Vom ewigen Alltagstrott, Jungs, komplizierten Gedanken und allerlei anderen Dingen

Autor: himbaereis
veröffentlicht am: 10.10.2009




Am nächsten Morgen, weckte mich ein Klopfen.
Ich quälte mich mühsam aus dem Bett, strich die Haare glatt und machte die Tür ein Stück auf, um zu sehen, wer davor stand.
Es war Sascha.
Sascha!?
Was wollte der denn?
Sich an meinem Schmerz erfreuen?

'Wenn du hier bist, um mich auszulachen, kannst du gleich wieder gehen.'
'Ich bin nicht hier, um dich auszulachen.'
'Sondern?'
'Ich wollte mit dir reden.'
'Worüber willst du schon mit mir reden?'
'Lass mich doch einfach rein. Dann sag ich dir, worüber ich mit dir reden will.'
Zögernd öffnete ich die Tür.
Schnurstracks marschierte er durch das Zimmer, zog die Jalousien hoch und öffnete die Fenster. Geblendet von dem plötzlichen Licht, hielt ich mir die Finger vor die Augen und blinzelte vorsichtig.
Während ich mit den Händen vorm Gesicht da stand, musterte Sascha mich kritisch.
'Was guckst du mich so an? Du weißt doch sowieso was los ist oder?'
'Ja. Das weiß ich.'
'Und? Was willst du dann noch reden?'
'Ich wollte eigentlich nur sehen, wie es dir geht. Unsere Mutter hat gestern noch einen Heidenaufstand gemacht.'
'Achso. Und deswegen wolltest du wahrscheinlich nur mal schnell vorbeigucken, ob es auch stimmt. Du kannst beruhigt sein. Würde ich Aufmerksamkeit brauchen, hätte ich andere Methoden um sie mir zu beschaffen.'
Ich bemühte mich um einen arroganten Ton…aber man konnte die Trauer und die Verzweiflung in meiner Stimme deutlich hören.
'Nina…so hab ich das nicht gemeint.'
'Wie dann?'
Meine Stimme begann schon zu zittern.
Oh nein.
Gleich fange ich wieder an zu heulen.
Und das auch noch direkt vor Sascha.
Aber zu meiner großen Verwunderung, zog er mich in seine Arme und drückte mich.Ein menschlicher Zug an meinem Bruder. Ich fasse es einfach nicht. Das ich das noch erleben darf!
'Auch wenn wir uns eigentlich hassen. Du kannst immer auf mich zählen. Okay?'
Ich guckte ihn groß und verheult an.
'Danke Sascha. Willst du jetzt noch weiter reden? Ich will dir meinen Anblick nicht zu lange zumuten.'
'Ach…ich hab dich schon öfter weinen sehen. Mich kann so leicht nichts schocken. Aber ich geh gleich frühstücken. Kommst du mit?'
'Ich hab keinen Hunger…'
Er warf einen Blick auf das Tablett von Mama. Dann sah er mich besorgt an.
'Du ohne Hunger…man oh man. Das muss dir echt zusetzen.'
'Ja…ich ohne Hunger. Ich hab auch nie damit gerechnet. Aber es gibt wohl immer ein erstes Mal.'
Er lächelte mich an.
'Es wird alles wieder gut. Glaub mir.'
'Ach Sascha. Wenn ich euch alle nicht hätte. Was würde ich dann nur machen?'
'Wahrscheinlich im deutschen Winter erfrieren und dich aber schrecklich langweilen.'
Ich boxte ihm sanft in die Schulter.
'Jetzt hau endlich ab. Ich bin dich so nett nicht gewöhnt.'
Schnell umarmte ich ihn noch einmal und schob ihn dann zur Tür raus.
Kopfschüttelnd guckte ich meine Tür an.
Diese Familie. Man wurde einfach nicht schlau aus ihr. Vor allem Sascha. Auf der einen Seite hasst er mich und nutzt jede noch so kleine Chance, um mich zu blamieren…und auf der anderen Seite war er eine Schulter zum anlehnen. Außerdem hatte er mich zum lächeln gebracht.
Doch ich wusste jetzt, dass ich immer auf ihn zählen konnte. Das war wirklich eine Menge wert.

