Spiel für mich

Autor: !Pupuce!
veröffentlicht am: 18.10.2009




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Eines Abends, ich war etwa dreizehn Jahre alt, passierte etwas von dem ich ahnte dass es schlimm sein musste. Mama schluchzte herzzerreißend. Nichts war geblieben von der üblichen Traurigkeit meiner lieben Mutter, das was an diesem Abend geschah war etwas vollkommen Neues für mich, Mama war verzweifelt, sie konnte kaum noch grade stehen so sehr schwankte sie. Sie war mit Cora an einem Konzert gewesen. Mama hatte kein Wort sagen können, sie war auf den Boden gesunken und hatte den Kopf gegen ihre Knie gestützt. Cora beteuerte ständig wie Leid ihr das tat, und dass sie nicht gewusst hatte dass sie da sein würden, wer 'sie' waren, wusste ich nicht. Mama weinte ja wie gesagt ziemlich oft aber sie weinte eigentlich leise wie jemand der etwa einen traurigen Film gesehen hatte und für gewöhnlich versuchte sie zumindest es zu verbergen, hier schien sie eher selbst die Protagonistin eines Dramas zu sein und von Verbergen konnte keine Rede sein.Ich hatte noch nicht geschlafen, weil ich immer noch ein bisschen wach blieb wenn Kathy weg war und Mama kam normalerweise nicht so früh zurück, sie war wohl nicht einmal drei Stunden weggewesen. Ich steckte meinen Kopf aus der Tür. 'Mama was ist denn los?' frage ich sie. Da sah sie mich an, und ich werde diesen Blick mein Leben lang in Erinnerung behalten, wie sie mich noch nie angesehen hat. Ängstlich. Sie schluchzte nur noch ganz leise und richtete diesen Blick mit hängendem Kopf an mich. Cora wusste nicht was sie sagen sollte. 'Bist du noch nicht im Bett Schätzchen?' Mamas Stimme wurde wieder ganz weich. 'Geh mal in dein Zimmer, Bastian. Ich komme gleich nach, kennst du noch unsere Großengespräche von früher?' Ich nickte nur. 'Heute ist wieder eins fällig, stimmt's?' Wieder nickte ich nur, dann verschwand ich wieder in mein Zimmer. Ich legte mich ins Bett, kuschelte mich unter die Decke und ahnte dass das jetzt schwer werden würde. Ich höre sie noch energisch mit Cora flüstern und die Türe schließen. Danach wartete ich noch eine ganze Weile bis Mama endlich rein kam. Sie hatte sich umgezogen, das tolle Partykleid gegen einen Morgenmantel ausgetauscht und die Zähne geputzt, ich roch ihren Pfefferminzatem bis in mein Bett. Erst lief sie etwas unschlüssig zu meinem Bürostuhl, dann drehte sie aber ab und setzte sich zu mir ans Bett. Ich grinste sie an. 'Bin ich nicht zu alt für Gute-Nacht-Geschichten?' Sie lächelte leicht. 'Nicht für diese hier junger Mann.'

