Vom ewigen Alltagstrott, Jungs, komplizierten Gedanken und allerlei anderen Dingen

Autor: himbaereis
veröffentlicht am: 18.10.2009




Die ganze Zeit, die ich im Wasser war, hatte ich nicht ein einziges Mal an Blödmann gedacht.
Jetzt fing es wieder an.
Es war ja schon wie eine Krankheit. Tauchen war die Medizin und sowieso die Wirkung nachlässt, kommt die Krankheit wieder in voller Pracht zurück.
Aber…wie hatte er das heute eigentlich gemeint, als er wollte, dass ich ihm zuhöre? Wollte er mir vielleicht erzählen, wie viel sie ihm geboten hatte!?
Danke, aber auf die Info konnte ich verzichten.
Um mich von diesem Gedanken abzulenken, ließ ich die Zeit im Wasser noch mal durch meinen Kopf laufen. Kopfkino.

Schon nachdem ich untergetaucht war, war ich verzaubert von der Welt, die mich jetzt umgab. Das Wasser war tiefblau und so klar, wie es wirklich nur in Coral Bay sein konnte. Zwar hatte ich nicht mal halb so viel gesehen, wie mit Blödmann zusammen, aber um mich zu verzaubern, hatte es dennoch gereicht. Hin und wieder schwammen Fische an mir vorbei und ich sah Muscheln am Meeresgrund.
Ich glaube, ich neige dazu mich in meine Fantasie zu flüchten, wenn es in meinem Leben nicht so läuft, wie ich es gerne hätte. Ich hatte mich also in meine kleine Meerjungfrauenwelt hineingeträumt und dann auch allerhand angestellt.
Ich grinste bei dem Gedanken an das, was ich gedacht hatte. Ich war eine Verstoßene, die sich nun ihr eigenes Leben meistern musste. Unabhängig und frei, aber auch einsam und schutzlos.Ziemlich kitschig, wenn man bedenkt, dass ich schon seit gut 6 Jahren aus diesem Fantasiealter raus war. Aber ich brauche das ab und an.
Glücklich und gleichzeitig aber auch tieftraurig, dachte ich noch etwas über meine vergangene Zeit hier nach und schlief dann mit gemischten Gefühlen ein.

'Spätzchen! Steh auf und mach dich fertig! Wir machen einen Ausflug!'
Wir machen einen Ausflug.
Der Tag konnte nur in einer Katastrophe enden.
'Wohin denn? Ins Outback?'
'Du bist wirklich süß, Spätzchen. Nein es geht nach Perth.'
'Nach Perth!? Mama, das sind über 1000 Kilometer! Wie lange sollen wir denn da fahren?!'Ich war ernsthaft entsetzt. Ich meine…ich traue meinen Eltern eine Menge zu, aber das schockierte selbst mich. Ich riss die Tür auf und rannte sie beinah über den Haufen.'Aber, aber Häschen. Nicht so stürmisch.'
'Mama…weißt du wie weit das nach Perth ist?'
'Ja aber sicher. Es sind 1140 Kilometer.'
Entsetzt guckte ich sie an.
'Sag mal, wart ihr zulange in der Sonne?'
Mit dem Auto bis nach Perth…das waren über 14 Stunden Autofahrt. Die waren echt von allen guten Geistern verlassen!
'Wollt ihr mich töten? Weißt du wie lange wir da fahren müssen?'
'Schätzchen, wer redet denn von fahren? Wir fliegen!'
'Ihr wollt 'ne Airline buchen?'
Sie lächelte mich mitleidig an.
Moment. Mitleidig? Sie lächelte mich mitleidig an? Eher sollte ich sie mitleidig angucken…weil ihr wahrscheinlich das Hirn verkohlt worden war!
'Häschen…wir fliegen so nach Perth, wie wir hier her gekommen sind. Mit dem Privatflieger von Ray und Gina.'
Oh.
Ups.
Ich merkte, wie meine Wangen Farbe bekamen. Am liebsten hätte ich mir mit der flachen Hand an den Kopf geschlagen.
'Achso. Stimmt ja. Wir wohnen ja in einer Millionärsfamilie. Tja…dann sieht die ganze Sache natürlich anders aus. Wann geht's los?'
'In drei Stunden. Ich wollte dir lieber etwas eher bescheid sagen, damit du auch genug Zeit hast, um dich etwas frisch zu machen.' Sie musterte mich von oben bis unten.
Etwas frisch machen war noch untertrieben. Ich sah fürchterlich aus. Meine Haare waren wahrscheinlich fettig und standen in alle Richtungen ab. Bestimmt hatte ich auch immer noch ein leicht geschwollenes Gesicht.
'Na gut. Danke. Ich geh dann mal duschen. Bis dann in drei Stunden. Ach ja! Was soll ich eigentlich anziehen? Was machen wir in Perth?'
'Na ja…Gina und ich hatten geplant mit euch shoppen zu gehen und dein Vater und Ray wollten etwas Sightseeing machen.'
Mit Gina und Mama shoppen war natürlich verlockend. Aber mit Ginas Kindern? Meine Wut war sicherlich schon etwas abgekühlt aber…ich war immer noch ziemlich sauer auf die beiden.
Andererseits…Sightseeing mit meinem Vater?
Nie im Leben! Dann schon lieber shoppen.
'Also nichts Edles oder sonst wie Elegantes?'
Hoffnungsvoll sah ich sie an.
'Nein. Einfach was ganz normales.'
Ich grinste sie glücklich an. Dann machte ich die Sache natürlich sehr reizvoll. Ich könnte meine neue Hose und mein liebstes T-Shirt anziehen.
Dazu eine Sonnenbrille und Flip-Flops. Outfitplanung abgeschlossen. Kommen wir nun zum schwierigeren Teil des Fertigmachens. Das wiederherstellen, einer Nina.
Ich verschwand im Bad und kam eine Stunde später frisch und fertig wieder heraus. In Rekordzeit, war ich angezogen. Dann kam noch etwas Schminke - okay…ich gebe zu es war doch relativ viel Schminke - ins Gesicht, fertig war ich.
Super. Jetzt hatte ich noch eineinhalb Stunden über.
Ich könnte mich mit einem Buch auf die Gartenliege packen. Ich könnte einen Film gucken. Ich könne spazieren gehen…aber ich könnte auch mein Gästezimmer aufräumen.

