Vom ewigen Alltagstrott, Jungs, komplizierten Gedanken und allerlei anderen Dingen

Autor: himbaereis
veröffentlicht am: 04.07.2009




Irgendwann, als ich das Gefühl hatte, Leila hätte mich mit ihren Blicken inzwischen aufgefressen, waren die Erwachsenen endlich fertig.
Ich muss schon sagen...meine Eltern in der Abendgaderobe richtig gut aus. Papa im Anzug und meine Mama in einem dunkelblauen Seidenkleid.
Wieso weiß ich eigentlich nicht, dass sie sowas hat?
Wahrscheinlich hatte sie es mir nicht verraten, damit ich nicht auf die Idee kam, Prinzessin zu spielen.
Man müsste ja meinen, mit 14 mache ich das nicht mehr, aber meine Mutter schien sich da nicht sicher zu sein.
Vielleicht hatte sie es auch einfach vergessen.

Erwartungsvoll guckte ich die anderen an.
Worauf warteten die eigentlich?
Darauf, dass für Leila ein Prinz aus dem Nichts auftauchte?
Ich glaube aber, bei ihrem Anblick würde selbst der best erzogenste Prinz Reißaus nehmen. Sie sah so schrecklich abstoßend aus.
Hm. Die wollten immer noch nicht gehen.
'Ey Bl...Shane, wann wollen die denn endlich losgehen?'
'Wenn es klingelt.'
'Was soll denn hier Klingeln. Die Mutter, wenn Bescherung ist?'
Er grinste mich an.
'Der Limosinenfahrer du Trottel!'
'Pass bloß auf Freundchen. Du bist ein Trottel, ich nicht.'
'Ach stimmt ja. Du warst die dämliche Ziege.'
Na das konnte ja wirklich heiter werden.
Blödmann als Tanzpartner. Für den ganzen Abend.
'Du sag mal, Trottel. Was genau müssen wir dann eigentlich so tanzen?'
'Na das übliche halt. Walzer, Foxtrott, Rumba und Discofox. So etwas lernt man doch bei euch in der Tanzschule.'
Ja sicher, weil ich auch so aussehe als ob ich zur Tanzschule gehe.
'Das einzige was ich tanzen kann ist Pogo. Ich bin nicht zur Tanzschule gegangen.'
Entsetzt guckte er mich an.
'Du kannst nicht tanzen?!'
'Nö, wozu auch. Bis jetzt bin ich damit ganz gut durchs Leben gekommen.'
Immer noch schockiert sah er mich an.
'Und was machen wir jetzt?'
'Tja...also das einfachste wäre ja meiner Meinung nach, nicht tanzen.'
'Ja schön, aber deine Meinung wird da die wenigsten interessieren. Wir müssen den Eröffnungstanz machen.'
Jetzt war ich an der Reihe mit schockiert gucken.
'Eröffnungstanz?! Sag mir, dass das nur ein Witz war.'
'Nein, nicht wirklich. Wir sind alle davon ausgegangen, dass du tanzen kannst.'
Na super.
Ich und tanzen.
Ich mit Blödmann tanzen.
Ich mit Blödmann den Eröffnungstanz tanzen.
Wie beschissen konnten Ferien eigentlich sein!?
'Was genau müssen wir zur Eröffnung tanzen?'
'Langsamen Walzer.'
'Na toll. Und was sollen wir jetzt machen? Ich weiß, dass die Frage schon mal kam, aber ich bekomme gerade wirklich Panik, weil ich die Koordination einer Holzeule hab.'
'Mit anderen Worten, du bist ein hoffnungsloser Fall?'
'Genau.'
'Tja, dann wird mir nichts anderes übrig bleiben, als dir in einer halben Stunde das Walzertanzen bei zu bringen.'
'Einer halben Stunde?'
'Ja, da ist die Eröffnungsrede. Du wirst nichts verpassen. Auf der Bühne stehen alte Säcke, die der Reihe nach irgendwelchen Müll erzählen. Also haben wir immerhin etwas Übungszeit.'
'Sollen wir jemandem sagen, was wir während der Eröffnungsrede machen? Nicht das falsche Schlüsse gezogen werden.'
'Willst du, dass alle dir zugucken?'
'Nein, nicht wirklich. Okay, was hast du für Ausreden parat?'
'Tja...dir könnte schlecht werden, Lampenfieber oder ein steifes Bein. Welche gefällt dir am besten?'
'Ich glaube, ich nehme Lampenfieber. Nur ob meine Eltern mir das glauben...'
'Oh, keine Angst. Die werden der Rede gespannt folgen. Glaub mir, ich kenne das von meinen Eltern. Und da sie das zum ersten Mal erleben, wird sie wenig interessieren, was du in der Zeit machst.'
Na toll. Nicht nur, dass ich den Eröffnungstanz mit Blödmann tanzen würde, nein ich würde auch noch Unterricht von ihm bekommen.
Womit hatte ich soviel Pech eigentlich verdient!?

