leer waren, und rechts vom Flur gab es jeweils nur ein Fenster, mit einem Abstand von 5 Metern zueinander.
Es war der stickigste Ort der mir je begegnet war und ich fragte mich erschrocken, ob sie Cian wirklich hier festhielten.
Schließlich kamen wir am Ende des Flurs an und der Officer öffnete noch eine Gittertür. Dahinter stand, vor einer kleinen Zelle, die nur von einer Lampe beleuchtet war, ein Wachmann, der an der Hüfte ein Schlagstock befestigt hatte, und in der Hand ein Handy hielt. Als er uns erblickte steckte er das Handy weg und nickte dem Officer kurz zu, bevor er zu Seite trat und den Blick auf die Zeile frei ließ. Was ich sah war das schrecklichste in meine ganzen Leben.
Cian hockte, zusammengekauert in einer dunklen Ecke, auf dem harten Boden und hatte sein Gesicht zwischen seinen Knien vergraben. Seine Haare sahen verfilzt und durcheinander aus, er trug nur ein weißes T-Shirt, und eine schwarze Hose. Seine Jacke konnte ich nirgends entdecken. Mit Tränen in den Augen wollte ich zu ihm rennen, aber Ryan fasste mich am Arm und trat mit mir zusammen an die Tür der Zelle.
„Clark, Besuch für dich.“
Als Cian seinen Namen hörte fuhr sein Kopf hoch und er betrachtete erst Ryan, bevor er seinen Kopf zu mir wandte und mich dann mit großen Augen ansah. Im Licht der Lampe erkannte ich die tiefen Ringe unter seinen Augen, bemerkte den trockenen Mund und den Ruß an seiner Wange. Gott was hatten Sie mit ihm gemacht!
Als Cian nichts sagte, befreite ich mich aus Ryans griff und sackte vor der Gittertür auf die Knie zusammen.
Nur nebenbei bemerkte ich, dass Ryan alle rausschickte, nur er selber blieb noch.
Dann war es still.
Mit schief gelegtem Kopf blickte ich in seine schönen braunen Augen, schaltete alles um mich herum aus und blickte einfach nur in seine müde wirkenden Augen.
Ein Tag Gottverdammt! Ein Tag war vergangen seit er hier war, was war bloß passiert? Ich nährte mich der Zelle so nah, dass kaum irgendwas dazwischen gepasst hätte und streckte die Hand nach ihm aus, aber als ich bemerkte das er nur in meine Augen sah, nahm ich die Hand wieder weg.
„Cian.“, flüsterte ich, nicht mehr dieselbe wie davor. Alles war anders, alles was ich jetzt gesehen hatte, kam einem Albtraum nicht Mal nahe. Es war der pure Horror.
„Was machst du hier?“, fragte er, seine Stimme hörte sich überraschender weise fest und deutlich an, jedoch ohne die leiseste Gefühlsregung.
Ich schüttelte den Kopf, unfähig auf diese Frage zu antworten. Was war bloß in ihn gefahren? Warum war er plötzlich so kalt, obwohl er mich erst gestern geküsst hatte?
„Warum habe sie dich hier eingesperrt?“, fragte ich mit rauer Stimme und ignorierte den aufkommenden Schmerz in meinem Bein. Jetzt war der falsche Zeitpunkt um sich darüber Gedanken zu machen.
Cian schüttelte grimmig den Kopf und verhaarte jedoch auf derselben Stelle. Dann fuhr er sich durch die Haare.
„Ich habe irgendeinem Officer gegen die Weichteile getreten.“, sagte er, keine Spur von Reue oder Ironie in seiner Stimme. Er sagte das so normal, als würde er das jeden Tag machen. „Achso ja, dann habe ich ihm noch einen Zahn ausgeschlagen.“, fügte er spöttisch hinzu und verzog dabei leicht die Mundwinkel, als würde er sich belustigt wieder an diesen Vorfall erinnern. Ein wenig geschockt über seine Gleichgültigkeit versuchte ich ihm noch Mal die Hand entgegen zustrecken. Wieder keine Reaktion von ihm.
„Cian.“, flüsterte ich, doch er schüttelte nur den Kopf.
„Wir müssten ihn hierhin bringen, Ms. Collister, da er uns keine andere Möglichkeit gelassen hat. Er hat randaliert, und wäre der Officer nicht so Gütig dann säße er schon in einer Richtigen Zelle.“
Gütig? Das war ja wohl alles andere als Gütig! Und auch Cians Schnauben bestätigte mir, dass das wirklich schlimm sein muss, hier zu sitzen.
Etwas geschockt über seine Tat streckte ich wieder die Hand nach ihm aus.
„Wieso…“, doch mit einem bösen Blick unterbrach er mich. Ich ließ die Hand wieder sinken.