Ich entschied mich fürs Zimmer aufräumen. Wenn ich irgendwann meine Einkäufe hier parken würde…würde das Zimmer endgültig im Chaos versinken. Nebenbei konnte ich mir auch Gedanken machen, wie ich den Tag mit Blödmann und seiner Schwester überleben könnte.

Mit purer Ignoranz würde ich nicht weit kommen. Da war Gina ein Störfaktor. Beide zusammenscheißen ging allerdings auch nicht, denn Gina war auch da der Störfaktor.Ich könnte lediglich mit den beiden allein losziehen. Allerdings würde mir das nicht viel bringen, denn die beiden könnten mich in der Stadt allein lassen. Dann wäre ich aufgeschmissen.
Zwickmühle. Ich müsste entweder freundlich sein oder…
Ja. Es gab kein oder. Ich werde freundlich sein müssen. Eine ziemliche Probe, wenn man meine momentane Gefühlslage gegenüber Reggie und Shane betrachtete.
Aber ich hatte etwas Übung in Selbstbeherrschung ziemlich nötig. Perfekt zum üben.

Als es dann losging, stand ich diesem Ausflug mit sehr gemischten Gefühlen gegenüber. Auf der einen Seite, freute ich mich natürlich riesig aufs Shoppen und auf Perth. Auf der anderen Seite hatte ich Angst, nach meinem Ausraster, Blödmann zu sehen. Von Reggie wollte ich gar nicht erst anfangen. Sie war derart bei mir unten durch. Selten hatte es jemand so weit nach unten geschafft.

'Willst du etwa so mitkommen?'
Ich sah an mir herunter. Sie hatte ‚normale Sachen' gesagt.
'Wenn du schon so fragst…was verstehst du sonst unter ‚normale Sachen'?'
Ich guckte mir das Outfit meiner Mutter an. Es war alles perfekt aufeinander abgestimmt und sah sehr elegant aus.
Logisch, dass ich neben ziemlich unpassend aussah. Also umziehen. Klar. Wie sollte es anders sein.
'Also…wie definierst du ‚normale Sachen'?
'Was hältst du von dem braunen Kleid?'
'Erstens trage ich keine Kleider, und zweitens ist es dunkelgrün.'
'Natürlich ziehst du Kleider an. Oder was denkst du war das, an dem Abend im Gemeindesaal?'
'Na ja. Vielleicht hin und wieder. Aber auch nur selten.'
'Mach, dass du nach oben kommst und dir dein Kleid anziehst.'
'Und welche Schuhe gedenkst du dazu?'
Langsam ging mir dieses Getue meiner Mutter auf die Nerven.
Logisch, dass sie versuchte neben Gina eine gute Figur zu machen. Aber…die Luxusmutter passte nicht zu ihr.

