Such mich im Meer

Autor: Jeany 11
veröffentlicht am: 20.06.2009




'Entschuldigen Sie, Haily, wenn ich jetzt persönlich werde. Sie müssen die Frage nicht beantworten, wenn Sie es nicht wollen. Wann waren Sie das letzte Mal intim mit ihrem Mann?' - 'Das letzte Mal intim?' - Ich muss lachen, aber ganz sicher nicht aus Freude. 'Das weiß ich schon gar nicht mehr. Vielleicht, als wir meinen letzten Sohn gezeugt haben? Es ist jedenfalls ewig her.' - 'An wem liegt es? An Ihnen, an Ihrem Mann? An Ihnen beiden?' - 'An wem es liegt? Es liegt an uns. Unsere Ehe.. unser Leben, scheint, wenn man es von außen betrachtet, wie ein wundervolles Märchenschloss, mit goldenen Toren, einem weißen Schimmel vor der Pforte und rosa Gardinen an den Fenstern. Aber gehen Sie nur einen Schritt in dieses so entzückende Märchenschloss, werden sie eine leere, dunkle Halle vorfinden, in der es kalt ist, ungemütlich. In der man nur sein eigenes Echo hört! Und Sie werden sich wünschen, nie durch das goldene Tor gegangen zu sein!'.


So erschreckend und beängstigend das Ereignis letzte Nacht in der Küche auch war, der Gedanke daran, der mir nicht mehr aus dem Kopf ging, erfüllte mich, wie in dem Moment, als es geschah, mit einem so wohligen und erfüllenden Gefühl, dass das Lächeln, welches ich nie vergaß, meine Lippen formte, weil ich mich wirklich danach fühlte. Kein erzwungenes Lächeln schmückte mich, kein krampfhaftes, kein 'Was sollen die Nachbarn denken?', kein 'vergiss es nicht' - Lächeln. Nein, diesmal war es mein Haily Lächeln.


Der Klempner kam gegen Mittag, natürlich zwei Stunden verspätet.Er stellte seinen Werkzeugkoffer neben dem Spülbecken ab. Kramte lustlos eine Zange heraus, schraubte hier ein bisschen, drehte dort ein bisschen. Schaute genauer hin. Bis er sich irgendwann in den Rücken lehnte, seine Kappe ein Stück vom Kopf hob, um sich darunter zu kratzen und murmelte: 'Ich kann nichts finden! Hier ist alles in Ordnung!'.

Hier ist alles in Ordnung. Wie sollte es auch anders sein, in diesem perfekten Haus? Hier war immer alles 'in Ordnung'. Selbstverständlich ist auch die Wasserleitung in Ordnung, wie sollte es anders sein.


'Alles in Ordnung mit den Wasserleitungen? Das ist gut, mein Schatz!', er saß am Esstisch, wie jede Nacht, aß sein, in der Mikrowelle aufgewärmtes Essen und grinste, wie jede Nacht, so selbstzufrieden.Ich stand im Nachthemd, mit einem Glas Wasser in der Hand am Spülbecken. Hin und wieder erwischte ich mich, wie ich immer wieder zum Spülbecken hinüberspähte. Es war so seltsam, so unbeschreiblich das Gefühl.
Doch so stark und sehr ich an dieses Ereignis dachte, so sehr hat er es auch wieder verdrängt. So verwirrt, so erschüttert er letzte Nacht vor mir stand, so selbstzufrieden und 'wie jede Nacht' sitzt er jetzt wieder vor mir.
Kein Wort mehr darüber verlieren, was nicht in den Rahmen passt - so sein Motto. Etwas, was nicht in Ordnung ist, nicht zur Routine gehört, wird erstickt in seinem Keim und vergessen. Einfach vergessen! Den Schein bewahren. Alles ist doch in Ordnung, alles ist doch gut!

Diese Nacht öffnete ich meine Augen. Erhob mich aus meinem Bett, stieg in meine Hausschuhe und ging die Treppe hinunter. Alles war wie immer, alles war, wie es eben zu mir gehört, aber eine Sache war anders: Ich bin nicht aufgestanden, bin nicht hinunter gegangen, weil Ehefrauen das eben so tun, denn das Auto von meinem Mann habe ich noch gar nicht vor dem Haus gehört.
Ich bin aufgestanden, habe meine Hausschuhe angezogen, bin die Treppe hinunter gegangen, um mir ein Glas Wasser zu holen.
Ich fühlte mich so verrückt, gar fast wie eine Irre. Was machte ich da bloß? Mitten in der Nacht? Ich stehe früher auf, ehe mein Mann kommt, um mir ein Glas Wasser zu holen!Ich stand da, starrte auf den Wasserhahn. In mir drin dieses Verlangen, dieses tiefe Verlangen, dass es wieder passiert. Es sollte wieder passieren. Lass es wieder geschehen, lass mich wieder fühlen, wie letzte Nacht. Ich will die Gänsehaut, ich will dieses lustvolle, warme, wohlige Gefühl. Lass mich wieder Lächeln. Schenk mir diesen Moment.

Da hörte ich sein Auto, wie es vor dem Haus parkte.







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