Atlantis schöner Wächter

Autor: Aphrodite
veröffentlicht am: 15.08.2009




'Also pass auf, konzentrier dich mal!', Joy beobachtete, wie Nick fasziniert Millimeter für Millimeter der Tafel mit seiner weißen Kreide überdeckte. Seine Augen glänzten richtig vor Faszination. An seinem rechten Bein hatte er bereits Kreidestaub hängen.
'Nick, reicht das jetzt nicht langsam mal?', fragte sie und streckte gelangweilt ihre müden Gelenke, 'Ich würde wesentlich lieber unseren Urlaub planen.'
Er winkte kurz abwehrend mit seinem Handgelenk, hielt es aber nicht für nötig, aufzusehen. Als würde er Einstein persönlich gerade mit einer weltverändernden Formel übertreffen.'Schau doch! Wenn wir diese Formel unter Beachtung der Eigenschaften dieses Elementes auf das Problem ansetzen…', er überlegte weiter und fand immer wieder ein grünes, kleines Eckchen, auf der er seine Kreide verteilen konnte. Joy baumelte weiterhin mit ihren Füßen und blies verzweifelt gegen ihr blondes Pony. 'Du brauchst wirklich eine Frau.'
'Frauen halten Män-'
'-ner nur davon ab die Welt zu verstehen. Ich weiß', beendete Joy genervt seinen Satz.'Das können wir doch später noch machen, du lenkst mich hier wirklich ab.', beschwerte er sich. Langsam wurde Joy sauer. Wollte sie wirklich mit so einem Typ in den Urlaub fahren? Na gut, aber mit wem sonst? Sie hatte ja ansonsten nur ihre Eltern und auf die spießigen Kniffelabende hatte sie echt keine Lust. Plötzlich öffnete sich die Tür und Professor Hesse, der alte Professor für die Naturwissenschaften, kam ebenfalls in den großen, eigentlich für Vorlesungen vorgesehenen, Raum. 'Nick, bist du immer noch dran?'
'Ja.', zum ersten Mal, seit seine Finger sich in Bewegung gesetzt hatten, sah er auf.
'Du bist echt unermüdlich.', stellte der Mann fest und hielt seine Hände am Rücken zusammen. Er ging vor die Tafel und ging mit seiner üblichen nickenden Geste das Geschriebene durch. Nick stellte sich neben ihn und beobachtete seine Mimik. Er hatte das Gefühl, dass der Professor nicht abgeneigt war. Einige erneute Minuten vergingen. Joy hatte sich mittlerweile ihr Frühstück gekrallt und stopfte sich gerade ein Schnitzelbrötchen in den Mund.
'Ich finde deine Art an die Sache heranzugehen bemerkenswert. Was ich jedoch nicht verstehe. Hier unten fehlt eindeutig ein Kohlenstoffatom, dennoch geht die Rechnung nicht anders auf. Ich finde den Fehler nicht.'
'Ja, genau das ist mein Problem. Es darf in diesem Zusammenhang nichts übrig bleiben. Es passt einfach nicht.'
Professor Hesse schenkte ein erneutes Nicken. 'Weißt du was, Nick, ich würde vorschlagen, du fängst langsam mal an, deine Semesterferien zu genießen, so wie es alle anderen Studenten in deinem Alter auch machen. Joy leidet offensichtlich auch schon unter deiner unerschöpflichen Neugier. Wie ich bereits in der Vorlesung sagte, es arbeiten ständig die fähigsten Forscher an diesem Projekt und finden doch keine Lösung. Du solltest mal abschalten und einfach nur an Urlaub denken.'
Joy sprang vom Tisch herunter: 'Endlich mal ein Satz der mir gefällt und den ich dazu auch noch verstehe. Also kommst du, Nick?'
Er widmete einen letzten Blick seiner Arbeit und folgte ihr schließlich.
