Such mich im Meer

Autor: Jeany 11
veröffentlicht am: 07.08.2009




Baden wurde für mich zu einer Art Gewohnheit. Jeden Tag ließ ich mir eine Wanne ein, an manchen Tagen auch zwei. Ich hatte etwas entdeckt, einen Zufluchtsort aus dem raus, was ich mein Leben nannte. Ich hatte die Macht, meinen Prinz zu rufen, wenn ich ihn brauchte.
Ich musste nur das Wasser in die Wanne laufen lassen, und schon kam er, stand vor mir, beglückte mich. Aber ich meine nicht nur auf sexueller Weise. Er holte mich heraus aus all dem, was mich so ankotze. Er holte mich heraus und ließ mich fliegen. Ließ mich Haily sein, nackt und frei.
Mit jedem Mal, wenn ich wieder aus der Wanne heraus musste, und mein Prinz ging, wurde mein Verlangen stärker diesen Moment nicht mehr nur als einen Moment genießen zu müssen, der mir mit ihm blieb, sondern den Moment zu meinem Leben zu machen.Zu einem Leben, was ich mir so sehr wünschte.
Ganz und gar ich selbst sein. Ganz und gar meinen Wünschen und Träumen folgen. Ganz und gar begehrt zu sein.
Es gibt in diesem Moment keine Arbeit, die meinen Prinz aufhält bei mir zu sein.
Es gibt in diesem Moment keine Nachbarn und Gerede - wenn ich lächeln will, dann darf ich lächeln, wenn ich nicht lächeln will, dann darf ich nicht lächeln.
Es gibt in diesem Moment keine Routine, kein Trott, kein sich immer drehender Kreislauf.Es herrscht Spontaneität, Freiheit, Individualität und Glück.
Warum ist es denn nur immer mein Moment? Wieso kann das nicht mein Leben sein?

Ich werde wohl verrückt.


'Erzählen Sie mir, Haily, sind sie seither noch einmal nachts für Ihren Mann aufgestanden?' - 'Nein! Nein, ich stehe seither nicht mehr nachts auf. Ich höre seither auch kaum mehr sein Auto vor der Türe, somit werde ich auch nicht wach.
Ab und zu höre ich es, aber dann möchte ich einfach nicht mehr aufstehen.' - 'Wie reagiert ihr Mann darauf, Haily?' - 'Ich weiß es nicht! Die erste Zeit kam er immer noch hoch um mich zu wecken. Aber mit jedem Mal, wo ich dann doch nicht mit ihm runter kam, hat er die Hoffnung wohl aufgegeben und nun kommt er auch gar nicht mehr.
Ich glaube, er kann sich schnell umgewöhnen, wissen Sie. Jetzt ist es für ihn normal, dass seine Frau nachts nicht im Nachthemd an der Türe auf ihn wartet. Jetzt ist es normal, dass er alleine seine Schlüssel ablegen muss, alleine seine Jacke aufhängen und die Tasche abstellen muss, alleine sein aufgewärmtes Essen essen muss und alleine selbstzufrieden grinst. Jetzt ist es normal, jetzt ist es jede Nacht, jetzt ist es in Ordnung. Hauptsache alles ist in Ordnung!' - 'Hat er Sie nicht mehr darauf angesprochen, oder gefragt, ob etwas nicht stimmt?' - 'Das würde er nie machen. Er würde es nicht wissen wollen, er würde damit nicht umgehen können. Held der Arbeit, Verlierer Zuhause. Aber selbst wenn er den Mut aufbringen würde, wo auch immer dieser Mut auf einmal herkommen sollte.. wann sollte er denn die Frage stellen? Seitdem ich nachts nicht mehr aufstehe, sehen wir uns morgens maximal 5 Minuten, im Vorbeigehen. Ich mache sein Frühstück, er wäscht sich, er kommt herunter, nimmt Aktentasche, Jacke und Schlüssel, gibt mir einen Kuss auf die Wange und geht. Viel Zeit für Gespräche bleibt da nicht.' - 'Wie sieht denn ihre gemeinsame Wochenendplanung aus? Gibt es da keinen Raum für gemeinsame Unternehmungen?' - 'Meistens ist er am Wochenende in anderen Städten. Geschäftlich natürlich. Und wenn er doch mal ein Wochenende frei hat, dann verbringt er es mit großer Hingabe und Leidenschaft auf dem Golfplatz. Er liebt das Golfen. Manchmal, manchmal habe ich mir gewünscht einmal nur sein Golfschläger zu sein. Er berührt seinen Golfschläger unsittlicher als seine eigene Frau, er begehrt seinen Golfschläger mehr als seine eigene Frau, ich möchte fast behaupten, er liebt seinen Golfschläger, mehr als seine eigene Frau.' - 'Als Sie! Sie sind seine eigene Frau..' - 'Ja, das war ich mal. Ich war lange seine Frau. Mit Herz. Mit Hoffnung. Mit Hingabe. Mit Eifer. Mit aller Kraft und allen Mitteln, die ich hatte. Aber jetzt, jetzt habe ich es endlich erkannt. Jetzt habe ich endlich erkannt, dass all dass, worin ich all die Jahre investiert habe, ein riesiger Haufen Scheiße ist.
Ich habe mein Herzblut investiert, mein Wesen, meine Kraft, und was hat er investiert? Geld! Geld, Geld! Nichts weiter als Geld. All sein Wesen und seine Kraft haben wir nie bekommen, all das bekam sein Job und am Wochenende seine Golfschläger. Wir bekommen nur das, was dabei raus kommt: Das Geld. Nur das was eben raus kommt: Scheiße!'







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