Wenn die Zeit plötzlich stehen bleibt...

Autor: ladybloodex
veröffentlicht am: 21.11.2009




Der Wind schlug den kalten Regen in mein Gesicht. Kalt war es, eiskalt. Alles um mich herum drehte sich und doch stand alles still. Nichts hatte eine Bedeutung mehr. Von diesem Moment an blieb die Zeit für mich stehen.
Die kalten Tropfen des Regens mischten sich mit meinen Tränen und brannten schmerzende Schneisen in meine Wangen. Doch es war mir egal, ich nahm es nicht einmal wirklich wahr. Ich fühlte nur noch eines. Das Einzige was ich noch spürte war der Schmerz in meiner Brust. Dieser unglaubliche Schmerz, mein Herz war dabei zu zerspringen, zu zerreißen. Es blutete so sehr, ich schrie innerlich um Hilfe, um Erlösung.
Ich wollte hier weg. Weg von diesem grausamen Ort, doch ich regte mich nicht. Keinen Zentimeter, ich war wie gelähmt. Klatschnass, durchgefroren und erstarrt stand ich da. Meine roten Locken wehten um mich herum, sie waren das Einzige was mich noch irgend lebendig erscheinen ließ.

Und dann verlor ich den Boden unter den Füßen, alles um mich herum schaukelte. Und ich entfernte mich immer weiter von diesem schrecklichen Ort, aber der Schmerz blieb. Ich spürte eine wohlige Wärme in mir aufkommen, und hörte aus weiter Ferne meinen Namen.'Hope, sag doch endlich was, bitte Hope, sprich endlich mit mir.', ich vernahm Besorgnis in seiner wohltuenden Stimme. So langsam holte er mich wieder in die Wirklichkeit, in die knallharte Realität zurück. Jetzt nahm ich auch meine Umgebung wieder wahr. Ich saß in einer dicken Decke gewickelt auf dem Beifahrersitz des silbernen Polos von Jason. Die Heizung blies mir Wärme ins Gesicht. Jason musste mich hierher getragen und ins Auto gesetzt haben. Er strich mir zärtlich über die Wange und gab mir einen kleinen Kuss auf die Stirn, leise flüsterte er:
'Es wird alles wieder gut'
Ich weiß nicht warum aber ihm glaubte ich das. Das habe ich schon immer getan, ich kann es nicht beschreiben, aber ich zweifelte nicht einmal eine Sekunde, wenn er so etwas sagte. Keinen einzigen Moment. Naiv, vielleicht, aber es war immer das Richtige gewesen ihm zu vertrauen .Ich hoffte es ja selbst so sehr, dass er Recht behalten würde. Nur wusste ich auch, dass es noch nicht an der Zeit war, denn diese stand für mich zunächst einmal still. Alles um mich herum lief weiter, und trotzdem stand alles still.

Langsam bewegte sich der Wagen. Ich wusste auch ohne zu fragen, wo er hinfahren würde. Es würde zwei, drei Stunden dauern bis wir ankommen würden. Ich war ihm so dankbar dafür, er musste meinen Schmerz fühlen, anders konnte ich es mir beim besten Willen nicht erklären, dass er immer wusste was zu tun war. Denn ich hatte noch immer kein einziges Wort heraus gebracht. Es war bereits dunkel draußen, und der Regen prasselte gegen die Fenster des Autos, typisches Herbstwetter eben. Normalerweise liebte ich den Herbst doch von heute an würde ich ihn hassen, da war ich mir sicher. Ich versank in meinen Gedanken und legte langsam meinen Kopf gegen die Fensterscheibe, in dieser Haltung erschienen mir die Lichter der Straßenlaternen und entgegenkommenden Autos, wie ein Blitzgewitter. Aus dem Autoradio waren ruhige melancholische Klänge zu vernehmen, ich kannte das Lied nicht und doch zog es mich in seinen Bann, diese tiefe Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit in der Melodie, das Lied sprach mir nahezu aus der Seele. Tränen bildeten sich in meinen Augen, warum musste das Radio auch immer diese traurige Musik genau in solchen Momenten spielen? Es war so ein schönes Lied, aber ich wollte nicht weinen. Doch die Tränen flossen wieder nur so meine Wangen hinunter. Was war mit meiner Stärke passiert? Warum musste sie mich gerade jetzt verlassen?
Mein Kopf ruhte noch immer an der Scheibe, das Geblitze der Lichter wurde unangenehm. Ich schloss meine Augen und schlief inmitten meiner Tränen auslösenden Gedanken ein.