Als Gina mir auf der Treppe entgegen kam, sah sie nicht mal annähernd so edel aus wie meine Mutter.
Sie hätte 100 zu 0 gegen ihr Schlafzimmer verloren.
Mit einem kritischen Blick musterte sie meine Mutter, die rot wurde und schnellstens in ihr Schlafzimmer eilte.
Kein Kleid.
Gott sei dank.
Ich grinste Gina dankbar an und wartete dann mit ihr auf meine Mutter.
Nebenbei betrieb ich etwas Smalltalk mit ihr.
Es stellte sich heraus, dass Blödmann mehr auf Sightseeing aus war. Reggie würde jedoch mit shoppen kommen.
Erleichtert, dass ich nur ein Problem zu bewältigen hatte, schnappte ich mir meine Tasche und kontrollierte, ob auch alles da war.
Als meine Mutter dann kam, ging es zum Flieger.
Im Flugzeug sah ich Blödmann, seine Schwester und meinen Bruder zusammen sitzen. Dummerweise saß Sascha neben Reggie.
Na ja…wieso sollte er auch nicht dort sitzen. Aber ich hatte doch die leise Hoffnung gehabt, dass Blödmann und Reggie vielleicht nebeneinander sitzen würden. So hätte ich mich neben Sascha setzen können.
Aber…auf der anderen Seite, war es vielleicht besser so. Ich setzte mich etwas entfernt von ihnen ans Fenster, klappte Sofies Welt auf und versank in der Geschichte.
Irgendwann merkte ich, dass es merkwürdig ruhig im Flieger geworden war. Ich sah mich erstaunt um und bemerkte, dass 3 Augenpaare auf mich gerichtet waren.
Dass es nicht die von meinen Eltern, Gina oder Ray waren, brauche ich wahrscheinlich nicht erwähnen.
Die drei Blicke waren wirklich lustig. Sascha sah mich verwundert an, Reggie flehend…und Blödmann mit Verachtung.
Wut kam wieder in mir hoch.
Wie konnte er nur so von sich selbst überzeugt sein!?
Wieso sah er mich mit Verachtung an!?
Ich sollte ihn mit Verachtung anschauen!
Doch…feige wie ich war, wand ich meinen Blick ab. Ich sah nur Sascha an und versuchte mich dann wieder auf mein Buch zu konzentrieren.
Als ich zwischendurch wieder aufsah, guckte Blödmann mich immer noch an. Zwar mit weniger Verachtung im Blick…aber die Verachtung war kombiniert mich Wut und…Enttäuschung?
Was war bei dem eigentlich schief gelaufen?
Er sah mich wütend, enttäuscht und verachtend an, nachdem er Geld genommen hatte, um mich zu ertragen.
Stellte sich doch automatisch die Frage: Wieso er?
Wieso sah ER mich so an?
Ich war diejenige, die verletzt worden war. Verarscht, enttäuscht und verletzt. Nicht er. Ich!Jemand sollte ihm vielleicht mal die Richtung weisen.
Ich bedachte ihn mit einem bitterbösen Blick und las dann weiter. Und ignorierte seine Blicke.

Als wir in Perth landeten, war ich heilfroh, dass ich endlich seinen Blicken entkommen konnte. Er hatte mich während des Fluges quasi aufgefressen.
Ich war offensichtlich nicht die einzige, die hier als nervenkrank abgeschoben werden konnte. Bei dem im Oberstübchen lief scheinbar auch nicht mehr alles ganz rund.
Wie nannten Lehrer das so gern?
Fehlendes Unrechtsbewusstsein?
Ob ich ihm das mal zukommen lassen sollte?
Er…er war derjenige, der mich so verarscht hatte. Und dann…tötete er mich mit seinen Blicken.
Es war einfach unfassbar!

Wir trennten uns vor dem Kings Park.
Die Männer gingen auf Sightseeing Tour…und die Weiber shoppen.
Meine Mutter und Gina verstanden sich prächtig und liefen voraus.
Zwischen Reggie und mir allerdings…herrschte eisiges Schweigen. Missmutig starrte ich vor mich hin. Irgendwie war die Shoppinglaune noch nicht wirklich da.

