Im Schutz der Dunkelheit

Autor: Zeilenschreiber.
veröffentlicht am: 18.10.2009




Doch nichts dergleichen passierte. Ich war immer noch am Leben. So schnell, wie das Monster auf mich zu geflogen war, musste ich schon längst tot sein. Vorsichtig öffnete ich meine Augen und ich konnte verschwommen vor mir jemanden erkennen, der mit den Armen winkte. In meiner Panik hatte ich um mich herum überhaupt nichts mehr mitbekommen.
Noch immer konnte ich mich nicht bewegen. Diese ganze Situation war einfach schrecklich. Was sich hier gerade abspielte, konnte ich mir nicht erklären. Und wer war er vor mir? Mein Retter?
Seine rot-braunen Haare schwangen sanft im Rhythmus des Windes und dann musste ich an Robyn denken. Darauf bemerkte ich, dass es sich tatsächlich um Robyn handelte.Ruckartig drehte er sich um, packte mich am Arm und zerrte mich mit sich. Genau wie in meinem Traum. Vielleicht konnte ich in die Zukunft sehen.
,,Lass dich nicht so hängen. Komm, wir müssen auf der Stelle weg von hier!' brüllte er verzweifelt.
Aber ich war wie in Trance. Erstmal musste ich mir klar machen, dass ich eben fast gestorben wäre. Doch ich konnte nicht, mein Körper wehrte sich. Er sträubte sich förmlich. Es war wie, als wären meine Körperteile nervenlos. Der Gedanke frustrierte mich und mein Blick schweifte über den See.
,,Kim!' schrie er.
Daraufhin hob er mich grob hoch und nahm mich auf seinen Rücken. Er schüttelte den Kopf.Mit mir auf meinem Rücken waren wir viel schneller. Noch einmal blickte ich zurück. Das Monster aus meinem Traum stand am Ufer des Sees und folgte uns mit seinem Blick.Ich klammerte mich um Robyn und legte meinen Kopf auf seine Schulterblätter. Es kam mir so vor als ob wir schwebten. Seine Schritte spürte ich überhaupt nicht. Der Wind streifte wild durch unsere Haare. Die Bäume flogen an uns vorüber, wir mussten ein ungeheures Tempo haben. Doch ich fühlte mich auf seinem Rücken sicher. Ich redete mir ein, dass jetzt alles vorbei und ich in Sicherheit war.
Nach einer Weile hielt er an und ließ mich vorsichtig herunter. Wir hatten den Wald verlassen und standen auf einer Lichtung vor einer Landstraße. Er seufzte lang und ausgiebig.,,So jetzt sind wir in Sicherheit.', sagte er. ,,Was ist nur los mit dir?'
Meine Wangen zogen sich nach oben. Ich lächelte. Jedoch konnte ich nicht antworten. Obwohl ich schon vieles erlebt hatte, hatte es mich vielleicht doch zu sehr mitgenommen. Von so mancher Schlägerei bis hin zum Komatrinken. Doch das alles war nichts gegen das, was ich eben erleben musste. Alles zog in einem Schleier an mir vorbei. Robyn packte mich an der Schulter und rüttelte mich.
,,Kim!', schrie er. Er klang total verzweifelt. ,,Was ist denn los?'
Dann taute ich langsam auf. Ich blinzelte in das Sonnenlicht. Es war hier deutlich heller, als zuvor im Wald.
,,Ich…', brachte ich nur heraus und dann fühlten sich meine Beine plötzlich wie Gummi an. Auf einmal sah ich nur noch schwarz. Ich schwankte und kippte schließlich um, doch Robyn fing mich auf und legte mich ganz sanft auf die Erde.

