Einfach aus dem Nirgendwo

Autor: Jessica (3)
veröffentlicht am: 04.09.2009




Eigenartige Hinweise

Noch kurz vor sechs Uhr schlief ich doch nochmal ein und wachte dann um neun Uhr auf, denn meine Mutter machte in der Küche Krach und Julia lag auch nicht mehr auf dem Sofa. Ich war immer noch total müde und wollte nur in mein Bett. Auch wenn ich Papa dazu zwingen müsste mir es wieder auf zubauen.
Ich trug noch meine Jeans und meinen Pullover.
Mir tat der Rücken weh und es knackste kurz am Hals.
'Oh, Kim! Wollte dich nicht wecken.', rief Julia von der Treppe.
'Ist schon okay, ich war so wie so schon wach.'
'Du hast mir letzte Nacht vielleicht einen Schrecken eingejagt. Du hast dich die ganze Zeit gedreht und geschwitzt. War alles in Ordnung?', fragte sie und machte sich Sorgen.
'Nun, ich muss wohl schlecht geträumt haben.', antwortete ich.
Meine Mutter rief aus der Küche nach mir. Immer noch war ich etwas müde und lehnte mich an die Couch.
'Kim!', rief sie wieder, doch dieses Mal klang es verärgert.
'Ich komme!'
Langsam bewegte ich mich auf die Küchentür zu und links stand unser Tisch mit Tellern und Gläsern.
'Kim, komm essen.', sagte sie und wusch sich die Hände am Waschbecken. Schon morgens hatte sie ihre Putzsachen an und anscheinend war sie auch noch schlecht gelaunt. Julia drängelte sich an mir vorbei um sich an den Tisch zu setzen.
Das Messer hatte die schon in der Hand und strich damit über die Butter.
'Willst du nichts essen?', fragte meine Mutter und sie drehte sich um.
'Doch, nur, ich hab die Nacht echt schlecht geschlafen und da bin ich etwas müde.', antwortete ich noch halbverschlafen.
Schnell setzte ich mich auch an den Tisch und schmierte mir Erdbeermarmelade auf den heißen Tost.
'Ach ja, ich hab gute Neuigkeiten.', fing sie an.
Ich spitzte die Ohren und drehte mich zu meiner Mutter um, die sich an den Kühlschrank anlehnte.
'Was denn?', fragte Julia und schaute jetzt auch zu ihr.
'Nun, die Möbeltransporter sagten sie kämen spätestens am Montag und tragen unsere Möbel weg.'
'Das dauert ja noch eine Woche.', rief Julia entgeistert und legte ihr Schmierbrot auf den Teller.
'Heißt das wir müssen alles nach unten schon tragen?', fragte ich und wollte eine negative Antwort hören.
Die ganzen vorherigen Wochen musste ich viel arbeiten, aber nun haben wir alles schon eingepackt. Die Kisten ein und aus zu leeren, runter und hoch zu schleppen. Richtig mit gemacht hatte ich erst, als die Ferien begonnen haben.
Mein Zimmer war ein einziger Saustall und so fiel es uns auch etwas schwerer alles suchen und zu sortieren.
Es dauerte mindestens eine Woche bis das Bett und der Schrank eingepackt und die darin verstauten Sachen in eine Kiste gelegte wurden.
'Ja! Aber das machen wir am Freitag.', sagte meine Mutter und verschwand aus der Küche.Julia machte jetzt einen traurigen Eindruck. Ich wusste was sie dachte, sie wollte hier bleiben, bei ihrer neuen Freundin Vanessa.
'Müssen wir wirklich umziehen?', fragte die und versteckte ihren Kopf zwischen den Beinen.'Du weißt, dass wir schon vor sechs Wochen angefangen haben die Möbel in Kisten zu packen und es bleibt auch so.'
Julia verschränkte jetzt noch die Arme und zog ihre Augenbrauen zusammen.
'Ach, Julchen.', versuchte ich sie zu trösten.
'Ich will ja auch nicht, aber tun wir es für Mama und Papa.'
Da stand Julia auf und ging aus der Tür. Tja, vielleicht hatte ich das falsche gesagt? Hatte ich sie jetzt verletzt? Ist sie sauer auf mich?
Ich machte mir keine unruhigen Gedanken und genoss mein Marmeladenbrot.
Im Wohnzimmer fiel etwas runter und zerbrach, darauf hörte ich nur noch einen genervten Schrei.
Julia hat Mamas Lieblingsvase umgeschmissen - komisch warum sie da noch stand. Ich musste kurz kichern und beugte mich zur Tür hin.
'Julia?', fragte ich und grinste.
'Lass mich jetzt!', meckerte sie und hockte sich vor die zerbrochene Vase. Sie sammelte alle kleinen Scherben auf und warf sie in der Küche in den Müll.