Als es klingelte, zuckte ich unwillkürlich zusammen.
'Bleib ruhig kleine Eisprinzessin. Das war nur die Klingel.'
'Ja, du hast gut reden. Du kannst ja tanzen.'
'Glaub mir, so schwer wird das gar nicht. Wenn du nur etwas Rhytmusgefühl im Blut hast, dann wirst du keine Schwierigkeiten haben.'
'Bist du dir da sicher?'
'Ja klar. Ich hab dich vorhin in Reggies Zimmer gesehen. Das sah gar nicht mal so übel aus. Du wirst sicherlich eine gute Figur beim tanzen machen.'
Ich erstarrte als ich das hörte. Er hatte mich bei meinem peinlichen Geschunkel gesehen!? Konnte der Tag eigentlich noch schlimmer werden?
Blödmann sieht mich bei meinem Geschunkel, ich muss mit Blödmann den Eröffnungstanz machen, Blödmann ist Reggies Bruder und ich bin damit gezwungen, meine Ferien mit ihm zu verbringen.
Warum taucht in so gut wie jedem Problem eigentlich Blödmann auf?

'Hey, kommt ihr?'
Die Tür stand bereits offen, und alle waren dabei, sich in der Limousine einen guten Platz zu sichern.
Wahnsinn. Eine Limousine. Ich bin noch nie mit einer gefahren. Blödmann schien das zu merken und raunte mir noch irgendetwas zu...aber das bekam ich nicht wirklich mit, denn ich war viel zu aufgeregt.
Bevor ich in die Limousine stieg, warf ich noch einen kurzen Blick in den Himmel.
Er war wolkenlos und über und über mit Sternen bestückt.
Wunderschön.
'Nina, wie lange willst du denn noch warten? Wir kommen zu spät!'
'Ich komm ja schon.'
Ich habe schon viele Bilder von Limousinen gesehen...aber das Teil hier, war echt der Hammer. Ledersitze, die zum kleckern einluden, eine Minibar, ein kleiner Fernseher, eine Anlage...das war keine Limousine...das war ein kleines Wohnmobil!
Fasziniert guckte ich mich um.
Nebenbei fiel mir auf, dass ich die einzige war, die ihre Faszination so offensichtlich zeigte. Meine Eltern schauten sich nur unauffällig um und Sascha hatte sowieso nur Augen für Reggies Ausschnitt.
Na ja. Egal.
Je näher wir der ganzen Veranstaltung laut Navi kamen, desto nervöser wurde ich.
Obwohl ich versuchte, es zu unterdrücken, rutschte ich auf meinem Sitz herum und knetete die Polster durch.
Blödmann guckte mich an und zog - wie das hier irgendwie alle taten - seine Augenbraue hoch.
'Bleib ruhig kleine Eisprinzessin. Gerade als Eisprinzessin, müsstest du doch die Coolness gepachtet haben.'
Ich antwortete nichts darauf und bedachte ihn nur mit einem bösen Blick.
Er grinste nur noch.

