Vom ewigen Alltagstrott, Jungs, komplizierten Gedanken und allerlei anderen Dingen

Autor: himbaereis
veröffentlicht am: 12.12.2009




Als wir nach dem Sonnenuntergang nach Hause gingen, befiel mich eine eigenartige Schwermütigkeit. Obwohl ich es wirklich versuchte, konnte ich die Tatsache, dass ich in weniger als einer Woche wieder in Deutschland war, nicht mehr richtig verdrängen. Ich war nicht einmal mit ihm zusammen…und trotzdem. Das Wissen, dass ich ihn erst in einem Jahr wiedersehen würde, machte mich fertig.
Trotzdem versuchte ich mir nichts anmerken zu lassen. Schließlich musste ich die Wärme und die Sonnenstrahlen hier genießen. Auch wenn jetzt noch eher Sternenschein war, umgaben uns das Rauschen des Meeres und Sommerluft.
Mein ganz persönlicher Sommernachtstraum. Ein Spaziergang mit Blödmann. Unter Australiens Sternenhimmel. Wunderschön war kein Ausdruck mehr.
Ich wünschte, dieser Abend würde nie zu Ende gehen.

'Hey Nina. Wir machen noch ein bisschen Party bei Simon in der Garage. Bist du dabei?''Ich…ich würde wirklich gern…aber ich glaube nicht, dass meine Eltern da mitspielen. Die haben sich da immer etwas pingelig. Von wegen ich bin erst 14 und darf nicht und so weiter. Tut mir Leid Jungs…'
'Schade…aber morgen am Strand. Da bist du auf jeden Fall wieder dabei oder?'
'Sicher. Den Spaß lasse ich mir nicht entgehen.'
'Tja dann. Also komm gut nach Hause. Und schlaf gut und so.'
'Klar. Ihr auch. Sauft nicht so viel…und bleibt anständig.'
'Wir doch immer.'
'Ja bei diesem schmutzigen Gelache glaub ich es euch aufs Wort. Also dann bis morgen!''Bis morgen!'
Und damit verschwanden sie um die nächste Ecke.
Als ich auf die Uhr sah, bekam ich einen riesigen Schreck. Es war schon weit nach um 10! Verdammte Scheiße! Meine Mutter würde mich töten!
Schnell rannte ich zum Haus und kam atemlos an. Ich sah sie schon an der Tür stehen, als ich durch das Tor ging. Oh je…das würde ein fettes Donnerwetter geben.
Scheiße, Scheiße und nochmals Scheiße!

'Ach…die Dame hat es ja doch noch geschafft. Herzlichen Glückwunsch. Du hast dir gerade für deine letzten Tage Hausarrest erarbeitet.'
'Jaaaa. Na klar Mama. Gib mir hier für die restlichen Tage Hausarrest. Versau mir mein Leben. Klopf dir auf die Schulter…'
'Nicht in dem Ton mein Fräulein. Du hast wohl zu viel Sonne abbekommen?'
'Nicht genug trifft es glaube ich besser.'
'Nein warte. Hatten wir nicht gesagt, wenn du noch einmal zu spät kommst, wird Shane deine ständige Begleitung werden?'
'Kann sein?'
'Ja. Genau. Wir werden ihn gleich morgen fragen.'
'Wie…er weiß noch nicht einmal das er das Glück hat, mein Babysitter zu werden?!'
'Ähm…also na ja…'
Ha! Mit dieser Frage hatte ich sie.
'Und du denkst wirklich, dass er das macht?'
'Ach glaub mir…nach dem, was Sascha und Reggie mir so erzählt haben, wird er das sehr gern machen… Also freu dich, dass du eine ständige Begleitung hast.'
'Oh…na ganz toll. Und was haben Sascha und Reggie so erzählt?'
'Ich habe mich der Schweigepflicht unterzogen.'
'Ja sicher. Und ich werde demnächst anfangen, Mathe zu studieren.'
'Sei nicht immer so vorlaut und frech. Irgendwann wirst du durch deine undamenhafte Art tüchtig auf die Nase fallen.'
'Na hoffentlich breche ich sie mir nicht.'
'Das habe ich nicht gehört. So und nun marsch ins Bett.'
'Ja ganz bestimmt Mama. Ich werde definitiv nicht ins Bett gehen. Ich setz mich in den Garten und schau mir noch ein wenig die Sterne an.'
'Und woher weiß ich, dass du nicht auf irgendwelche Partys gehst?'
'Ganz einfach, weil hier nirgendwo eine Party steigt!'
'Gut. Na ja…ich will ja nicht so sein. Aber wenn wir wieder zu Hause sind, wird deine Unpünktlichkeit ein Nachspiel haben.'
'Ich tippe auf 2 zu 0.'
'Wie bitte?'
'Nichts. Gute Nacht, Mama.'
'Schlaf gut, Spätzchen.'