'Nina…hör zu…'
'Vergiss es. Ich werde dir nicht zuhören.'
'Aber…'
'Kein ‚Aber'! Ich hör dir nicht zu und fertig.'
'Ninaaa. Komm schon. Du bist keine Zicke. Hör mir nur zu. Mehr verlange ich gar nicht.''Also was die Zicke betrifft, hab ich schon ganz andere Sachen gehört. Und ich verlange, dass du mich in Ruhe lässt.'
Sie müsste mich eigentlich besser kennen.
Tat sie vielleicht auch…aber sie legte es auf eine Provokation an. Aber…wenn sie einen Ausbruch wollte, konnte sie auch gern einen bekommen.
'Nina. Jetzt hör mir verdammt noch mal zu!'
'Nein, DU hörst mir jetzt zu! Sei froh, dass ich noch keinen Amoklauf begangen habe! Ich wurde noch nie, NIE so verarscht. Und als wäre das nicht schlimm genug, wurde ich auch noch von euch verarscht! Und als wäre das immer noch nicht schlimm genug, guckt dein Bruder mich an, als würde er mich am liebsten abstechen und dann schafft ihr beiden es aber trotzdem nicht, euch mal zu entschuldigen! Abgesehen davon, dass ich wegen euch einen Sonnenstich hatte, habt ihr mir die kompletten Ferien vermiest! Und dann kommst du an…'Hör mir doch zu'. Ganz ehrlich…aber würdest du anders reagieren!?'
Sie sah betreten zu Boden.
'Tut mir Leid…' murmelte sie.
'Ja…mir auch. Es wäre nicht so schlimm gewesen, hättest du dich nur im Kuppeln versucht! Aber das du ihn dafür auch noch bezahlst…ist echt die Höhe!'
'Wie hätte ich es denn sonst machen sollen?'
'Gar nicht!?!'
'Nina…hör mir trotzdem zu…bitte.'
'Wieso sollte ich? Willst du mir vielleicht erzählen, was er sich von deinem Geld alles Schönes gekauft hat? Vielleicht Kopfschmerztabletten, die er nach jedem Tag mit mir eingeschmissen hat? Oder vielleicht war er zwischendurch ordentlich einen trinken, damit er alles vergisst!?'
'Nina…'
'Wie viel hast du ihm denn gegeben? 100? Für einen Tag? Oder vielleicht 200 für alles zusammen? Plus gratis Getränk oder so!?'
Sie seufzte schwer.
'Es waren für alles zusammen 150 Dollar.'
Gleich war es wieder so weit…es stand mir schon bis zum Hals…aber was würde ich machen, wenn mein Wutpegel erreicht war? Ich konnte sie schlecht schlagen… Ich meine bei Kerlen war das etwas anderes…aber Mädchen schlugen sich nicht untereinander. Nein. Auf dieses Niveau konnte ich mich nicht herablassen.
Ich holte tief Luft und atmete durch.
‚Ruhig bleiben…einfach nur ruhig bleiben. Einen Aufstand kannst du machen, wenn du wieder in
Coral Bay bist.' Ich schloss meine Augen und holte nochmals tief Luft.

'150 Dollar also. Ich muss schon sagen…ich bin dir ja wahnsinnig viel wert. Aber immerhin brauchtest du ja wenigstens nicht zu viel Geld ausgeben.'
Reggie sah aus, als ob sie kurz vorm heulen stand. Zugegeben, meine Stimme troff vor Sarkasmus. Aber sie hatte es wirklich mehr als verdient. Wenn ich sie schon nicht schlagen konnte, musste ich meine Schläge halt verbal verteilen.

'Ich bin schrecklich stolz auf dich Reggie. Wer weiß…vielleicht hätten deine Kuppelversuche sogar geklappt…aber dummerweise hat Shane mir erzählt, dass du ihn dafür bezahlt hast. Wirklich zu schade…'
'Nina jetzt hör mir bitte zu!'
'Reggie ich werde dir nie wieder zuhören! Heute bin ich dazu gezwungen, mich mit dir zu unterhalten. Aber sowie ich dir wieder aus dem Weg gehen kann, werde ich das tun. Und jetzt hör auf mich dazu bringen zu wollen, dass ich dir zuhöre! Ich werde es sowieso nicht tun!!'

Klatsch.

Vor Schreck blieb mir der Mund offen stehen.
Sie hatte…nein das konnte nicht sein! Sie hatte jetzt nicht ernsthaft…ich fasste mir ins Gesicht.
Tatsache! Meine Wange brannte wie Feuer. Vorsichtig strich ich darüber…dann sah ich sie fassungslos an.
Sie hatte mir im Ernst eine geknallt!

'D-D-Du wagst es mich zu schlagen!?! Sag mal hast du jetzt vollkommen den Verstand verloren!? Ich! ICH werde hier von euch verarscht und hintergangen … und dann schlägst DU MIR ins Gesicht!?!?! Ich fass das einfach nicht!!! Wenn du jetzt kein Fersengeld gibst, schwöre ich dir, bringe ich dich um!'

Und dann rannte sie los.
Zuerst sah ich ihr fassungslos hinterher…und dann rannte ich auch los.
Ohne auf das Treiben um mich herum zu achten, sprintete ich durch die Einkaufsstraße. Reggie war schnell. Sie war bemerkenswert schnell…unter anderen Umständen hätte ich sie in meine Fußballmannschaft eingeladen.
Aber da wir nicht in anderen Umständen waren, drehte ich voll auf und rannte schneller. Ich rannte immer noch, als wir die Einkaufsstraße verlassen hatten. Sie rannte zurück in den Kings Park und ich immer hinterher.
'Ich kriege dich so oder so', schrie ich ihr hinterher.
Das war bescheuert!
Das war einfach nur total bescheuert. Wir rannten hier wie Einbrecher und Polizist durch die Stadt. Ich gab noch einmal alles, und bekam sie dann in den Haaren zu fassen.
Als sie urplötzlich stoppte, rannte ich voll in sie rein.

'Reggie', keuchte ich, 'du bist sowas von tot. Ich sag's dir. Du bist sowas von tot.'
Ebenfalls keuchend drehte sie sich zu mir um.
'Es tut mir Leid, Nina aber du hast mich provoziert.'
Ich stieß ein künstliches Lachen aus.
'Ich habe dich provoziert? Reggie, ich stand kurz vor der totalen Explosion.'
'Ich weiß. Ich hab es gesehen. Deshalb habe ich dir eine geknallt. Damit du endlich wieder zur Besinnung kommst. Du bist so in deine Wut verstrickt, dass du nichts anderes mehr wahrnimmst. Ich habe die ganze Zeit versucht, dir etwas zu sagen. Aber du wolltest nicht zuhören. Deshalb musste ich dir ins Gesicht schlagen. Denn nur so, konnte ich dich zum zuhören bewegen.'
Gegen meinen Willen musste ich grinsen.
'Du bist echt noch ausgekochter, als ich dachte. Und was wolltest du mir so wichtiges erzählen?'
'So leicht mach ich es dir nicht, Schätzchen. Das wirst du in Coral Bay noch früh genug erfahren.'
Ich boxte ihr in die Schulter und trat ihr auf den Fuß.
'Au!'
'Kleine Rache für die Ohrfeige.'
'Nina du bist einfach nur süß. Es ist echt kein Wunder.'
'Was ist kein Wunder?'
Sie lächelte mich geheimnisvoll an.
'Wirst du noch sehen, keine Angst.'
Ich sah sie böse an.
Sie lachte und hielt mir die Hand hin.
'Freunde?'
Eigentlich war ich immer noch böse auf sie. Sehr böse…andererseits…konnte ich nie wirklich lange böse auf jemanden sein.
Ich war nicht nachtragend. Außerdem war ich mir ziemlich sicher, dass sie ihren Fehler bereute.
Vielleicht würde ich es im Nachhinein als Fehler betrachten…aber das Leben ist kurz und man sollte es sich nicht unnötig schwer machen. Außerdem…ist verzeihen eine Tugend. Laut meiner Oma. Und die sollte es mit ihren 83 Jahren eigentlich wissen.
Ich schlug ein.
'Freunde.'
Sie lächelte mich glücklich an und umarmte mich.
'Danke Nina. Ich hatte echt Angst, dass ich es bis an mein Lebensende bei dir verkackt hätte.'
'Eigentlich hast du das auch.'
Erstaunt sah sie mich an.
Ich grinste.
'Ich hab allerdings keine Lust auf Krieg, wenn meine Mutter in Shoppinglaune ist. Also…lass uns schnell zurück und dann geht's shoppen ohne stoppen!'