Als ich mit dem Frühstücken fertig war, setzte ich mich im Wohnzimmer auf die Couch.Es war still.
Zu still.
'Mama?', rief ich.
Doch, keine Antwort kam von oben, was sie wohl da machen. Ich zog die Augenbrauen zusammen und stand auf.
'Julia?', schrie ich wieder.
Wieder blieb es still und ich ging die Treppe rauf.
Vor mir war die Schlafzimmertür und daneben mein Zimmer. Julia schlief mit mir immer zusammen und in unserem neuen Haus würden wir einzelne Zimmer haben.
Es krachte im Bad, das links neben der Schlafzimmertür war. Ich rannte rein und riss die Tür auf.
Julia beugte sich über der Badewanne und ihre Hand streckte nach dem Shampoo.
Doch was da so laut krachte, war die Kratzbürste, die in der Badewanne lag.
'Julia, was machst du da?', fragte ich zog die Augenbrauen zusammen.
'Hey, eigentlich wollte ich baden, aber ich komm an das Shampoo nicht ran.', nörgelte sie.'Soll ich dir helfen?', fragte ich mit tiefer Stimme.
'Nein!', meckerte sie.
'Gut!'
Ich schloss die Tür hinter mir und wieder rumste es.
'Ich schaff das auch allein, hörst du!', schrie sie.
'Alles klar!'
Ich musste lachen und ging ins Schlafzimmer.
Meine Mutter war dort nicht zu finden.
Ist sie Einkaufen gefahren?
Plötzlich sah ich in der Ecke ein riesen Loch und kniete mich davor.
Wow, das meine Eltern es nicht weggemacht haben. Die neuen Besitzer unseres Hauses werden bestimmt aus dem Häuschen sein. Aber selbst ich hab da noch nie gesehen.Doch etwas Merkwürdiges bemerkte ich schon. Durch das Loch kam Luft und sie war eiskalt.Das konnte nur bedeuten dass jemand es kaputt gemacht hat. Für was sollte man ein Loch in das Schlafzimmer bohren. Mir kam der seltsame Kerl in die den Kopf.
Hatte er etwas damit zu tun?
Wollte er mit dem Loch was erreichen?
Ich schüttelte heftig den Kopf.
So ein Unsinn, ich mache mir viel zu viele Gedanken darüber. Was sollte er damit zu tun haben.
Ich drehe wegen diesem Geschehnis noch durch.
Wenn ich jetzt einen klaren Kopf bewahre und nicht an ihn denke, wird wieder alles seinen normalen Gang gehen.
Nur einmal aus- und einatmen.
Ich nahm tief Luft und pustete sie heftig wieder aus.
Immer noch konnte ich das graue Stück Stoff in der Tasche spüren.
Ist es wirklich von ihm, immerhin hatte ich nur geträumt. Es könnte auch ein Versehen sein und nur weil ich es wollte träumte ich von ihm.
Am Besten ich tue irgendetwas was mich ablenkt.
Ich drehte mich um und erschrak dann erst.
Julia stand regungslos und still im Türrahmen. Ihr Haare waren in ein Tuch eingewickelt.'Spinnst du!', keuchte ich etwas.
'Was denn?', meckerte sie.
'Du kannst dich doch nicht einfach anschleichen.'
'Ich hab mich nicht angeschlichen.', erläuterte sie und hob ihren Kopf etwas an.'Hey, wenn die neuen Besitzer das Loch da sehen, meckern die erst mal mit uns.''Echt? Dann lassen wir es einfach so und ignorieren es.', lächelte sie.
'So ein Quatsch, wir müssen es Mama und Papa sagen.', meinte ich und es war ja auch richtig so, aber Julia würde alles versuchen um doch noch hier zu bleiben.
'Petze!', murmelte sie und ging in ihr Zimmer, die Tür klatschte fest zu.
Wenn ich Mama sehe, dann werde ich es ihr mitteilen, sie jetzt zu suchen, darauf hätte ich keine Lust.
Nur das weiße Bett stand im Zimmer und heute nach könnte ich auf dem tollen Bett noch schlafen.
Super, dann bekäme ich keine Rückenschmerzen.
Denn die harte Couch ist sehr unbequem, naja, sie ist noch von meiner Oma.
In der neuen Wohnung sollten wir aber neue haben.
Das Loch machte mir trotzdem schwere Sorgen.
Hoffentlich kommt das wieder in Ordnung.
Jemand keuchte plötzlich unten und rannte die Treppe rauf, ins Schlafzimmer.
'Hast du…', rief meine Mutter vorm Zimmer.
'Oh je, wenn das die neuen Besitzer sehen.'
'Was denn?', fragte ich und zog eine Augenbraue hoch.
'Na, dieses furchtbar große Loch in der Ecke.'
