Aus Abneigung kann Liebe werden - Teil 11

Autor: emma1990
veröffentlicht am: 27.06.2012


Sie beobachtete, wie sich seine Brust langsam auf und ab bewegte. Seine Gesichtszüge waren entspannt. Die Gardinen hatten sie nicht zugezogen. Das Mondlicht mischte sich mit den Lichtern der Stadt und lies den Raum silbrig erscheinen. Scarlett konnte nicht von seinem Anblick ablassen. Noch nie hatte sie ihn länger als nötig betrachtet. Wie glücklich er aussah. Seine Locken, die wirklich viel länger geworden waren, fielen ihm auf die geschlossenen Augen. Scarlett seufzte. Sie rutschte näher zu ihm. Nun konnte sie das erste Mal bewusst wahrnehmen, wie er roch. Es war ein schöner, männlicher Duft. Sie schloss die Augen und fühlte eine Wärme in sich aufkeimen. Sie rückte noch näher zu Danny, sodass ihr Gesicht nicht mehr weit von seinem entfernt war. Die Gefühle in ihr spielten verrückt und verdrängten merklich ihre Gedanken und ihre Vernunft. Sie sollte das nicht tun, sie durfte ihm nicht so nahe kommen. Wie würde Danny sich fühlen, wenn er erwachen würde? Er musste doch schrecklich leiden. Diesem bestimmten Menschen so nahe zu sein und doch durfte er nicht noch näher. Mit diesem Spielchen machte sie es nicht besser, auch wenn er schlief. Aber sie konnte nicht anders. Ihre Neugierde und ihr Verlangen siegten.
Ein Zittern durchfuhr sie, als Danny plötzlich direkt in ihre Augen blickte. Sie blickte erschrocken zurück. Er war aufgewacht.
„Ist alles okay mit dir Scarlett?“
Wie er ihren Namen aussprach. Mit einem mal wurde es ihr zu viel. Sie hatte das Gefühl alles würde sich vor ihren Augen drehen. Sie wollte nur weg und dieses fremde Gefühl nicht mehr in sich tragen. Mit einem Satz war sie aufgestanden und aus dem Zimmer gelaufen.
Danny blickte ihr verwirrt hinter her. Hatte sie wieder einen schlechten Traum gehabt?
Nachdem er sich gesammelt hatte, strich er die Decke von sich und stieg aus dem Bett. Nur langsam gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit und er machte sich auf die Suche nach Scarlett. Dies erwies sich als nicht sehr einfach, da die Wohnung von Scarletts Schwester eine beschauliche Größe besaß. Einen Lichtschalter konnte er in der dunklen, fremden Wohnung auch nicht auf die Schnelle finden.

Scarlett atmete die kalte Luft ein und blickte vom Balkon runter in den Park, der vor dem Haus lag. Das Mondlicht spiegelte sich in einem kleinen Teich wider. Es war ein schöner Anblick, fast wie gemalt. Doch diesen konnte sie nicht genießen. Hier Herz pochte aufgeregt.
„Wieso muss mir so was nur passieren? Ich bin doch eigentlich glücklich mit Ben... Eigentlich? Was rede ich da nur? So sollte ich doch nicht denken. Nicht als verlobte Frau. Wieso zieht es mich plötzlich so sehr zu Danny?...“ Die Tränen liefen ihr über das Gesicht.
„Was ist mit dir los?“ Danny war hinter ihr aufgetaucht und schritt zögernd näher. Scarlett erschrak. Sie hatte ihn nicht kommen hören.
„Nichts ist. Geh wieder schlafen. Ich möchte lieber alleine sein.“
„Ich lass dich nicht allein. Das hast du in solchen Momenten bei mir auch nie getan. Schon allein der Rache wegen mach ichs nicht. Jetzt bist du mal dran.“, Danny lachte sanft.
Scarlett vergrub ihren Kopf in ihren Händen, die auf dem Balkongeländer lehnten. Sie seufzte leise.
„Oh, ich wollte dich damit jetzt nicht noch trauriger machen.“
Er überlegte, was er machen konnte, um sie zu trösten.
„Das hast du nicht, aber...“, Scarlett wusste nicht was sie sagen sollte. Sie konnte wohl schlecht ihm die Schuld für das hier geben. Obwohl es im Grunde so war.
Plötzlich spürte sie, wie er sich dicht neben sie stellte, seinen Arm um sie legte und sie sanft zu sich zog. Wieder konnte sie seinen Geruch einatmen. Er war so vertraut, obwohl sie ihn erst heute richtig wahrgenommen hatte.
Danny fiel das ganze ziemlich schwer. Im Grunde hatte er nicht viel Erfahrungen mit Frauen. Zumindest außerhalb des Bettes nicht. Unbeholfen strich er ihr über ihr Haar. Er musste sich wirklich zusammenreißen, um nicht von seinen Gefühlen übermannt zu werden.
Der Wind wehte kalt über Scarletts Rücken, die sich daraufhin endlich regte und sich mehr in der Umarmung vergrub. Sie genoss die Wärme, die von Danny ausging. Sie konnte sein Herz schlagen hören.
Zögernd löste sich Scarlett ein wenig aus der Umarmung und blickte hoch zu ihm. Sie sagte nichts, blickte ihm nur tief in die Augen. Sie konnte seine Verwirrung und Unsicherheit förmlich in seinem Gesicht lesen. Zaghaft legte sich ein leichtes Lächeln auf ihre Lippen.
Danny war nun völlig überfordert und versuchte an alles zu denken nur nicht an diesen Moment, damit er nicht gleich vor Aufregung umkippte. Nervös löste er sich von ihrem Blick und starrte auf den Boden. Er schloss die Augen und seufzte leise auf, um sich zu beruhigen.
Als er seine Augen wieder öffnete, konnte er nur noch wahrnehmen, wie sich Scarletts Lippen seinen näherten und schließlich auf seine trafen.
Erst nach einigen Sekunden konnte er reagieren. Er schloss die Augen und genoss die Wärme ihrer Lippen. Langsam und zögerlich ertastete er ihre Lippen mit seinen. Sie erwiderte seine Bewegungen. Der zu Beginn fast kindliche Kuss wurde leidenschaftlicher. Scarlett öffnete ihren Mund und spürte kurz darauf, wie sich ihre Zungen sanft streichelten. Danny schlang seine Arme um ihre Taille. Scarlett wiederum vergrub ihre Hand in seinen weichen, lockigen Haaren. Beide seufzten leicht auf. Scarlett versuchte ihren Verstand wieder einzuschalten, denn sie ging ihrem Verlobten gerade fremd. Doch es funktionierte nicht. Sie konnte nicht von ihm ablassen. Das, was sie hier gerade fühlte und erlebte, war ihr im Leben noch nicht passiert und es fühlte sich einfach nur perfekt an. Dieser Kuss erfüllte sie, wie es keiner von Bens oder eines anderen je getan hatte.
Auch Danny genoss diesen Kuss, obwohl ihm das ganze so surreal erschien. Wie konnte es nur dazu kommen? Er fühlte sich so unglaublich gut, konnte aber die Frage nicht verdrängen, wieso Scarlett das mit ihm tat. Er hatte sich das hier so sehnlichst gewünscht und jetzt war es einfach passiert. Auch wenn er darauf lange warten musste. Endlich wurde es Realität. Doch der Kuss forderte ihn. Er liebte diese Frau und konnte sein Verlangen nicht mehr lange unterdrücken, mehr zu wollen. Doch das würde Scarlett im Leben nicht erwidern. Schon dieser Kuss erschien bis vor einigen Sekunden noch als unerreichbar. Außerdem trug sie den Verlobungsring eines anderen an ihrem Finger.

