Aus den Augen, aber nicht aus dem Sinn!! - Teil 17

Autor: Miya Habaruno
veröffentlicht am: 31.05.2010


Kalifornien (in dem Haus der Anytox):

Minako weinte. Das einzige, was sie tun konnte, war weinen. Weinen und hoffen. Ihre Hoffnung darauf, dass den anderen nichts geschehen sollte war so groß, man könnte es ähnlich wie Sehnsucht betrachten.
In ihrer flehenden Gebärde kniete sie vor Mai nieder, wimmernd, weinend, hoffend darauf, dass ein Funken Anstand und Menschlichkeit übrig geblieben war.
„Mai…“, ihre Stimme zitterte, „Mai, hör...“ – „Schweig! Schweig!!!“
Mais Stimme hatte sich überschlagen. Das einzige, was sie wollte, suchte und begehrte, war Macht. Wie konnte Minako nur denken, sie würde ihr vergeben? Wie konnte Minako nur daran denken, dass Mai sich ändern würde? Sie begnadigen würde?
Minako wischte sich mit der Hand über ihr Tränen verschmiertes Gesicht. Ihre Hand war eisig kalt, die Augen glasig und starr vor Schreck, als die Braunhaarige einen großen Schritt auf sie zutat und...?
Lachte!
Minakos Stolz war gebrochen, die Flügel verschwunden, die Kraft geschwunden und sie höllisch gekränkt und verletzt.
„Weißt du?“, fing Mai grinsend an, „damals habe ich dich gehasst, abgrundtief. An deinem Geburtstag, als du zwei Jahre alt geworden bist, bekamst du diese wunderschöne Puppe. Ich wollte sie auch haben! Mutter verbat es mir! Aber ich wollte sie...“, krankhaft besessen, schleuderte Mai eine Ranke auf eine Wand und haarscharf schnellte sie an Minakos Ohr vorbei.
Mai lachte. „Ich bekam sie! Einige Jahre später, als unsere Eltern gestorben und Tante Beshka kam, da bekam ich meine lang ersehnte Puppe: DICH!!“
Die letzten Worte klangen in Minakos Ohren nach. Sie war geschockt, unfähig, etwas darauf zu erwidern. Nur weinen konnte sie, nur weinen!
Was hatte das zu bedeuten? Was meinte Mai damit? Warum sie? Eine Puppe? „Aber...“ – „Oh ja, und dann kam dieser eine Tag, dieser bedeutende, der Tag, der sich in mein Gedächtnis einbrannte, mich prägte, bis heute.“
Mai tat, als hätte Minako zuvor nichts erwidert, als hätte Minako nichts von sich gegeben.
So weinte die braunhaarige Schönheit kümmerlich vor sich hin, ging in die Knie und betete, es sollte aufhören, wünschte sich ein Ende dieses grausamen Traumes – sie wollte erwachen...

Kalifornien (in der Nähe des Hauses der Anytox):

Nun sagten die drei Gestalten nichts mehr. Jeder der drei hing seinen eigenen Gedanken nach, ganz individuell, auf seine Art und Weise, doch wahrscheinlich geisterte allen dreien ein und dieselbe Frage im Kopf herum: Wo war Mai? Was hatte sie als Nächstes vor? Hatte sie Minako schon erreicht...?
Necha spürte, wie angespannt seine Begleiterinnen waren, so versuchte er sie abzulenken. Doch da steckte mehr dahinter... In Wahrheit nämlich, versuchte er, sich abzulenken, von den Schmerzen, die er gelegentlich spürte. Er wusste, dass Miley sehr, sehr angeschwächt war, deshalb erzählte er ihr nichts davon und Lily? Sie war zu labil, als das sie ihm hätte helfen können. Ihre Psyche würde es nicht ausstehen, denn... Sie hatte schon mehr als genug mitbekommen...