Ich öffnete die Augen. Ich lag in seinen Armen und er lächelte mich an. Er sah wunderschön aus. Sein Gesicht war wie gemalt und seine grünen Augen strahlten. Die Bäume rauschten durch den Wind und ein paar Blüten tanzten durch die Luft. Eine landete auf seinem Gesicht und er pustete sie weg. Ich lächelte.
,,Endlich', murmelte er und seufzte erleichtert.
Ich stöhnte. Mein Kopf dröhnte und ich hatte das Gefühl, dass er gleich platzte. Mit seiner Hilfe rappelte ich mich hoch und er stützte mich. Am liebsten hätte ich für immer in seinen Armen gelegen. Alles drehte sich und ohne ihn wäre ich wahrscheinlich wieder hingefallen.,,Geht es dir wieder besser? Was war denn los?', fragte er.
,,Ich… Ich weiß es nicht. Plötzlich habe ich nur noch schwarz gesehen und bin umgekippt.', stammelte ich.
,,Und das davor?'
Ich zögerte.
,,Ich weiß es nicht.'
Er zog die Augenbrauen zusammen. Doch ich wusste wirklich nicht, was mit mir los gewesen war.
Er legte seine Hände sanft an mein Gesicht. Er sah ziemlich besorgt aus.
,,Kim, wenn dir etwas zustoßen würde, könnte ich mir das nie verzeihen. Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht…'
Er seufzte. Sein Gesicht war ganz nah an meinem und mein Herz klopfte wie wild.,,Keine Alleingänge mehr… bitte.'
Ich nickte nur. Sein Gesicht war so wunderschön, dass es mir die Sprache verschlagen hatte. Schweigend standen wir endlos lange so da und blickten uns in die Augen.
,,Hm…', murmelte er.
Dann nahm er seine Hände von meinem Gesicht.
,,Am besten ich bringe dich jetzt nach Hause und du ruhst dich noch ein bisschen aus.'Wieder nickte ich und wollte meine Fragen nicht stellen. Zum Beispiel, warum er mich wieder gerettet hatte und warum er von dieser Gefahr wusste.
Er nahm meine Hand und wir gingen gemeinsam die Landstraße entlang, Richtung Stadt.,,Es ist schon spät. Die anderen haben bald Schulschluss. Wir könnten mit dem Zug fahren, dann bist du schneller zu Hause und deine Mutter merkt nicht, dass du nicht in der Schule warst.'
Darauf bejahte ich. Komisch. Er fragte mich gar nicht, warum ich geschwänzt hatte und warum ich im Wald gewesen war. Doch ich spürte, dass ihm auch Fragen auf der Zunge brannten.
Die Landstraße ließen wir hinter uns und erreichten bald den Bahnhof. Dort war es ungewöhnlich leer.
Robyn kaufte zwei Tickets, dann setzten wir uns auf eine Bank und warteten auf den Zug. Bis ich schließlich das Schweigen brach. Die fragen sprudelten nur so aus mir heraus.
,,Warum hast du mir wieder das Leben gerettet? Ich war doch selber Schuld, dass ich wieder dort hin gegangen bin, obwohl du mich gewarnt hast.'
,,Sollte ich dich sterben lassen? Ich kann nicht zulassen das dir etwas passiert. Das hab ich dir doch schon gesagt.'
Ich zögerte.
,,Und woher wusstest du, dass ich im Wald war?'
Jetzt zögerte er.
,,Ich… ich habe mir das schon gedacht.'
Verwirrt runzelte ich die Stirn.
,,Kim, du wärst fast gestorben!', schrie er schon fast.
Ich biss mir auf die Lippe, denn ich wollte nicht weinen. Doch dann konnte ich meine Tränen nicht mehr zurück halten und sie flossen wie ein Wasserfall über mein Gesicht. Er seufzte.,,Kim, was ist nur los mit dir?'
Statt ihm zu antworten, schwieg ich nur. Eigentlich wusste ich gar nicht, was mit mir los war. Vielleicht der Schock, vielleicht die ganze Situation in den letzten Wochen. Seitdem ich Robyn kennen gelernt hatte, hatte sich mein Leben total geändert.
Mein Gesicht vergrub ich in meinen Händen, denn ich wollte nicht, dass er mich so sah. Es war mir total peinlich.
Hoffentlich beobachtete uns niemand. Er legte seinen Arm um meinen Kopf und ich legte meinen Kopf an seine Brust. Immer diese Heulerei… Es gab nichts schlimmeres für mich als in der Öffentlichkeit zu weinen.
Schließlich traf der Zug auch schon ein. Mit meinem Ärmel wischte ich mir meine Tränen weg und stieg mit ihm in den Zug. Wir setzten uns in einen Wagon, der ziemlich leer war und uns fast niemand zuhören konnte. Der Zug fuhr los und wir setzten das Schweigen fort. Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter und schloss die Augen. Kopfschmerzen hatte ich immer noch. Doch bei ihm fühlte ich mich wohl und sicher. Er strich sanft über mein Haar bis der Zug anhielt.
Als ich meine Augen öffnete, lächelte Robyn wieder. Er nahm mich an der Hand und wir stiegen gemeinsam aus dem Zug. An diesem Bahnhof war es schon voller. Dieser Bahnhof lag genau im Zentrum und war auch deutlich größer als der zuvor. Viele Schüler tummelten sich und drängelten sich an uns vorbei in den Zug. Sie hatten wohl schon frei. Ein paar Tauben hatten sich versammelt und pickten die letzten Reste von einem Brötchen auf. Eine Durchsage, die ich nicht verstehen konnte, hallte durch den Bahnhof.
Robyn strahlte über das ganze Gesicht. Es machte mich glücklich ihn so zu sehen. Wir stiegen die lange Treppe hinunter. Viele Leute kamen uns entgegen und am Ende der Treppe, waren so viele, sodass wir uns durch kämpfen mussten. Robyn hielt mich dabei fest an der Hand, damit ich ihn nicht verlieren konnte.
Immer wieder knallte ich gegen manche Personen oder wurde selber angerempelt. An der Decke waren Schilder befestigt, die anzeigten mit welcher Treppe man welches Gleis erreichte. Zwischen den vielen Menschen konnte ich am Ende des langen Ganges einen Ausgang entdecken.
Plötzlich blieb Robyn mitten in der Menschenmenge stehen. Sein Blick war sehr konzentriert und er murmelte irgendetwas vor sich hin.
,,Was ist los?', fragte ich. Wir konnten hier nicht stehen bleiben, denn wir würden alle aufhalten. Ich zog ihn aus der Menschenmenge. Doch er antwortete mir immer noch nicht.

Schmollend verschränkte ich die Arme vor meiner Brust. Dann erstarrte sein Gesicht und er wurde total blass.
,,Wir müssen hier sofort weg.', sagte er mechanisch ohne mich dabei anzusehen. Sein Blick schweifte über die Menschenmenge.
,,Warum?', fragte ich. Jetzt war ich total verwirrt. Natürlich mussten wir hier weg. Ich musste nach Hause, damit meine Mutter nichts bemerkte. Doch es war was ernsteres, sonst hätte er nicht so erst geguckt.
,,Komm!', rief er und packte mich ruckartig am Arm.
,,Was ist…' brachte ich nur heraus und dann zerrte er mich mit sich.
,,Was ist denn los?', brüllte ich verzweifelt. Die Leute um mich herum starrten mich schon an.
,,Wenn wir hier nicht sofort wegkommen, ist es vielleicht zu spät für dich.'
,,Ich weiß. Schließlich muss ich nach Hause bevor Mum etwas bemerkt.'
,,Das habe ich nicht gemeint. Wenn wir nicht sofort hier wegkommen, dann ist der Bahnhof das letzte, was du gesehen hast.'







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