Auf dem Weg zu meinem Mäuerchen fluchte ich noch leise vor mich hin, verstummte dann aber schlagartig, als ich einen Schatten an der Mauer sah.
Mein Herz setzte kurz aus, als ich erkannte, wer es war.
'Blödmann.'
'Wow…du musst mich ja wirklich richtig hassen. Ich hab nicht mal was gesagt und du beleidigst mich schon.'
'Entschuldige…ich…ich wollte nicht Blödmann zu dir sagen. Ich war nur ziemlich…überrascht dich hier zu sehen.'
'Laut gedacht?'
Obwohl ich es nicht sehen konnte, war ich mir sicher, dass ein leichtes Grinsen seinen Mund umspielte.
'Sieht so aus…aber was machst du hier?'
'Willst du die Wahrheit…oder soll ich dich anlügen?'
'Kommt darauf an…was würde mir denn besser gefallen?'
'Tja. Das weiß ich eben nicht. Ich hab eigentlich eine echt gute Menschenkenntnis…aber dich kann ich kein Stück einschätzen.'
'Und lass mich raten. Das kommt daher, weil ich immer wieder so handle, wie du es nicht erwartest.'
'Ja. Woher weißt du das?'
'Twilight.'
'Achso. Na dann ist ja alles klar.'
'Sieht so aus…und was ist jetzt die Wahrheit? Und die Lüge?'
'Na ja…soll ich dir jetzt beides sagen oder wie?'
'Ja…also eigentlich schon.'
'Okay…und was zuerst?'
'Die Lüge.'
Die würde wahrscheinlich angenehmer sein.
'Ich bin eigentlich nur durch Zufall hier. Der Abend war mir einfach zu schön, um ihn im Haus zu verbringen…deshalb bin ich raus in den Garten, herumgewandert und dann irgendwann hier gelandet.'
'Okay…hört sich ja erst mal nicht schlecht an. Und was ist jetzt die grausame Wahrheit?''Na ja…sie ist mir etwas peinlich…'
'Sie ist dir peinlich? Oh…das ist ja ein toller Anfang…'
'Na ja…so spektakulär ist sie eigentlich auch nicht.'
'Na…wenn sie nicht so spektakulär ist…kannst du sie mir doch einfach sagen. Ich werde schon nicht sterben…ich kann das verkraften.'
'Ich hab hier auf dich gewartet.'
'Du…DU hast HIER auf MICH gewartet? Moment…warte. Beachte mich kurz nicht.'So schnell ich konnte…rannte ich nach draußen auf die Straße und fing an zu kreischen. Es war so toll, so rührend so…Wow. Einfach nur Wow. Ich hüpfte und sang und sprang und riss die Arme hoch und heulte und war am Rand meiner Nervenkraft.
Das war einfach zu viel Glück für einen Tag. Ich hatte nie gewusst, wie es sich anfühlt, wenn ein Herz vor lauter Glück und Freude platzt.
Ich hatte bis jetzt nur die gegenteilige Erfahrung gemacht. Gebrochene Herzen sind irgendwie normaler. Aber Herzen, die vor Glück explodieren…
So langsam musste in meinen Brüsten doch Stillstand herrschen. Da war in letzter Zeit so viel gestorben und explodiert.

'Hey…alles in Ordnung?'
'Ja…Alles super.'
'Hast du die Wahrheit verkraftet?'
'Ich denke schon.'
Ein Glück, dass es bereits so dunkel war. Wenn er mein strahlendes Gesicht gesehen hätte, wäre ihm alles klar gewesen.
'Sag mal…was war eben eigentlich los?'
'Öhm…ja also eigentlich gar nichts.'
'War es so verwunderlich, dass ich auf dich gewartet habe?'
'Ähm. Ja?'
'Wieso?'
'Na ja…weil ich eigentlich nicht so wirklich damit gerechnet hatte…'
'Tja. Wie du mir, so ich dir. Du machst ja auch nie das, was ich denke oder erwarte.''Ja…aber das du gleich auf mich wartest…also damit hätte ich nie im Leben gerechnet. Wie kommt es dazu?'
'Na ja…ich…ich…'
'Du?'
'Ich fand den ganzen Tag…und den ganzen Abend einfach nur toll…und ich hatte gehofft…''Ja?'
Erwartungsvoll sah ich ihn an. Trotz der Dunkelheit war ich mir sicher, dass er meinen erwartungsvollen Blick sah.
'Ich hab gehofft, dass du den Tag auch so toll fandest.'
'Ja…der Tag war wirklich wunderschön. Aber…das erklärt nicht, wieso du hier auf mich wartest. Willst du mich noch mal kidnappen?'
'Na ja. Ich hatte eher gehofft, dass du freiwillig mitkommst.'
Mein Herz machte einen Satz.
Er hatte gehofft, dass ich freiwillig mit ihm mitkam? Ich wäre ihm nie wieder von der Seite gewichen, wenn er mich gefragt hätte!
'Ich komme freiwillig mit. Wohin geht es denn?'
'Tja. Hier hört meine Planung auf. Ich hätte nicht erwartet, dass du mitkommst. Also…wohin würdest du denn gern gehen?'
'Gibt es hier irgendwelche schönen Orte? Oder irgendwo…wo man spazieren kann?''Na ja…also spontan würde mir meine geheime Bucht einfallen. Aber die kennst du ja bereits.'
Ob ich sie …als unsere Bucht bezeichnen könnte? Oder würde sich das zu sehr nach verknalltem Mädchen anhören?
Ich glaube…das würde zu viel Aufschluss über meine Gefühle für ihn geben. Ich ließ ihn in dem Glauben, dass es seine Bucht war.
Aber…mir gehörte sie ganz bestimmt genauso.
Denke ich.

'Ja mit deiner Bucht habe ich schon Bekanntschaft geschlossen. Aber gibt es hier nichts anderes? Ich meine…ihr lebt hier in Australien. Hier muss es doch irgendwo was ganz besonderes geben.'
'Kommt drauf an. Was verstehst du unter ‚ganz besonders'?'
'Na ja…halt…ganz besonders. Schön…traumhaft schön…' und romantisch. So romantisch, dass du mich vielleicht küssen könntest…
Ein wenig erschrak ich mich schon bei dem Gedanken…aber andererseits. Es stimmte ja. Ich wollte von ihm geküsst werden. Wahrscheinlich hatte ich es mir die gesamte Zeit über nicht eingestehen wollen…aber irgendwann muss ja jede Wahrheit mal ans Licht kommen.Und so sah es aus. Ich wollte, dass Blödmann mich küsste.
Die Vorraussetzungen waren ja im Prinzip da. Er wartete auf mich und hoffte, dass ich mit ihm in der Nacht einen Spaziergang machte.
Mir wurde warm ums Herz…als ich diesen wunderschönen Moment noch einmal Revue passieren ließ. Obwohl der Moment keine 10 Minuten her war…war ich bei der Erinnerung hin und weg.