Als die Limousine anhielt, warf ich Blödmann einen panischen Blick zu.
Er nickte mir aufmunternd zu und erhob sich dann sehr elegant.
Ich wollte das auch machen, stieß mir dabei aber den Kopf an der Autodecke. Dann wackelte ich mit meinen Puddingbeinen zur Tür.
Auch an der frischen Luft wurde es nicht besser. Meine Hände waren kalt und meine Knie zitterten.
Noch nie in meinem Leben hatte ich solche Angst.
Ich klammerte mich also an Blödmanns Arm fest und stöckelte - man kann es wirklich nicht anders nennen - die Eingangtreppe hoch.
Oben angekommen, atmete ich noch einmal tief durch und ging dann an Blödmanns Seite in meine persönliche Hölle.

In Zweierreihen gingen wir hinein. Nur Leila kam uns wie ein Hund hinterher.
'Also, sowie die alten Säcke anfangen zu reden, verschwinden wir nach draußen in den Garten und üben Walzertanzen.'
Oh Gott!
Mit Blödmann allein im Garten.
Na super.
Wieder wurden meine Hände kalt und meine Knie fingen an zu zittern.
Verdammte Angst.

Als wir uns in einem, zu meinem Erschrecken, riesigem Saal einordneten, machte sich der typische Drang aufs Klo zu gehen, bemerkbar.
'Ich geh noch mal schnell aufs Klo. Soll ich dann gleich in den Garten gehen oder erst noch mal hier hin kommen?'
'Am besten, du gehst gleich in den Garten.'
'Gut. Nur wo kommt dann eigentlich die Musik her?'
'Er grinste und wackelte mit seinem Handy.'
'Du hast einen Walzer auf deinem Handy?'
Ungläubig schaute ich ihn an.
Was für ein komischer Vogel.
'Los, mach dich aufs Klo. Wir haben nur eine halbe Stunde.'

So schnell es auf meinen Schuhen ging, rannte ich aufs Klo.
Wow, sogar das Klo war richtig edel.
Beeindruckt schaute ich mich um.
Dann sah ich mich im Spiegel.
Reggie hatte wirklich ganze Arbeit geleistet.
Meine eigentlich ziemlich störrischen Haare, hatte sie in einer Hochsteckfrisur untergebracht und einzelne Locken hingen heraus.
Auch was das Gesicht anging, hatte sie ein wahres Wunder vollbracht.
Meine undefinierbaren braun-schwarz-grünen Augen waren dunkel betont und meine Lippen waren in einem schönen rot. Matt glänzend.
Der Rest Gesicht war etwas gepudert und meine Wangen waren mit Rouge aufgepeppt.Ich sah wirklich richtig gut aus.
Mal gucken, ob sich etwas Appetitliches unter den Gästen finden würde.
Aber leider musste ich erstmal den Eröffnungstanz mit Blödmann über die Runden bringen.Ich konnte es immer noch nicht glauben.
Da draußen im Garten wartet einer der Menschen, die ich am allerwenigsten leiden kann, um mir das Walzertanzen beizubringen.
Diese Ironie des Schicksals ist wirklich eine komische Sache...

Im Garten angekommen, sah ich Blödmann schon dort stehen.
Wie nicht anders zu erwarten, grinste er.
War es wirklich so lustig mit mir Walzertanzen zu üben?
Vielleicht freute er sich ja darauf, mich vor allen zu demütigen.
Ja klar. Was sollte es auch anderes sein.

'Hör auf so schadenfroh zu grinsen, und bring mir schnell das Tanzen bei.'
'Langsam, langsam kleine Eisprinzessin. Nicht so stürmisch.'
'Ja, na klar. Du kannst ja Walzertanzen. Ich nicht. Also schwing dich in Bewegung!'
'Also gut.'
Endlich erhob er sich und kam auf mich zu.







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