Lange konnte ich nicht geschlafen haben, denn selbst im Traum drehten sich meine Gedanken nur im Kreis. Die Zeit stand still und rann doch nur so davon. Warum musste denn immer wieder so etwas Schreckliches passieren. Ich fand einfach keinen Sinn, wo sollte da auch einer sein?
'Hey, Hope mein Engel', riss er mich aus meinen Gedanken, ' ich werde an der nächsten Tankstelle kurz anhalten müssen, willst du nicht etwas essen? Du schaust noch immer so blass aus.' Er sah mich schon wieder so unglaublich besorgt an, diese Angst in seinen grün-blauen Augen hatte ich noch nie zuvor gesehen. Er ist einfach viel zu lieb, ich war froh ihn zu meinen Freunden zählen zu können. Ich hätte ihm die Angst nehmen sollen, ihm einfach mal etwas Gutes tun, doch ich brachte noch immer kein Wort heraus, nicht einmal ihm gegenüber, der Person, der ich so sehr vertraute. Ich wollte ihm keine Sorgen bereiten, aber es kam einfach nichts heraus, lediglich ein leichtes Kopfschütteln brachte ich zu Stande.Er stoppte den Wagen, sein sorgenvoller Blick machte mich noch trauriger als ich es schon war. Ich war abgelenkt von meiner Angst, jedoch verursachten diese Gedanken ihren ganz eigenen Schmerz. Mit einem liebevollen Lächeln stieg er wieder in den Polo. Selbst in solchen Situationen schaffte er es noch mir das Herz zu erwärmen, für ein paar Sekunden war ich frei, frei von allem Schmerz, von jeglichem Schuldgefühl und von aller Trauer.'Schlaf ruhig noch ein bisschen, es wird dir gut tun, ich weck dich wenn wir da sind' . Er war so lieb zu mir, so unglaublich lieb und ich hatte es nicht einmal verdient. Wieder schweiften meine Gedanken in dem Sumpf der Trauer umher. Ich legte meinen Kopf wieder an die Scheibe. Ich hatte nicht das Bedürfnis zu schlafen, fliehen konnte ich so auch nicht, denn meine Gedanken verfolgten mich ja selbst im Traum noch. Doch ich schloss die Augen, ich tat es ihm zu liebe. Wenigstens das wollte ich für ihn tun.

'Hey, wach auf wir sind da', flüsterte Jason leise und strich mir zaghaft über die Wange. Ich öffnete meine Augen und sprang auch so gleich aus dem Auto. Hastig lief ich in Richtung Eingang, Jason hatte Mühe mir hinterherzukommen. Doch vor der großen Eingangstür stoppte ich abrupt und machte auf dem Absatz kehrt. Jason blieb verwirrt stehen und rief mir hinterher: 'Hope, warte, wo willst du hin?'
Als ich seine Stimme hörte drehte ich mich wieder herum. Tränen schossen mir in die Augen. Jason kam sofort und schloss mich in seine Arme. Ich zitterte am ganzen Körper. Er gab mir den nötigen Halt den ich jetzt brauchte. Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter und schloss meine Augen. Jason hatte eine beruhigende Wirkung auf mich, er machte einfach alles richtig. Er nahm meinen Kopf in seine Hände und guckte mir tief in meine eisblauen Augen. 'Psst Süße, hab keine Angst, ich bin bei dir', versuchte er mir meine Angst zu nehmen und gab mir einen zärtlichen Kuss auf die Stirn. Dann nahm Jason mich bei der Hand und ging langsam mit mir wieder in Richtung Eingang zurück. Direkt davor blieb ich erneut stehen, Jason drückte meine Hand fester. Ich atmete einmal tief durch, sah ihm noch kurz in die Augen und er wusste ich war bereit hineinzugehen. Langsam gingen wir durch die große Eingangshalle, mein Herz schlug immer schneller und meine Schritte wurden immer langsamer. Ich hatte Angst, so große Angst. Ich wollte wissen was passiert war, doch ich hatte so große Angst, dass meine schlimmsten Befürchtungen sich bewahrheiten könnten. Jason blieb stehen. Da waren wir nun: Direkt vor der Information. Ich begann wieder zu zittern, mein Herz pochte wie wild und alles um mich herum begann sich zu drehen. Ich hatte das Gefühl den Boden unter den Füßen zu verlieren, meine Knie wurden immer wabbeliger. Und plötzlich war alles schwarz.

'Hope, Hope, bitte wach auf, bitte Hope' hörte ich eine Stimme die aus weiter Ferne immer näher zu kommen schien. Alles war schwarz, wo war ich? Warum war alles dunkel und woher kam diese Stimme? Es wurde heller, ich nahm ein grelles Licht über mir wahr, konnte aber nichts Genaues erkennen. Woher kam denn nun plötzlich dieses Licht schon wieder? Was war das nur? Ich spürte eine Hand in meinem Gesicht und es wurde wieder etwas dunkler. Jetzt hörte ich die Stimme ganz deutlich, es war Jason, aber was zur Hölle war passiert? Warum konnte ich nichts sehen? 'Hope, bitte Hope' , die Stimme schien sich wieder zu entfernen, immer undeutlicher und leiser wurde sie. Bis ich gar nichts mehr hörte auch die Helligkeit verschwand und wieder war alles schwarz.