Ich zog die Jalousien wieder herunter und legte mich zurück ins Bett. Dann machte ich meine Musik an und schloss die Augen.
Vor meinem geistigen Auge sah ich Blödmann.
Mein Herz klopfte schneller und meine Augen fingen an zu Brennen, weil ich die Tränen spürte, die sich ihren Weg nach oben bahnten.
Wenn ich schon beim denken an ihn verzweifelte…was sollte das erst werden, wenn ich ihn sah oder sogar vor ihm stand? Wie sollte ich mich ihm gegenüber verhalten? Mit totaler Ignoranz? Und was war mit Reggie? Wie sollte ich meiner vermeintlichen Freundin jetzt gegenüber stehen? Auch mit totaler Ignoranz?
Oder sollte ich sie anschreien? Aber was würde das schon bringen?
Ich merkte, wie mir langsam Tränen über das Gesicht liefen.
Wieder schlang ich meine Arme und mein Kissen. Aber diesmal war es nur mein Kuschelkissen. Ich öffnete die Augen und starrte ins Dunkel.

'Ach verdammt noch mal!', fluchte ich dann leise vor mich hin.
Diese verflixte Denkerei ließ sich einfach nicht abstellen.
Genervt sprang ich aus dem Bett, zog die Jalousien wieder hoch und packte dann meinen Koffer aus.
Fia hatte mal gesagt, gegen Liebeskummer hilft nur radikale Ablenkung. Also würde ich auch genau das tun. Mich ablenken.
Wäre ja gelacht, wenn ich das hier nicht schaffen würde.
In Selbstmitleid konnte ich auch zu Hause versinken. Aber ich war hier in Australien! Hier war es schön. Die Sonne strahlte und der Himmel war knallblau.
Ich würde mir meinen Urlaub durch die beiden nicht vermiesen lassen!
Schnell zog ich mir meine Badeshorts, ein Bikinioberteil und ein weites T-Shirt an. Dann schnappte ich mir meine Waschtasche, verzog mich ins Bad und kam 20 Minuten später gestriegelt und geschniegelt wieder raus.
Jetzt noch ein fröhliches Strahlen aufgesetzt und dann konnte der Tag beginnen. Außerdem hatte schon meine Oma immer gesagt, stark ist nur der, der auch unter Tränen lachen kann. Vielleicht war mein Lachen nicht echt. Aber es war allemal besser, als die Tränen.Und es hinterließ nicht so viele Spuren.

Eine Maßnahme gegen Liebeskummer war Sport. Laut Fia jedenfalls. Aber ich war ja nicht unsportlich.
Welchen Sport könnte ich hier machen?
Am Strand lang joggen?
Surfen?
Tauchen? Nein. Tauchen fiel sofort weg. Das würde nur Erinnerungen heraufbeschwören.Fürs erste würde Joggen sicherlich helfen.
Ich rannte nach draußen. Die Sonne knallte mächtig. Ob joggen wirklich eine gute Idee war?Wahrscheinlich nicht.
Aber sich in Blödmann verlieben war auch keine gute Idee gewesen. Deshalb dehnte ich mich kurz, schaltete meine Musik ein und lief dann langsam in Richtung Strand.
Am Strand angekommen, suchte ich einen Platz, an dem ich meine Schuhe abstellen könnte.Mir fielen die Handtücher meiner Eltern ins Auge.
Perfekt.
Sie sahen mich erstaunt an, als ich auf einmal vor ihnen stand.
'Nina? Was machst du hier? Ich dachte du bist im Bett?'
'Und versinkst weiter im Selbstmitleid.'
'So meinte ich das nicht.'
'Nicht so wichtig Mama. Ich habe beschlossen, mich abzulenken. Also werde ich joggen.''Hast du vorher auch was gegessen? Du weißt, dass dir Sport auf nüchternen Magen nicht bekommt.'
'Jaja.'
Prüfend sah sie mich an.
Ich bemühte mich, ihr in die Augen zu sehen.
Lügen war eigentlich nie meine Stärke gewesen. Hin und wieder ein paar kleine Notlügen, nie mehr. Ich kam eigentlich gut klar mit meinen Eltern. Sie waren locker und vertrauten mir. Deshalb hatte ich es nie nötig gehabt, zu lügen.
Doch in dem Fall musste es wohl sein.
Hunger hatte ich keinen und wenn ich mir irgendwas reinquälen würde, hätte ich auch nichts gekonnt.