'Und? Wo willst du nun hin?'
'Ja wohne ich hier? Oder du?'
'Wahrscheinlich ich…aber wir können ja einfach irgendwohin los laufen…und dann werden wir ja sehen, wo wir ankommen. Was hältst du davon?'
'Ja…das hört sich nicht schlecht an.'
'Na dann los.'
Es war wirklich dumm gewesen zu hoffen, dass er meine Hand nehmen würde. Trotzdem wurde ich das Gefühl nicht los, dass heute Abend irgendetwas ganz besonderes passieren würde.
Sei es ein Kuss von ihm oder irgendwas anderes.
Eins war sicher. Es würde etwas passieren.
Zuerst wanderten wir in Richtung Strand, machten dann aber einen Abstecher auf einen Weg, der durch diverse Baumschonungen führte.
Bäume am Strand. Na ja…nicht so ganz das, was ich mir vorgestellt hatte. Aber es war ein Anfang.
Als ich nach oben sah, konnte ich den großen Mond sehen. Er war umrahmt von tausenden und abertausenden von Sternen. Es sah wahnsinnig toll aus.
'Hey. Du sollst hier keine Wurzeln schlagen. Das erledigen die restlichen Bäume hier für dich. Komm weiter.'
'Ich dachte du hast keine Ahnung wo wir hinlaufen.'
'Hatte ich auch nicht. Aber jetzt ist mir was eingefallen. Also komm. Sonst ist es bald hell.''Oh Gott! Wie lange willst du denn laufen?'
'Na wenn du hier noch lange stehst, kann es auch die ganze Nacht dauern.'
Ich quiekte erschrocken.
'Bleib ruhig Nina. Das war 'n Witz. Wir sind bald da.'
'Es ist mitten in der Nacht und ich bin allein mit dir in einer Baumschonung. Also hör ja auf mich so zu erschrecken!'
Er lachte.
'Du bist süß wenn du Angst hast.'
'Ich hab keine Angst! Und ich bin nicht süß!'
'Was bist du denn dann?'
'Keine Ahnung. Aber definitiv nicht süß! Ich will nicht süß sein…nur kleine rosa Babys sind süß. Aber doch nicht…sowas wie ich!'
'Wie du meinst…'
'Ich meine aber sowas von!'
'Bleib ruhig kleine Eisprinzessin. Sonst wird dir noch warm…weil du dich so aufregst.''Fängt die Stichelei schon wieder an? Ich bin keine Eisprinzessin.'
'Ja…aber ich bin auch kein Blödmann.'
'Wa- …wie kommst du darauf?'
'Na meinst du etwa, dass ich nicht mitbekommen habe, dass du mich so nennst?''Wie…du meinst du weißt das ich dich…'
'Ach das machst du wirklich?'
'Ähm…nein also eigentlich nicht.'
Verdammt…ich merkte wie ich rot wurde.
Scheiße ich wurde sogar richtig rot. Tomatensuppenrot.
Oh Gott…hoffentlich konnte er meine leuchtende Gesichtsfarbe nicht sehen. Bitte, bitte lass ihn mein glühendes Gesicht nicht sehen!
'Na ja wie dem auch sei. Komm wieder in Bewegung, wir haben noch ein Stück zu laufen. Und…keine Angst. Du kannst dem Blödmann in der Hinsicht voll vertrauen.'
'Du bist lustig. Als ob ich eine andere Wahl hätte.'
'Die hast du doch. Du kannst auch gern allein zurücklaufen. Ob das allerdings so sinnvoll ist, wage ich zu bezweifeln.'
'Du bist so wahnsinnig unlustig, weißt du das?'
'Willst du dir nicht langsam mal neue Sprüche einfallen lassen? So langsam wird's langweilig. Immer nur dasselbe. Du bist unlustig, du bist ein Arschloch, du bist arrogant…du bist bescheuert. Wie wäre es denn mal mit neuen Sprüchen. Oder reicht dein Vokabular nicht aus?'
'Mein Vokabular reicht sehr wohl aus. Aber meine Geduld ist gleich zu Ende. Was soll das hier werden? Ein 'Erst schmalze ich Nina die Ohren voll und dann drücke ich ihr verbal eine rein' Spaziergang? Tolle Idee. Vielleicht warnst du mich nächstes Mal doch vor. Dann weiß ich was mich erwartet und sage nicht ja. Und…wenn du mich gleich wieder auslachst, weil mein Vokabular dir zu klein ist, dann ist mir das auch egal! Du bist ein blöder Riesenarsch!''Hey…jetzt komm mal wieder runter. Du weißt doch, dass das alles nie ernst gemeint ist. Also hör auf so ein Drama daraus zu machen. Außerdem hat Jake dir sicherlich schon erzählt, dass ich dich wirklich mag.'
Das war das erste Mal, dass er mir das ins Gesicht sagte. Ich fühlte, wie die Schmetterlinge in meinem Bauch flatterten und Freudenfeten schmissen.
Auch wenn es eigentlich nicht wirklich viel sagte…er mochte mich.
‚Als hättest du das nicht schon vorher gewusst. Natürlich mag er dich. Immerhin hat er seine Zeit freiwillig mit dir verbracht.'
Ich verfluchte die kleine, gemeine Stimme in meinem Hinterkopf.
Aber leider hatte sie Recht. Das Blödmann mich mochte, war keine wirklich bahnbrechende Neuigkeit.
'Ich weiß dass du mich magst. Jakob hat mir das doch schon alles erzählt…'
Kam das nur mir so vor, oder hörte ich mich gerade echt so niedergeschlagen an.
'Wieso auf einmal so niedergeschlagen? Stimmt irgendwas nicht?'
'Ach doch…alles in Ordnung. Lass uns weiterlaufen.'
Er sah mich besorgt von der Seite an und hatte auch allen Grund dazu. Diese plötzliche Niedergeschlagenheit war ja selbst mir nicht geheuer.
Aber sie war auch logisch.
Ich meine, welches verliebte Mädchen hört schon gerne, dass er sie nur mag?
Wieso konnte nicht mehr dahinterstecken?
Hätte er nicht wenigstens sagen können, dass er mich sehr mochte?
Fehlt nur noch der Satz 'Du bist ganz nett.'.
Nett ist der kleine Bruder von scheiße.