'Das waren bestimmt Mäuse.', meckerte sie und hielt ihr Hand ans Herz.
Sie war immer noch außer Atem. Wahrscheinlich ist sie vom Garten bis zu mir nach oben hinauf gerast.
'Mama, beruhig dich erst mal und atme ein und aus.', sagte ich.
Ihre Kondition war schon immer im Keller, sie war noch nie gut in Sport. Schon als sie ein kleines Kind war hatte sie in Sport eine vier oder eine drei. Doch mein Vater ist da eher etwas anders. Er geht einmal die Woche ins Fitnessstudio und trainiert seine Muskeln, am Arm, am Bauch, sogar die Beine.
Er ist der muskulösere Typ. Ich habe meine Ausdauer von ihm, doch meine Schwester hat sie von meiner Mutter. Obwohl ich und Julia im äußeren total anders sind, ist unser Inneres ganz anders. Sehr gleich, wir haben immer die richtigen Einfälle, sehen uns meistens an nicht erwarteten Orten und haben gemeinsame Leibspeisen.
Die Haare hat sie von meiner Mutter. Ich habe meine Haare von meinem Urgroßvater. Ziemlich seltsam, aber es gibt nun in unsere Familie nur Blondinen.
Mein Vater ist ein Schwarzhaariger und meine Mutter eine blondhaarige, aber das ist okay das wir alle blond sind, außer ich. Meine Haare sind dunkelblond, doch als kleines Mädchen hatte ich sie fast weiß. Sie sind sehr schnell dunkler geworden und jetzt hab ich sogar Angst dass sie schwarz werden wenn ich zweiundzwanzig bin. Tja, aber was soll ich machen.Als ich in meinen Gedanken war, tupfte meine Mutter mich an und sagte:'Wir müssen wohl doch erst in zwei Wochen das Haus verlassen. Denn dieses Loch kann nicht bleiben, wenn man unten im Garten spazieren geht, da sieht man einen riesigen Hohlraum. Das müssen wir weg machen, ich rufe gleich den Handwerker an.''Mach das!', nickte ich.
Julia kam noch dazu und setzte sich auf das Bett.
'Ist das nicht toll in der Zeit kann ich noch oft zu Vanessa.', lächelte sie.
'Julia das ist nicht witzig, wenn du was mit dem Loch da zu tun hast, bekommst du riesigen Ärger mit mir. Hast du mich verstanden?', ärgerte sich meine Mutter und hob den Zeigefinger hoch.
'Was?', schrie Julia.
'Denkst du ich hab das gemacht?'
'Ich will dich nur warnen, es würde mich trotzdem interessieren. Na warte, wenn ich das rausbekomme.'
Sie lief die Treppe hinunter und nach einigen Minuten hörte ich ihre Stimme. Sie klang zuerst nett doch dann wurde sie immer lauter und man verstand nur: 'Wie bitte?', 'Was haben sie gesagt?', 'Hallo?' oder 'Ich brauche ihr Hilfe ein Loch ist in meiner Wand und wir wollten umziehen und…'
Das sank ihr Stimme und man hörte alles nur noch undeutlich.
'Morgen gehe ich zu Vanessa.', lächelte Julia.
'Wer ist sie überhaupt, dass du sie so toll findest?', fragte ich.
'Oh, sie ist wahnsinnig nett und sie fragt immer nach meiner Familie, wie wir wohnen, was wir machen, ob ich eine Schwester hab, welche Berufe wir haben, was…', sie wurde von meiner Frage unterbrochen: 'Moment mal, sie fragt nach unseren Berufen?'
'Also was Papa und Mama für Berufe haben.', erläuterte sie.
Warum sollte ein vierzehnjähriges Mädchen nach Berufen von meinen Eltern fragen, das ist doch irre.
'Ist sie vierzehn?', fragte ich.
'Ja, bald wird Vanessa aber fünfzehn.'
'T´schuldigung erzähl doch weiter.'
'Nun, sie ist auch stink reich, sie hat komische Gräte und ihr Vater arbeitet in einem Labor, ihr Mutter ist nie daheim und welchen Beruf sie hat wollte Vanessa mir nicht verraten.'Mein Gehirn fing an zu denken…
Ihre Mutter ist nie daheim und ihr Vater schafft in einem Labor, sehr ungewöhnlich. Sie macht mir sogar schon Angst.
'Morgen hat Vanessa mir versprochen, dass wir im Wald ein wenig spazieren gehen.''Na dann viel Spaß', lächelte ich und verschwand nach unten.
Meine Mutter stand angelehnt in der Küche und seufzte. Ihr Kopf hing nach unten und die Arme verschränkte sie vorm Körper.
'Alles okay?', fragte und lehnte meinen Kopf am Türrahmen an.