'Na gut. Und was denkst du heute noch so zu tun?'
'Keine Ahnung. Gucken was kommt. Auf jeden Fall werde ich jetzt was für meine Kondition tun. Kann ja nie schaden. Also dann. Wir sehen uns.'
'Pass auf dich auf. Und denk daran. Wenn es dunkel wird, bist du wieder da.'
'Jaja. Tüdelü.'
Mit diesen Worten setzte ich mich in Bewegung.
Es tat gut zu rennen und dabei den Sand unter den Füßen zu spüren. Ab und zu rannte ich auch durch eine kleine Welle und spritzte dann, zur Freude von kleinen Kindern.
Langsam fand ich meinen Rennrhythmus und dann schloss ich die Augen. Ich kam mir leicht und frei vor. Wie ein Vogel.
Zwischendurch öffnete ich meine Augen, um zu sehen, wohin ich überhaupt rannte. Als ich mich vergewisserte, dass nichts im Weg lag, worüber ich hätte stolpern können, setzte ich meinen Weg fort.


Eine Stunde später, setzte ich mich in den Sand, um eine kleine Pause zu machen. Mein Schädel brummte und mir wurde langsam schlecht.
Vielleicht war das Joggen in der prallen Sonne doch keine so gute Idee gewesen. Mama hatte doch Recht gehabt.
Rennen auf leeren Magen bekommt mir absolut nicht.
Scheiße aber auch. Vor meinen Augen verschwamm alles und dann wurde es schwarz um mich.


Als ich meine Augen wieder öffnete, sahen mich 14 besorgte Augen an. Ich blinzelte verwirrt.Tatsache.
Alle standen um mich herum und sahen mich sorgenvoll an.
'Was guckt'n ihr alle so komisch?'
'Die Frage ist eher…was du nur immer für Sachen machst?'
'Wieso? Was mach ich denn?'
Jetzt mischte sich irgendein Wichtigtuer im weißen Kittel ein.
'Die Patientin hat einen Sonnenstich erlitten. Sie braucht Ruhe. Vermeiden sie bitte, unnötige Aufregung.'
'Ein Sonnenstich?' Verständnislos sah ich den Typen an.
'Ich bin doch nur am Strand lang gejoggt.'
'Mit leerem Magen, ohne Sonnebrille und ohne sonstigen Sonnenschutz.'
'Ja und?'
'Ja und?! Sie können von Glück reden, dass ihr Kreislauf so stabil ist. Wer weiß was ihnen sonst hätte passieren können!'
'Spätzchen du bist am Strand ohnmächtig geworden.'
'Ehrlich?'
Ich ließ meinen Blick durch die Runde schweifen und sah, dass alle nickten.
'Oh.'
Meine Mutter drückte mich fest an sich.
'Du kannst von Glück reden, dass Sascha und Shane dich gefunden haben.'
'Wieso haben die mich gefunden?'
'Die zwei sind die sportlichsten in den Familien. Außerdem waren beide sehr besorgt um dich.'
'Achso. Na ja dann…Danke. Fürs retten und so.'
Ich fühlte mich schrecklich müde und kaputt.
'Am besten Sie lassen sie jetzt in Ruhe. Die Patientin braucht viel Ruhe und Schlaf.'
‚Ich brauche vor allem Ablenkung, du Spießer!
Jetzt lieg ich wieder im Bett!'
Und meine Gedanken würden sich sowieso nur wieder im ihn drehen.
Nur um ihn.
Reggie war mir nicht mehr wichtig.
Sie hatte mich hemmungslos für ihre dummen Kuppelversuche benutzt. Vielleicht wollte sie mir etwas Gutes damit tun. Aber sie hatte mir nur weh getan.
Die Freundschaft war für mich gelaufen.

