Vom ewigen Alltagstrott, Jungs, komplizierten Gedanken und allerlei anderen Dingen

Autor: himbaereis
veröffentlicht am: 14.06.2009




'Hmmm? Wo sind wir denn?'
'Schätzchen, werd endlich wach! Wir sind in Australien!'
Schlagartig war alle Müdigkeit verflogen. Oh mein Gott! Wir waren in Australien! Ich war endlich da! Endlich konnten meine Ferien richtig losgehen!
JAAAAAAAAAAA! Endlich angekommen.
Ein breites Grinsen breitete sich über mein Gesicht aus. Jetzt würde ich endlich richtig Sommer tanken können. Die Vorfreude durchfuhr mich wie kleine Stromstöße und in meinem Bauch kribbelte es.
Ich konnte es kaum noch erwarten, endlich aus dem Flieger zu hüpfen und unsere Bekannten zu begrüßen.Freundlicherweise hatten sie sich bereit erklärt, uns vom Flughafen abzuholen und dann mit ihrer Privatmaschine nach Coral Bay zu fliegen. Es muss schon krass sein, so viel Geld zu besitzen. Obwohl es mich wirklich brennend interessiert, hab ich mich nie getraut, zu fragen wie Ray dazu gekommen ist. Ray ist übrigens Reggies Vater. Ihre Mutter heißt Gina und ihr Bruder Shane. Shane war aber immer irgendwie ein komischer Vogel. Er hat nie wirklich mit mir geredet, es war schon ein Wunder, dass er sich dazu durchringen konnte, mir die Hand zu schütteln. Ich glaube Sascha hatte sich immer recht gut mit ihm verstanden...aber das wundert mich nicht besonders, weil Sascha genauso schräg ist wie Shane.

Obwohl das Flugzeug schon längst stand, durften wir nicht aufstehen. Wollte der Pilot jetzt Geiselnahme durchführen? Oder wollte er einfach mehr Applaus?
Maaaaaaaaaan! Ich will raus aus diesem Ding.
Ah. Jetzt kommt noch eine Abschlussrede und dann können wir das Teil endlich, endlich verlassen.
Als ich aufstand, hatte ich ein etwas merkwürdiges Gefühl in den Beinen. Da waren zum einen Schmerzen und zum anderen ein Schwächegefühl.
Wie dem auch sei, als ich stand, schwankte ich erst einmal ein wenig hin und her, bis meine Beine sich wieder an das Stehen gewöhnt hatten.
Du meine Güte. Mir war die ganze Zeit gar nicht aufgefallen, wie viele Leute in so ein Flugzeug passten. Bei dem Gedränge im Gang, konnte das Rauskommen ja noch ewig dauern...