'Du bist übrigens super in Form. Ich wusste gar nicht, dass du so schnell rennen kannst.''Ich bin die beste in meinem Leichtathletikkurs. Und früher war ich auch im Verein.''Aber?'
'Nichts ‚Aber'. Ich hatte keine Lust mehr auf den Zickenkrieg dort…das war mir alles zu stressig. Trotzdem renne ich meine Runden am Strand.'
'Ach ja…der Strand…wie kommt es eigentlich, dass Sascha und dein Bruder mich gefunden haben?'
'Na ja…Shane hat ziemlichen Stress gemacht, als du zum Abendessen nicht da warst. Und dann sind er und Sascha halt los, dich suchen.'
'Wieso hat ausgerechnet er Stress gemacht?'
'Ich hab keine Ahnung…wahrscheinlich hatte er ein schlechtes Gewissen, wegen der Sache mit dem Geld und so.'
'Sollte auch so sein. Es ist echt das allerletzte gewesen, Reggie. Bitte versprich mir, dass du deine Kuppelversuche nur noch ohne Geld und sonstige Bestechungsmittel durchführst.''Hm…sag mal wie meintest du das eigentlich vorhin?'
'Was meinte ich?'
'Na ja, dass das Kuppeln an sich nicht soooo schlimm gewesen wäre. Meinst du es hätte geklappt?'
'Was hätte geklappt? Dein Kuppelversuch zwischen deinem Bruder und mir? Das glaubst du doch wohl selbst nicht.'
Dummerweise hatte er doch geklappt. Jedenfalls was mich betrifft.
Ich war nach wie vor in Blödmann verliebt. Und wenn ich nicht langsam wieder davon wegkam, dann würde das ein Riesentheater geben. Am Flughafen, meine ich.
Aber ich wollte ihr nicht auf die Nase binden, dass sie sich im Kuppeln nicht allzu ungeschickt anstellte. So weit war das Vertrauen noch nicht wieder hergestellt.
Klar, ich hatte ihr verziehen. Aber trotzdem, war ich tief in mir drin immer noch ziemlich verletzt. Und Reggie zu erzählen, dass ich in ihren Bruder verliebt bin…nein, das konnte ich einfach nicht. Das wäre eine zu große Angriffsfläche.

'Schade eigentlich.'
'Wie, schade?'
'Na ja es ist schade, dass es nicht geklappt hat. Ihr hättet sicherlich ein süßes Paar abgegeben.'
'Gefühle kann man nicht beeinflussen, Reggie.'
'Hatte ich nicht vor. Ich wollte sie lediglich in die richtige Richtung weisen.'
'Und woher weißt du, dass es die Richtige gewesen wäre?'
'Glaub mir…ich weiß so einiges.'
'Glaub mir…ich auch.'
'Ach ja?'
'Ja.'
'Na wenn du meinst.'

Damit war die Unterhaltung fürs erste beendet. Trotzdem zermarterte ich mir den gesamten Rückweg das Hirn darüber, was sie alles wissen könnte.
Und was sollten eigentlich diese ganzen Andeutungen?
Ich hasse es, wenn jemand irgendetwas wusste, Andeutungen machte, aber anschließend nicht mit der Spreche rausrückte!

'Da seid ihr ja endlich! Meine Güte Spätzchen…was macht ihr Kinder nur immer für Sachen?'
'Ach weißt du Mama…manchmal ist es besser, wenn du es nicht weißt.'
Sie lächelte Reggie, Gina und mich an und dann fingen wir mit unserer Shoppingtour an.

7 Stunden später und mit mindestens 20 Tüten in jeder Hand, trafen wir uns wieder mit den Männern.
Alle vier wirkten sichtlich entspannt und erholt, während wir total erschöpft zu den Bänken krochen.
Ja…wir waren erschöpft.
Aber dafür so vollgepumpt mit Endorphinen, dass es keinem wirklich etwas ausmachte, die Tüten zu schleppen. Junge, Junge. Das war wirklich Shopping in der Extremklasse. Ich war mir sicher, dass meine Mutter und ich das gesamte Urlaubsbudget auf den Kopf gehauen hatten. Aber…das war Nebensache.

'Na ihr Packesel?'
'Na ihr faulen Säcke? Habt ihr euch schön die Stadt angeguckt?''Habt ihr denn auch kein Geschäft ausgelassen?'
Belustigt musterten sie uns.
Als mir das irgendwann zu dumm wurde, schnappte ich meine Tüten und drückte sie meinem verdutzten Vater in die Hand.
'Hier Papa. Dann hast du wenigstens etwas von dem schönen Tag.'
Er grinste mich an und machte sich auf den Weg zum Taxistand.


Es wurde bereits dunkel, als wir wieder in Coral Bay ankamen. Todmüde fiel ich in mein Bett und war innerhalb von 5 Minuten eingeschlafen.