'Nun ja, ich bin sauer weil wir jetzt erst in zwei Wochen losfahren werden. Der Handwerker sagte es würde ein Weilchen dauern bis dieses Loch repariert sei.', seufzte sie.
Ihr Gesicht huschte dann zu mir und ich schaute auf den Boden.
'Tja, was will man machen.', stimmte ich ein.
'Wow, es ist schon ziemlich dunkel geworden. Also es dämmert schon.', sagte meine Mutter und setzte sich auf den Küchenstuhl. Ihren Kopf stützte sie mit dem Arm. Da lag noch eine Zeitung und die durchwühlte sie.
Gerade wollte ich einen erschreckenden Atemzug aus der Küche hörte.
'Was ist?', fragte ich und stellte mich neben sie.
'Oh mein Gott, in einer Fabrik in unserer Nähe wurden Geräte gestohlen. Der Täter hinterließ nur ein komischen Brief, worauf stand: Diese Sachen werdet ihr nie wieder sehen, besorgt euch neue und wir werden so lange auf neue Raubzüge gehen bis wir das haben was wir wollen. Wie kann man nur so hinterlistig sein. Hier steht auch noch das sie keine einzige Spur hinterlassen haben außer diesen kleinen Brief.', erläuterte sie und zog ihre Augenbrauen zusammen.
'Das ist sehr merkwürdig. Normalerweise müssen immer irgendwelche Hinweise hinterlassen werden. Das war schon immer so. Dazu kommt noch, das in einer Fabrik war. Irgendwelche Fingerabdrücke oder Sachen. Das ist sehr eigenartig, wie kann man nur so einen totsicheren Plan schmieden?', fragte sich meine Mutter und sie war in diese Anzeige total vertieft.Am liebsten lasse ich sie jetzt mal in Ruhe, denn sie hat heut wieder viel mitgemacht.Da Loch in der Wand war schon zu viel für sie.
Aber es beunruhigte mich schon etwas, als Julia sagte das ihre Freundin Vanessa neue Geräte hätte, fing es an bei mir zu klingeln. Vielleicht hat ihr Vater was damit zu tun oder ihre Mutter sie ist doch nie zu Hause.
Das alles passte so wunderbar zusammen. Außerdem hat Julia einen Menschen noch nie so toll gefunden.
Sie erzählte mir nie von irgendwelchen guten Freunden die sie hat.
Aber lassen wir es mal gut sein.
Bestimmt irre ich mich mal wieder, vielleicht denke ich zu viel darüber nach. Doch mein Vater hat eine Fabrik, was ist wenn die auch ausgeraubt wird, immerhin geht es da auch um Maschinen und Geräten. Denn er ist der Chef dieser ganzen Firma. Wenn sie dort stehlen wird mein Vater total pleite gehen und es darf nicht passieren.
Über meine Mutter muss ich mir keine Sorgen machen sie ist Versicherungsprüferin und kann überall arbeiten.
Jetzt hab ich´s, morgen werde ich Vanessa und Julia ausspionieren, wenn sie spazieren gehen im Wald. Dann beobachte ich sie und wenn auch nur die leiseste Bemerkung an ihr auffällt.Ich lächelte, weil die Idee ziemlich gut war und ich so wie so mal raus musste aus dem Haus.Schnell lief ich nach oben und öffnete im Schlafzimmer die Schiebetür. Es war eine große Glasscheibe in ihr eingebaut. Davor waren natürlich weiße Vorhänge. Es war Vollmond, schon am Freitagabend leuchtete er wie eine helle Lampe.
Meine Arme legte ich auf das Geländer und schaute hinauf zum Mond. Er war sehr groß, doch nicht so groß das es merkwürdig aussah.
Ich war in Gedanken versessen. Mir schwirrten tausende von Fragen im Kopf herum über Vanessa. Für mich wirkte sie sehr mysteriös. So voller Geheimnisse. Deswegen hatte ich auch einen Verdacht.
Plötzlich riss mich ein rascheln im Gebüsch aus meinen Gedanken. Hinter dem Maschendrahtzaun war ein großes Gebüsch mit Himbeersträuchern, normalen Buscharten und anderen Arten.
Doch da bewegte sich etwas und ich trat einen Schritt zurück. Mein Herz pochte und ich wurde nervös. Meine Hände zitterten und am liebsten würde ich schreien, doch rannte ich schnell ins Schlafzimmer krallte in der Schublande nach meiner Taschenlampe, lief nach unten, riss die Haustür auf und sprang über die Gartentür.
Doch da war nichts.
Ich hörte kein Rascheln mehr.
Es war weg, einfach so. Nur die stille hörte ich und das rascheln der Blätter. Ein wenig Wind zog an meinen Haaren vorbei und da hörte ich ein knacksen im Gestrüpp.
Jemand musste darin sein, vielleicht der Kerl von der Straße. Er beobachtete mich also.Doch was wenn er aus dem Gestrüpp springen würde? Was würde er dann machen? Doch wenn es jemand anders ist, aber mir fehlte etwas in dieser Situation. Die Angst, ich spürte zwar ein Herzklopfen, doch kein vorsichtiges Gefühl.
Tausende Fragen hätte ich stellen können.
Da hörte ich meine Mutter von oben rufen. Sie stand auf der Terrasse und winkte mir zu, ihr Blick sah vom weiten ziemlich wütend aus. Sie hatte schon ihr Schlafhemd an und es flatterte im Wind. Da es noch nicht richtig dunkel war konnte ich sie gut erkennen, doch dann schrie sie:
'Was machst du denn da?' Es klang verdammt wütend, so wütend war sie noch nie zu mir.'Komm sofort wieder rein, es ist kalt draußen, du hast keine Socken an, nur ein T-Shirt und deine Jeans, wenn du nicht auf der Stelle heim kommst gibt's Ärger.'
Aber ich wollte unbedingt wissen wer da ist.
Doch wie immer hatte meine Mutter gewonnen, ich weiß ganz genau wenn sie wütend ist dann meint sie es verdammt ernst.
Ich seufzte und ging rein ins Haus. Die Taschenlampe lies ich auf dem kleinen Tisch liegen und meine Füße waren kalt und dreckig. Es war zwar kein Sommer, aber es soll gesund sein Barfuß zu laufen. Man könnte eine Blasenentzündung kriegen, aber ich laufe so oft Barfuß das ich nie eine bekomme. Ist irgendwie merkwürdig.
Ich lag abends dann bei Julia im Bett und starrte die ganzen Zeit aus der Glastür. Ein weißer Vorhang war lang gezogen bis zur Mitte, doch den anderen ließ ich offen, falls der mysteriöse Kerl auf die Idee kommt auf unseren Balkon zu klettern.
Es war verrückt, ich musste die ganze Zeit an ihn denken. Diese Fragen die mir im Kopf rumschwirrten. Doch eins breitete sich bei mir nicht aus und das war die Angst. Ich hatte einfach keine ängstlichen Gefühle.
Normalerweise machen mir solche Geschehnisse Angst, doch bei ihm war ich mir so sicher.Als würde ich ihn kennen, als ob er mein Freund wäre. Aber ich kenne ihn ja nicht also wie sollte das dann möglich sein?
Auf dem kleinen Stuhl, den ich mir aus der Küche geschnappt habe, lagen meine Klamotten die ich heute anhatte. Da war immer noch der Stofffetzen drinnen.
Soll ich ihn jetzt noch holen, wenn ich ihn in den Händen hielt fühle ich mich so sicher. Denn als ich heute Abend nach draußen sprang mit der Taschenlampe, konnte ich etwas spüren. Die Sicherheit. Nie würde ich mich wagen, wenn es dunkel wird, nach draußen allein zu gehen. Ich habe davor viel zu große Angst.
Schon immer wollte ich unter vertrauten Freunden sein und nie irgendwo alleine hingehen. Ich bin so und das wird sich auch nie ändern, ich kann nicht mutig sein. Doch heute Abend war das alles anders, dieses Stück Stoff hatte meine Angst versteckt, mich mutig gemacht.Oder war das einfach nur reiner Zufall. Doch auch auf der Straße wo ich diesen Kerl sah. Eigentlich hätte ich wie wild an die Tür geschlagen, doch irgendwas hat wieder meine Angst versteckt. Sie verschwinden lassen, einfach so. Es kann nur dieses Stück Stoff sein und es muss von dem Kerl stammen, ich würde zu gern wissen wer er ist.
Da hörte ich wie Julia sich von mir wegdrehte und ich leise die Decke zur Seite schob. Mein Blick war immer auf sie gerichtet. Schnell stand ich auf und griff in meine Hosentasche. Zuerst erschreckte ich mich weil es nicht mehr da war, doch dann konnte ich es fühlen. Dieser raue Stoff, es war doch zugleich weich. Ein komisches Material. Aber es machte mir keine Sorgen, als hätte ich es jeden Tag da.
Gerade wollte ich mich wieder hinsetzten, als auf dem Balkon eine dunkle Gestalt stand. Ich erschrak und blieb wie angewurzelt stehen.
Es war hundert Prozent der Kerl.
Doch er stand nur da, vielleicht wusste er dass ich noch wach bin.
Mein Herz pochte, doch ich empfand keine Angst. Den Stofffetzen drückte ich ganz feste. Langsam bewegte ich mich zur Glastür. Der Holzboden ist alt und da knarrte es, als ich auf eine falsche Holzdiele trat.