Ich bekam es mit der Angst zu tun, ich wusste weder was passiert war, noch wo ich war. Ich begann zu schreien 'Jason, hilf mir… Jason wo bist du? ... Jason...' ich war verängstigt und spürte wie mir die Tränen kamen. Dann rüttelte mich etwas 'Hope mach die Augen auf, Hope bitte, mein Engel, ich bin doch hier'
Jason, das war Jason, was sagte er? Mach die Augen auf? Erst jetzt merkte ich, dass ich meine Augen die ganze Zeit über geschlossen hatte, sofort riss ich sie auf. Jason kniete tränennah über mir. 'Hope', atmete er erleichtert auf, 'wie geht es dir, mein Engel?' Ich stand auf und versuchte mich zu orientieren. Wir waren ein wenig abseits der Info, Jason musste mich wieder getragen haben. 'Ganz okay.' Versuchte ich ihn zu beruhigen. Doch noch immer stand ihm die Angst ins Gesicht geschrieben. ' Willst du jetzt vielleicht erst etwas essen? Wenigstens eine Kleinigkeit?' versuchte er mich zu überzeugen, ich wusste das er Recht hatte, ich hätte schon auf der Fahrt sein Angebot annehmen sollen, doch ich hatte keinen Hunger. Und jetzt nach dem Kreislaufkollaps war mir erst recht nicht nach Essen zu mute. Ich suchte nach einer Ausrede: 'Hab keinen Hunger. Außerdem hat das ja damit gar nichts zu tun, das kommt von der ganzen Aufregung.'
'Wenn du meinst.' Er wirkte ein wenig beleidigt bei diesem Satz, ja er hatte Recht und ich wollte das nicht zu geben, und ich wollte jetzt keinen Streit. Das Einzige was ich jetzt wollte war definitiv etwas anderes, wir waren bestimmt nicht aus Lust und Tollerei einfach mal ein paar Stunden durch die Gegend gefahren. Diese Gedanken teilte ich Jason auch genauso mit. Ich an seiner Stelle wäre ausgeflippt, um Diskussionen war ich nicht unbedingt verlegen. Er dagegen, blieb ganz ruhig und stimmte mir zu. Hitzige Diskussionen waren einfach nicht seine Art. Aber als ruhig könnte man ihn auch nicht unbedingt bezeichnen, eigentlich sogar eher das Gegenteil, er hatte seine ganz eigene Art: Er war auf einer Ebene die nicht jedem verständlich war witzig. Einige sahen ihn als kleinen Trampel, was die Gefühle anderer betraf, er wäre uneinfühlsam. Aber das war überhaupt nicht so, man musste ihm nur einmal die Chance dazu geben, sein Einfühlungsvermögen zu zeigen. Dann war er zärtlich und liebevoll. Dann schaffte er es mit seiner ganz besonderen Art einem selbst noch unter Tränen ein Lächeln zu entlocken. Und zwar ein ehrliches Lächeln, kein erzwungenes oder aufgesetztes. In solchen Momenten bewirkte er ganz einfach, dass einem warm ums Herz wurde. Jason schenkte mir dann so unglaubliche Kraft und hielt mich mit seinen Armen, er tat genau das Richtige ohne nachzufragen. Er wusste einfach was los war. Wir brauchten nicht einmal miteinander zu sprechen. Ich fühlte mich so geborgen bei ihm. Wir waren einfach die besten Freunde. Hatten schon viele gute, aber auch schlechte Zeiten hinter uns. Und jetzt war ich grad inmitten einer schlechten Zeit und er war bei mir, Jason war einfach immer für mich da.
Ich nahm Jason in den Arm und fragte ihn leise: 'Bitte lass mich nicht allein, ja?'Er lächelte wieder: 'Ich werde dich niemals alleine lassen.' Jason löste sich aus meiner Umarmung nahm mich bei der Hand und wir gingen wieder direkt zum Informationsschalter der Uniklinik. Diese war nicht besetzt, deshalb drückte Jason den Klingelknopf. Meine Gedanken kehrten wieder zurück, ich hatte solche Angst, wieder begann ich zu zittern. Jason legte seinen Arm um meine Taille. Er hatte wohl Angst, dass ich gleich wieder umkippen würde. Mein Herz pochte wie wild, und dann kam eine Frau mittleren Alters an die Information und fragte: ' Haben Sie geklingelt?'
Ich nickte kaum merkbar während Jason ganz entschlossen, 'Ja' ,sagte. 'Gut. Wie kann ich ihnen denn helfen?', erkundigte sich die blonde Frau freundlich.







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