Den nächsten Morgen verschlief ich.
Ich wurde erst wach, als meine Mutter meckernd ins Zimmer kam und die Jalousien hochzog. Brummelnd öffnete ich ein Auge.
'Muss das sein?'
'Steh auf du Faulpelz! Du hast schon das Frühstück verpennt!'
Oh nein…wie schrecklich…
Also ehrlich. Hatte sie immer noch nicht mitbekommen, dass mein Appetit ziemlich zurückgegangen war?
'Mensch Mama, lass mich doch einfach schlafen. Ich bin so müde.'
Zur Bestätigung des Gesagten, gähnte ich lautstark.
1. Fehler
Sie riss mir die Bettdecke weg und zog mich mit einer Kraft, die ich ihr gar nicht zugetraut hätte, aus dem Bett.
Beleidigt rieb ich mir mein schmerzendes Hinterteil.
Dann sah ich sie an und zog einen Schmollmund.
'Guck nicht so beleidigt. Du weißt doch, dass wir nur noch 5 Tage hier sind. Die solltest du auskosten. In Deutschland hast du solch ein Wetter nicht, und das weißt du auch.'
Scheiße! Sie hatte Recht!
Verdammt. Wo war nur die Zeit geblieben?
Ein Anflug von Traurigkeit befiel mich, als ich meine Sachen zusammensuchte und ins Bad ging.
Nur noch 5 Tage…und ich war immer noch in ihn verliebt.
Die Sache mit Reggie…na ja. Ich war mir immer noch nicht so sicher, ob ich ihr verziehen hatte. Gestern hatte ich nur eingeschlagen, weil ich mir und allen anderen sonst den Tag verdorben hätte. Ihr Verhalten war nach wie vor mies.
Tja…und was ihren Bruder betraf…von dem wollte ich gar nicht erst anfangen.
Am liebsten hätte ich ihn todgeprügelt!
Aber das würde ich hinterher wahrscheinlich bereuen.
Eine kleine Träne kullerte meine Wange entlang.
Und als ich in den Spiegel sah, stand mir ein kleines Mädchen mit großen, traurigen Augen gegenüber.

Plötzlich klopfte es an der Tür.
'Nina? Bist du da drin?'
Die Stimme gehörte keinem anderen, als Blödmann.
'Was willst du?', rief ich.
'Mir dir reden, was sonst.'
'Und was, wenn ich nicht mit dir reden will?'
'Dann werde ich dich dazu bringen müssen.'
'Dann viel Erfolg dabei.'
'Hm…danke.'
'Wie willst du das machen…wenn ich fragen darf?'
'Tja…ich wäre etwas auf deine Hilfe angewiesen. Du müsstest die Tür aufmachen.'
'Damit du mich an einen Stuhl fesseln kannst?'
'Wieso sollte ich?'
'Weil es keinen anderen Weg gibt, mich dazu zu bringen, dir zuzuhören.'
'Nina…hey. Jetzt komm schon.'
'Nenn mir einen vernünftigen Grund dafür!'
'Den kann ich dir erst sagen, wenn du mir zuhörst.'
'Ich würde sagen…Zwickmühle. Ich höre dir nicht zu, wenn du mir nicht sagst wieso. Und da du ja erst damit rausrücken willst, wenn ich dir zuhöre…dann ist das eine ziemlich aussichtslose Sache. Findest du nicht?'
'Du bist eine verdammt blöde Kuh, weißt du das?'
'Ja…ich glaube das hab ich schon öfter gehört. Aber soll ich dir auch mal was sagen? Du bist das blödeste Riesenarschloch allerzeiten.'
'Das blödeste Riesenarschloch…Soso. Na ja. Gut. Du willst ja offensichtlich nicht mit mir reden. Tschüss du dämliche Ziege.'
'Fick dich ins Knie du Blödarsch!'
Ich hörte ihn noch lachen, als er weg ging.
Vorsichtig lauschte ich an der Tür. Es hörte sich so an, als ob der die Treppe runter ging.Super! Das war ja einfacher als erwartet. Beschwingt riss ich die Badezimmertür auf und ging dann wippend zu meinem Gästezimmer zurück. Schnell schmiss ich mein Zeug aufs Bett und stolzierte dann stolz wie Schneekönig runter in die Küche.
Keine Ahnung wieso ich so freute…aber irgendwie war ich wahnsinnig stolz, dass es mir gelungen war, Blödmann so schnell abzuwimmeln.

Als ich aber in die Küche kam, hielt mir jemand eine Hand auf den Mund und ein Arm umschlang meine Taille.
Überflüssigerweise wurde mir jetzt ins Ohr geflüstert, wer mich da in seiner Gewalt hatte.Suprise, suprise, es war Blödmann.
'Du bist jetzt am besten ganz still und tust was ich sage.'
'Ganz sicher nicht. Lass mich los, oder ich schreie!'
'Mach doch! Hier wird dich sowieso keiner hören. Du bist allein. Mit mir.'
'Allein ist schlimm. Aber allein mit dir, ist der absolute Horror.'
'Nicht frech werden. Ich hab dich schließlich in meiner Gewalt.'
'Na klar. Aber sonst geht's dir gut ja?'
'Alles bestens. Wenn man von meiner unprofessionellen Geisel absieht.'
'Unprofessionelle Geisel!? Ich hör wohl nicht recht! Du bist der mieseste Geiselnehmer, den die Welt je gesehen hat…und sagst mir, dass ich unprofessionell bin!? Hör zu Freundchen. Lass mich auf der Stelle los, oder du wirst Schmerzen spüren. Starke Schmerzen.''Und wo? Also wenn du ins Schwarze treffen willst, hast du ganz schlechte Chancen.''Sicherlich. Aber wer sagt denn, dass ich dir so Schmerzen zufügen will? Ich hatte eher an das hier gedacht.'
Und dann biss ich ihm in die Hand.
Vor Schreck ließ er mich auf den Boden fallen.
Schnell rappelte ich mich auf, rieb mir kurz die schmerzenden Stellen und rannte dann so schnell ich konnte, aus dem Haus.'
Rennen auf nüchternen Magen. Nicht schon wieder.