Sie schwieg lange, kreuzte die Finger, entkreuzte sie wieder, setzte zu sprechen an, schloss den Mund aber sofort wieder. Sie sah aus wie ich wenn ich etwas Schlimmes zu beichten hatte. Auf einmal sprang sie auf und verschwand aus meinem Zimmer. Als sie wieder da war hielt sie ihre CD, die sie von mir bekommen hatte in den Händen. Sie nahm das Papierbüchlein heraus das auf der Innenseite befestigt war, eine Art schwarz-weißes Uhrwerk befand sich auf der Frontseite, doch als sie umblätterte wurde jede Seite einem der Musiker der Band gewidmet. Eigentlich kannte ich sie ja bereits aber ich sah sie mir gerne noch mal mit ihr an, ohne zu wissen wohin das führen sollte. Sie alle sahen gut aus, schwarz und stilvoll angezogen.
Mama stellte sie mir einen nach dem anderen vor. Der Erste war Frontsänger und Gitarrist, er hieß Andy. Er war blond, schlank, groß und ich liebte seine rauchige Stimme. In seiner Biographie stand er hätte in derselben Universität studiert wie Mama. Sie nickte, er hatte dieselben Musikkurse belegt wie sie, sie kannte ihn allerdings kaum da er damals mehr mit seiner Freundin beschäftigt war als mit den Leuten um ihn herum.
Der Nächste war zweiter Gitarrist und zweite Stimme, er hieß Lorenzo und sah auch sehr lateinamerikanisch aus, mit seinen dunklen Haaren und seinem schwarzen gruseligen Blick. 'Alles nur Show', erklärte Mama, er sei ein sehr lieber Kerl gewesen der viel lachte und Spaß am Leben hatte, er habe die Band gegründet und komponierte damals alle Songs, ob es später auch so blieb wusste sie nicht. Langsam blätterten wir weiter, obwohl ich schon ganz gespannt war was kommen würde. Ich wurde immer ungeduldiger, aber Mama mochte sie wohl alle sehr, sie hatte diese Seiten bestimmt hundert Mal angestarrt, noch nie darüber gesprochen. Sie brauchte das wahrscheinlich.
Der dritte war Bassist und hieß Carl, doch Mama schüttelte den Kopf, eigentlich hieß er Albert, Carl war nur sein Zweitname, aber das durfte natürlich niemand wissen, 'Wer heißt schon gerne Albert in dem Alter?' Auch er hatte dunkles Haar und dunkle Augen doch er trug einen Fünf-Tage-Bart, entgegen der vorigen zwei. Er sah sehr stark aus, ich beneidete ihn um seinen Körper.
Danach kam der Pianist, Markus, der Lustigste von allen, Mama lächelte allein bei seinem Anblick, er war auch der einzige der auf den Fotos bis jetzt in die Kamera grinste. Er hatte kurze Haare, und war etwas kleiner als die Anderen, doch man sah dass er ein sehr netter Kerl war. Er war der Typ Mann, der jede schlechte Laune heben konnte, das sah ich in diesem Moment Mama an.
Ich glaube heute, ich wusste in dem Moment bereits wer danach kommen würde, entweder weil ich es wohl innerlich immer gespürt hatte wer er war oder aber weil Mama tief einatmete bevor sie ganz langsam umblätterte. Sofort veränderte sich das durch den Pianisten ausgelöste fröhliche Gesicht, in ein durch meinen Vater entstandenes träumerisches Lächeln.'Das ist James.' Sagte sie nur, danach schwieg sie lange. Damit schien alles gesagt. Ich sah mir das Foto genauer an, ein Mann an einem Schlagzeug war darauf abgebildet. Ob ich deshalb kein Schlagzeug haben durfte? Ich bemerkte zum ersten Mal dass er auch blond war, da das Bild schwarz-weiß war konnte ich nicht sagen ob es 'mein' blond war. Er spielte gerade auf dem Schlagzeug, anscheinend war das Bild während den Aufnahmen entstanden, denn im Hintergrund erkannte man ein Studio. Seine Haare waren etwas länger und er warf sie sich aus dem Gesicht, in diesem Moment hatte er wohl in die Kamera gesehen, denn sein Blick war genau auf mich gerichtet. Er sah noch stärker aus als der Bassist, wohl wegen seinem Instrument. Wir hatten offensichtlich nicht sie Selbe Augenfarbe, doch ich erkannte ihn sofort. Mama hatte mal ein Bild von mir gemacht als ich lernte, ich hatte genauso aufgeschaut. In etwas ganz anderes vertieft aber dennoch anwesend. Ich mochte sein Bild.'Mein Vater?' ich strich über das Blatt, genau an der Stelle an der man seine Hände mit den Schlägern sah. Mama nickte. 'Ich habe ihn vorhin gesehen.' Ich sah überrascht auf 'Hat er dich so fertig gemacht?' Erst schien sie überrascht, dann nachdenklich. 'Bastian, Liebling, dein Vater hat mir nie etwas getan, okay? Das musst du unbedingt wissen! Er hat mich nie verletzt, mir niemals weh getan, er war der erste Mensch der so gut zu mir gewesen ist. Er hat mir niemals etwas getan!' 'Aber, warum warst du dann so traurig vorhin? Warum bist du immer so traurig? Wegen ihm stimmt's? Und warum ist er nicht bei uns wenn er doch so ein guter Mensch ist?' Ich hatte mich wütend aufgesetzt, ich verstand es einfach nicht. So viele Dinge ergaben einfach keinen Sinn damals, und wer glaubt dass Kinder das nicht merken irrt sich gewaltig. Meinem eigenen Sohn erzähle ich daher den Grossteil meines Lebens, ich verstehe die kindliche Frustration zu jung zu sein um manche Sachen zu wissen. In dem Moment war ich unglaublich wütend auf diesen Mann auf dem Foto, auch wenn ich ihn vom ersten Augenblick an gemocht habe. 'Ist es weil er berühmt ist, hatte er keine Zeit mehr für dich? Und für mich? Musste er zu oft weg? Oder was war es Mama? Warum ist James nicht mehr da?!' Mama weinte wieder, sie versteckte ihr Gesicht in den Händen wie ein Kind, und ich kam mir vor wie ein Riese der einen Zwerg anschrie. Ich glaube er fehlte ihr in diesem Augenblick unglaublich, bei diesem Gespräch hätte sie ihn vielleicht gern dabei gehabt. Ich strich ihr über den Kopf und kuschelte mich an sie, ich hatte auch angefangen zu weinen. 'Entschuldige Mama, es tut mir leid, ich sollte dich nicht anschreien, es ist ja nicht deine Schuld.' Mama schüttelte weinend den Kopf. 'Doch bin ich, ich wollte es doch so wie es ist.'







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