Kalifornien (im Haus der Anytox):

Minako fiel tiefer und immer tiefer. Die Welt um sie herum wurde immer verschwommener. Ihre Kraft schwand. Sie hatte keinen Halt, keinen Beistand. Die Menschen, die ihr viel bedeuteten, hatte sie zu Tode gebracht oder von sich weggedrängt. Die Menschen in jenem Raum, die ihr so lieblich und vertraut waren, hatte sie enttäuscht. Starr standen sie da, rührten sich nicht und Minako erkannte nicht, dass es nicht ihr, sondern Mais Verdienst war, da Mai die Zeit gefror und somit die lebendigen Wesen zu leblosen Skulpturen machte, die in ihrer Bewegung eingefroren waren.
„Minako!“ Zuerst hörte die Aquella nicht, aber dann drang ein pochender Schmerz in ihren Kopf, bohrte sich in das Gehirn und sie kam zur Besinnung.
Mit Tränen verschwommenem Gesicht nahm Minako wahr, dass Mai sie schlug. Immer und immer wieder dreschte die Pflanzenvertraute auf sie ein und nahm keine Rücksicht. Minakos Haut brannte, überall... Sie brannte so sehr, dass Minako es kaum mehr wahrnahm. Still ertrug sie es, wehrte sich nicht dagegen. – Was sollte sie auch dagegen tun? Sie, das schwächliche Mädchen, das so leicht zu blenden war, von einer neuen Mitschülerin und nicht auf ihre Freunde hörte. Auf jene Freunde, die Jahre lang, immer zu ihr standen. Hatte Kiki sich je beschwert, dass Minako manchmal so abwesend und nachdenklich wirkte? Hat Necha ihr verübelt, so mit ihm umgesprungen zu sein, als sie sich das erste Mal trafen...?
„Du warst immer schon ein Schandfleck, Kleines.“, bestärkte Mai auch noch ihre bitteren Gedanken, unterstrich sie noch mal, wie eine innere Stimme, die einem eintrichterte, man sei so, wie man annahm zu sein und so unbeholfen, wie Minako war, schenkte sie Mai ihr offenes Ohr, glaubte, welche Lügen ihr diese auftischte.
Mai war verzweifelt, klammerte sich an den letzten Strohalm, der ihr ewige Jugend und Schönheit schenken würde. „Ich habe dich immer gehasst. Die Kinder schienen zu wissen, dass von mir eine bedrohliche, böse Aura ausging, deshalb mieden sie mich. – Weißt du noch?“
Na klar!
Und wie Minako wusste, denn sie war die einzige, die zu ihrer ‚Schwester’ stand, die zu ihr hielt, die sie vor den anderen Kindern beschützte, wie eine tapfere Löwenschwester ihre andere Schwester beschützte.
„Wo du ein ‚Date’ mit Justin hattest… Weißt du noch?“ Ihre Stimme wurde lauter, die Ranken bohrten sich in Minakos Haut, hörten auf, sie zu peitschen.
Die Aquella sah nur noch schwarz… Was sollte sie tun?

~

>Flashback begins<
An einem kalten Wintertag, da, wo sich Wind und Schneeflöckchen verabredeten, zu einem feierlichen Wintertanz, da geschah etwas, was das Herz jener Wesen höher schlagen lässt, die sich vermehren, ihre Charakterzüge, die Augenfarbe und Haarpracht in ihren Nachkommen sehen. – Zwei kleine, schreiende Wesen kamen zur Welt. Zwei wunderschöne Bildnisse.
„Schau, Schatz…“ Eine in ein weißes Kleid gehüllte Frau saß anmutig auf einem großen Wattebausch, das einem Bett ähnelte: Es war groß und hatte die typisch quaderförmige Form von Betten. Es war weiß und mit samtig rotem Stoff bezogen. Die Kissen waren weiß und rund, eckig, groß, prall gefüllt und ganz klein. Die Frau saß an der Kante jenes ‚Bettes’, wiegte die beiden kleinen Neugeborenen in ihren Armen und summte ihnen etwas Schönes vor. Ihre Stimme war süßer als jeglicher Honig, die Klänge weicher als Watte. Wenn sie sang, traf sie mitten in den schwächsten Fleck eines Wesens, das fühlen konnte. – Mitten ins Herz.
„Sie sind grazil, kommen ganz nach dir.“ Ein Mann stand vor der Frau, beugte sich vor, um das dichte, braune Haar der Neugeborenen zu streicheln und sich dann neben die Frau zu setzen. – Seine Frau? „Akyn, ich liebe dich… Wie der Wind um die Hand des Wassers anhält, ungezähmt, wild und brausend ist er, doch manchmal ganz sanft und ruhig, so geht es mit mir von dannen: Ich gehöre nicht deiner Rasse an, doch, Liebste, ich will bei dir bleiben, für immer…“
Die Frau neigte ihren Kopf und betrachtete den Mann von der Seite. Seine grünen Smarakte glänzten, während sie mit ihrer hellen, glänzenden Hand über sein Gesicht fuhr und ihre Hand wieder sinken ließ. Sie lächelte ihm zu. „Das weiß ich doch, Lojnt. Ich weiß es doch… Sind diese beiden bezaubernden Wesen nicht Beweis genug dafür?“ Ein zierliches Lächeln schmückte das Gesicht der wunderschönen Frau, die nun ihre lange, schwarze Haarpracht entblößte und ihren Mann mit ihrem Blick in Versuchung brachte, seine Arme fest um sie zu schlingen… Gemeinsam ließen sie sich der Länge nach hinten fallen und purzelten weich auf dem Bett auf, doch plötzlich war da ein Schrei…
Grausames Jammern, Schluchzen…