„Du musst mir keine Predigt darüber halten, dass es falsch war.“, entgegnete er bissig und blickte mir dieses Mal wirklich in die Augen. Es schien als würde er mich wirklich wahrnehmen, und dann verdüsterte sich sein Gesichtsausdruck. „Geh nach Hause Ava.“, sagte er dieses Mal und ich hörte die Müdigkeit in seiner Stimme. Stumm schüttelte ich den Kopf. Nein, ich konnte ihn doch nicht hierlassen. Nicht in dieser dunklen kalten Zelle, die nur aus einem Bett, einem Tisch und einem Stuhl bestand.
„Hast du nichts gegessen?“, fragte ich ihn, als ich plötzlich das Tablett auf dem Tisch bemerkte. Es war überfüllt mit Brot, einer Schlüssel, Obst und einer Flasche Wasser.
„Er hat bis jetzt gar nichts gegessen. Er hat auch keine Aussage gemacht sodass wir uns gezwungen sahen, auf das Urteil des Officers zu warten.“
Cians Kopf schoss zu Ryan hinüber und er blickte ihn an, als würde er ihn gleich auf der Stelle tot Prügeln.
„Wenn sie sich gezwungen sehen, für andere zu Antworten, dann tun sie das. Aber ich habe selber einen Mund, also lassen sie mich selber reden.“
„Cian!“, sagte ich empört, und wies ihn darauf hin, trotz des Umstandes, nicht Respektlos zu sein.
Er zuckte nur mit den Achseln und schüttelte dann den Kopf und warf einen Blick auf das Essen. „Keinen Hunger.“, murmelte er leise und vergrub wieder sein Gesicht zwischen den Knien. Ich hielt seine kalte Abwehr nicht mehr aus.
Ich fing an zu schluchzen und weinte dann hemmungslos drauf los und als Cian es bemerkte, kam er auf mich zugekrochen, ein überraschter Ausdruck im Gesicht.
„Ava.“, murmelte er und streckte die Hand nach mir aus. Sanft hob er durch die Gitterstäbe mein Kinn und strich mit der anderen Hand über meine Tränen. „Weine nicht.“, murmelte er, so leise dass ich sicher war, dass es Ryan nicht gehört hatte. Ich blickte Cian in die Augen, versuchte meinen verschwommenen Blick wieder zu schärfen und küsste die innen fläche seiner Hand, die an meiner Wange angelehnt war.
„Cian.“, flüsterte ich, schluchzte laut und wieder kullerten die Tränen über meine Wange.
„Hey.“, sagte er, strich mir wieder über die Tränen. Dann verhaarten seine Finger einen kurzen Moment über meine Lippen, bevor er seine Hand wieder wegzog und eine gähnende leere hinterließ. Er schaute mir kurz noch Mal in die Augen, bevor er sich zu Ryan wandte.
„Bringen sie sie raus.“, sagte er mit fester Stimme. Ruckartig hob ich den Kopf. Nein! Ich wollte nicht gehen, ich wollte ihn hier nicht alleine lassen.
„Cian.“, widersprach ich, aber er warf mir nur einen bestimmenden Blick zu. Dann setzte er sich auf sein Bett, holte etwas unter dem Kopfkissen hervor und kam wieder zu mir zurück.
Er ballte seine Hand zu einer Faust, öffnete sie nach einigen Sekunden und zeige mir eine Kette, die aus Gold bestand. Zwei Engelsflügel, die aneinander geschweißt waren, hingen als Anhänger dran, und im Licht der Lampe funkelte das Gold.
„Hier.“, flüsterte er und überreichte mir die Kette. Ich nahm sie verwirrt in die Hände, betrachtete sie kurz und blickte dann wieder zu Cian.
„Für dich“, beantwortete er meine unausgesprochene Frage und lächelte schwach, als ich ehrfürchtig über den Anhänger strich.
Er hatte mir eine Kette gekauft? Eine Kette die wahrscheinlich ziemlich teuer gewesen war? Aber warum…
„Sie wollten Sie mir wegnehmen. Sie hatten ernsthaft geglaubt ich würde Ihnen die Kette überlassen.“ Dabei warf er einen finsteren Blick zu Ryan. „Aber glaub mir, hätte sie mir mein Geschenk aus der Hand genommen, dann hätte ich alles kurz und klein geschlagen.“ Ich zweifelte nicht an seinen Worten.
Cian beugte sich wieder zu mir, strich mir über die Wangen, über die Lippen bevor er abrupt aufstand und sich mit dem Rücken zu Zelle stellte.
„Geh jetzt Ava.“, wiederholte Cian und auf ein Nicken hin, ohne auch nur nach hinten zu gucken, kam Ryan zu mir, zog mich hoch und schleppte mich Richtung Ausgang.
„Es wird immer noch ermittelt.“, sagte Ryan, ob er mit mir oder Cian sprach wusste ich nicht. „Spätesten Morgen wird das Urteil gefällt.“
Urteil? Erst Morgen….
Immer noch verdattert blickte ich zu Cian. Dann brach der Schrei aus meine Kehle. “Nein!“, und ein schluchzen kam mir hoch. Energisch zog mich Ryan von der Tür weg und als letztes sah ich nur noch, wie Cian einen Blick über die Schultern zu mir warf. Dann schloss sich die Tür.






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