Sein Kopf bewegte sich ganz kurz und mein Körper fing an zu zittert, je näher ich ihm kam.Er ging nicht weg, doch als ich dann die Scheibe berührte und mit Mühe durch den Vorhang blickte, konnte ich ihn erkennen. Diesen Kerl, er hatte das Selbe an wie in meinem Traum. Sein Gesicht war dunkel, also konnte ich auch keine Augen, Nase und keinen Mund erkennen. Alles war sehr undeutlich durch den weißen Satin.
Meine Augen rollten die ganze Zeit zum Griff rüber, damit konnte ich die Tür zur Seite schieben. Soll ich es wirklich tun? Aber was ist wenn er dann wegrennt, ich möchte ihn gerne fragen wer er ist. Warum er mich verfolgt. Vielleicht hat er sogar was mit dem Diebstahl zu tun. Nein, das wäre komisch.
Meine Neugier war stärker als meine Vernunft und da riss ich die Schiebetür schnell auf und sprang auf den Balkon.
Niemand war zu sehen. Als hätte ich mir das alles nur eingebildet. Schnell lief ich zum Geländer und schaute runter. Er ist doch nicht runter gefallen?
Der arme Kerl. Den Boden sah ich nicht ganz genau. Er kann doch nicht spurlos verschwinden.
Dann hörte ich Julia rufen: 'Kim! Spinnst du? Mach die Tür wieder zu und komm rein.'Ihre Stimme klang gereizt und wütend.
'Ja…', murmelte ich leise, aber das hörte sie nicht.
Es fing dann an zu regnen. Das Wasser klatschte auf meinen Kopf und mein Nachthemd wurde ganz nass.
Der Regen prasselte und wurde immer kräftiger.
Ich wollte nicht wieder rein, nicht bevor ich diesen Kerl gesehen hab. Doch mir wurde kalt, ein wenig Wind zog an meinem Körper vorbei und kühlte mich.
Er kann doch nicht wirklich runtergefallen sein, oder?
Den Sturz würde er überleben, aber ein paar Knochen hätte er sich schon gebrochen.Vielleicht sollte ich doch meine Taschenlampe schnappen und runter in den Garten rennen!Es könnte sein das er noch da unten liegt.
Er könnte schmerzen haben. Bei solch einem Gedanken schlich ich mich an Julia vorbei, ging leise die Treppe runter bis zur Garderobe und griff nach meiner Taschenlampe.
Draußen war es etwas neblig und die Straßen waren stock dunkel. Meine Eltern lagen auf der Couch und meinen Vater hörte man schnarchen. Kaum zu glauben das meine Mutter bei so einem Krach schlafen kann.
Ganz langsam öffnete ich die Haustür und schloss sie nicht hinter mir zu, denn irgendwie musste ich wieder rein kommen. Außerdem würde der Schlüssel Krach machen, wenn ich ihn ein paar Mal im Schloss umdrehen würde. Also, besser ich lasse noch einen Spalt offen. Schnell zog ich mir noch meine Schläppchen an, die aus Gummi waren.
Draußen erkannte ich die Straße nicht. Der Nebel ist doch zu dicht gewesen.
Ich flitzte schnell über das Gartentor, da mein Vater es abgesperrt hatte und schaute auf die frisch gemähte Wiese. Sie war nass und wenn man genauer hinsah, kam auch Dampf aus ihr. Doch da war nichts.
Schnell schaute ich zum Gartenzaun, wo dahinter lauter Sträucher und Bäume waren. Doch das Rascheln hörte ich nicht.
Vielleicht hatte ja Victoria recht?
Und meine Fantasie geht wirklich mit mir durch.
Sollte ich ihr vielleicht von dem Kerl erzählen?
Nein, lieber nicht, sonst ende ich nachher in der Psychiatrie. Meiner Mutter würde ich es noch zutrauen das sie mich dort hin verfrachtet.
Enttäuscht ließ ich die Taschenlampe senken.
Doch wie konnte er so schnell verschwinden?
Hatte ich wieder Halluzinationen?
So langsam wird mir das wirklich komisch.
Zuerst hatte ich ihn das erste Mal auf der Straße gesehen, dann träumte ich von ihm. Jetzt sah ich ihn vor meinem Fenster, ist das alles nur Zufall. Spioniert mir wirklich jemand nach. Doch wer ist er und woher kommt er. Die Fragen stellte ich mir immer wieder und wieder.Am Besten ich gehe schnell wieder rein bevor meine Mutter etwas mitbekommt. Julia ist auch schon stocksauer das ich sie aufgewacht habe.
Als ich über den Zaun kletterte fingen die Lampen an zu flackern. Sie sind doch nicht kaputt, oder? Doch beim Rauslaufen sind sie mir auch nicht sehr ins Auge gefallen das sie flackerten. Wenn das Licht für eine Sekunde aus war, merkte ich zum ersten Mal wie finster es hier ist.Wenn sie nicht da wären, fände mein Vater das Auto morgens nicht. Durch den dunklen Wald und die weit entfernte Stadt kam kein bisschen Licht.