„Wo seid ihr denn? Ich hab Angst, Daaanny??? Scarlett??!?!“

Beide erschraken und wichen voneinander. Für einige Sekunden blickten sie sich verwirrt an. Danny konnte erkennen, dass Scarletts Gesicht leicht errötet war. Dieser Anblick machte es ihm noch schwerer wieder einen klaren Gedanken zu fassen. War das gerade wirklich passiert und nicht wieder einer dieser dummen Träume, die er ständig hatte?
Bevor einer der beiden zu Wort kam oder überhaupt über das Geschehene nachdenken konnte, stand Jacky an der Balkontür.
„Warum steht ihr hier draußen? Ich hab mich total erschrocken...als ich aufgewacht bin, wart ihr beide plötzlich weg.“, sagte er weinerlich.
Scarlett war die erste die das Schweigen brach.
„Jacky, das tut uns ganz schrecklich leid. Danny und ich waren nur kurz draußen um frische Luft zu schnappen. Nicht wahr Danny?“, sie sah wie Danny sie schüchtern anblickte.
„Äh, ja, na-natürlich. So war das. Wir wollten dich nicht erschrecken Kleiner. Komm wir gehen wieder rein.“
„Kommt ihr denn jetzt wieder ins Bett?“, fragte Jacky.
Eigentlich wäre Scarlett am liebsten aus dem Haus gestürmt. Das Ganze machte sie jetzt schon fertig. Sie konnte Danny nicht einmal einen Vorwurf machen, denn sie war es gewesen, die den ersten Schritt gemacht hatte.
Als die Drei wieder im Bett lagen, drehte sich Scarlett sofort weg, sodass sie Danny nicht sehen und am besten nicht wahrnehmen musste.
Danny konnte ihre innere Spannung spüren und fühlte sich schuldig. Er hätte nicht nachgeben dürfen, trotz seiner Gefühle. Sie hatte einen schwachen Moment gehabt. Sicherlich hatte sie sich dazu nur hinreißen lassen, weil sie sich einsam und bedrückt fühlte. Jetzt stand dieser Kuss zwischen ihnen. Am liebsten wäre er vor Freude aufgesprungen, als ihm klar wurde, dass er sie tatsächlich geküsst hatte. Doch nach der Euphorie kam sofort wieder dieses bedrückende Gefühl, dass ihm dieser Kuss eigentlich nicht galt. Er konnte es sich einfach nicht anders erklären. Es gab bestimmt tausend mögliche Gründe, aber es war ganz sicher nicht dieser eine, den er sich so sehr wünschte.
Wie immer erschien ihm das Ganze hoffnungslos. Doch diesmal war es anders. Diesmal war wirklich etwas Eindeutiges zwischen ihm und Scarlett passiert. Das ließ in ihm einen Funken Hoffnung aufkeimen. Danny musste herausfinden wieso sie sich zu einem Kuss hinreißen lassen hatte. Vielleicht gab es doch eine Chance für ihn. Er wünschte es sich so sehr. Danny nahm sich fest vor, sie am nächsten Tag darauf anzusprechen. Egal wie unangenehm oder deprimierend es für ihn werden konnte.





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