Such mich im Meer

Autor: Jeany 11
veröffentlicht am: 31.07.2009




'Wie geht es Ihnen heute, Haily?' - 'Gut! Mir geht es gut.' - 'Das freut mich, Haily! Sie sehen auch sehr gut aus heute!' - 'Danke!' - 'Mir scheint, als wäre etwas Schönes passiert!' - Ich lächele 'Ja.. ja, es ist etwas Schönes passiert. Ich habe in meinem kalten, leeren Märchenschloss ein kleines Zimmer entdeckt, wo ein Feuer brennt. Wo ein Sessel steht. Wo ich mich für einen kurzen Moment, aber einem wundervollen und großartigen Moment, niederlassen konnte und ich mich am Feuer wärmen durfte.'

'Schatz!', höre ich es flüstern. 'Schatz!'. Meine Augen öffnen sich müde. Da steht er vor mir. Seine Jacke noch an, den Schlüssel in der Hand. Die Aktentasche in der Anderen. 'Was ist los?!', frage ich.
Da sind wir beide. Mein Ehemann und ich in unserem Schlafzimmer. Er schaut mich an. Wie ein kleiner Junge. Ein kleiner, verzweifelter Junge, der nachts bei seiner Mutter am Bett steht, weil er nicht schlafen konnte.
Er, der doch alles im Griff hat, bei dem doch alles in Ordnung ist. Der Held der Arbeit, steht vor mir, und hat es nicht geschafft, seinen Schlüssel in die Schale zu legen, seine Jacke abzulegen und die Aktentasche abzustellen, ohne das ich an der Tür stehe, mit einem Nachthemd bekleidet, um ihm dabei Gesellschaft zu leisten.
Er sucht nach Worten: 'Ich.. ich hatte erwartet.. ich.. es war seltsam, du warst nicht unten, als ich kam!', stotterte er. Fassungslos.
Diese Nacht war es nicht wie immer. Nicht der gewohnte Trott, nicht der sich immer drehende Kreislauf. Nicht in Ordnung.
Meine Beine zitterten, auch für mich war es neu und ich konnte mir auch nicht erklären, warum ich diese Nacht nicht aufgewacht bin, als ich sein Auto hörte. Ich wache normalerweise immer auf.
Aber, warum sollte ich aufwachen? Warum sollte ich jede Nacht aufstehen, meine Hausschuhe anziehen, die Treppen hinunter gehen, mir ein Glas Wasser holen und ihn im Nachthemd an der Tür empfangen, um ihm anschließend beim Essen zuzugucken? Weil ich seine Ehefrau bin?
Mit ist klar, dass das die einzige Zeit ist, wo ich ihn sehe, mir ist klar, dass das alles ist, was uns geblieben ist. Aber, lohnt es sich noch? Lohnt es sich überhaupt für das kleine Bisschen, was wir unsere Ehe nennen, noch aufzustehen? Mich aufzuraffen?
'Tut mir Leid, ich habe dich nicht kommen hören!', sage ich. Er nickt. Aber er sieht, er merkt, dass etwas nicht stimmt. Dass seine Welt anfängt zu bröckeln. 'Na ja, hast wohl heute einen tiefen Schlaf, Schatz! Deswegen bin ich gekommen, dich zu wecken! Kommst du mit runter? Ich wollte jetzt essen!', er macht einen Schritt auf die Türe zu, als wolle er mir den Weg weisen. Er will alles wieder in Ordnung machen. Er will zum Trott, er will den Kreislauf weiter drehen. Es darf sich nichts ändern!
Kurz muss ich überlegen. Die Gewohnheit drängt in mir drin aufzustehen, mir die Hausschuhe an zuziehen und mit ihm zu gehen, aber ich, und ich kann es kaum fassen, ich, Haily, sage in diesem Moment: 'Nein, ich bin müde! Das Essen steht, wo es immer steht! Lass es dir schmecken! Gute Nacht!'.
Ich lege meinen Kopf nieder und drehe mich um. Ich will ihn jetzt nicht sehen. Ich will jetzt nicht den Schmerz sehen, der sich in seinen Augen zeigen wird. Diesen Schmerz, dass er erkennen muss, dass nichts in Ordnung ist, dass sich Dinge ändern können, dass nichts immer so funktioniert, wie er es kennt, wie er es braucht.
Mich kann ich jetzt sehen. Ich bin hier. Das bin ich, Haily. Aber ihn, ihn kann ich so nicht sehen.







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