Gefühlte drei Stunde später hatten wir uns endlich zum Flughafen vorgekämpft. Die Wärme, die uns schon in dem Gebäude umgab, war beeindruckend. Die armen Menschen in Deutschland froren sich wahrscheinlich gerade den Arsch ab und ich war hier. In der Sonne von Australien.
Das brachte mich wieder zum grinsen. Als ich bemerkte, dass Sascha mich deswegen dumm anguckte, grinste ich noch mehr.
Es war einfach herrlich, von einfachen Dingen wie laufen und Koffer ziehen zu schwitzen.
Eigentlich ist ja eher unschön von solchen Dingen zu schwitzen, aber in Australien war das eben alles anders. Da stand die Welt Kopf. Und ich stand mit ihr mit. Also konnte ich halt auch mal sowas wie Schwitzen toll finden.Nachdem wir 3 Kilometer durch den Flughafen gelatscht waren, kamen wir endlich an dem Besucherempfangsbereich an.
Freude durchströmte mich wieder. Endlich konnte ich Reggie, Ray und Gina wieder sehen. Shane interessierte mich nicht so wirklich, von daher konnte ich den auch getrost weglassen. Der würde für immer ein kleiner Freak bleiben, der wahrscheinlich bis zu seinem Lebensende Actionfiguren sammelte oder so. Na ja. Wenn er glücklich mit sich ist. So haben Reggie und ich wenigstens Sascha vom Hals, der versteht sich nämlich prächtig mit Shane.Wenn ich so darüber nachdenke, dann ergeben sich zwischen den beiden viele Gemeinsamkeiten. Sie stehen auf sowas peinliches wie Actiontrickfiguren, die dazu passenden Filme, sie sind beide ein wenig beschränkt, ich mag sie nicht besonders und sie sind männlich.
Gut, ich gebe zu, das letzte Argument war überflüssig aber... stimmt trotzdem.
Aber ich höre lieber auf, weiterhin über die beiden nachzudenken. Ich muss sehen, wo Reggie ist.
Wir haben uns Ewigkeiten nicht mehr gesehen.
Als ich also fieberhaft die Menschenmassen absuche, winkt mir plötzlich ein Arm. Ich sehe an dem Arm hinunter, und sehe das strahlende Gesicht von Reggie.
So schnell es ging, und ohne auf die protestierenden Menschen um mich herum zu achten, rannte ich auf Reggie zu. Es war wie in diesen furchtbar kitschigen Liebesfilmen. Aber das war mir in diesem Moment herzlich egal. Ich hatte mich so darauf gefreut, Reggie wieder zu sehen, dass musste ich jetzt auch auskosten.
Nach geschätzten 3km rennen, knallte ich mit voller Wucht gegen Reggie. Die hatte allerdings noch mehr Tempo drauf und knallte genauso stark gegen mich. Ohne dem dumpfen Geräusch auch nur einen Funken Aufmerksamkeit zu geben, umarmten wir uns stürmisch und sprangen lachend im Kreis herum. Wir mussten ja so furchtbar albern und dämlich aussehen.
Als wir fertig gehüpft hatten, schauten wir uns prüfend an. Ich suchte sie nach den größten Veränderungen ab und sie mich.
Ein wenig neidisch, stellte ich fest, dass sie beträchtlich an Oberweite dazubekommen hatte. Ist es eigentlich von Natur aus angeboren, die Brüste zu vergleichen und dann festzustellen, dass das Gegenüber größere hatte? Machten alle weiblichen Wesen das ab und zu? Oder war das nur mein eigener Reflex, jedem Mädchen auf die Brüste zu gucken?
Ich meine...Brüste sind wirklich richtig interessant. Es gibt so viele verschiedene Formen und Variationen...Aber ich will das nicht weiter vertiefen. Ich hatte wichtige Dinge mit Reggie zu besprechen.
Als wir dann mit unserer Umarm-, Abknutsch-, und Luftwegdrückprozedur fertig waren, fingen wir an zu reden. Zuerst kamen die üblichen Floskeln...und die privaten und geheimen Dinge hoben wir uns für später auf.Als nächstes wurde dann die restliche Familie begrüßt. Ray und Gina freuten sich riesig die deutsche Chaosfamily endlich wieder zu sehen und wir konnten uns alle gar nicht genug drücken und knuddeln und angrinsen. Selbst Sascha war ganz aus dem Häuschen. Ob er sich genauso freute wie ich? Australien, Sonne, Freunde, Strand und Meer. Oder lag es lediglich an Reggies Anwesenheit?
Die sehnsüchtigen Blicke die er Reggies Po und Busen zuwarf, waren so ungeschickt und auffällig, wie eben nur ein Trottel wie Sascha das machen konnte.
Ich glaube, wenn er nur die Chance gehabt hätte, wäre er gleich mit dem Gesicht in ihre Oberweite gerannt. Typisch pubertierender Kerl eben. Von Sascha und Reggie schaute ich dann zu meinen Eltern.
Mein Vater sah aus, wie ein kleines Kind an Weihnachten. Ein seliges Lächeln lag auf seinem Gesicht und er strahlte vollkommene Zufriedenheit aus. Ob es daran lag, dass wir aus dem Flugzeug heil rausgekommen waren?
Auch meine Mutter strahlte wie ein kleiner Engel. Mit ihren blonden Löckchen sah sie so furchtbar niedlich aus. So glücklich und zufrieden habe ich meine Eltern lange nicht mehr gesehen. Sie sahen richtig entspannt aus. Ob sie es dieses Jahr vielleicht doch mal schafften, den Alltag aus Deutschland hinter sich zu lassen? Einfach ausspannen und das schöne Wetter bzw. die schöne Landschaft genießen?
Auch Sascha, der es inzwischen geschafft hatte, seinen Blick von Reggie abzuwenden, starrte lächelnd vor sich hin. Würde ich ihn nicht seit 14 Jahren kennen und wissen, was er für ein Ekel ist, würde ich ihn heute glatt süß finden.
So. Meine Eltern hatten Gina und Ray nun auch zu Ende begrüßt und nun standen wir hier in der großen Empfangshalle herum und ich wusste nicht, was das sollte. Wir waren doch da. Worauf warteten die denn alle nur?
Kam noch jemand?
