Braune Augen sind gefährlich, aber in der Liebe ehrlich...

Autor: its mee_
veröffentlicht am: 24.05.2009




'Hallo Miriam', sagte Miris Mutter, als sie hinter den wunderschönen Augen, die übrigens zu einem großen, schlanken Jungen, wahrscheinlich Miris Bruder, gehörten, die Küche betrat.'Hi Mum. Das ist Nela. Eine Freundin von mir', stellte mich Miri vor und sah dabei die ganze Zeit ihren Bruder an. Ich fühlte mich zunehmend unwohler. Warum hatte ich nur 'Ja' gesagt?
Ich gehörte definitiv nicht hier her!
'Freut mich, Nela', Miris Mutter lächelte mich an, aber ich konnte sehen, dass auch sie sich mehr als unwohl fühlte. Ebenso wie Miris Vater, der auch in die Küche gekommen war.Die Situation war völlig absurd. Eine Familie ist nach langer Zeit wieder vereint, da der Sohn aus dem Knast zurück ist und sie muss feststellen, dass sie sich mittlerweile ganz fremd geworden ist. Daneben steht eine, im Prinzip, Wildfremde, die eigentlich überhaupt nichts mit dem Ganzen zu tun hat.
Der Junge sah seiner Schwester kurz in die Augen, drehte sich dann um und kurze Zeit darauf hörte man ihn eine Tür im oberen Stockwerk zuschlagen. Ich strich mir verlegen das schwarze Haar aus dem Gesicht und sah hilflos zu Miri. Diese stand anscheinend völlig unter Schock.'Möchtest du etwas trinken?', fragte mich ihre Mutter und ich schüttelte nur stumm den Kopf. Dann lief ich Miri nach, die auf einmal wie von einer Biene gestochen in ihr Zimmer raste.
'Verdammt!', rief sie, warf sich auf ihr Bett und vergrub das Gesicht im Kissen. Ich sagte nichts, sah mich nur um. Ihr Zimmer war klein, aber es hatte Miris Persönlichkeit. Helle Farben, ein paar Tierbilder an den Wänden, Fotos von sich, Familie und Freunden auf dem Schreibtisch und alles war aufgeräumt und ordentlich.
'Verdammt, verdammt, verdammt!', ertönte es aus Richtung Bett. Zögernd setzte ich mich zu meiner Freundin und überlegte krampfhaft, was ich sagen könnte. Mir fiel nichts ein. Ich musste daran denken, dass ich vor wenigen Sekunden einem echten Mörder gegenüber gestanden hatte. Ein Schauder lief mir über den Rücken.
Miri schluchzte und setzte sich ebenfalls auf. 'Ich bin eine total miese Schwester', sagte sie und sah mich an, als wartete sie auf eine Bestätigung.
'Ähm..', ich wollte ihr sagen, dass sie das nicht war, dass sie sich ganz normal verhalten hatte, so normal wie es unter diesen Umständen eben ging, aber sie unterbrach mich sofort.'Ja ich bin eine miese Schwester. Ober-mega-mies. Ich meine: Wir haben uns früher wirklich gut verstanden, weißt du? Er war mein großer Bruder, ich hab zu ihm aufgeschaut. Und dann passiert dieser Mord, ich weiß nicht mal genau wie und warum, aber trotzdem lasse ich mich von meinen Eltern überreden den Kontakt zu ihm abzubrechen. Bereits während des Prozesses wird er in ein Heim für Schwererziehbare gesteckt, dann kommt er in den Knast für zwei Jahre, da das Gericht anscheinend den Mord nicht so schwer gewertet hat, keine Ahnung, ich weiß ja nicht mal wie das alles passiert ist. Egal, auf jeden Fall verbringt er danach noch ein Jahr in irgendsoeinem Heim zur Besserung von Kriminellen, da meine Eltern Angst vor ihm haben, dieselbe Angst die sie mir auch einreden und dann kommt er heim und ich kann ihm nicht einmal in die Augen schauen, geschweige denn ihn begrüßen. Weißt du, wie mies das ist?', sie war wirklich am Boden zerstört.
'Ja, es ist mies', sagte ich und sie sah mich überrascht an. Wahrscheinlich hatte sie erwartet, dass ich sie trösten und ihr widersprechen würde. Was ich aber nicht vorhatte.
'Geh zu ihm und entschuldige dich. Rede mit ihm', trug ich ihr auf. Mehr sagte ich nicht dazu. Ich hatte keine Ahnung was ich von dem Ganzen halten sollte, aber ich fand, dass die beiden sich aussprechen mussten. Auch wenn ich mich geschmeichelt fühlte, dass mir Miri so vertraute, dass sie mir das Alles erzählte, wünschte ich mir doch, sie hätte mich da nicht mithinein gezogen. Immerhin kannte ich sie ja kaum.
'Ich kann nicht', sagte sie und machte keine Anstalten meinem Befehl zu folgen.'Doch, du kannst', erwiderte ich und zerrte sie hoch, 'Du musst!'
Sie sah mich zweifelnd an. Ich sah ihr fest in die Augen. 'Miri, das ist dein Bruder!'Sie nickte. Dann ging sie langsam zur Tür hinaus. 'Kannst du mitkommen?', flehte sie im Hinausgehen.
'Das ist eine Sache zwischen dir und deinem Bruder', sagte ich und schob sie den Gang entlang in Richtung seiner Zimmertür.
