Fernbeziehung

Autor: MusicJunkie91
veröffentlicht am: 22.01.2010




2. Kapitel - Er (Fortsetzung)

Oh man. So typisch Marcel. Wenn ich nicht hundertprozentig wüsste, dass er hetero ist .. Ja, ihn kannte ich fast so lang wie Mile. Aber nur fast. Erst seit dem Kindergarten und nicht aus dem Sandkasten. Man denkt ja immer, dass sich Jungs gegenseitig nichts erzählen, vor allem nicht über ihre Gefühle reden. Richtig beurteilen kann ich das nicht, denn außer Marcel habe ich nur noch zwei andere männliche Freunde. Einmal Schwein. Wieso er Schwein heißt? Daran kann sich niemand mehr erinnern. Vielleicht weil er auf einem riesigem Bauernhof am Stadtrand wohnt. Und wahrscheinlich weil er immer, wenn er was isst, hinterher aussieht wie ein Schwein. Selbst die Lehrer nennen ihn so. Und mein anderer männlicher, wobei männlich eigentlich ziemlich übertrieben ist, ist Luci. Eigentlich heißt er Lucas, aber wehe dem jemand nennt ihn so! Er ist wahrscheinlich, genau wie ich, das, was man unter einem sogenannten Emo versteht. Nur ohne Ritzen und dem Scheiß.
Aber auf jeden Fall, mit Marcel rede ich immer über meine Gefühle. Er weiß, dass ich schon seit ich vierzehn bin Mile liebe. Er weiß, dass ich mich auch manchmal von Jungen angezogen fühle. Ohne dass es ihn stört. Das weiß noch nicht mal Mile, obwohl sie ja eigentlich die Nummer eins ist. Aber ich hatte, und habe noch immer, Angst, dass sie mich dann nicht mehr so mag. Kindisch eigentlich.

Ich schaute mich in meinem Zimmer um. Außer meinem Bett hatte ich kein einziges Möbelstück behalten. Überall standen unausgepackte Kartons.
Ich hielt es hier nicht mehr aus. Ich musste raus aus diesem trostlosem Zimmer. Aus dem Haus. Denn nirgends sah es anders aus als hier.
Ich schnappte mir meine Jacke, meinen MP3 - Player und zog meine Schuhe an, denn anstatt hier rumzusitzen und Däumchen zu drehen, konnte ich die Gegend mit einem langen Spaziergang erkunden und dabei in Ruhe nachdenken.

Wollte ich denn auf den Winterball? Sowieso, ein Winterball. Damals, als ich die Idee hatte, habe ich mir alles ganz genau ausgemalt. Ich wollte Mile fragen ob sie mit mir hingeht und wenn sie ‚ja' gesagt hätte, wollte ich ihr auf dem Ball meine Liebe gestehen. In allen Einzelheiten war diese Situation in meinem Kopf. Da ich im Komitee gewesen war hätte ich dafür gesorgt, dass es draußen eine Bank gäbe die mit weißen Rosen verziert war. Dort hätten sich die Paare fotografieren lassen können. Aber nach Mitternacht nicht mehr. Also hätte ich mich mit Mile so um halb eins nach draußen begeben. Und dann, auf dieser Bank, hätte ich es ihr gesagt und es wäre für immer unsere Bank gewesen.
Aber jetzt.. Ich wusste nicht ob ich da hin wollte. Mile hatte bestimmt schon längst einen Partner. Und ich wäre dann das fünfte Rad am Wagen.

So in Gedanken vertieft merkte ich gar nicht mehr wo ich hinlief beziehungsweise wo ich herkam. Diese Gegend hier hatte ich noch nie gesehen. Alexisweg. Nie gehört. Ich hätte besser daran getan mir eine Straßenkarte oder wenigstens mein Handy mitzunehmen. Als ich mich umschaute sah ich mehrere Jungs, sie waren bestimmt alle in meinem Alter.
Entschlossen ging ich auf sie zu und sprach den Größten von ihnen an.
'Hey!'
Langsam drehte er seinen Kopf zu mir. Erst schaute er kurz verwirrt, doch dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus.
'Stefan! Dich noch einmal in meinem Leben wiederzusehen!'
'Hä?'
'Erinnerst du dich nicht mehr? Grundschule, wir saßen nebeneinander. In den Sommerferien, bevor wir aufs Gymnasium wechseln konnten, bin ich weggezogen.'
'Grundschule .. Daniel!?'
'Du hast es erfasst, alter Freund. Wohnst du jetzt auch hier oben oder wie?'
'Ja, seit gestern.'
'Bist du immer noch mit Amelie befreundet? Und mit Marcel? Wie geht es ihm? Und ihr? Sie war zwei Jahre jünger, oder? Aber Marcel, der Olle, hat er's denn aufm Gym geschafft? Ach, jetzt kommen Erinnerungen hoch! Komm, wir plaudern bei einer Tasse Kaffee!'

Und eh ich mich versah zog er mich mit ihm fort.







Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9 Teil 10


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz