Die Suche

Autor: _Manu_
veröffentlicht am: 18.10.2009




Ich weiß nicht mehr wie lange ich auf der Bank saß und weinte. Ich schämte mich dafür, ein Junge weinte schließlich nicht und anstatt hier zu sitzen hätte ich Luise suchen können. Aber ich fand die Kraft nicht dafür. Am liebsten wäre ich gestorben. Wie hatte ich nur so dumm sein können? Ich hatte die Verantwortung für sie übernommen und kläglich versagt! Ich konnte es immer noch nicht fassen. Nie hätte ich gedacht das so etwas passiert…trostlos stand ich auf und ging. Es hatte ja doch keinen Sinn hier zu bleiben. Davon würde sie garantiert nicht wieder kommen. Auf dem Nachhauseweg merkte ich erst gar nicht dass man mich beobachtete. Ich war so in Gedanken versunken das ich sogar fast gegen einen Baum gelaufen wäre. Erst als ich schon in meiner Straße angekommen war fielen sie mir auf. Es waren mehrere Jungen, alle in meinem Alter. Bis auf den Größten, ihn schätzte ich auf mindestens vier Jahre älter…und ich war schließlich schon 16! Ich hatte die Jungen hier noch nie gesehen. Vielleicht waren sie neu? Doch ich dachte nicht weiter darüber nach. Das einzigste was mich interessierte war meine kleine Schwester. Wo sie wohl war? Eine einzelne Träne lief mir die Wange herunter. Doch ich wischte sie schnell fort. Niemand sollte mich weinen sehen. Ich wollte meinen Schmerz für mich alleine haben. Am liebsten sollte er mich langsam von innen heraus zerfressen. Schließlich hatte ich es nicht anders verdient! Niemand von den Jungen sprach mich an. Das einzigste was sie taten war mich anzusehen. Ich fühlte mich unwohl aber da meine Schwester den einzigsten Platz in meinem Kopf füllte ging ich weiter und ließ die Jungen hinter mir. So schnell ich konnte ging ich zu unserem Haus und schloss die Tür auf. Erst drinnen wurde mir bewusst was mir jetzt bevorstand. Meine Mutter würde bestimmt total in Sorge um Luise sein und mich dann anbrüllen. Schweren Herzens ging ich zu unserer Tür und schloss auf. Meine Mutter saß in der Küche und las wie jeden Tag nach der Arbeit ein Buch. Langsam ging ich in die Küche. Meine Mutter sah sehr friedlich aus. Aber bald würde sie das nicht mehr sein. Fast schon weinend begrüßte ich sie.
'Hi Mum…'
'Hallo mein Schatz.' Sie sah auf und lächelte mich an. Aber kaum das sie mich sah erschrak sie und nahm mich in den Arm.
'Oh Nathan. Was ist den los?'
'Mum. Ich…ich weiß nicht wie ich es sagen soll.'
Ich brach erneut weinend zusammen. Aber sie blieb ruhig und streichelte meinen Rücken. Ich wusste dass sie nicht fragen würde was passiert war. Sie würde so lange warten bis ich mich beruhigt hatte und bereit war selbst zu reden. Das rechnete ich ihr hoch an. Als ich so weit war sah ich ihr direkt in die Augen.
'Mum. Bitte reg dich nicht auf. Ich weiß das es meine Schuld ist und ich werde alles wieder gut machen und du darfst dich nicht aufregen, bitte. Und ich weiß auch nicht wie das passieren konnte und…' Meine Mutter unterbrach mich.
'Schatz, Moment. Jetzt beruhige dich erst mal und sag mir dann genau was passiert ist.''Okay. Also…Luise ist verschwunden!' Ich war außer mir. Aber meine Mutter sah mich ungläubig an.
'Aber sie liegt doch in ihrem Bett!?'
'Was? Aber sie…wie? Das kann nicht sein ich habe sie verloren…warum?' Ich verstand die Welt nicht mehr.
'Jetzt beruhige dich erstmal. Sie liegt wirklich in ihrem Bett. Und das du Frau Schreck gebeten hast auf sie eine Stunde aufzupassen, damit du mit deinen Freunden spielen gehen konntest ist völlig in Ordnung. Es ist doch völlig normal dass du mal raus wolltest. Wirklich!'Ich konnte es nicht glauben. Wie war sie alleine hier her gekommen? Sie wusste doch noch gar nicht den Weg! Schnell rannte ich in ihr Zimmer. Und wirklich, sie lag ruhig in ihrem Bett und schlief. Unfassbar starrte ich immer erst meine Schwester und dann meine Mutter an. Mein Kopf wechselte so schnell die Perspektiven dass meine Mutter mich besorgt unterbrach.'Nathan! Was ist den los mit dir? Hast du Fieber?'
Schnell fasste sie an meine Stirn.
'Also Fieber hast du nicht…! Was ist den dann mit dir los…?'
In Gedanken versunken antwortete ich irgendwas von wegen es sei nichts und das ich wahrscheinlich nur schlecht Geträumt hatte. Ich brachte sogar ein Lächeln zusammen. So schnell ich konnte verabschiedete ich mich und ging unter dem Vorwand dass ich müde sei ins Bett. Meine Mutter sah mich besorgt an aber enthielt sich jeglichen Kommentars. Als ich in meinem Zimmer war und die Tür abgeschlossen hatte setzte ich mich fassungslos in mein Bett. Das kann doch gar nicht wahr sein. Wie konnte Luise nur hier her geraten? Und wer hatte Frau Schreck gesagt dass sie auf Luise aufpassen sollte? Frau Schreck war unsere Nachbarin. Sie war sehr nett aber normalerweise würde sie nie auf Luise aufpassen da sie selbst ja noch kleine Kinder hatte. Also wie hatte das hier passieren können…vielleicht erlaubte sich hier jemand einen Spaß mit mir. Aber wenn dem so wahr…wer war es dann? Verwirrt und voller Fragen schlief ich ein.


'Ahhh'. So schnell ich konnte setzte ich mich auf. 'Autsch!' Mist. Jedes mal vergaß ich mich langsam aufzusetzen und knallte deswegen jedes Mal gegen mein Regal das sich über meinem Kopf befindet. Wir mussten es leider so tief befestigen da die Wand über dem Regal beschädigt war und wir hatten ja kein Geld um die beschädigten Stellen zu reparieren. Mein Kopf dankte es mir regelmäßig mit Beulen und Schmerzen.
'Au!' Mit einer Hand an meinem Kopf sah ich mich nach dem Übeltäter um der mich aus dem Schlaf gerissen hatte. Lange musste ich nicht suchen. Direkt vor meinem Bett stand Luise. Mit einem Stöhnen ließ ich mich zurück ins Bett fallen.
'Luise…! Es ist doch erst…'. Schnell schaute ich auf die Uhr. 'Was? Es ist schon zehn Uhr?? Wieso hat mich keiner geweckt?' Schnell stand ich auf und fing an mich umzuziehen. Luise stand ruhig vor mir uns sah mich an.
'Du schlafen lang! Jetzt ich dich aufwecken'. Sie stütze ihre Hände in ihre Hüfte und sah mich böse an.
'Kleines, hey nicht böse sein. Ich war sehr müde. Ich bin gestern erst spät ins Bett und außerdem hatte ich Kopfschmerzen gehabt…'. Kopfschmerzen? Mit einem Mal fiel mir alles wieder ein!
'Oh mein Gott, Luise du bist ja da wo warst du denn gestern? Ich habe dich überall gesucht und du warst weg und dann hab ich dich gesucht…und dann bin ich heim und dann warst du daheim und…'. Verstört sah ich sie an. Aber Luise schaute mich nur fragend an und zerrte dann an meiner Hose.
'Ich Pipi!'
'Oh. Ja natürlich kleines wie dumm von mir. Ich gebe dir gleich eine neue Windel…'.Enttäuscht zog ich mich fertig an und ging dann mit Luise ins Bad. Klar, was hatte ich erwartet? Das sie mir erzählen würde wo sie gestern gewesen war? Wohl kaum. Schnell gab ich Luise eine neue Windel und zog sie dann an. Als ich fertig war ging ich mit ihr in die Küche.
'So kleines, was willst du heute essen?'
'Schokoflocksen…'.
'Aber du weißt doch dass wir die nicht haben?'
'Gestern ich hatten!' Trotzig stand sie vor mir.
'Aber gestern hatten wir doch gar keine Schokoflocken…? Woher hattest du die dann?' Ich kniete mich vor sie und sah ihr in die Augen.
'Woher hattest du die Schokoflocken?'
Aber Luise sah mich nur mit großen Augen an und tat so als ob ich sie nichts gefragt hätte.'Luise..? Luise, wo hast du die gegessen und wo warst du gestern eigentlich??'
Aber ich bekam keine antwort. Na gut..! Dann eben nicht aber ich würde es schon noch raus finden. Schnell stand ich auf und schaute in den Kühlschrank. Gähnende Leere erwartete mich. Ganz unten lag ein Zettel auf dem stand:

-Schatz, ich hoffe du hast gut geschlafen.
Bitte kaufe doch noch ein bisschen was zu essen ein, wie du siehst haben wir nichts mehr.Ich habe dir 10 Euro da gelassen.
Ich hab dich lieb, Mum-


Mit einem Schwung schlug ich die Kühlschranktür zu und drehte mich zu Luise um.'Na wies aussieht müssen wir wohl einkaufen gehen.'
'Jaaa. Ich gehen einkaufen mit dir?' Sie zeigte mit ihrem Finger auf mich.
'Ja genau.' Ich lachte. 'Du gehst mit mir, oder siehst du noch andere Personen hier?'Luise lachte und rannte dann in den Flur um ihre Schuhe zu holen. Schnell waren wir angezogen und gingen dann aus dem Haus. Da heute Mittwoch war, war auf den Straßen schon wieder viel los. Wahrscheinlich bemerkte ich deswegen nicht dass ich wieder beobachtet wurde. Erst im Geschäft merkte ich das wieder die selben Jungen vom Vortag mich 'verfolgten'. Sie taten zwar nichts außer mich anzusehen doch ich fühlte mich sehr unwohl. So schnell ich konnte kaufte ich das nötigste ein und ging dann mit Luise wieder aus dem Geschäft. Aber das war nicht das einzigste was mir auffiel. Luise war heute ungewöhnlich still. Ansonsten war sie immer total aufgeregt wenn wir auf die Straßen gingen aber heute schaute sie die ganze Zeit nur in den Himmel. Fast wäre sie sogar einfach auf die Straße gelaufen aber im letzten Moment konnte ich sie noch zurück halten. Irgendwann nahm ich sie dann doch beiseite. Ich wollte endlich wissen was gestern passiert war…und das konnte nur sie mir sagen!
'Luise...kannst du dich noch an gestern erinnern?'
'Ja, wir warn Pielplatz!'
'Genau. Und weißt du dann was passiert ist? Du bist irgendwann wahrscheinlich gegangen oder?'
Ich wartete auf eine antwort aber ich bekam keine.
'Luise, kleine, du brauchst wirklich keine Angst zu haben…ich bin doch dein Bruder und ich verrate niemandem etwas. Ich will einfach nur wissen was passiert ist verstehst du?'Vorsichtig schaute Luise sich um. Als sie die Jungs erblickte schaute sie mich erschrocken an!'Ich nicht sagen darf…!'
'Aber warum denn nicht? Ich hatte gestern wirklich totale Angst um dich und ich will doch einfach nur wissen was los ist…? Hat es etwas mit den Jungen zu tun…?' Ich drehte mich um und sah sie an. Sie taten so wie als ob sie nur zufällig dort herum standen aber ich wusste das sie das nicht taten…zumindest hatte ich das Gefühl. Schnell drehte ich mich wieder zu Luise um.
'Also wenn es wegen ihnen ist…ich werde dich beschützen! Ich bin doch dein Bruder oder?''Ja..'
'Siehst du…und große Brüder beschützen kleine Schwestern oder?'
'Ja.'
'Also…' Ich schaute sie lächelnd an.
'Willst du es mir nun sagen? Wo du gestern warst…?'
Luise sah sich noch einmal um, dann streckte sie ihre Hand dem Himmel entgegen und sagte voller Stolz:
'Ich war oben!'







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