Im Schutz der Dunkelheit

Autor: Zeilenschreiber.
veröffentlicht am: 18.10.2009




Durch Zufall wachte ich am nächsten Morgen wieder vor meinem Wecker auf. Eigentlich war ich eher der Langschläfer. Die ganze Nacht konnte ich nicht wirklich schlafen. Verschlafen richtete mich auf und schleppte mich ins Badezimmer. Ich drehte den Wasserhahn auf und formte mit meinen Händen eine Schale, um mein Gesicht zu Waschen. Dann fiel mein Blick auf mein Spiegelbild. Zum Fürchten. Meine Haare waren total verschwitzt und standen in alle Richtungen ab. Wie ein Reflex griff ich zur Bürste und strich mir durchs Haar. Ich bemerkte, dass ich immer noch die dreckigen Sachen von Gestern trug. Wieder ging ich in mein Zimmer und öffnete meinen Kleiderschrank. Zwischen den Klamotten zog ich ein schwarzes T-Shirt und eine rot - schwarz karierte Jeans heraus und schlüpfte in sie herein, nachdem ich meine alten Sachen ausgezogen hatte. Mein Kleiderstil war etwas Gewöhnungsbedürftig, das musste ich zugeben. Aber mir gefiel es.Mein Magen knurrte und mein Hunger führte mich in die Küche. Schließlich hatte ich seit einer Ewigkeit nichts mehr gegessen. Mein Frühstück musste ich mir selber machen, da Mum noch schlief. Die Uhr zeigte 6 Uhr an. Ich stöhnte. Na super, noch 2 Stunden bis die Schule anfängt. Aber ich wollte nicht zurück ins Bett, ich konnte jetzt eh nicht mehr schlafen. Genüsslich aß ich mein Butterbrot. Irgendwie war es ein gutes Gefühl mich nicht Hetzen zu müssen. Dann sah ich plötzlich die Bilder von Gestern in meinem Kopf. Das Monster wie es auf mich zuflog, Robyn wie er mich aus dem Bahnhof zerrte… Ich würde nur zu gerne wissen, warum er gestern so panisch gewesen war und ich so schnell nach Hause musste. Meine Mutter war bestimmt nicht der Grund. Und dann traf es mich wie ein Blitz. Robyn meinte doch zu mir, ich würde darüber heute in der Zeitung lesen. Wie von der Tarantel gestochen raste ich die Treppe hinunter zum Briefkasten. Ich griff nach der Zeitung und lief wieder hoch in die Wohnung. Geschockt ließ ich mich langsam in den Stuhl am Esstisch sinken, als ich die Schlagzeile sah:

SIEBENFACHER MORD AM BAHNHOF

Sofort las ich den Artikel darunter.

Die Polizei tappt im Dunkeln. Wie aus dem Nichts wurden gestern 7 Menschen mitten in der Menschenmenge am Bahnhof ermordet. Unter den vielen Passanten hatte niemand mitbekommen, wer der Mörder war und wie sie so brutal sterben mussten. Mehrere Polizisten mussten die panische Menschenmenge beruhigen. Der Mörder ist weiterhin unbekannt und es wird vermutet, dass es kein Mensch war.

,,Guten Morgen. So früh schon wach?', sagte eine Stimme. Mit offen stehendem Mund schaute ich auf. Mum stand im Bademantel in der Tür und sah ziemlich verschlafen aus. Doch als sie mein Gesicht sah, wurde ihr Blick besorgt.
,,Schätzchen, was ist denn los?'
Ohne etwas zu sagen streckte ich ihr die Zeitung hin. Sie nahm die Zeitung und ihr Gesicht wurde auf einmal richtig blass.
Sie wendete den Blick von der Zeitung ab und wir schauten uns ziemlich lange an. Ich schluckte.
,,Das ist los.'
,,Das gibt es doch nicht… Wie…', murmelte sie vor sich hin.
,,Genau das denke ich auch gerade.'
Ratlos schüttelte sie den Kopf und legte die Zeitung mit dem Artikel nach Unten auf den Tisch.
,,Hast du schon gegessen?'
Ich nickte nur und starrte zu Boden. Sie seufzte und verließ die Küche.
Erneut stiegen die Fragen in mir hoch. Warum wusste er, dass im Bahnhof Leute ermordet wurden? Warum wusste er, dass das am nächsten Morgen in der Zeitung stand? Und war er ein Hellseher? Mein Schutzengel?
Robyn war nicht normal, er hatte ein tiefes Geheimnis. Aber genau das faszinierte mich. Seit ich ihn kennen gelernt hatte, hatte sich mein Leben schlagartig verändert.
Jeder Tag war ein Überlebenskampf und schon oft war ich dem Tod nur knapp entkommen.Ich musste unbedingt herausfinden, was er damit zu tun hatte. Was er über diesen Mord wusste und was sein Geheimnis ist.
Erneut schaute ich auf die Uhr. Halb 7. Ich schlüpfte in meine Turnschuhe und schnappte mir meine Lederjacke. Gerade als ich aus der Tür gehen wollte, hielt mich meine Mutter auf.,,Wo willst du hin?' Sie klang ungewöhnlich besorgt.
,,Nur in den Park.', sagte ich trocken.
,,In den Park?'
Ich nickte.
,,Soll ich dich nicht fahren?'
Meine Augenbrauen zogen sich zusammen.
,,Warum willst du mich fahren? Du hast mich noch nie gefahren. Und musst du nicht zur Arbeit?'
,,Arbeit ist erstmal unwichtig.'
Verständnislos schaute ich sie an.
,,Da draußen rennt ein brutaler Mörder rum und du willst einfach so im Park rumlaufen?!', brüllte sie.
Dazu konnte ich nichts sagen. Eigentlich wollte ich eigentlich nur an meinen Lieblingsplatz, wo ich seine Stimme das erste Mal vernahm. Ohne ein weiteres Wort verließ ich die Wohnung und steuerte Richtung Park zu.