Eines Tages, wo der Wind wütete, die Eindringlinge anscheinend fernhalten wollte, da geschah es: Eine schwarzhaarige Frau, mit unverkennbar blauen Augen, in die silberne Pigmente eingearbeitet waren, stand an einem Felsvorsprung und blickte herab: Sie stand da, in der flehenden Gebärde einer leidenden Mutter, um Vergebung bittend, welchen Fehler sie sich hat zu Schulden kommen lassen… Immer wieder schriet, fragte sie „Warum? Warum ich? Warum?“, doch sie erhielt keine Antwort darauf. Die Mächte schwiegen. Ob sie sich gegen sie verschworen hatten? Ob sie wollten, dass sie litt, für das, was sie getan hatte? Aber: Warum? Sie hatte doch nur geliebt! War das so falsch? Wenn man liebte, war doch egal, woher man selbst stammte, woher der Geliebte stammte… Solange man doch liebte?
Die Frau kniete nieder, krallte ihre tauben, kalten Fingerkuppen tief, tief in den Felsen. Unter normalen Umständen hätte die Hand sofort zu bluten angefangen, doch dies hier war nicht normal. Es war das leben eines mysteriösen Wesens – einer Wasser-Wächterin – das langsam, aber sicher außer sich geriet und so normal sie versuchte zu sein, nichts würde je wieder so werden, wie es war…
>Flashback ends<

~

Minako wachte in einem kalten, dunklen Ort auf. Ihre Glieder waren schwer, die Stimme gebrochen. Sie fühlte sich, als wäre ein tonnenschwerer Lastwagen über sie hinweggerollt. Als sie versuchte, sich zu bewegen, gelang es ihr nicht. Ihr ging es mies. Sie fühlte sich so elendig, so schuldig… „Alle… verloren… Verloren, alle… Alle verloren…“ Dieses Gemurmel ging von ihrem Mund aus, doch es schien in der Dunkelheit zu versinken.
Plötzlich spürte die 17-jährige, wie ihr etwas Kaltes aufs Gesicht gedrückt wurde. Zuerst wollte sie schreien, doch dann merkte sie, dass es eine angenehme Kälte war. Eine Kälte, die anders war, als jene, die sie Necha und Kiki entgegen gebracht hatte. Eine Kälte, die Gutes vermochte. Sie fühlte sich mies, wusste aber aus irgendeinem Grund, sie musste auf das kalte ‚Etwas’ auf ihrem Gesicht reagieren, deshalb kniff sie die Augen auf und zu. Als sie jedoch merkte, dass dies nichts half, versuchte sie, einen Arm von sich zu strecken. Reden konnte sie nicht. Obwohl das kalte ‚Etwas’ nur ihre Augen bedeckte – wie einen Verband – konnte sie jedoch nicht reden. Wieso genau, wusste sie nicht, doch sie merkte, dass ihr Kommunikationsversuch mit dem Arm anschlug, denn das kalte ‚Etwas’ löste sich von ihrem Gesicht. Noch ehe sich ihre Augen an die Schwärze gewöhnt hatten, hörte sie eine raue Stimme an ihrem Ohr flüstern: „Hüte dich…“ Es war mehr ein Krächzen, trotzdem schauderte es Minako. Sie rieb sich die Augen und wollte sehen, wer mit ihr sprach, als sie wieder das Bewusstsein verlor und in die tiefe Verdammnis ihrer schlechten Gedanken abrutschte...
Minako erwachte wenig später an einem warmen Ort. Etwas surrte, nahe ihrem Ohr, doch Grillen waren es nicht. Sie traute sich nicht, die Augen zu öffnen, nicht mal einen Spalt breit, doch sie wusste, sie musste es tun, um sich ihrer Gesellen von Angesicht zu Angesicht zu stellen. Zuerst biss sie sich unsicher auf die Lippen, doch dann tat sie es. – Minako öffnete die Augen und erblickte das wahrscheinlich grellste Licht, das sie je geblendet hatte. – Wohl heller als jegliche Disko-Requisite oder Hollywood-Beleuchtung. „Was...?“ – „Sei unbesorgt, meine Kleine…“
Erst jetzt realisierte Minako, dass dieses helle Licht von jemandem ausging und nicht etwa von einer Sonne produziert wurde.
Irrsinn? Minako rieb sich die Augen, doch das helle Licht wurde nicht minder hell. Langsam bekam sie es mit der Angst zu tun.
Eine helle Frauenstimme lachte und ergriff ihre Hand. Zuerst zuckte sie zusammen, wollte die Hand zurückziehen, doch dann fühlte Minako, wie weich die Hand war. Impulse gingen von Minakos Körper aus. Impulse, die ihre Sehnsucht nach Mutter und Vater deutlich widerspiegelten und so ließ sie die fremde Gestalt ihre Hand halten und fest drücken.
Erst geschah nichts. – Minako ließ noch mal die Dinge bis zu jener Stelle revü geschehen, an der sie sich nun befand: Sie fand es seltsam, eine schwarzhaarige Frau schluchzend auf einen Fels gekniet zu sehen. Wie sie um Vergebung bat, riss Minako fast das Herz heraus, doch Minako glaubte, es wäre ein Traum.
Auf einmal wurde ihr klar, dass es ein Zeichen war, eine Einleitung zu dem, was ihr bevorstand beziehungsweise nun gegenüberstand und sie liebevoll anlächelte. Minako bekam das Lächeln nur halb mit, da sie das grelle Licht immer noch so blendete, dass sie es keinen Moment lang ausstand, die Person anzusehen.
„Lange, lange Zeit ist verstrichen und, meine Kleine, du hast dich nicht verändert…“ – Verändert? Wieso? Was hatte die Frau mit ihr zu schaffen? Wer war sie? Als hätte die Frau ihre Gedanken lesen können, sprach sie: „Du musst sicherlich verwirrt sein, dich hier zu befinden und mit mir, einem – nicht ganz – gewöhnlichen Wesen, konfrontiert zu werden, stimmt’s?“
Die Aquella konnte nur nicken. Zu etwas Anderem war sie nicht im Stande.
„Das habe ich mir gedacht und deshalb… Hör mir bitte zu, Minako…“ – „Woher?“
Hell lachte die Frau auf, ihre Stimme hörte sich wie leise Glöckchen an, hell und angenehm zart. „Ich kenne dich, von Kindesbeinen an…“
Da wurde Minako plötzlich klar, wieso sie sich so nach dieser Berührung sehnte, wieso sie diese Hand unbedingt festhalten und dieses Wesen nun einfach nur an sich drücken, sie halten wollte. Von der Realisation dieser Erkenntnisse, sackte Minako fast in sich zusammen. – Oh ja, sie war sehr geschwächt, nicht nur körperlich, sondern auch seelisch: Jede noch so kleine Sache, die sie begeisterte oder todtraurig machte, könnte das ‚AUS’ für sie bedeuten, so angreifbar, wie sie war.
Die Frau schien ihren Kummer zu verstehen und umschlang sie mit ihren Armen. Mit jenen Armen, die für Minako die Welt bedeuteten. Die Welt, die sie sich immer schon gewünscht hatte… Die kleine Welt mit… Mutter, Vater und…
Sie weinte und die Tränen tropften auf den Boden. Minako erschrak, hob den Kopf von der Schulter, an der sie ihren Kopf vergraben hatte und mit Schrecken stellte sie nun fest: „Du bist… ein Engel, Mutter?!“ Es war vielmehr eine Feststellung, als eine Frage, trotzdem antwortete das wunderschöne Wesen ihr: „Oh ja, ich wurde zu einem Engel, deinem Schutzengel. Jede Eltern wünschen sich ein Leben lang mit ihren Kindern verbunden zu sein und… Ich hatte das große Glück, stets an deiner Seite zu wachen, auch, als mein irdisches Leben… von dannen war… Verstehst du… das, meine Kleine?“
„Mehr denn je.“ Doch Minako konnte gar nichts weiter aus sich hervorbringen, hatte sie doch gesehen, wie der schöne Engel, der sich als ‚ihre Mutter’ entpuppt hatte, zu weinen begonnen hatte und es ließ Minakos Herz bluten. Ihre Tränen versiegten auf dem Boden, während die ihrer Mutter auf ihre Schulter tropften und gar nicht real schienen. Trotzdem schienen sie ihr Herz um einiges schwerer zu machen. Minako bat: „Nicht doch… Ma… Mama!“
Die Mutter beruhigte sich, einige Zeit später, ihre Tochter immer noch in den Armen haltend und sich keiner Sorge bewusst, zog sie in eine zärtliche und enge Umarmung und wollte Minako nicht wieder freigeben. Der Verlust ihrer anderen Tochter war so schmerzhaft, so bitter und sie hatte es erst realisiert, als sie feststellte, dass sich Greena ihrer Schwester Minako im Alter von drei Jahren deutlich unterschied: Greena war boshafter und sehr viel gemeiner, wo Minako hingegen liebevoll, warm und gütig war, zu jedem, war er noch so klein.

In das Portal, in das Minako geraten war, kam sie in letzter Sekunde. Ihre sagenumwobenen Kräfte wurden freigesetzt und so entkam sie ihrer Peinigerin Mai im letzten Moment, doch ihr Körper ruht immer noch, einsam, verlassen, leer, auf der Erde, in jenem Haus...
In das Haus von Anytox und den drei Geschwistern, die so friedlich beieinander aufwuchsen.

~

Kalifornien (vor dem Haus der Anytox):

Necha machte sich Sorgen, als er durch die Luft schnupperte. Es ähnelte nicht annähernd einem Wachhund oder Schnüffelhund, viel eher jemandem, der verzweifelt versuchte, seine Freunde und Liebsten durch Witterung ihrer Düfte ausfindig zu machen. Er verzweifelte und stand einem Nervenzusammenbruch sehr nahe, doch Miley beruhigte. Wie die ruhige Sinfonie des stillen Wassers stand sie plötzlich vor ihm, die Züge ganz sanft und ruhig, sogar ein flüchtiges Lächeln auf den Lippen und eine Hand auf seine Schultern gelegt. Leise redete sie auf ihn ein. Der Wind trug ihre leise, sanfte Stimme behutsam an sein Ohr und mit jedem Wort, das er aus ihrem Mund vernahm, wurde er viel ruhiger. Necha mobilisierte seine Kräfte, um die Tür zu öffnen, als ihm plötzlich das Kinn runterklappte. „Wo ist Lily?“

~

„Wohin gehen wir?“ – „Ich will dir etwas zeigen, Kleines.“ – „Und was?“ – „Meine Welt!“
Minako fuhr es eiskalt den Rücken herab. Der letzte Halbsatz, so kalt, so scharf. Er duldete keine Widerrede und dennoch: Minako wollte es riskieren: „Aber was ist ‚deine Welt’?“ – „Eben meine…“ Die Mutter wurde ruhiger, hatte sie sich doch etwas im Ton vergriffen. Wieso war sie auf einmal so laut geworden? „Du wirst es sehen.“
Doch Minako war sich nicht mehr sicher, ob sie das wirklich sehen wollte. Zumindest nicht mit jenem Wesen, das ihr hier anscheinend vorgaukelte, ihre Mutter zu sein. Was ist geschehen? „Wer… Wer bist du?“
Höhnendes Lachen.
Dann schrie Minako auf. Die Hand, die sich nun fester um ihren Arm geschlungen hatte, wurde zu einer gierigen, wütenden Feuerflamme und je mehr sich Minako dem Stechen der Flamme widersetzte, desto schauriger und lauter wurde das Lachen… Das letzte, was sie wahrnahm, war ein kaltes Aufatmen und ein „Jetzt reiße ich dich mit mir in die ewige Verdammnis der Unterwelt…“ Dann wurde alles schwarz...