'Hey komm hör auf mir zu erzählen, dass alles in Ordnung ist. Was ist los mit dir?'
'Gar nichts. Mir geht's prima. Ehrlich.'
'Ja klar. Und ich kann fließend Russisch sprechen.'
'Was ist los mit dir?'
'Nichts.'
Mürrisch ging ich weiter.
'Hey Nina! Sag mir was los ist. Wenn du schlecht drauf bist, dann können wir auch gleich wieder zurück gehen.'
Ich blieb stehen und sah ihn an.
'Ich habe kein Problem, okay!?'
'Gut. Dann lass uns umdrehen. Da du ganz offensichtlich ein Problem hast, macht es keinen Sinn
noch weiter zu laufen.'
Er drehte sich rum und fing an in die Richtung zu laufen, aus der wir gekommen sind.
Mit verschränkten Armen blieb ich stehen.
'Vergiss es. Ich bin nicht den ganzen Weg gelatscht um am Ende in einer Baumschonung zu stehen. Nicht mit mir. Und wenn du nicht weiter mitkommst, dann lauf ich halt allein weiter.''Du weißt aber schon, dass du dich dann verläufst?'
'Na und?! Mir doch egal. Verlauf ich mich halt. Sind ja noch ein paar Tage bis ich wieder nach Hause muss. In der Zeit werd ich mich auch zurück finden.'
'Du benimmst dich wie ein kleines, bockiges Kind.'
'Ja und? Du verhältst dich auch immer wie der Arsch vom Dienst.'
'Ja, weil du mich dazu bringst.'
'Du bringst mich selbst dazu, mich so zu benehmen. Du bist bescheuert, weißt du das!?''Und du bist und bleibst die blödeste Ziege allerzeiten.'
Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er wieder näher gekommen war. Als ich hochsah, war sein Gesicht genau über meinem.
'Willst du mir jetzt Angst machen, indem du vor mir stehst?'
'Ich glaube eine gesunde Portion Respekt würde dir gut tun.'
'Woher willst du denn wissen, was mir gut tut?'
'Ich weiß es halt. Find dich damit ab. Ich kenne dich besser, als du denkst.'
'Würdest du mich wirklich kennen, dann wäre es eben nicht zu dem Streit gekommen.''So?'
'Ja. Dann sag doch, was mein Problem war.'
'War oder ist?'
'Egal.'
Er sah mir tief in die Augen und ich spürte die Schmetterlinge in meinem Bauch wieder umher flattern.
Wieso hatte er eine derartige Wirkung auf mich?
'Also? Was ist mein Problem?'
Ich stellte mich auf Zehenspitzen und starrte ihm förmlich in die Augen. Bei diesem Blick musste er doch langsam mal zurückweichen. Aber er starrte nur zurück.
'Du kannst mich nicht aus der Fassung bringen, kleine Eisprinzessin.'
'Du mich auch nicht, Blödmann.'
'Schön.'
'Schön.'
'Gut. Analysieren wir dein Problem mal. Du bist zickig geworden, als ich meinte, dass ich dich mag. Gut daraus schließe ich, dass du irgendein Problem damit hast, das ich dich mag?''War das jetzt eine Frage oder eine Schlussfolgerung?'
'Beides?'
'Aha. Und was analysierst du weiter daraus? Soll ich dich ab jetzt mit Herr oder Professor oder so anreden?'
'Ich bitte darum.'
'Also Herr Professor Doktor Blödmann. Was schlussfolgern sie?'
'Es reicht dir nicht, dass ich dich nur mag.'
Verdammt. Er hatte genau ins Schwarze getroffen. Hätte schon ein Pfeil in der Mitte gesteckt, dann hätte er ihn jetzt gespalten. Robin-Hood-Schuss.
Ruhig jetzt Nina. Die Situation ist kritisch und er ist kurz davor, deine wahren Gefühle aufzudecken. Bleib ruhig und diplomatisch. Lass dir nichts anmerken.
'Ja das denkst aber auch nur du.'
'Ich denke es nicht, ich weiß es.'
'Außerdem. Wer sagt denn bitte, ich hätte ein Problem damit, dass du mich NUR magst? Rein logisch könnte ich auch ein Problem damit haben, dass du mich magst.'
'Du bist ziemlich schlecht in Mathe oder?'
'Wieso?'
'Weil deine Logik absolut unlogisch ist.'
'Stimmt doch gar nicht. Das sagst du jetzt nur, weil es dein Ego ankratzt, dass ich dich vielleicht gar nicht ausstehen kann.'
'Du kannst mich sehr wohl ausstehen. Ich hab schließlich kein Drama abgezogen, als ich dir das am Strand gesagt habe.'
'Ja du wurdest auch nicht nach Strich und Faden verarscht. Da ist ein kleiner, aber feiner Unterschied dazwischen. Aber vor lauter Egoismus hast du den vielleicht übersehen!''Du übersiehst vor lauter Sturheit ebenfalls alles, was um dich herum passiert. Du bekommst rein gar nichts mit.'
'Ich bekomme sehr wohl alles mit! Außerdem ist hier nicht viel mitzubekommen. Du bist ein Arschloch. Fertig.'
'Und da haben wir es wieder! Du bist so in deine 'Ich hasse Shane' Stimmung verstrickt, dass du absolut gar nichts mitbekommst!'
'Was soll ich denn hier noch mitbekommen!?'
Inzwischen war ich so wütend, dass ich mich beherrschen musste, ihn nicht anzubrüllen. Aber soweit ich das sehen konnte, ging es ihm nicht anders. Sein Gesichtsausdruck sagte mir, dass er mir am liebsten den Hals umgedreht hätte.
Bei dieser Vorstellung rieselte es mir kalt den Rücken runter. Ich schauderte.
Plötzlich wurde er ganz ruhig. Seine Anspannung löste sich und er entkrampfte sich.
Automatisch ließ auch meine Anspannung nach.
Er sah mich plötzlich ganz komisch an.