Glücklicherweise…oder nein. Eigentlich eher blöderweise kam ich nicht besonders weit. Knappe 100m weiter, hatte Blödmann mich eingeholt und umschlang meine Taille fest mit seinen Armen.
Hätte ich ihn nicht so abgrundtief gehasst, wäre ich jetzt schon abgehoben und würde im siebten Himmel vor mich hinschweben.
Schwindelgefühle und Herzrasen waren das Ergebnis von seiner halben Umarmung. Nicht mal beim Tanzen war er mir so nah gekommen. Für einen kurzen Moment hielt ich still und genoss das Kribbeln im Bauch.
Dann begann ich wild um mich zu schlagen. Wieder ließ er mich los und ich rannte weg.Allerdings sah ich nicht nach vorn und fand mich im nächsten Moment auf dem Boden wieder.
Das hatte wehgetan.
Erheblich langsamer als in der Küche, erhob ich mich und besah mir den Schaden. Mein Knie blutete und ich hatte Kratzer und Aufschürfungen an Händen und Beinen.
An und für sich nichts weiter Schlimmes. Vom Fußball war ich derartige Verletzungen gewohnt und machte mir nicht viel daraus.
Aber hier stiegen mir Tränen in die Augen.
Verdammt noch mal! Seit wann war ich so eine schreckliche Heulsuse!? Beim Fußball lachte ich über sowas und hier? Hier fing ich an zu weinen.
Ein Glück, dass meine Mädels mich nicht sehen konnten.
Die hätten sich vor Lachen ins Trikot gemacht.

'Nina! Alles in Ordnung?'
'Schrei noch lauter! Dich kann keiner hören!'
'Das war mein Ernst! Alles okay bei dir?'
'Ja mir geht es super. Alles perfekt hier! Mach dir keinen Kopf! Dreh um und spiel mit wem anders Krimis nach. Mir ist die Lust vergangen.'
'Hör zu…das war nicht böse gemeint mit dem ‚Entführen'. Aber wie hätte ich dich sonst zum Zuhören bewegen können?'
'Du hättest dich gar nicht erst in die Scheiße reinreiten sollen. Dann hättest du jetzt auch keine Probleme.'
Und ich auch nicht.

Als er vor mir stand, biss er sich auf die Lippe, ging in die Hocke und sah sich mein Knie an.'Du brauchst hier nicht den Besorgten raushängen lassen. Ist schon gut, ich lebe noch. Nichts weiter Schlimmes.'
'Das sollte desinfiziert werden.'
'Was!?'
'Das sollte desinfiziert werden. Du hast Dreck in der Wunde und bevor sie sich entzündet, solltest du sie desinfizieren.'
'Klar. Sicherlich kommt hier auch gleich ein Zauberer, der erst ein Kaninchen und dann ein Desinfektionsmittel aus dem Hut zaubert.'
'Du weißt schon, dass ich 150m weiter wohne, ja?'
'Ja. Weiß ich.'
'Sehr schön. Dann würde ich sagen, entlasten wir den Zauberer und holen das
Desinfektionsmittel aus unserer Hausapotheke.'
'Du fühlst dich jetzt wahnsinnig cool oder?'
'Ja…kann sein.'
'Der große Retter in der Not. Na klar. Push dein Ego. Das hat es sicherlich bitternötig.'Er lachte.
'Dafür, dass du eben fast geheult hast, reißt du die Klappe schon wieder ganz schön weit auf.''Woher willst du wissen, dass ich fast geheult hab? Du warst gute 20m weg von mir.''Ich weiß es halt.'
'Ja sicher. Und gleich wirst du mir wahrscheinlich erzählen, dass Reggie dir gar kein Geld gegeben hat und das alles nur ein Witz war. Schon klar.'







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