~

Kalifornien (im Haus der Anytox):

„Aaaah… Neeeeein! Nein!! Nechaaa…“ Miley weinte. Sie kniete nieder und hob die schlaffe Hand ihrer Freundin, die klang- und leblos zu Boden gegangen und die Augen geschlossen hatte. Ein Lächeln schmückte ihr Gesicht, das bleich aussah. Beinahe wie das Gesicht einer… „Sie ist tot! Verdammt, tot!!“
Die Worte erwischten den jungen Necha eiskalt und brachten ihn in die kalte Realität zurück. Er besah den Raum kurz, in dem sie standen. Miley wollte schon ihrer Wut Dampf machen und mit der bloßen Faust auf den Boden einschlagen, als Necha den Schlag gekonnt abfing, als wäre er eine Leichtigkeit. Beruhigend sprach er auf sie ein: „Nicht! Miley, mach keinen Blödsinn…“ – „Aber Li…“ – „Lily geht es gut, vertrau mir bitte, ihr geht es…“ – „Aber…“ – „Bitte… Vertrau mir. Wenn du etwas aus diesem Raum berührst, dann…“
Necha zuckte zusammen. Die verfluchten Schmerzen, die von Zeit zu Zeit kamen, wurden immer heftiger. Erst kamen sie so selten, dann immer häufiger. Es erinnerte ihn ein bisschen an den Verlauf der Wähne einer hoch schwangeren Frau, die kurz vor der Entbindung stand. Unter normalen Umständen hätte ihn dieser Vergleich zum Lachen gebracht, hier aber nicht. Schmerzvoll verkrümmte er sich, sackte in sich zusammen und wäre fast auf den Boden gefallen, als ihn zwei Arme auffingen.
Miley!
Sie wusste zwar nicht, wieso sie nichts aus diesem Raum berühren durfte, doch den Ernst der Lage hatte sie scheinbar prima aufgefasst. Eine letzte Träne bahnte sich den Weg auf den Boden und verpuffte. Miley staunte, stellte ihre Tränen ein und besah sich den Boden, der nun zu schmelzen und unterzugehen schien. Wie in tiefer Matsche kam sie sich vor und die Beine trugen sie schneller, als der Verstand denken konnte…
Ausgepowert kam sie am Ende des langen Korridors an, ließ einen wesendlichen Teil hinter sich. – Ihre Freundin. Wenn sie daran dachte, wie Lily dieser Substanz ausgeliefert war, die – als Boden getarnt – das Verderben bedeutete, könnte sie…
„Mina… Minako!“
Miley stellte ihre Gedanken ein, holte tief Luft und setzte Necha auf dem Boden ab. Erst jetzt war ihr ihre Last bewusst geworden und sie betrachtete ihn. Seine Augen waren unnatürlich dunkel geworden, fast rot, mit einem Stich blau. Seine Haut schien bleich und sein Gesichtsausdruck wirkte alles andere, als zufrieden… Miley verstand den Ernst der Lage und sie ärgerte sich über sein leichtsinniges Verhalten. Sie schallte ihn in Gedanken einen ‚Vollidioten’, doch dann nahm sie die Arbeit auf, ihn zu versorgen. Sie legte die Hände auf seinen Körper, ganz egal, wie viel Kraft es sie kosten würde. – Sie wollte ihn zurück ins Leben holen, denn noch einen Verlust, das würde sie nicht vertragen und wenn sie ehrlich war, hatte sie den ersten Verlust erst recht nicht vertragen können… Die Gedanken an jenen Raum flammten wieder in ihr auf und trieben ihr Tränen in die Augen, doch sie wollte sich davon nicht runterziehen lassen, konzentrierte sich auf ihre Macht, ihr Können und bündelte ihre Kräfte in den Händen.