'Ich freu mich riesig! Ich wollte schon immer mal auf Hawaii Urlaub machen und du machst es tatsächlich möglich. Ich bin dir so dankbar.'
'Ich hoffe dir ist klar, wie viele Überstunden ich machen musste, um mir das leisten zu können.', gab er mal wieder ruhig zu bedenken. Joy hingegen bekam den Urlaub von ihren Eltern bezahlt. Ja, als Student war das zwar eigentlich nicht mehr Part der Eltern, doch sie bestanden darauf, ihre 'Kleine' noch einmal verwöhnen zu dürfen und da sagte sie natürlich nicht nein.
'So!', feierlich holte Joy ihre Unterlagen heraus. Sie hatten den Flug bereits gebucht und sich ein bezahlbares Hotel ausgesucht. 'Ich habe schon einmal eine Liste vorgeschrieben, was wir alles brauchen…', sie fing an alle möglichen Gegenstände aufzulisten. Nick schien immer noch etwas abwesend zu sein.
'Und zu guter Letzt habe ich beschlossen, dass weder Laptop noch irgendwelche Lernunterlagen, sowie Bücher unsere Begleiter sein werden.', schloss sie ihren Bericht ab und erhob ihren Zeigefinger, um die Bedeutung ihrer letzten Worte zu verdeutlichen. Nick sah auf: 'Wieso denn das?'
'Entspannung ist angesagt, mein Lieber! Wir werden weder darauf achten, wie viel Essen wir in uns hineinschaufeln, noch welche chemischen Reaktionen wir dabei auslösen!'
'Verstehe, Erholung pur, hm?'
'Genau, richtig!'
Die Regel mit dem Essen konnte Nick gut akzeptieren, wobei ihm nicht entging, dass es Joy mal ganz gut tun würde, sich da auf FDH zu verlassen. Joy war nicht gerade die Schlankste. Sie hatte einige Kilos auf den Rippen, doch ihr Selbstbewusstsein litt darunter keineswegs. Sie machte eher den Eindruck als würde alles, was sie mehr hatte, sie aufputschen. Sie war eine bemerkenswerte Frau, empfand Nick. Auch wenn er wusste, dass sie nie mehr als eine gute Freundin für ihn sein konnte. Es klang zwar gemein, doch er fand sie nicht attraktiv. Obwohl sie eigentlich ein sehr hübsches Gesicht hatte. Sie hatte strahlend blaue Augen und blonde Haare, wobei das Nick selbst auch hatte. Diesbezüglich waren sie sich gleich, doch das war auch das Einzige.
Joys blonden Haare waren meistens zu einem kleinen Stummelschwänzchen an ihrem Hinterkopf zusammen, während seine in einem kreativen Durcheinander mit Gel auf seinem Kopf verteilt waren. Seine Augen waren eine Spur dunkler als ihre. Das heißt, seine waren das dunkle, blaue Meer und ihre der zartblaue Frühlingshimmel. Beides auf seine Art sehr schön.
Er hatte eine völlig normale Figur und wirkte so neben ihr oft etwas gebrechlich, obwohl er das keineswegs war. Er hatte eine ovale, schmale Gesichtsform, offene Augen, eine gerade Nase und war auch sonst nicht negativ auffallend. Joy hatte ein rundes Mondgesicht, schmale, rosa Lippen und dazu einen passenden immer rosigen Teint. Wenn sie lachte hatte sie stets ein leichtes Doppelkinn, dennoch war ihr Lachen immer offenherzig und aufmunternd. Sie waren wie Tag und Nacht und trotzdem beste Freunde.

Während der Fahrt zum Flughafen, während dem Einchecken, während dem Besteigen, während dem Sitzplätze suchen, während dem Handgepäck verstauen, war Joy stets am Reden und am 'in der Gegend rumhüpfen', dass ihr Traumurlaub endlich wahr werden würde.
