Sonnenfinsternis.

Autor: Zeilenschreiber.
veröffentlicht am: 23.10.2009




Kurz darauf erreichten wir den alten heruntergekommenen Innenhof meiner Großeltern.
An jedes Detail konnte ich mich noch genau erinnern. Es sah genau wie vor einem Jahr aus, bis auf, dass alles noch zerfallener und überwucherter war.
Der Wagen hielt vor dem Haus meiner Großeltern, damit wir den Koffer nicht so weit schleppen mussten.
Ich öffnete die Autotür und sofort strömte die heiße Luft hinein. Als ich aus dem Auto ausgestiegen war, fühlte sich die Hitze noch unerträglicher an.
Über den Gepflasterten Boden, stieg ich die Treppe zur Veranda hinauf. Hinter mir Dad mit meinem Koffer und Mum mit meiner Tasche. Noch einmal blickte ich über den zerfallenden Innenhof, den ich wunderschön fand, obwohl er so heruntergekommen war.
Schnaubend und keuchend ließ sich Dad nun neben mir auf die Schiffschaukel fallen. Meinen Koffer hatte ich randvoll mit Sachen voll gestopft, das musste ich zugeben. Doch so schwer war er nun wirklich nicht, immerhin war er stark. Das dachte ich zumindest.
Mein Blick klebte an der Fassade des Hauses, dass mit Holzlatten verkleidet und hellblau angestrichen war. Wobei die Farbe an dem Holz schon abblätterte. Das war schon, solange ich zurückblicken konnte.
An der Seite des Landhauses streckten sich lange Efeuranken empor.
Als meine Mutter schließlich mit meiner Tasche auch die Veranda erreichte, ertönte aus dem inneren des Hauses ein fröhliches Bellen. Das Bellen kannte ich nur zu gut.
Es begrüßte mich jedes Jahr aufs neue.
Darauf erklang eine beruhigende, aber eine zugleich aufgeregte Stimme.
'Ganz ruhig, Tyson!'
Doch das Bellen nahm kein Ende.
Die weiße Haustür wurde geöffnet und ein schwarz - weißes Fellknäuel stürmte heraus. Es knallte so hart gegen mich, dass ich zu Boden fiel. Dann spürte ich nur noch die nasse Zunge, die über mein Gesicht schlabberte und das lange Fell, dass mich überall kitzelte. Kichernd versuchte ich ihn von mir zu drücken, jedoch ohne Erfolg. Er klebte an mir wie Tesafilm. Selbst, als ich den Kopf weg drehte, konnte ich mich nicht vor seiner Zunge lösen. Jedes Jahr das selbe.
'Tyson!', lachte ich.
'Tyson, es reicht!', rief die selbe Stimme vor mir und riss ihn von mir weg.
Mein klitschnasses Gesicht wischte ich mir mit meinem Ärmel ab und richtete mich wieder auf.
Vor mir stand meine Großmutter. Wütend schimpfte sie irgendetwas vor sich hin und schickte Tyson wieder in die Wohnung.
Als sie mich sah formten sich ihre schmalen, faltigen Lippen zu einem Lächeln. Ihr Gesicht zierten tiefe Falten und jedes Jahr kamen neue hinzu. Die kurzen, grauen Haare standen in alle Richtungen ab. Genau wie ich, hatte sie glatte Haare. Selbst meine Mutter hatte glatte Haare. Vermutlich lag das in der Familie.
Kurz darauf ging sie auf mich zu und nahm mich in die Arme.
Obwohl ich sie wirklich mochte, erwiderte ich ihre Umarmung nicht. Schließlich war ich kein Kleinkind mehr. Für mich gab es nichts schlimmeres, als behandelt zu werden, wie ein Kind, denn ich war bereits 16 und keine 6 mehr.
Nach einer Weile löste sie sich von mir und musterte mich.
'Oh Felicitas! Du bist so groß geworden!', stellte sie fest.
Meine Zähne presste ich mit aller Kraft auf einander.
Noch schlimmer für mich war es, wenn man mich Felicitas nannte. Ich hasste meinen Namen, deshalb wollte ich nur 'Fee' genannt werden. Meine Freunde nannten mich so und meine Eltern hatten es inzwischen auch verstanden. Nur Grandma war die einzige, die mich immer noch so nannte.
Mit einem aufgesetztem, viel zu übertriebenem Lächeln nickte ich und sie wendete sich meinen Eltern zu, um sie zu begrüßen.

Nachdem sie sich lange über die Anreise unterhalten hatten, gingen wir gemeinsam in das riesige Haus und Grandma in schnellen, großen Schritten voraus. Obwohl sie schon sehr alt war, war sie trotzdem topfit. Die tägliche Arbeit hielt sie wohl in Form.
Der große Eingangsbereich brachte mich immer wieder aufs neue ins Staunen.
Die Decke war ca. 3, wenn nicht sogar mehr, Meter hoch und die Sonnenstrahlen, die durch die großen Fenster schienen, brachten die helle Wandfarbe zum leuchten.
'Stellt die Sachen doch einfach hier in den Flur.', sagte sie.
Sofort lies Dad den schweren Koffer fallen und folge ihr durch die Tür.
Mum schüttelte nur den Kopf und stellte ihn ordentlich auf Seite, bevor sie meine Tasche dazu legte.
Mein Blick blieb jedoch an der großen Fotowand hängen. Die meisten Bilder waren schwarz - weiß, da meine Großeltern sie geknipst hatten, bevor man farbige Fotos machen konnte. Darauf war der Hof in seinen besten Jahren abgebildet. Wenn ich heute den Hof betrachtete, bemerkte ich noch mehr, wie zerfallen er war.
Die weiten Felder, Wiesen und Wälder, sowie die vielen Tiere waren auch auf den Bildern zu sehen. Auf vielen Bildern, war ich und noch andere Verwandte zu sehen, die ich schon gar nicht mehr kannte.
Alle Bilder kehrten wieder in meinen Kopf zurück. Ich erinnerte mich an die schönen Zeiten von früher, wo wir unseren Nachbarn Streiche gespielt hatten und immer irgendeinen Blödsinn ausgeheckt hatten. Doch die Zeiten waren vorbei, oder etwa nicht?
Lange stand ich noch so da und starrte die Wand an, bis mich Grandma aus meinem Tagtraum riss.
'Felicitas, wo steckst du denn?', rief sie.
'Fee.', knurrte ich, aber dennoch ziemlich leise. 'Ich komme gleich!'
Mit einem Seufzen wendete ich den Blick ab und betrat das Wohnzimmer.







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