Vor der Haustür drehte ich mich noch einmal um und schaute an die Stelle als ich den Kerl das erste Mal sah. Nichts, die Straße war leer.
Nur das abwechselnde Licht, das mal an, mal aus geht, fiel mir auf, sonst nichts.
Dann hörte ich plötzlich was kleines Poltern. Mein erster Gedanke war Julia, die anscheinend den Lichtschalter verzweifelt sucht.
Doch so viel ich weiß, sollte Julia schlafen.
Schnell machte ich die Tür zu, rannte hoch und schaute um die Ecke des Schlafzimmers.Julia lag im Bett und schlief.
Wir werden doch keine streunenden Katzen haben, oder?
Vielleicht ist es auch keine Katze, auch kein Zufall, dass etwas runterfällt. Jemand hat sich offensichtlich ins Haus geschlichen.
Nochmal dachte ich nach woher das Geräusch seien könnte, es hörte sich an wie ein Glas, das runterfiel, aber sanft.
Wir hatten einen kleinen Keller, aber schon als kleines Kind wollte ich da nie runter. Trotzdem übertraf mich meine Neugier und ich lief nach unten zur Kellertür.
Leise legte ich mein Ohr an die Wand und lauschte. Da war absolut nichts.
Keine fallenden Geräusche, kein Gerede oder sonst irgendwelche Töne. Doch da plötzlich, wie aus dem Nichts hörte ich ein lautes Seufzen.
Sollte ich die Tür öffnen?
Bei dem Gedanken schlug mein Herz schneller, es raste. Meine Hände schwitzten und zitterten. Ich konnte meine Schauer, die mir dauernd über den Rücken liefen, sehr deutlich spüren. Wie ein zartes Schnarren rannten sie über meinen Rücken.
Ich kniff die Augen fest zusammen und drückte den Griff langsam herunter.
Würde es der Kerl sein?
Was könnte hinter Tür sein, vielleicht machte ich einen Fehler.
Doch meine Neugier war einfach größer, als die Vernunft. Immer wieder spulte ich diesen Seufzer zurück und spielte ihn in meinem Kopf ab. Er klang etwas genervt, aber dennoch beunruhigt. Er ist definitiv von einem Menschen, von einem Tier konnte ich mir so etwas leider nicht vorstellen. Wenn eine Katze seufzen würde.
Ein Spalt war schon offen und ich sah nur die Dunkelheit, es waren ja auch keine Fenster drinnen, sondern in der Mitte war nur eine Glühbirne. Die kann man nur anmachen wenn man den Lichtschalter findet, der rechts neben der Tür seien sollte.
Schnell tastete ich nach ihm, aber ich fühlte nur die kalte Steinwand. Unser Keller war alt, er war aus Beton und Steinen zusammengeklebt. In ihm ist nichts, keine Regale, wo uralte Bücher verstaut sind, keine Tische, Stühle und das andere Zeug das wertvoll und alt ist. Er war komplett leer, durch die Lampe konnte man eigentlich alles sehen, außer die dunklen Ecken, woran das Licht nicht sehr ran kam.
Da fühlte ich den kleinen Schalter und drückte darauf. Der Raum wurde heller und ich trat ein. Meinen Kopf drehte ich nach links um die Tür. Da war aber nichts.
Doch trotzdem sagte mir irgendetwas, ich sollte doch noch im Keller bleiben und die Tür hinter mir schleißen.
Das tat ich auch schnell und blickte immer noch in den leeren Raum. Nur diese graue alte Steinwand war zu sehen. Mal wieder hatte ich mich geirrt.
Ich holte wieder das Stück Stoff aus meiner Tasche und betrachtete es.
Dieser doch raue, aber irgendwie angenehme Stoff machte mich so sicher. Mit ihm konnte ich mich überall sicher fühlen. Sogar nach dem Traum war ich nicht verängstigt, auch nicht nach der ersten Begegnung an der Straße.
Da spürte ich plötzlich einen schnellen Luftzug über meinem Kopf und ich blickt hoch.Dort war nichts, ob irgendwo ein Loch ist und es durchzieht?
Als ich wieder geradeaus blickt, lies ich den grauen Stoff fallen. Vor mir stand dieser Kerl, er war nicht wenige Schritte von mir entfernt. Sein Haar war kastanienbraun und er schaute zu mir. Tatsächlich sah er wie in meinem Traum aus, diese Weste, dieser fehlende Stoff an seiner Seite. Die Hose, einfach alles. Doch sein Gesicht sah ich nicht.