'Du sitzt aber am Fenster, mir wird da nur schlecht! Und es soll ja nichts meine Urlaubslaune trüben!', bestimmte sie und schob Nick dorthin. 'Ich sitze sowieso lieber am Fenster.', gab er Kund und lehnte sich an die Wand um durch das Bullauge zu schauen. Nichts als grau. Ein grauer Flughafen der mit dem grauen Wolkenbedeckten Himmel verfloss. Der Himmel war schon fast schwarz. Als wolle er verhindern, dass ein von Menschenhand gebauter Vogel in seine Welt eindringt, überlegte Nick bedauernd über das schlechte Wetter.
Nach einer wischi-waschi Begrüßungs- und Dankesrede des Piloten setzte sich das große Flugzeug in Bewegung. Fasziniert schaute Nick zu, wie die Maschine sich nach ewig langer Startbahn fast wie eine Feder in die Lüfte erhob. Hätte Nick keine Ahnung von Physik, würde er das wahrhaftig für ein Wunder halten.
Durch die dichten Wolken blieb Nick eine gute Aussicht selbst vergönnt, als sie weit über die Erde empor gestiegen waren.
'Also jetzt sind wir in Deutschland, werden heute über den Atlantischen Ozean fliegen, in Amerika zwischenlanden und dann über den Pazifischen Ozean nach Hawaii.', überlegte Nick und fuhr die Strecke mit seinem Finger über der Weltkarte nach.
'I Walking on sunshine oh-ho!', sang Joy neben ihm plötzlich in einer ohrenbetäubenden Lautstärke. 'Nicht so laut!', wies Nick sie zurecht, doch sie ließ sich keineswegs Beeindrucken und sang ohne Atempause weiter. Nick drehte sich zu ihr und sah, dass sie ihre monströsen Kopfhörer aufgesetzt hatte. Er rüttelte ihre Schulter und machte ein Ruhezeichen, in dem er den Zeigefinger vor die Lippen nahm. 'Ich lass mir doch von dir nicht die Urlaubsstimmung vermiesen!', sie streckte ihm frech die Zunge heraus und fing nun auch noch an großzügig auf dem gesamten Platz, den der Sitz bot, hin und her zu tänzeln. Natürlich im Sitzen. Nick verdrehte die Augen und sah wieder aus dem Fenster. 'Wenn sie doch wenigstens singen könnte.', ging es ihm durch den Kopf. Ihr Gekrächzte war kaum auszuhalten. Sie könnte sich höchstwahrscheinlich nur mit einer Krähe messen. Er seufzte. Da konnte man nichts machen. Er ahnte schon, dass der gesamte Urlaub voller Auftritte seiner Freundin ausarten würde.
Joy streckte sich: 'Maaan, das dauert mir zu lange!'
Nick lächelte belustigt. 'Was grinst du denn so doof?!'
Sie zog den Hebel, so dass der Sitz ungebremst nach hinten sauste. Hinten die Person quietschte erschrocken auf, doch das kümmerte Joy nicht. Sie setzte die Schlafmaske auf und kuschelte sich in ihre Decke. 'Ich bitte vielmals um Entschuldigung!', tat Nick das, was eigentlich Joys Aufgabe hätte sein müssen, 'ist das zu eng?'
'Nein, nein, das geht schon. Ich habe mich nur schrecklich erschreckt. Das kam aber auch mit einem Schwung herunter.', lachte die alte Dame in ihrem Fliederfarbenem Kleid.
'Ja, sie ist manchmal etwas stürmisch.'
'Das ist doch gut. Ich war in meiner Jugend auch etwas ungestüm. Das macht gar nichts.', die alte Dame lachte beherzt, 'willst du noch einen Keks, Tobi?', wendete sie sich zu ihrem Enkel, der wie gebannt vor seinem Gameboy saß.
Joy schnarchte bereits lauthals. Einfach stur und egoistisch diese Frau, stellte Nick mal wieder fest. 'Ach, wie unhöflich von mir, möchten Sie auch einen?', die alte Frau hielt die Packung mit den Butterkeksen vor seine Nase.
'Gerne, vielen Dank.'
'Nichts zu danken. Ja, schauen Sie mal, er rettet mal wieder die Welt.', lachte sie weiter heiter. Nick bewunderte diese Frau. Sie schien voll so viel Energie, dabei zeigte ihr Aussehen die vielen Jahre Erfahrung. Ihr Gesicht wirkte wie faltiges Leder. Nick überlegte, ob sie sich auch so anfühlte. Ihre Ohrläppchen waren von dem Gewicht der Klunkerohrringe bereits weit nach unten gezogen worden. Nick schaute auf Joys großen Ohrstecker. Ob ihre Ohrläppchen auch mal so aussehen würden?
'Wir werden schön, Urlaub machen, nicht Tobi?', sie streichelte ihm über sein rot-blondes Haar, während er sich nicht davon beeindrucken ließ. Nick empfand das Haar der alten Dame viel interessanter. Es waren weiße Fäden durch Lockenwickler in schillernde Wellen gebracht.
'Oh, jetzt hab ich verloren, nur wegen dir, Oma!', er drückte ihr gegen den Oberarm, 'wenn ich spiele, darfst du mich nicht anfassen.', belehrte er sie und sah ihr dabei eindringlich in die Augen. 'Gut, gut.', lachte sie und hob abwehrend ihre Hände.
Nick musste ebenfalls lachen. 'Ja, wir machen zusammen mit Opa', sie sah zu einem alten Mann am Fenster, der ähnlich wie Joy vor sich hin grunzte, 'In den Urlaub. Seine Mutter ist allein erziehend und konnte sich keinen Urlaub nehmen. Dann haben wir ihn immer.''Verstehe. Ich stelle mir einen Urlaub mit Oma super vor. Man kann den Kleinen beneiden.'Die Oma nickte. 'Ich gebe mein Bestes.'
Nick lächelte sie an und drehte sich wieder zurück. Tja, und er war mit Joy unterwegs. Der kleinen, pummeligen Joy, die er früher oft Biene Maya genannt hatte.
Er versank in Gedanken und überlegte, wie sie sich eigentlich kennen gelernt hatten.Er hatte gerade Nachhilfe in Mathematik gegeben. Einer Mittelstufenschülerin. Das Thema war Kurvendiskussion gewesen. Das wusste er noch ganz genau. Ständig herrschte so ein Geschreie, obwohl sie im Aufenthaltsraum waren. Nick war aufgestanden und hatte sich umgesehen. Da hatte die mollige Joy gestanden, mit Tränen aus Zorn in den Augen und brüllte gerade zwei Jungs an, die daraufhin gehässig lachten. 'Miss Fetti, komm schon.', sie zwangen sie offensichtlich zu etwas, was sie nicht wollte. Sie drohten ihr und drängten sie immer mehr in eine Ecke. 'Zier dich doch nicht so, das ist doch nur ein Gag.'
Bei dem sonst so friedliebendem Nick hatten alle Alarmglocken geschlagen und er hatte die zwei 'Kinder', wie er sie schon nennen wollte und durchaus konnte, zurecht gewiesen. Er und Joy hatten sich von diesem Tage an recht schnell angefreundet, obwohl sie schon damals wie Tag und Nacht gewesen waren. Sie war eine Schülerin, die immer am untersten Rand herumgrotzte. Sie musste jedes Jahr ausgleichen, aber dennoch brachte sie Schuljahr für Schuljahr ohne Ehrenrunde hinter sich. Sie hielt nichts vom Sportunterricht und kehrte auch dem Gruppenzwang den Rücken. Zigaretten und Alkohol rührte sie aus Überzeugung niemals an. Sie wurde oft gemobbt, was jedoch aufhörte, als sie mit Nick herumlief. Das hatte auch seine Gründe. Er war drei Jahre älter - zu dieser Zeit also schon Oberstufenschüler -Er war ein begabtes Genie in den Naturwissenschaften, war aber nie abgehoben und trotz allen schulischen Leistungen sehr beliebt.
Im Sportunterricht war er ebenfalls herausragend. Seine Leistungen waren bemerkenswert.Seine Intelligenz machte die Mädchen neugierig, seine Sportlichkeit machte ihn attraktiv und seine ruhige Art annahbar. Er war immer für Gespräche offen, auf jeder Party zu sehen und trotzdem derjenige, der sich für andere einsetzte. Ein Traummann eben. Ob das auch Joy erkannt hatte?
Auf jeden Fall wurde sie schlagartig selbstbewusster, als Nick sie offiziell zu seiner besten Freundin ernannt hatte.
Und nun studierten sie auch noch an der gleichen Universität. Auch wenn Nick ihr einige Semester voraus war, hatten sie so die Möglichkeit, sich oft genug zu sehen.
'NIIIIIIIIIIIIIIIIICK!!!!!', holte ein lauter, quietschiger Schrei von Joy Nick aus seinen Gedanken. 'Was ist denn?'
'Merkst du nicht dieses Schaukeln?', sie krallte sich an seinem Oberarm fest. Er sah aus dem Fenster und sah eine schwarze Wolkenmasse um sie herum. Schnell schob er seinen Rücken vor das Bullauge, damit Joy nicht hinaussehen konnte. 'Joy, das ist mit Sicherheit nur ein Luftloch. Das gibt es oft auf Flügen.'
Er streichelte ihr über das Haar, wie er es immer tat, wenn er sie beruhigen wollte. 'Ich sage dir, irgendwas stimmt hier nicht!'
'Ich bitte Sie Ruhe zu bewahren und angeschnallt auf ihren Sitzen zu bleiben. Wir befinden uns vorübergehend in einem Gewitter, doch es besteht kein Grund zur Panik. Ich wiederhole: Es besteht kein Grund zur Panik.', plapperte der Lautsprecher, wobei die Stimme selbst etwas aufgelöst klang.
'Siehst du, Joy, alles in Ordnung.'
'Nein, das stimmt nicht! Ich spüre es.'
Sie zitterte Angstbeladen und die Schweißperlen auf ihrer Stirn vermehrten sich. Er streichelte ihr weiter übers blonde Haar: 'Beruhig dich doch.'
Er wollte ihr seine Wasserflasche reichen, als sie durch einen starken Ruck durch das Flugzeug befördert wurde.'
Nick erschrak kurz und holte ihr eine Sicherheitsweste. 'Gut, zieh die hier an, ich werde mal jemanden fragen, ja?'
Er stand auf und lief durch das Flugzeug. Plötzlich gab es ein weiteres Wackeln und Poltern. Mehrere Gegenstände hatten sich aus den Halterungen gelöst und Flogen nun durch den Bauch des Flugzeuges. Joy hängte sich wieder an seinen Arm. 'Du lässt mich alleine?!''Dann komm eben mit. Wir müssen jemanden fragen, was hier los ist.'