~

Minako fiel, tiefer und immer tiefer, doch ein Ende schien nicht in Sicht zu sein. Sie wollte schreien, doch ihre Stimme versagte, wurde eiskalt weggeschmettert, wie man laute Musik durch schalldämmendes Material zu reduzieren versuchte. Minako strauchelte, ihre Arme ruderten wild in der Luft herum und sie befand sich in einem tosenden Windstoß. In diesem Meer aus Angst, Einsamkeit und Schmerzen, hatte sie selbst die winzige und kleine Hoffnung aufgegeben, di ihr wie eine kleine Fackel mit stockender Flamme den Weg durch den dunklen Tunnel zu erleuchten versuchte. Nun wurde die Fackel erlischt, durch den Wind, der stärker und immer stärker wurde. Minako rang mit dem Leben. Sie hing am seidenen Faden und wusste nicht, ob es ein Morgen geben würde, wusste nicht, ob sie je wieder ihre Freunde sehen und den geliebten Doktor noch mal um sich haben würde. Sie wusste nur, sie hatte falsch gehandelt, in jeglicher Sicht und dies trieb ihr die Tränen in die Augen. Während sie also dahin ging, leise, sang- und klanglos, wurde ihr klar, wie viel ihr an ihrer zurückgelassenen Umgebung fehlte. Der nervige Lehrer, ihre beste Freundin, ja – selbst Necha fehlte ihr… Doch sie konnte es nie wieder rückgängig machen… Sie befand sich hier, irgendwo, im Nirgendwo und hatte keine Chance durchzukommen. Wie durch ein Wunder, hörten die Tränen auf zu fließen. War es die vertraute Berührung einer längst vergessenen Hand, liebevoll, warm...?
„Mi… Na… Ko…“

~

Kalifornien (im Haus der Anytox):

Miley wollte fast schon die Hoffnung aufgeben, als ein Ruck durch den Körper ging, auf dem immer noch ihre Hände ruhten, an dem sie krampfhaft ihre Heilkünste vollzogen hatte. Nichts schlug bislang an, bis jetzt… „Necha? Gott, ein Glück! Hey, bist du okay?“ – „Ja… Aber…“
Benommen rieb der Junge seine Augen, als wäre er aus einem Schlaf erwacht. Langsam richtete er seinen Oberkörper aufrecht, dann stellte er mit Schrecken fest, dass etwas – besser gesagt ‚jemand’ – fehlte. „Wo ist… Mina… Minako?“ – „Sie… Was? Wieso… Necha, wieso fragst du…? Wir haben sie doch…“ – „Da war ein heller, undurchdringlich heller Lichtschein. Ich…“
Er holte erst einmal tief Luft, wollte er sich die Bilder aus seinem ‚Traum’ in Erinnerung rufen. „Ich spazierte durch helles Licht, immer der Stimme nach, die mir zurief, jemand sei in Gefahr, den ich liebte. Ich lief und erfasste sofort den Ernst der Lage auf. Es war der ‚klanglose Ocean’, den ich unter mir, vor mir, hinter mir, erblickte. Ich sprang ins kalte Wasser, ließ mich fallen – ich wusste, es würde jemandem helfen und weißt du…?“
Miley sah ihn erwartungsvoll an.
Necha hustete und zum ersten Mal bemerkte Miley, wie schlecht es ihm ging. Blut spuckte der Junge. Er wurde immer schwächer. Seine Kraft sank. Mit jedem Wort, das seine Lippen verließ, schwand auch ein wesendlicher Teil seiner Kräfte. „Ich habe gewusst, dass Minako mich brauchte. Ich wusste, ich musste ihr… ihr helfen, verstehst du?“
Nur mühevoll nickte Miley, kämpfte mit dem Schwall Tränen, der sich anbahnte, blinzelte sie jedoch erfolgreich weg, um ihm zuzuhören.
„Miley…“ Er ergriff ihre Hand. Seine Hand war taub, kalt, nahezu leblos. Fast, als wäre er nicht mehr da… „Mir bleibt… wenig Zeit. Ich erinnere mich an den qualvollen Kampf. Viel musste ich einstecken, von Mai, aber auch sehr viel ausgeteilt, habe ich. Leider zahlte ich dafür… einen… hohen Preis. Sie hat mich infiziert. Es war mir anfangs nicht klar, aber jetzt, wo ich nachdenke. Erinnerst du dich an den…“ Er hustete. „Erinnerst du dich an den Mann?“
Miley nickte.
„Seine Augen…“, brachte Necha mühevoll hervor. „Hast du… seine Augen gesehen?“
Miley wusste genau, worauf er abzielte. Als sie mit Schrecken seine betrachtete und in Gedanken mit denen des Mannes verglich, merkte sie, dass sie dieselbe Farbe angenommen hatten. – Rot! „Oh mein…“ – „Hör zu: Mai… Sie wird…“
Plötzlich krachte und bröckelte es. Miley zuckte heftig zusammen, kauerte sich auf den Boden, ihr Ohr hielt sie dicht an Nechas Mund, da dieser nur noch leise und schwach wisperte: „Nimm dich… in Acht, vor ihr. Sie… Sie verabreicht durch ihre Schlingpflanzen eine Art giftige… Sub… Substanz…“
Fast, als hätte sein Geist, seine Seele auf diesen einen Satz gewartet, schlossen sich seine Augenlider. Seine blauen Meere gingen für immer zu und das Meer selbst, schien den Verlust zu bedauern, trug die klagenden, hilflosen Schluchzer und Versuche von Miley, die ihn wieder beleben wollte, zum Himmel empor…
Warum nur, verlassen uns Menschen, die uns so viel bedeuten? Warum reicht ihnen der Tod den schützenden Mantel, der ihnen für immer Wärme spendiert und den friedlichen Schlaf der Ewigkeit? Hat er keine Rücksicht?
Diese Frage konnte Miley nicht mehr klären. Sie sackte noch etwas tiefer in sich zusammen, kauerte sich nieder und bedauerte Nechas Verlust, indem sie kümmerlich um ihn weinte…

Was würde nun geschehen?
Hatten Necha und Lily überhaupt noch eine Chance, das Tageslicht zu erblicken?
Was wird aus Minako?
Wird Miley weitermachen? Wenn ja, wie und wo?
Wo ist eigentlich Mai?

ENDE!!

Wieder mal ein Teil, der zu Ende geht und vorab wollte ich mich soooo wahnsinnig dolle für die lange und unausstehliche Wartezeit entschuldigen. Ich würde es vollkommen verstehen, wenn ihr mir böse wärt, ich bin’s mir auch und glaubt mir
Sulfur
Yuukiko
Und Co,
die ganze Zeit habe ich an euch gedacht. An eure Enttäuschung, eure Trauer, eure Wut auf mich und ich will euch hiermit wirklich sagen: ‚Es tut mir leid, dass es so lange gedauert hat.’
Ich wollte sogar einen Teil online stellen, der rein gar nichts mit der Geschichte zu tun hatte, einfach, um zu sagen: ‚Hallo. Ich bin’s. Bitte macht euch keine Sorgen, mir geht es gut, nur das mit dem Teil zog sich wegen Klausuren etc. pp. Hin. Bis bald und bitte, vergibt mir. LG: Miya Habaruno.’

Bitte, bitte, verzeiht mir... Es tut mir wirklich so leid. Ehrlich!
Ich weiß gar nicht, was mit der Seite los ist. Einmal gab es eine Zeit, wo man nichts aufrufen konnte, wo ich mir nur mit Schrecken dachte: ‚Oh nein, die armen! Jetzt denken sie, ich werde sie verlassen!’ Und dann gab es so eine Zeit, wo man keine Kommentare machen konnte...
Also: Auch wenn ihr keine Kommentare machen könnt, würde ich mich freuen, wenn ihr den Teil liest.

Ich überlege, meine MSN-Adresse hier reinzustellen, aber ich belasse es erstmal bei diesem ‚Schluss’ und werde versuchen, in Zukunft eine MSN-Adresse anzulegen, die für meine Geschichten auf dieser Seite gedacht ist.
Ihr könnt mich dann unter der Adresse adden und wir können dann so Kontakt halten, denn... Ihr bedeutet mir allesamt wirklich viel. Eure Kommentare waren so anspornend und ich will das nicht aufgeben, will nicht den Kontakt zu euch verlieren...

Also, bis dann...

LG: Miya Habaruno




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