Braune Augen sind gefährlich, aber in der Liebe ehrlich...

Autor: its mee_
veröffentlicht am: 06.06.2009




'Ja Mum, ich komme!', rief ich genervt und schaffte es endlich aufzustehen. Bis Mittag war ich im Bett gelegen. Ich hatte wieder geträumt. Von ihm. Vom Unfall. Es war ein grauenhafter Traum gewesen und wieder einmal hatte ich den ganzen Morgen lang geweint. Und ich hatte gestern schon gehofft, dass ich wieder glücklich sein würde können. Meine Mutter musterte mich misstrauisch, als ich mich zu ihr und meinem Bruder Jonas an den Tisch setzte. Meine Augen waren rot geschwollen. Kein schöner Anblick.
'Ach Schätzchen', seufzte sie und stellte mir einen Teller vor die Nase, 'Ich weiß, es ist schwer. Aber du musst darüber hinwegkommen!'
'Ich weiß, Mum', sagte ich und wieder kamen mir die Tränen. Energisch wischte ich sie weg und trotz Übelkeit begann ich zu essen. Ich wusste ja, dass meine Mutter Recht hatte. Aber ich konnte und wollte ihn nicht vergessen. Was ja auch keiner von mir verlangte, aber nach vorne sehen schaffte ich auch nicht. Und das war das Problem.
Ich aß schweigend, Jonas erzählte begeistert von seinem neuen Freund und meine Mutter hörte ihm lächelnd zu. Schließlich wandte sie sich zu mir. 'Hast du schon Freunde gefunden? Wer war denn zum Beispiel der Junge gestern Abend vor unserem Haus?', fragte sie mich. Ich zuckte unwillkürlich zusammen.
'Ich hab mich mit Miri angefreundet. Eine aus meiner Klasse. Ihr Bruder hat mich gestern nachhause gebracht. Er ist...', ich biss mir auf die Lippen. Meine Mutter sah mich erwartungsvoll an. '...ganz süß', beendete ich den Satz anders als geplant. Vielleicht war es keine gute Idee ihr zu erzählen, was er wirklich war. Mal ganz abgesehen davon, dass ich nicht gelogen hatte. Er war ja wirklich süß.'Na siehst du. Du kommst ja doch über Paul hinweg', sagte sie lächelnd. Bei seinem Namen liefen mir schon wieder die Tränen über die Wange. 'Mum! Musste das sein?', fragte Jonas vorwurfsvoll und gab mir ein Taschentuch. Ich lächelte ihn durch meinen Tränenschleier hindurch an und stürzte dann hinauf in mein Zimmer. Ins Bett vergraben und am liebsten sterben - das war im Moment das Einzige was ich wollte.
Plötzlich klingelte mein Handy. Ich sah auf das Display. Die Nummer war mir unbekannt. 'Ja?', hob ich ab. 'Hi Nela', sagte eine mittlerweile vertraute Stimme. Ein Schauder lief mir über den Rücken. 'Hi Leon', antwortete ich mit zittriger Stimme. Ob noch vom Weinen oder weil ich mit ihm telefonierte, war mir unklar.
'Bevor du fragst: Ich hab deine Nummer von Miri', sagte er. 'Ok', ich schickte im Stillen ein 'Danke' an meine Freundin.
'Ähm..also..die Sache ist die: Ich gebe demnächst eine Party. So im Sinne von: Juhu, ich bin wieder draußen. Und ich wollte dich fragen, ob du kommst?', lud er mich ein. Mein Herz machte einen Freudensprung. 'Klar, komm ich', sagte ich. Er sagte mir noch wann und wo und verabschiedete sich dann. Ich legte auf und stieß einen Freudenschrei aus, so dass meine Mutter besorgt in mein Zimmer hereinschaute und mich fragte, ob alles in Ordnung wäre, was ich mit strahlendem Gesicht bejahte. Wow, es ging also doch. Ich war glücklich. Seit so langer Zeit war ich endlich wieder einmal glücklich. Ich hätte die ganze Welt umarmen können.

Vor genau einem halben Jahr hatte ich meine große Liebe verloren. Er hieß Paul und wir waren fast ein Jahr zusammen. Angefangen hatte alles an meinem fünfzehnten Geburtstag. Meine Eltern erlaubten mir abends noch fortzugehen mit meinen Freunden. Wir gingen in einen Club, dessen Namen mir entfallen war. Dort wurde Alkohol auch an Minderjährige ausgeschenkt, deshalb waren wir bald alle ziemlich betrunken. Irgendwann wurde mir so übel, dass ich aufs Klo rannte. Als ich wieder zurück kam, fand ich meine Leute nicht mehr. Später erzählten sie mir, sie wären nur kurz raus gegangen eine rauchen, aber zu dem Zeitpunkt wusste ich das nicht. Ich war den Tränen nahe, der Alkohol machte, dass ich schnell weinte, als mich ein Junge ansprach. Ich ließ mich von ihm trösten und das war der Beginn einer wunderbaren Zeit. Paul und ich wurden unzertrennlich. Ich liebte ihn mehr, als alles andere auf der Welt und auch für ihn war ich zum wichtigsten Menschen auf Erden geworden. Kurz vor unserem Jahrestag machten wir eine Spritztour mit ein paar Freunden. Wir bemerkten den Hirsch auf der Fahrbahn zu spät. Der Fahrer hatte gerade erst den Führerschein gemacht und verlor sofort die Kontrolle über das Auto. Wir krachten mit vollem Tempo gegen einen Baum. Er und Paul, der auf dem Beifahrersitz gesessen hatte, waren augenblicklich tot. Die anderen kamen alle mit mehr oder weniger schlimmen Verletzungen davon. Immerhin hatten wir zu fünft auf der Rückbank gesessen und die Wucht des Aufpralls hatte uns alle zusammengequetscht, so dass die meisten mit Knochenbrüchen oder eben Quetschungen ins Krankenhaus geliefert wurden. Ich blieb vollkommen unverletzt, bis auf ein paar Prellungen und Kratzern, doch ich fiel ins Koma für mehrere Tage. Als ich wieder aufwachte, erzählten mir meine Eltern, dass Pauls Begräbnis bereits stattgefunden hatte. Niemand kann sich vorstellen, was ich die folgenden Tage und Wochen durchmachte. Ich isolierte mich vollständig von der Außenwelt und hoffte darauf, dass der Schmerz irgendwann wieder vergehen würde. Tat er aber nicht. Und als wir umzogen, hatte ich mich erst wieder so weit gefangen, dass ich ohne Tränen in den Augen atmen konnte. Umso mehr machte es mich jetzt froh, dass ich wieder lächeln konnte. Auch wenn mein Herz sich immer noch anfühlte, als würden tausend Messer es durchbohren. Scharfe, spitze Messer.







Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9 Teil 10


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz