I'll be there to catch you

Autor: MusicJunkie91
veröffentlicht am: 12.03.2010




Die Monate vergingen. Die Hot Boys hatten keinen Erfolg mehr, selbst Alice schwor ihnen ab. Sprunghaft wie sie war hörte sie jetzt Hip Hop, egal von wem er kam. Ich stritt mich mehr und mehr mit meinem Vater. Er verstand nicht, dass ich mein Abi nicht machen wollte und er verstand nicht wieso ich mir die Haare abschnitt. Ich wollte nicht mehr zur Schule gehen, darum war ich mit meinem Realschulabschluss vollkommen zufrieden. Aber nein, ich sollte besser werden, besser, besser, besser, so lange, bis ich die Beste war.

Schule nervte. Meine Klasse trieb mich in den Wahnsinn, alle waren furchtbar aufgeregt, dass wir in der nächsten Woche Prüfungen hatten und benahmen sich wie Kleinkinder, die einen Keks gefunden hatten. Schrecklich war das. Sie fühlten sich supertoll, immerhin waren sie besser als die aus den Klassen unter uns, weil die mussten ja noch länger zur Schule.Ich verstand es nicht.
Und ich verstand vor allem die Leute nicht, die noch weiter Schule machen wollte. Vielleicht wiederhole ich mich, aber ich hatte keinen Bock mehr auf Schule. Verdammt. In einem Klassenzimmer sitzen und einer Person vorne zuhören?
Nee. Ich wollte leben. Ich wollte mit einem Rucksack durch die Welt ziehen und Geld verdienen mit meiner Kunst.

Ich liebe das Malen. Am Anfang ohne eine Idee anzufangen auf einer Leinwand Farbe zu verteilen. Sich nur von seinen Gefühlen leiten lassen. Das war leben.

Aber meine Eltern. Mein Vater wollte nicht, dass ich malte, er wollte entweder, dass ich das Abi mache oder .. na ja, eigentlich wollte er nur, dass ich Abi mache.

Als ich von meiner letzten Prüfung nach Hause kam, roch ich nicht wie sonst leckeres Essen, als ich die Tür aufschloss. Ich fand das seltsam. Dennoch ging ich in die Küche, weil sich meine Mutter und mein Vater dort leise unterhielten. Als ich die Tür aufmachte und hallo sagte, unterbrachen sie ihr Gespräch.

'Abigail? Wann hattest du vor uns zu erzählen, dass du dich bei einer Kunsthochschule beworben hast? Wo man kein Abi machen kann? Du sollst einen Akademikerberuf erlernen, nicht irgend so einen Schwachsinn!', donnerte mein Papa los.
'Leon, nun ..', sagte meine Mutter leise.
'Nichts Leon! Ursula! Sie soll was aus ihrem Leben machen!'
'Und wenn ich nicht will?', zischte ich.
'Du willst! Denn wenn nicht sehe ich mich gezwungen dich raus zu werfen!', brüllte mein Vater. 'Verdammt, wir wollen doch nur dein Bestes! Stattdessen wirst du uns noch jahrelang auf dem Geldbeutel liegen!'
'Wenn ihr mein Bestes wollen würdet, würdet ihr mich machen lassen was ich will.', sagte ich leise.
'Okay. Dann mach was du willst. Aber nicht in diesem Haus.'
Ich sah ihn erstaunt an und meine Mutter sah fassungslos aus.
'Hast du nicht gehört? RAUS!!!'
Ich schluchzte auf und rannte in mein Zimmer.

Dort begann ich wild irgendwelche Kleidungsstücke einen Koffer zu werfen. Der Koffer war schön, ich hatte ihn mir gekauft, als ich für ein paar Wochen mit Alice nach Spanien fuhr.Während ich meine Klamotten also in den Koffer warf rief ich Alice an.
'Ja?'
'Hey, ich bin' s, Abby.'
'Oh, hey!'
'Du, kann ich für eine Weile bei dir wohnen? Mein Vater hat mich rausgeworfen.'
'Uuuh .. ich .. das tut mir echt leid, aber momentan geht es nicht. Klaus ist gerade eingezogen und ..'
Ich legte auf. Na toll. Und jetzt? Ich unterbrach mein wütendes Packen um mich auf mein Bett zu setzen. Was sollte ich bloß tun?
Ich starrte auf den Boden. Dabei fiel mein Blick auf ein weißes Quadrat hinter der Fußleiste.Ich ging zu der Stelle, bückte mich und hob es auf. Hä? Was war das? Ich faltete ihn auf.