Wo war ich hier eigentlich? Also nach Krankenhaus sah das hier jedenfalls nicht aus. Wenn schon, dann eher nach Luxusschlafzimmer.
Das musste ich mir genauer ansehen.
Mit Schwung erhob ich mich.
Das war ein Fehler. Ich kippte fast um. Mir war, als hätte ich einen Kater und keinen Sonnenstich. Hardcoremietzekatze.
Also nicht, dass ich je in den ‚Genuss' eines Katers gekommen wäre…aber mir wurde oft davon erzählt.
Ich setze mich auf das Bett, schloss die Augen und wartete, bis mir nicht mehr schwindelig war. Dann versuchte ich es erneut. Augen auf und hoch. Nur langsamer.
Wahnsinn.
Ich konnte doch tatsächlich wieder stehen. Vorsichtig setzte ich einen Fuß vor den anderen. Aha. Laufen ging also auch.
Nachdem ich probehalber noch ein paar Mal durch das Zimmer stolziert war, sah ich mich erneut um.
Es war stark abgedunkelt…trotzdem sah die Einrichtung hier mehr als teuer aus. Hatten die hier in Australien Luxuskliniken?
Ah! Da war die Tür. Gut. Na ja mal schauen, was mich außerhalb des Zimmers erwarten würde.
Ich machte die Tür auf und sah ein riesen Gemälde.
Hm. Das sieht genauso aus wie das, was Gina und Ray haben.
Ich guckte weiter durch den Flur. Auch der Teppich und die Lampen kamen mir bekannt vor.Es wurde heller um mich. Ob das an dem Licht lag, das mir gerade aufging? Ich war immer noch im Haus von Gina und Ray!
Die hatten einen Privatdoktor kommen lassen! Nur wegen mir!
Deswegen kam mir hier auch alles so bekannt vor. Logisch. Wenn ich jetzt das dritte Jahr meine Winterferien hier verbringe…
Aber ich muss schon sagen…Gina und Ray hatten das ultimative Schlafzimmer.
Hm.
Und jetzt?
Jetzt stand ich hier wie bestellt und nicht abgeholt im Flur herum.
Also rein theoretisch könnte ich mich jetzt wieder ins Bett schmeißen. Aber ich glaube dieses Herumliegen die ganze Zeit bekommt mir nicht. Erstens mal wurde ich davon nur unnötig traurig und zweitens verpasste ich die Sonne und die Wärme.
Auch wenn letzteres mir ja offensichtlich ziemlich zugesetzt hatte.
Egal. Eine andere Ablenkung musste her. Mein Gesundheitszustand interessierte mich nicht sonderlich
deshalb nahm ich darauf keine Rücksicht. Der Zustand meiner Nerven war viel wichtiger. Und wenn ich noch länger hier in dieser Bude rumhängen würde, würde der Zustand sich drastisch verschlechtern. Wer weiß wozu ich dann fähig war.
Die behandelten mich sowieso alle wie eine Nervenkranke.
Herzkrank würde es zwar besser treffen…aber das musste ich ja nicht allen auf die Nase binden. Vor allem nicht Mistkuh und Arschloch. Gerade vor den beiden durfte ich das Gesicht nicht verlieren.
Ich ging runter in die Küche. Irgendwann musste ich wahrscheinlich doch wieder anfangen was zu essen.
Als ich vor der Küchentür stand, lugte ich vorsichtig in die Küche, um mich zu vergewissern, dass ich allein war.
Sicherlich muss ich meiner Angst ins Auge gucken. Aber das hat noch Zeit.
Die Küche war leer. Schnell tappte ich zum Kühlschrank und holte alles heraus, was nahrhaft aussah.
Ich stopfe mich voll und lehnte mich dann glücklich und zufrieden an die Stuhllehne an.Es stimme also wirklich. Essen macht glücklich.
Aber…zu oft durfte ich mich darauf nicht verlassen. Wenn ich das drei Jahre durchziehen würde…Himmel, wer weiß wie ich dann aussah!