Sicher wusste er, wo ich war. Bis jetzt hatte er das immer gewusst. Auch wenn ich nicht ganz verstand, wie. Aber das würde ich auch noch herausfinden.
Nur wenig später betrat ich den Park. Hier war wohl der einzige grüne Fleck in der ganzen Stadt. Ich hasste diese grauen Betonwände, diesen Großstadtdschungel. Deshalb war der Park mein Lieblingsplatz.
Ich lehnte mich auf das Geländer einer Brücke mit dem Gesicht zum Bach. Die Bäume um mich herum leuchteten gold-gelb. Der Bach plätscherte und ich sah mein Spiegelbild darin. Es war wunderschön. Dann stand ich dort und wartete auf ihn.
Plötzlich spürte ich eine Hand auf meine Schulter. Mein Herz setzte für einen kurzen Moment aus, obwohl ich wusste wer es war.
,,Guten Morgen.', sagte er mit sanfter Stimme.
Daraufhin drehte ich mich zu ihm herum.
,,Hallo.' Ich lächelte.
,,So früh schon wach?'
,,Ich konnte nicht schlafen…'
Er nickte und war ganz in Gedanken.
,,Hast du es in der Zeitung gelesen?'
Anstatt zu antworten, nickte ich nur und sah ihn fragend an.
,,Woher…?'
,,…ich das wusste?', beantwortete er meine Frage.
Wieder nickte ich.
Er sagte nichts. Unsicher schaute er in alle Richtungen und suchte nach einer Antwort. Man konnte ihm ansehen, dass er mir die Frage nicht beantworten wollte. Aber er hatte keine andere Wahl.
,,Du musst mir ein paar Antworten geben. Bitte.' Ich sah ihn flehend an.
Ungeduldig tippelte er auf der Stelle herum.
,,Na gut. Ich werde deine Fragen beantworten, aber sei bitte nicht erschrocken.'
Erleichtert seufzte ich, aber mir war etwas mulmig in der Magengegend. Ob er schon wusste, was ich fragen wollte?
,,Meine erste Frage… Woher weißt du immer, wo ich bin?'
Er zögerte und biss sich auf die Lippe.
,,Das ist ein bisschen schwer zu erklären… Ich weiß es einfach. Ich kenne deine Gedanken, Gefühle… Es ist als ob ich dich schon mein Leben lang kenne.'
Darauf konnte ich nichts sagen und stellte einfach die nächste Frage.
,,Woher wusstest du, was gestern am Bahnhof passierte und dass es am nächsten Morgen in der Zeitung steht?'
,,Ich habe es vor mir gesehen. Irgendwie wusste ich, dass etwas schlimmes passiert. Und die Presse ist doch überall.'
,,Du weißt immer, wo ich bin und siehst Dinge in der Zukunft?'
Robyn blickte zu Boden.
,,Es ist nur, dass ich dich beschützen muss. Das waren nicht die einzigen Morde. Vielleicht klingt es ein bisschen merkwürdig, aber ich sehe Gefahren in der Zukunft. Und immer bist du darin verwickelt. Ich weiß noch nicht warum, aber ich kann mir denken, dass es einer auf dich abgesehen hat.'
Fassungslos sah ich ihn an.
,,Auf mich? Aber… Warum hat dieser Jemand dann diese ganzen anderen Menschen ermordet?'
,,Ich weiß es nicht.'
Mein Kiefer klappte herunter. Wie versteinert stand ich da und starrte ihn an. Kurz darauf brach ich zusammen. Das war einfach zu viel für mich. So viel Angst hatte ich noch nie in meinem Leben. Die Tränen flossen wie ein Wasserfall an meinen Wangen hinab, ohne das ich es kontrollieren konnte.
Verzweifelt schnappte ich nach Luft. Ich war total hysterisch. Sollte ich jetzt schon sterben? Mit 17? Und warum ausgerechnet ich?
Robyn kniete sich vor mich nieder. Besorgt nahm er meine Hände und legte seine Stirn an meine.
,,Alles wird gut, keine Sorge.', beruhigte er mich. Ohne Erfolg.
Dann legte er seine Hände an meine Wangen.
,,Du musst dich beruhigen, es wird dir nichts passieren. Ich werde dich beschützen. Koste es, was es wolle.'
Ich schniefte. Langsam richtete er sich vor mir auf und zog mich mit sich nach Oben.,,Komm, es ist schon spät. Wir müssen in den Unterricht.'
Ein Stöhnen konnte ich mir nicht verkneifen. Na Klasse. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Hinter mir ist ein Mörder her und ich muss in die Schule. Schön, dann verbringe ich meine letzten Stunden mit Lernen, meiner Lieblingsbeschäftigung. Mit meinem Ärmel wischte ich mir die Tränen von der Wange.
Nur sehr wackelig stand ich auf den Beinen. Wie immer nahm er mich auf seinen Rücken, aber diesmal wehrte ich mich nicht. Ohne ihn würde ich wahrscheinlich auf der halben Strecke abkratzen. Ich wusste nicht wie ich die Schule überstehen sollte. Vielleicht würde mich meine Mutter ja abholen, wenn ich Glück hätte.
Oder ich täuschte vor, in Ohnmacht zu fallen. Ja genau, vielleicht sollte ich das wirklich machen. Auf Mathe mit dem ollen Döhping hatte ich jetzt gar keine Nerven für. Und Robyn saß auch nur in Musik neben mir.







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