/Hey.
Meld dich. Jederzeit.
01xxxxxxxx7
Matt/

Oooookay. Ich dachte den hätte ich längst weggeworfen.. Sollte ich .. nein. Nein, das wäre absolut unhöflich.
Aber wo sollte ich denn hin? Großeltern .. hatte ich nicht. Die waren alle längst vor meiner Geburt gestorben. Zu Alice auch nicht. Sonst hatte ich keine Freunde. Also schon, aber nicht solche. Aber Matt?

Es klopfte und eine Sekunde später stand meine Mutter mit rotgeweinten Augen in der Tür.'Kleine, es tut mir ja so leid! Aber Leon möchte dich nicht mehr .. ich zitiere: 'durchfüttern'Süße, es ist so schwer.. ich will doch das du hier bleibst! Leon meint er habe dich lang genug geduldet, immerhin wirst du ja morgen achtzehn und kannst .. Spätzchen, ich glaube ich muss dir die Geschichte erzählen.
Vor fast achtzehn Jahren kam meine beste und hochschwangere Freundin zu mir, Claire. Sie fragte, ob ich mich um ihr Kind sorgen würde, wenn ihr was passiert. Selbstverständlich sagte ich ja. Also ging ich mit ihr in den Kreißsaal. Die Geburt ging im Verhältnis ziemlich fix. Als ich dann das Kind entgegen nahm, sah sie mich dankend an. Dann packte sie ein Skalpell und ...'

Sie verstummte. Bestimmt zehn Minuten saß sie da und es schien, als würde sie von heftigen Schluchztern geschüttelt werden. Was sollte ich tun? Ich war geschockt und mir war schlecht. Ich wollte gar nicht wissen, was dann passiert war. Aber warum erzählte sie mir das? Was hatte es damit zu tun, dass Papa mich weggeschickt hatte?

Sie sprach weiter:
'Leon war so sauer, als ich das Kind mit nach Hause gebracht hatte. Er war sauer, weil es nicht sein Kind war. Abby, das Kind, das warst du.. ich habe nämlich eine Krankheit, mit der ich keine Kinder kriegen kann.
Der Anfang war schrecklich. Leon setzte alles in Bewegung um dich loszuwerden, aber am Ende setzte ich mich durch. Schließlich warst du das einzige, was mir von Claire geblieben war..
Abby, ich habe dich immer geliebt, als wärst du meine eigene Tochter und ich tu es auch immer noch. Leon allerdings hasst dich. Frag nicht wieso, bitte. Ich weiß es nicht.'

Oh. Mein. Gott. Wie, was, WO?! Ich war nicht .. aber Papa .. ich meine Leon .. er war doch schon nett zu mir gewesen. Vielleicht ja nur um meiner Mutter nicht weh zu tun?
Komischerweise war es mir egal, dass ich nicht die LEIBLICHE Tochter meiner Mutter war. Ich meine, was macht es für einen Unterschied? Sie hatte mich aufgezogen und ich konnte immer alle Probleme mit ihr besprechen.
Wieso behielt sie mich nicht hier? Wieso setzte sie sich nicht gegen Leon durch? Immerhin hatte sie es geschafft ihn zu überreden, dass sie mich aufziehen. Wieso schaffte sie es nicht ihn dazu zu bringen mich hier zu behalten?
Verdammt. Es tat so weh. Ja, sie würde immer meine Mutter sein, aber wenn sie zulässt, dass ich weg muss, wird sie es dann wirklich noch sein? Ich meine .. eine Mutter schickt doch ihr Kind nicht einfach fort?
Tausend Gedanken und Gefühle geisterten durch meinen Kopf. Gefühlschaos absolut.Einmal fühlte ich mich, als ob mich jemand von einer Klippe stoßen wollte, es sich dann aber anders überlegt und mich noch am Rockzipfel festhielt.
Und ich fühlte mich frei.
Ich fühlte mich leer.