Ein Geräusch hinter mir, ließ mich zusammen zucken. Ich drehte mich um und sah Blödmann dort stehen.
Eine unbändige Wut stieg in mir hoch. Aber auch unbändige Trauer.
Dieses Arschloch!
Für das, was er getan hatte, hätte ich ihn hassen müssen. Abgrundtief hassen.
Und was mache ich stattdessen?
Ich merke, dass ich nach wie vor in ihn verliebt bin.
Wie sollte es auch anders sein.
Trotz der Leere in mir drin, war ich noch immer in ihn verliebt.
Paradoxon über Paradoxon.

'Hi.'
Hi!?
Nach allem was er sich erlaubt hatte, sagte er Hi!?
Es darf nicht wahr sein.
Hatte irgendjemand vergessen, ihm ein Gewissen in die Wiege zu legen!?
'Hau ab und lass mich in Ruhe.'
'Hör mir erst zu.'
'Hör du mir lieber zu. Wenn du nicht augenblicklich aus meinem Blickfeld verschwindest, dann vergesse ich mich.'
'Warte mit dem Vergessen und hör mir zu.'
Dieser Kerl konnte es verdammt noch mal nicht lassen.
Dieses Ego war einfach unglaublich.
Aber nichts desto trotz, stand ihm eine Szene bevor, die er so leicht nicht mehr vergessen würde.

'Sag mal was fällt dir eigentlich ein!? Du!! Du wagst es mir zu sagen, was ich zu tun hab!? Irgendwas ist bei dir mächtig schief gelaufen, denn sonst hättest du einfach getan was ich dir gesagt hab!!!!'
'Jetzt warte doch mal und hör mir zu!'
Ich musste mich wahnsinnig zusammenreißen, dass mir nicht die Tränen übers Gesicht liefen.Tränen der Wut.
'Du Idiot! Du Riesenarschloch!!! Du verstehst es einfach nicht! Lass mich einfach in Ruhe okay?! Nachdem was du angestellt hast, wundert es mich, dass du überhaupt den Mut besitzt, mir noch mal unter die Augen zu treten!!! Ich hasse dich!! Ich hasse dich einfach nur! Nie wieder will ich auch nur dein Gesicht sehen', schrie ich ihn an.
Die Tränen die darauf folgten, konnte ich nicht mehr zurückhalten. Unaufhörlich liefen sie mir übers Gesicht, während ich ihn in einer Tour anbrüllte.
Dann schnappte er sich mein Handgelenk und hielt mich fest.
'Du sollst mir einfach nur zuhören!'
'ICH HÖRE DIR NICHT MEHR ZU! SOLL ICH DIR DAS ETWA NOCH SCHRIFTLICH GEBEN?'
Er sah mir tief in die Augen.
Aber das hatte jeglichen Zauber verloren.
Ich wand mich aus seinem Griff und klatschte ihm mit meiner ganzen Kraft eine.
Dann machte ich auf dem Absatz kehrt und stürmte nach draußen.
Blind vor Tränen rannte ich irgendwo hin.
Versteckt hinter einem großen Busch, ließ ich mich schließlich nieder und begann wieder hemmungslos zu weinen.
Nie hatte ich jemanden so gehasst. Und nie hatte es jemand geschafft mich so zu provozieren, dass ich handgreiflich wurde.
Insofern ich das noch einschätzen konnte, stand ich kurz vor dem totalen Zusammenbruch. Wahrscheinlich konnte ich mich doch bald einliefern lassen.
Ich war total am Ende.
Deshalb rollte ich mich so gut es ging zusammen und schloss die Augen.
Um mich herum zwitscherten vereinzelt ein paar Vögel und Grillen zirpten. Es wirkte beruhigend.
Im Hintergrund rauschte das Meer.
Vielleicht sollte ich doch wieder Gebrauch von meinen Flossen und meiner Taucherbrille machen. Es wäre zumindest besser als joggen. Denn da war ich der Sonnenstrahlung nicht so intensiv ausgesetzt und außerdem konnte ich träumen.
Träumen, dass vielleicht doch noch alles gut werden würde.
Ich weiß…es ist dumm, naiv und einfach nur bescheuert, zu denken, dass eine gute Fee kommen und meine Welt über Nacht heil werden würde.
Aber man wird ja wohl noch träumen dürfen…