'Lass uns weitergehen.'
Das war ja wohl ein Witz. Erst stritt er sich mit mir um den Verstand, und urplötzlich tat er so, als wäre nie etwas passiert. Ich konnte es nicht fassen.
Versteh einer die Kerle.
Ich erwiderte aber nichts und folgte ihm schweigend.
Irgendwann hielt ich die Stille nicht mehr aus und fragte ihn mürrisch, wann wir endlich ankamen.
'Wir sind da.'
Mit großen Augen sah ich ihn an.
'Wir sind da? Wir stehen immer noch mitten in einer Baumschonung.'
Er schüttelte genervt den Kopf und machte eine Andeutung, ihm zu folgen.
'Wenn du vorhast, diese Nacht nicht mehr mit mir zu reden, könntest du mich dann jetzt bitte darauf vorbereiten? Ich halte eher wenig davon, die ganze Zeit neben stillschweigenden, schlecht gelaunten Menschen durch den Wald zu rennen.'
'Keine Angst, ich rede wieder mit dir. So und jetzt komm mit mir mit. Wir müssen uns jetzt durch etwas Gebüsch kämpfen. Aber das dürfte nicht allzu schwer werden. Du musst nur auf die Zweige aufpassen und dass sie dir nicht in den Haaren hängen bleiben.'
Ich grinste und packte mit einer dramatischen Geste meine Hände auf den Kopf. Er grinste ebenfalls und hielt mir ganz Gentleman den Weg frei von Zweigen. Als wir den Zweigurwald durchquert hatten, blieb er so vor mir stehen, dass ich nichts mehr sehen konnte, außer einem Rücken. Einem wirklich schönen Rücken…
Nichts desto trotz boxte ich in den Rücken rein und brachte ihn dazu, mir den Weg frei zu machen. Nachdem ich ihn aus dem Weg hatte, blieb mein Herz stehen.
Vor mir lag ein riesiges felsiges Etwas mit einer Kuhle in der Mitte. In der Kuhle war ein kleiner vom Mond angestrahlter Teich.
Mit leuchtenden Augen drehte ich mich zu Blödmann um und sah sein lächelndes Gesicht.'Ich wusste, dass es dir gefällt.'
'Wow…Shane es ist unglaublich. Ich dachte ja schon beim Tauchen, dass ich nie etwas Schöneres gesehen hätte…aber das hier bricht mit ziemlicher Sicherheit alle Rekorde! Es ist einfach nur der Wahnsinn. Wie hast du das hier gefunden?'
'Das ist auch schon ewig her. Vor 3 oder 4 Jahren bin ich hier spazieren gegangen und dann hörte ich es im Gebüsch rascheln. Neugierig folgte ich dem Rascheln und bin dann auf das hier gestoßen. Es ist immer wunderschön…aber am allerschönsten ist es in Vollmondnächten.'
'Wieso zeigst du mir alle diese tollen Orte?'
Wehmütig sah er auf den Boden.
Er holte tief Luft und begann wieder zu reden.
'Ich will, dass dir etwas von deinem Urlaub im Gedächtnis bleibt.'
'Ach Shane. Als ob ich jemals auch nur einen von den Tagen hier vergessen würde.'
'Daran zweifle ich nicht…aber ich will auch, dass du dich an die Menschen erinnerst, mit denen du die Tage verbracht hast.'
'Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich so vergesslich bin.'
Er machte eine unwirsche Bewegung mit der Hand.
'Du verstehst nicht, worauf ich hinaus will.'
Mein Herz begann stärker zu klopfen.
'Worauf willst du dann hinaus? Inzwischen müsstest du doch mitbekommen haben, dass ich gedanklich nicht immer die Schnellste bin.'
Er lächelte.
'Ich will nicht, dass du mich vergisst wenn du wieder in Deutschland bist.'
Wieder setzte mein Herz für einige Schläge aus.
'Als ob ich dich jemals vergessen könnte.'
Meine Stimme war nur noch ein heiseres Gekrächze.
Er lächelte immer noch und dann beugte er sich langsam zu mir herunter. Es schien eine Ewigkeit zu dauern. Unablässig sah er mir dabei in die Augen und brachte die Schmetterlinge in meinem Bauch zum durchdrehen.
Und dann küsste er mich.
Na ja also eigentlich küsste er mich nicht richtig. Er hauchte mir federleicht einen kleinen Kuss auf die Lippen. Trotzdem begann mein ganzer Körper zu kribbeln. Blut rauschte durch meine Adern und 1000 Sterne explodierten vor meinen Augen. Sämtliche Körperfunktionen setzten aus. Mein Herz hörte auf zu klopfen und ich bekam Atemprobleme. Trotzdem war es ein unvergleichliches Gefühl. Bisher kannte ich diese Beschreibungen immer nur aus Büchern, Filmen und Kitschromanen. Es war einfach nur unbeschreiblich schön.Ich fühlte mich, als würden wir über dem Boden schweben.
Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich sein Gesicht vor mir. Seine strahlenden Augen, die wahrscheinlich genauso leuchteten, wie meine. Er sah so unendlich glücklich und erleichtert aus. Verträumt lächelte ich ihn an und er nahm endlich meine Hand.
Stromstöße wanderten durch meine Finger und mein Strahlen nahm gigantische Ausmaße an.

'Hast du deine Badesachen noch an?'
Seine Stimme klang rau und aber gleichzeitig so sanft wie die, eines Engels.
Hätte ich jemals eine konkrete Vorstellung von meinem persönlichen Paradies gehabt, diese hier hätte sie bei weitem übertroffen.
Es war einfach alles perfekt.
Widerwillig ließ ich seine Hand los, um meine Sachen auszuziehen. Er zog sich noch schnell sein T-Shirt über den Kopf, kam auf mich zu, warf mich über seine Schulter und sprang in die Kuhle.
Ich schwöre. Irgendwann würde ich in seiner Nähe noch einen totalen Herzinfarkt bekommen. Mein Herz klopfte in seiner Nähe so unnatürlich schnell, dass es nicht mehr normal war.Das Wasser in der Kuhle war badewannenwarm. Er stand mir gegenüber und nahm meine Hände. Dann sah er mir tief in die Augen.
'Nina ich hab gelogen, als ich dir gesagt habe, dass ich dich mag.'
Mir war egal, ob er jetzt auf eine Antwort von mir wartete. Ich sah ihm nur unverwandt in die Augen.
Aber er schien auch nicht vor zu haben, weiter zu reden.
Ich fühlte mich wie zurück versetzt. Es war wie an dem Tag, an dem wir am Strand standen und nicht aufhören konnten, uns in die Augen zu sehen.
Vielleicht spielte meine kindliche Fantasie mir wieder einen Streich, aber ich hätte schwören können, dass dieser Ort hier verzaubert war.
'Inwiefern hast du gelogen?'
'Als ich dir gesagt habe, dass ich dich mag. Das war wahrscheinlich die Untertreibung des Jahres.'
Er lächelte mich verschmitzt an. Mit klopfendem Herzen lächelte ich zurück.
Obwohl ich schon 100-mal von dieser Szene geträumt hatte, konnte ich immer noch nicht glauben, dass das hier wirklich wahr war. Ich fürchtete, dass ich jeden Moment im Gästezimmer aufwachen würde, und das hier alles verschwunden war.
'Seitdem ich dich wirklich kennengelernt habe, habe ich mich mit jedem Tag, den du hier verbracht hast, mehr in dich verliebt.'
'Oh Gott…wieso hast du nie was gesagt? Ich dachte die ganze Zeit, dass du mich auf den Tod nicht leiden kannst…abgesehen von vereinzelten Momenten. Aber…du hast mich die ganze Zeit geärgert und dann kam noch die Sache mit Reggie und dem Geld dazu…und.''Glaubst du an den Spruch, ‚Was sich liebt, das neckt sich'?'
'Bisher hab ich nicht an ihn geglaubt…aber irgendwie scheint er ja doch zu stimmen.''Und du? Was ist mit dir?'
'Wie was soll mit mir sein?'
'Na ja…' verlegen wand er den Blick ab 'magst du mich auch mehr als nur ein bisschen?' Ungläubig schaute ich ihn an und dann fing ich an zu kichern.
'Shane ich bitte dich. Ich stehe Händchenhaltend mit dir in einer natürlichen Felsenbadewanne, strahle wahrscheinlich schon so, dass es nicht mehr gesund aussieht und bekomme jedes Mal einen Herzstillstand wenn ich in deine Augen schaue. Bei unserem Ausritt ist mir klar geworden, was ich versucht hatte zu unterdrücken. Ich bin über die Maßen in dich verliebt.'
Ruckartig zog er mich zu sich hin und küsste mich. Diesmal richtig.

Wenn schon das kurze Küsschen von vorhin ein unglaubliches Gefühl war, dann gab es für das, was jetzt in mir abging, keinen Vergleich mehr.
Die volle Ladung implodierter Schmetterlinge, explodierter Sonnen und Milliarden von Glücksgefühlen überrannten mich. Es war, als würde die Zeit stehen bleiben und nur wir beiden existierten noch.
Alles verlor an Bedeutung und nur er war noch wichtig.

Da ich inzwischen jegliches Zeitgefühl verloren hatte, wusste ich nicht, wann wir uns auf den Rückweg machten. Mir war es, als würde die Morgendämmerung langsam anbrechen aber das konnte natürlich auch an meiner euphorischen Übermüdung liegen aber er erschien mir inzwischen heller und deutlicher als vorhin.
Den ganzen Weg zurück, hielt er meine Hand und wir brauchten geschätzte 3 Stunden für den Rückweg, weil wir immer und immer wieder anhielten.
Mein Traum war Wirklichkeit geworden.

Als wir dann endlich wieder an seinem Haus angekommen waren, war die Sonne wirklich am Aufgehen. Trotzdem war ich hellwach und glücklicher, als je zuvor in meinem Leben.

'So Eisprinzesschen. Ich würde vorschlagen wir gehen jetzt schlafen und dann sehen wir uns…wenn wir wieder wach sind.'
'Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich jetzt schlafen kann.'
Entrüstet sah ich ihn an.
'Dazu kommt noch, dass du mich schon wieder Eisprinzessin genannt hast!'
'Erstens, bist du total übermüdet und musst dringend schlafen und zweitens, habe ich dich Eisprinzesschen genannt.'
Er grinste mich an.
Zur Strafe boxte ich ihm in den Oberarm.
'Darfst du das denn eigentlich noch?'
'Wieso sollte ich das nicht dürfen? Denkst du nur, weil ich dir gestanden habe, dass ich bis über beide Ohren in dich verliebt bin, darf ich dich nicht mehr schlagen?'
'Ja so in etwa.'
'Ich glaube ich muss dein Weltbild erschüttern. Ich werde dich weiterhin so behandeln, wie bisher… nur mit viel mehr Zuneigung.'
'Na dann bin ich ja beruhigt. Ich hatte schon Angst, du versteckst dich wieder hinter deiner kalten Fassade und ich muss dich auftauen.'
'Falls es dir immer noch nicht aufgefallen ist…meine ‚kalte Fassade' hat dank dir schon einige Risse und außerdem wage ich zu bezweifeln, dass es dir keinen Spaß macht, mich aufzutauen.'
'Richtig. Aber wenn meine größten Anstrengungen nichts helfen…was dann?'
'Dann würde ich sagen, hast du ein Problem.'
'Na ja…notfalls nehme ich den Föhn. Aber…ich glaube bei meinen Auftauversuchen kannst du gar nicht kalt bleiben.'
'Du bist wie immer total von dir überzeugt.'
'Ja…weil ich es ja auch sein darf.'
'Ich glaube ich werde deinem Ego hin und wieder ein paar Kratzer zufügen müssen.'
'Ich hoffe es bleibt bei gelegentlichen Kratzern. Solltest du schwerwiegende Schäden im Sinn haben…'
Ich sah die Angst in seinen Augen.
Es war die Angst, vor Enttäuschung. Die Angst, mich zu verlieren.
Das zu sehen, zeriss mir das Herz.
Langsam ging ich auf ihn zu, nahm seine Hände, stellte mich auf Zehenspitzen und küsste ihn. Wieder strömten tausende von Emotionen auf mich ein. Plötzlich kam mir eine Frage - eine wirklich schwerwiegende Frage in den Sinn.
Waren wir jetzt eigentlich zusammen? Also…theoretisch ja schon…aber er hatte es mit keinem Wort erwähnt.







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