Grässliche Schreie waren nun zu hören und ein Schlag nach dem anderen zog ihnen durch Mark und Bein. Wie Geröll war das Handgepäck der Passagiere auf dem Boden verteilt. Gegen das Gepolter kämpfte sich Nick auf das Cockpit zu. Die Griffe an den Sitzen dienten ihm wie Felsvorsprünge dem Bergsteiger. Nie eine Garantie, ob er ihn erreichen konnte. Das Cockpit schien Kilometer weit entfernt. Dazu zog er Joy hinter sich her. Er hatte jedoch keine Angst. So viel Adrenalin floss in seinem Blut und der Beschützerinstinkt hatte eingesetzt. Er wusste selbst nicht was los war. Und warum gab der Pilot Entwarnung, wenn hier die Gegenstände, wie schwere Geschosse durch die Gegend flogen? Mit einem kräftigen Ruck türmte sich das Flugzeug auf. Helle Schreie jagten das Innere. Nick hielt sich an einem der Griffe fest, mit der anderen Hand hielt er Joy. Seine Kraft schien unausschöpflich. Er sah ihr tränen- und schweißgetränktes Gesicht. 'Ich bin bei dir.', ächzte er, während ihn die Gewichte der beiden Seiten zu zerreißen drohten. Das Flugzeug drehte sich rasant, so dass Nick keine Zeit zu denken hatte. Er sah nur noch TÜR! Bis dahin waren es vielleicht fünf Meter. Er zog Joy an seinen Körper und klemmte sie unter seinen Arm. Sie sah zu ihm auf, doch er war lediglich auf die Tür konzentriert. Er sah aus einem Bullauge. Das Flugzeug raste mit enormer Geschwindigkeit auf ein riesiges Gewässer zu. Der Atlantische Ozean! In Nicks Kopf gab es aber nur noch einen lauten Gedanken: 'Joy retten!', restliche Denkprozesse waren ausgeschaltet. Er Krallte sich, immer noch mit Joy unter seinem Arm, an der Tür fest und öffnete sie mit Mühe. Er stöhnte angestrengt auf. 'Ihr müsst hier alle raus!', mehrere Passagiere waren bereits erschlagen von irgendwelchen Gegenstände, andere waren steif vor Angst. 'Wir müssen springen!', rief er, doch die Zeit schien still zu stehen. 'Joy, spring!''Bleib bei mir!', entgegnete sie und ihm wurde klar, um sie zu retten, musste er Mitspringen. Ohne weiter zu überlegen holte er Schwung und schleuderte beide aus der Höllenmaschine. Als könnten sie schweben, sahen sie, wie das Flugzeug ohne sie auf die steinharte Oberfläche des Wassers aufschlug und eine Welle auslöste, die sie mit Wucht einige Meter weit katapultierte, bis sie ebenfalls ins Wasser fielen. Eiseskälte schien seinen Körper zu lähmen. Sie war so plötzlich auf ihn eingedrungen, dass seine Lunge daran gehindert wurde zu atmen. Schwerfällig sog er die Luft ein und suchte nach Joy. Er versuchte nach ihr zu rufen, doch seine Stimme war schwach. Wie durch ein Wunder stach ihm Plötzlich ihre orange Weste ins Gesicht. Er schwamm gegen die Wellen an und schloss sie erneut in seine Arme. Das aufgebrauste Wasser machte es ihm schwer mit ihr an der Oberfläche zu bleiben. Ihr Gesicht war durch Ruß verdreckt. 'D-danke.', hauchte sie. 'Shht, streng dich nicht zu sehr an.', flüsterte er und sah sich nach etwas um, auf das er sie betten konnte. Er fand ein Wrackteil, auf das er sie mit Mühe hinauf hievte. Alles ohne aufzuhören seine Füße zu bewegen. Er musste sie von der Weste befreien. Es war eine schwere Entscheidung, da diese Westen eigentlich für Rettung standen, doch sie war zu eng und schnitt sie so ein, dass ihr das Atmen schwerer fiel. Nach kurzer Zeit trieb die Weste ebenfalls an der Oberfläche. Nick war so dankbar, dass dieses Wrackteil trotz Joys Gewicht schwimmen konnte. Er wusste zwar nicht, wie das ging, doch er war unglaublich dankbar.
'Joy, bleib ruhig hier drauf liegen, ja?', bat er sie. Er zog seine Schuhe aus, um besser schwimmen zu können und stopfte das T-shirt in seine Hose, um zu verhindern, dass noch mehr Körperwärme verloren ging. Er holte gerade Luft und wollte in die Tiefe eintauchen als Joy schwach seine Hand hielt. 'G-geh nicht.', bat sie mit Mühe.
'Hast du gesehen, wie viele Kinder in diesem Flugzeug waren?!', er sah Tobi mit seinen Großeltern vor sich. Das liebliche Lachen der alten Dame. 'D-u kannst.', sie machte eine kurze Atempause, 'sie nicht r-etten.'
'Joy…', es machte ihn traurig sie so zu sehen. Ihre Lider waren nur halb geöffnet und ihr Kiefer hing kraftlos an ihrem Gesicht. Tränen flossen Nicks Gesicht entlang und vermischten sich mit dem Salzwasser unter ihnen. 'Es ist alles meine Schuld!', weinte er und legte seinen Kopf auf ihren Arm. Sie lag so ohne Halt dort, dass Nick klar wurde, dass sie ohne dieses alte Teil untergehen würde. Er hatte nicht mehr genug Energiereserven, um sie lange zu halten. Der Ozean war jedoch glücklicherweise mittlerweile zur Ruhe gekommen. Nick wusste nicht, wie lange sie sich schon auf offener See befanden. Doch seine Knochen sagten ihm, dass es bereits eine Ewigkeit war. Die Sonne fand ihren Weg durch die dichte Wolkendecke und löste diese Stück für Stück ganz auf. Wenigstens wurde Joy auf diese Weise gewärmt, denn ihre Hand, die Nick wie verkrampft festhielt, war eiskalt. Er entdeckte eine Wunde an ihrem Kopf, die jede menge Blut verlor und wie ein feiner Pinsel rote Blutfäden in ihr Gesicht malte. Das Rot verlor sich im Wasser. 'HAIE!', schrie er innerlich auf. Ihr Blut würde Haie anlocken! Das wäre ihr sicheres Ende. Er drehte sich einmal um sich selbst. Die Augen weit geöffnet und nach Land suchend, doch es war nichts zu sehen. Nur das dunkle Blau, was übergangslos in das helle Himmelblau überging. Er musste schwimmen, schwimmen, bevor die Haie ihr Blut witterten, bevor Joy verblutete. Er schob das Floßartige Rettungsbrett auf dem sie lag mit letzter Kraft vor sich her. Seine Muskeln waren bereits wie erfroren. Es waren gefühlte minus zwanzig Grad, auch wenn Nick wusste, dass dies nicht stimmte. Er strampelte und strampelte. Er konnte einfach nicht zulassen, dass die Welt eine so wundervolle Frau missen müsse.Ihre Lider begannen zu flattern. 'Nein, Joy, bleib wach. BLEIB WACH!', schrie er sie förmlich an und schlug ihr immer wieder auf die Wange. 'Ja, nicht einschlafen.''D-anke, Nick, danke.', hauchte sie, legte ihre Hand auf seinen Kopf und lächelte leicht. Nur ein klitzekleines Lächeln umspielte ihre Lippen. Doch egal wie schwach es war, Nick erkannte es. Er wollte diese Frau wieder lächeln sehen und paddelte schneller. 'Du musst wach bleiben, Joy. Vergiss nicht, wir machen jetzt Urlaub.', versuchte er sich und sie aufzuheitern, doch es war hoffnungslos. Ihre Lider kämpften gegen die Schwere an. Ein kurzer unfairer Kampf. Ihre Augen schlossen sich und ihre Hand fiel leblos von Nicks Kopf ins Wasser. Er legte sie behutsam wieder auf das Wrack und erschrak innerlich, wie kalt ihr Arm geworden war. Sie war deutlich unterkühlt. Doch auch er fühlte, dass sein Körper zu einem Eisklumpen herangewachsen war. Die Bewegungen schmerzten in seinen Beinen. Auch ihm fiel das Wachbleiben zunehmend schwerer. 'Es tut mir so Leid, Joy. Ich bin einfach zu schwach.' sprach er seine letzten Energiereserven aus, bevor alles um ihn schwarz wurde. Haltlos und steif versank sein Körper in den Tiefen der blauen, ungewissen Welt. Er sah ein letztes Mal Joys Gesicht vor seinem inneren Auge, bevor er endgültig mit seinem Leben abschloss und mit dem Atlantischen Ozean verschmolz.







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