'Du wirst nicht allein tauchen gehen.'
Aus der Traum.
'Toll. Und was soll ich sonst machen? Vielleicht wieder joggen gehen?'
'Spätzchen. Ich weiß doch, dass dir langweilig ist. Aber der Arzt hat dir Bettruhe verordnet.''Kann ich die nicht zu Hause kriegen?'
Sie lächelte mich an.
'Nein und jetzt geh in den Garten und sonn dich…oder lies ein Buch oder was auch immer. Aber kein Sport! Damit das klar ist.'
Suuuuper. Kein Sport.
Und was sollte ich jetzt machen?!
Vielleicht ein Buch lesen?
Sicher! Die Konzentration, die ich aufbrachte reichte gerade so zum essen. Nie könnte ich mich jetzt auf so etwas Banales wie Bücher konzentrieren.
Ich hasse mein Leben.
Ich hasse Arschloch.
Ich hasse seine Schwester.
Nebenbei hasse ich auch noch meine Blödheit und meinen Sonnenstich kann ich auch nicht besonders gut leiden.

Ich werde hier echt noch wahnsinnig.
Im Haus fällt mir die Decke auf den Kopf und draußen wird mir schlecht.
Ob ich mir vielleicht ein Loch buddle, mich vergrabe und hoffe, dass mich keiner findet bevor ich nicht freiwillig wiederkomme?
Ich konnte nichts, echt überhaupt nichts machen. Ich durfte nicht einmal an den Strand.Tja.
Was macht man also in einem Küstenort, am Arsch der Welt, der nichts außer Strand und Riffe zu bieten hat, wenn man nicht an den Strand darf?
Gute Frage, nächste Frage.
Wäre ich doch nicht joggen gegangen. Hätte ich doch auf meine Mutter gehört.
Krasse Sache…dass gerade ich das mal sage…

Irgendwann hielt ich es jedoch nicht mehr aus. Klammheimlich schnappte ich mir meine Tauchersachen, zog meinen Bikini an, schnappte mir Handtücher, packte etwas zu Essen ein und schlich mich dann aus dem Haus.
Ich würde nicht weit weg tauchen. Meinetwegen musste ich nicht mal tauchen. Aber raus aus diesem Haus und an die frische Luft. Mehr wollte ich in diesem Moment nicht.
Ich ignorierte die Übelkeit, die in mir aufstieg, während ich zu dem versteckten Strand ging.Oh Gott! Hoffentlich war Blödmann nicht dort!

Ausnahmsweise hatte auch ich mal Glück. Keine Menschenseele war an dem Strandstückchen und so konnte ich mein Handtuch ausbreiten, mich in Taucherschale werfen und dann schwimmen gehen.
Hach es war wunderschön das Wasser zu spüren. Kurzerhand tauchte ich unter und fühlte mich pudelwohl. Es war, als würden alle Sorgen hier unter Wasser an Bedeutung verlieren. Als wäre die Welt dort oben nicht real. Alles rückte in weite Ferne und ich träumte mich zurück in meine eigene Fantasiewelt.
Gelegentlich sind meine Träume mir schon sehr peinlich…aber ich glaubte langsam selber, dass ich inzwischen eine Sonderstellung genoss.
Ein gebrochenes Herz konnte neben 99,9% Nachteile 0,1% Vorteil mit sich bringen. Nämlich meine absolute Fantasiefreiheit.
Ich spielte also wieder Meerjungfrau und tauchte unermüdlich hoch und wieder runter.Ganz gegen meine Gewohnheit, achtete ich aber darauf, mich nicht zu weit vom Strand zu entfernen.

Ich verbrachte geschlagene 5 Stunden im Wasser. Erst, als der Tag sich allmählich seinem Ende zuneigte, schwamm ich zurück zum Strand. Schnell rubbelte ich mir die Haare trocken. Dann packte ich meinen Kram zusammen und ging zurück zum Haus.
Wieder im Haus machte ich mich noch über den Inhalt meines Rucksacks her, sagte dann meinen Eltern gute Nacht und ging dann in mein Gästezimmer.







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