'Wenn du nicht mitkommst, geh ich auch nicht', wie ein trotziges Kind stampfte sie mit dem Fuß am Boden.
Alles in mir schrie, dass ich weg wollte. Weg von dieser Familie, die mich nichts anging. Aber andererseits mochte ich Miri sehr und ich hatte nicht vor sie im Stich zu lassen.'Na gut', seufzte ich und gemeinsam klopften wir an die Tür.
'Ja?', erklang eine tiefe Stimme von drinnen. Sie verursachte mir Gänsehaut. Miri holte tief Luft und drückte die Türklinke hinunter.
'Dürfen wir reinkommen?', fragte sie vorsichtig.
Er lag auf dem Bett, mit den Armen hinter dem Nacken verschränkt und starrte an die Decke.'Was gibt's?', brummte er, ohne uns anzusehen. Ich war kurz davor umzukehren, als mich meine Freundin an der Hand nahm und mich ins Zimmer zog. Ich konnte nicht umhin mir einzugestehen, dass der Typ wirklich gut aussah. Vielleicht ein Grund, weshalb ich mich so bereitwillig mitziehen ließ.
'Ich - bin echt froh, dass du wieder hier bist', begann Miri und beobachtete ihren Bruder ängstlich.
Er stöhnte und setzte sich auf. 'Ja, klar und es tut dir alles so Leid, bla bla bla, ... Wenn du nur hier bist, weil du Angst hast, dass ich dir, wenn du nicht freundlich bist, im Schlaf die Kehle aufschlitze, dann kannst du wieder verschwinden. Ich kann dich beruhigen, ich hab nicht vor eines meiner Familienmitglieder umzubringen, obwohl ich echt allen Grund dazu hätte.''Oh Mann, Leon, ich - ich weiß, dass wir uns scheiße verhalten haben, aber du bist mein Bruder und ich liebe dich. Tut mir Leid, dass diese Erkenntnis ein wenig spät kommt. Es tut mir wirklich Leid!', stammelte Miri verzweifelt und wieder wünschte ich mir weit weg zu sein. Das war mir alles zu privat. Ich kam mir vor, wie im falschen Film.
Leon stand auf und näherte sich uns ein paar Schritte. 'Ja, du hast Recht. Diese Erkenntnis kommt echt ein wenig spät', meinte er, aber dann breitete er die Arme aus und Miri fiel ihm weinend um den Hals.
Die Szene war wirklich rührend, fast kitschig, und ich bemühte mich krampfhaft irgendwo anders hinzusehen. Das Problem war nur, dass es nicht viel zu sehen gab. Leons Zimmer war auch nicht sehr groß und alles was sich darin befand, war ein Bett, ein Schreibtisch und eine Kommode. Es sah mehr als unbewohnt aus, was es wahrscheinlich auch die letzten drei Jahre gewesen war.
'Und du bist also Nela, ja?', fragte Miris Bruder mich und ich zuckte zusammen, als ich so unerwartet seine Stimme hörte.
'Ja', sagte ich und blickte verlegen zu Boden. Ich war nicht wirklich schüchtern, bin ich nie gewesen, aber aus irgendeinen Grund schaffte ich es nicht ihn anzusehen.
'Sie ist eine sehr gute Freundin von mir', sagte Miri und warf mir ein Lächeln zu. Ich lächelte zurück, freute mich, dass sie mich als sehr gute Freundin bezeichnete.
'Ich bin Leon', stellte er sich vor, 'Miris Bruder und wie du wohl weißt: kürzlich entlassener Sträfling.'
Sein Gesichtsausdruck verdunkelte sich, als er sich einen Sträfling nannte. Endlich schaffte ich es aufzusehen. 'Ja, ich weiß', sagte ich. Er blickte mich mit seinen dunklen Augen forschend an. Vielleicht wunderte er sich, dass ich keine Angst zeigte. Ich wunderte mich ja selber. Aber sie war weg. Ich fühlte mich sicher hier, obwohl ich einem Mörder gegenüberstand. Mörder. Er sah nicht aus wie einer. Sicher, er hatte irgendwie eine gefährliche Ausstrahlung und er wirkte verschlossen, tiefgründig. Aber trotzdem nicht wie ein Mörder. Überhaupt nicht.
'Okay, dann..', Miri sah sich unentschlossen um, 'Wie wär's wenn wir dir helfen würden, mal dein Zimmer ein wenig wohnlicher zu gestalten? Zum Beispiel mit einer Bettdecke und so 'nem Zeug.'
'Quatsch, ihr müsst mir nicht helfen. Geht raus zu euren Freunden oder sonst wohin. Wie gesagt: Ich bring euch nicht um, auch wenn ihr nicht für mich arbeitet', sagte Leon und grinste. Mein Herz klopfte etwas schneller. Die dunkelbraunen Haare fielen ihm in die Augen und als er sie wegstrich, wurde ich noch einmal von diesem unergründlichen Blick getroffen, der ihn unwiderstehlich machte. 'Ich würd' gern helfen', sagte ich ohne nachzudenken. 'So, würdest du?', fragte er und grinste wieder. Ich wurde rot. 'Wir würden beide gerne helfen', sagte Miri bestimmt.
'Alles klar', erwiderte er und sah sich um, 'Dann fangen wir an.'







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