Meine Mutter .. meine Ziehmutter .. nein, die Frau die .. Ursula? Sie sagte was.
'Deine Mutter hat dir reichlich Geld hinterlassen. Hier, eine Kreditkarte. Es liegt alles auf einem Konto. Du kannst es ja benutzen, bis du einen Job hast oder so. Bis du eigenes Geld bekommst. Der PIN ist hier in dem Umschlag..
Leon und ich gehen jetzt essen. Meld dich mal bei mir, okay?'
Sie umarmte mich und ging dann.

Krass.
Da musste ich erstmal drüber hinwegkommen. Und ich musste ausziehen.
Nervös griff ich mein Handy und den kleinen Zettel. Irgendwo musste ich ja hin. Wieso also nicht Matt? Er hatte es ja geschrieben. Jederzeit könnte ich anrufen.
Schnell tippte ich die Nummer ein und drückte den grünen Hörer, bevor ich es mir anders überlegte. Es tutete. Einmal, zweimal .. beim dritten Mal wurde abgenommen.
'Ja?'
Ich erschrak und legte schnell auf. Wie hatte ich nur auf die Idee kommen können? Ich musste ja echt verzweifelt sein.
Hemmungslos begann ich zu weinen. Ich versuchte alles, was ich in der letzten Stunde erfahren hatte weg zu weinen. Warum hatte ich so ein Scheiß - Leben? Ja, okay, es gab Menschen, die um vieles schlechter dran waren aber .. für mich war es halt wie der Untergang der Welt.
Ich konnte nirgends hin. Nirgends. Verfickte Scheiße.
Ich fiel vom Bett, als mein Handy klingelte. Verdammt, wer war das! Unbekannte Nummer. Wie ich unbekannte Nummern hasste.
Ich holte tief Luft, bevor ich abnahm.
'Ja?'
'Wer um alles in .. Weinst du?'
Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten. Wenn er es eh schon wusste konnte ich weiterweinen.
'Was ist passiert?'
Ich stammelte vor mich hin, aber er schien es zu verstehen, denn er hörte geduldig zu und stellte höchstens mal einen Zwischenfrage. Als ich geendet hatte zögerte er.
'Wer ist da denn überhaupt?', wollte er dann wissen.
'Abby', antwortete ich. Inzwischen hatte ich mich soweit beruhigt, dass ich wieder normal sprechen konnte.
'Hm .. ich erinnere mich an keine Abby. Woher hast du denn meine Nummer?'
'Die hast du mir gegeben.'
'Echt? War ich voll?'
'Nein. Oder doch, keine Ahnung. Ich war mal auf einem Konzert von dir und wahrscheinlich das einzige Mädchen dort, dass dich und die Klone nicht ausstehen konnte.'
'Klone? Ach so.' Er lachte. 'Jetzt erinnere ich mich an dich. Du warst die mit den coolen langen Haaren, die mir erzählt hat, dass ich schwul bin.'
'Genau.'
'Pass auf. Ich helfe dir, weil ich mag dich. Auch wenn du mich hasst.'
Wow.
'Wo bist du denn gerade?'
'Na, da wo ich bisher achtzehn Jahre verbracht habe.'
'Also zu Hause. Und wo wohnst du?'
'In München.'
'Passt doch. Da bin ich gerade. Ehm .. kannst du zum Deutschen Museum kommen? Sagen wir in einer halben Stunde? Dann ist meine Schicht um.'
'Und mein Zeug?'
'Das holen wir dann.'

Oh. Ich hatte mich gerade mit Matt verabredet. Er wollte mir helfen.
Mir war schlecht. Ich wollte bitte in Ohnmacht fallen. Das war zu viel für einen Tag.







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