Obwohl er vor mir stand, machte er mir keine Angst. Ich staunte nur darüber dass er genau vor mir stand.
Plötzlich bewegte er sich auf mich zu und mein Herz fing an zu pochen. Ich bekam Angst.Das graue Stück Stoff lag auf dem Boden und jetzt war ich mir sicher das es meine Angst versteckte. Denn es war nicht bei mir, sondern lag auf dem kalten Boden.
Da stand er vor mir und blickte mir ins Gesicht.
Es sah auch genau so aus wie im Traum diese perfekten Augen, so glasblau, das ich es kaum glauben konnte. Diese süße Stupsnase, die zu seinem Gesicht passte.
Da er so nah war schaute ich auf seine Haare, die im Licht glänzten. Sie waren kurz und vorne hatte er Gel in den Haaren. Seine Wangen waren etwas errötet, aber ich muss sagen er sah nicht schlecht aus.
'Du hast mein fehlendes Stück gefunden.', sagte er dann zu mir.
Ich war baff. Er hatte mich angesprochen. Mein Herz schlug noch schneller dadurch. Ich wollte auch was sagen, doch mir steckte es im Hals fest. Er zog etwas seine Augenbrauen zusammen und schaute mich genauer an.
'Ich…', stotterte ich und mehr kam nicht aus mir raus.
Die ganze Aufregung machte mich nervös und dann stotterte ich natürlich.
Er bückte sich dann und hob meinen Stofffetzen auf, den steckte er es in seine Tasche.'Nun, danke.', bedankte er sich und wollte an mir vorbei gehen, um die Tür zu öffnen. Seine Stimme war so zart und nett, wie ein Engel.
Aber ich ging eins zwei Schritte zurück und stellte mich vor ihn, sodass mein Kopf im Nacken lag um in sein Gesicht zu blicken.
'Bitte, geh noch nicht.', platzte es dann aus mir raus.
Ich wollte nicht dass er geht.
So viele Fragen wollte ich ihm stellen. Alle die mir eingefallen sind. Die ganzen Überlegungen, die vielen seltsamen Ereignisse.
'Tut mir Leid, ich würd auch gern plaudern, aber ich hab zu tun.', entschuldigte er sich und seine Stimme klang so sanft. Er wurde gar nicht böse, so wie ich es in vielen Filmen gesehen hab. Die meisten Männer haben die Frauen dann zur Seite geschubst und sind gegangen, doch er blieb sehr gelassen und wollte wahrscheinlich auch keinen Streit anfangen.
Ich wollte ihn doch nur Fragen wie er heißt.
Hoffentlich wird er nicht wütend wenn ich ihn jetzt um etwas bitte:
'Kannst du mir nur eine Frage beantworten?', flüsterte ich, weil ich Angst hatte, dass meine Eltern etwas mitbekommen würden.
'Also gut, aber beeil dich.', drängte er und schaute mir immer noch in die Augen.Bei dem Anblick würde ich am liebsten die ganze Nacht hier stehen und es bewundern, aber das ging ja leider nicht.
'Wie heißt du?', fragte ich und meine Stimme klang etwas hell.
'Ich…', er zögerte nur kurz, als wüsste er seinen Namen nicht mehr und sagte dann schließlich: '…bin Alex.'
Danach packte er den Griff und verschwand aus dem Keller. Spurlos, ich rannte noch die Treppe wie verrückt hoch, doch nur die Tür stand weit offen und ich schloss sie wieder.Plötzlich ging es mir so gut. Dieses glückliche Gefühl. Als wäre eine schwere Last von mir befreit, mich drückte nichts mehr, noch einige Sachen schon, aber darum ging´s nicht.Meine Eltern schliefen noch und ich seufzte erst Mal und war froh darüber, dass ich seinen Namen wusste und vor allem, ich in realer Wirklichkeit sein traumhaft schönes Gesicht sehen konnte. Seine Stimme zu hören und seinen Namen zu wissen, machte mich richtig glücklich.Jetzt lösten sich einige Fragen auf und ich musste Grinsen. Meine Mutter und mein Vater wachten Gott sei Dank durch den Lärm nicht auf, sonst wüsste ich keine Ausrede.Schnell lief ich wieder nach oben und die Balkontür wurde geschlossen. Ob es Julia war?Her nicht, sie schläft tief und fest. Ich sollte mich besser auch wieder hinlegen und schlafen. Schnell schloss ich hinter mir die Tür, zog meine Latschen aus und legte mich ins Bett.Doch die ganze Zeit ging mir seine Stimme, sein Gesicht und sein Name nicht mehr aus dem Kopf.
Alex, Alex, Alex…
Den Namen könnte ich die ganze Zeit sagen.
Doch es macht schläfrig zu überlegen und nicht lange bräuchte ich, bis mein Gedächtnis eingeschlafen ist.







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