'Reggie, worauf warten wir jetzt eigentlich noch?'
'Na wir warten auf Shane. Der müsste auch bald ankommen.'
'Auf Shane?! Wieso denn auf Shane? Ist er nicht bei euch zu Hause?'
Verwundert starrte ich sie an. Was warteten die denn auf Shane?
Ob er vielleicht auf dem Klo war und sich verlaufen hatte?
'Ist er auf dem Klo? Wartet ihr deswegen auf ihn?'
'Nein, er war ein Jahr nicht bei uns. Er war in Deutschland und hat dort sein Auslandsjahr gemacht.''Jetzt schon? Er ist doch erst 16.'
'Ja und? Er ist bald fertig mit der Highschool und geht dann aufs College. Dieses Jahr war eine spezielle Vorbereitungszeit, auf den Weg in seinem späteren Leben.'
Ein Weg in seinem späteren Leben? In Deutschland?
Na der hatte sich aber einen Fußmarsch vorgenommen!
'Ja aber was denn für ein Weg? Hängt das schon mit dem College zusammen? Ist so eine Art Praktikum?''Ja ich glaube so in etwa kann man das bezeichnen. Er macht ein Praktikum, weil er die deutsche Sprache perfekt beherrschen will, wenn er dann aufs College geht.'
'Wozu braucht er die denn in Australien?'
'Frag mich mal etwas Leichteres. Du hast ihn doch kennengelernt. Er ist ein ziemlich schräger Vogel.''Ja da hast du Recht. Er war immer etwas eigenartig. Aus diesem Grund versteht er sich ja auch so großartig mit meinem Bruder Sascha.'
Jetzt grinste Reggie mich an.
'Das könnte sein. Nichts gegen dich oder deine Familie...aber Sascha ist auch ein ziemlicher Freak oder?''Oh Reggie, du hast so Recht. Er ist so gar nicht von dieser Welt. Aber ich gehe immer noch davon aus, dass meine Eltern ihn irgendwo gefunden und adoptiert haben. Weil...ich meine schau ihn dir an. Das ist Blödheit in Vollendung.'
Sie sah mich schnell an und wir kicherten los wie zwei alberne Gänse. Oh man. Ich glaube das liegt an der Luft, dass meine Familie sich so ganz anders verhält. Normalerweise kichere ich nicht so dämlich herum und bin auch nur halb so albern. Aber die Euphorie endlich in Australien zu sein, schien Mutter, Vater, Sohn und auch die Tochter mit Verlassen des Fliegers ergriffen zu haben.
'Du sag mal, warum braucht er denn solange?'
'Das darfst du mich nicht fragen. Wahrscheinlich findet er seinen Koffer nicht mehr. Das würde zu ihm passen. Er ist so schrecklich chaotisch musst du wissen.' Genau wie ich, fügte ich in Gedanken hinzu.
'Ich hatte ihn immer für einen totalen Ordnungsfanatiker gehalten. Er war immer abweisend und schien in seiner eigenen Welt zu leben.'
'Ja, aber er hat sich in den Jahren sehr stark verändert. Wahrscheinlich ist er auch in die Pubertät gekommen. Ziemlich spät, aber Shane war schon immer ein kleiner Spätzünder.'
Gegen meinen Willen musste ich grinsen. Auf irgendeine unbegreifliche Weise erschien Shane mir geradezu liebenswürdig. Wahrscheinlich immer noch so verpeilt und weltfremd, wie er es in den ganzen anderen Jahren gewesen war... und immer noch ein wenig käsig, weil er seine Zeit lieber vor Freund Computer verbrachte, anstatt draußen in der Sonne zu spielen.
Etwas unsportlich, weil er lieber lernte und Bücher las, anstatt das zu tun, was Jungs normalerweise nämlich machen: Fußball spielen.
Selbst mein freakiger Blutsverwandter spielte für sein Leben gern Fußball. Auch mich hatte dieses Fieber nicht verschont. Seit drei Jahren spielte ich Fußball in einer Mädchenmannschaft, die wir selber gegründet hatten. Außerdem mache ich noch Drachenboot und Badminton.
Jedes mal, wenn wir uns nach oder vor Sport in der Umkleide unterhalten, sagt mindestens eine immer denselben Satz zu mir: 'Boah Nina, du bist so sportlich! Dagegen komme ich mir richtig faul vor.'
Obwohl ich eigentlich selber sehr faul bin. Nur beim Sport, insbesondere beim Drachenboot fahren auf dem See, kann ich immer richtig abschalten und über die dämlichsten Dinge nachdenken. Wenn wir dann im Boot sitzen, schaue ich mir immer und immer wieder die Bäume an Rand an und denke darüber nach, warum der Mensch sich das Leben eigentlich so unheimlich kompliziert macht. Warum haben wir den starken Drang, Wettkämpfe zu machen? Was bringt uns eine Urkunde im Leben? Wieso setzen wir uns wegen einem Stück Papier diesen Anspannungen aus?
Jedes Mal stelle ich mir diese Fragen und jedes Mal komme ich zu derselben Antwort.
Weil der Mensch mit seinem Ehrgeiz einfach nicht anders kann. Er will Ansehen und Stärke gewinnen und setzt sich deshalb diesem Stress aus. Das Ego des Menschen. Eine andere gute Erklärung konnte ich auf diese Fragen nicht finden, deswegen belasse ich es dann auch dabei und wundere mich nur, warum ich mir nie etwas aus Siegen oder Urkunden gemacht habe. In keiner Sportart hatte ich jemals das Gefühl, etwas gewinnen zu müssen. Ich sehe es einfach nur als Spaß an und freue mich, einer Beschäftigung nachgehen zu können.Warum alle immer Urkunden, Medaillen oder Pokale haben wollen, ist und bleibt mir schleierhaft.

'Nina? Hast du mir gerade zugehört?'
'Hm? Äh nein was hast du gesagt?'
'Shane hat gerade Dad angerufen und bescheid gesagt, dass er in ca. 10 Minuten da ist. Er hat seinen Koffer nicht gefunden bzw. jemand hat die Koffer vertauscht. Typisch Shane kann ich da nur sagen'
Aha. Na ja...ich denke, die 10 Minuten dürfen wir auch noch schaffen. Wir stehen inzwischen 20 Minuten hier und da kommt es auf die 10 auch nicht mehr an.
'Achso, na ja, wenn er bald da ist und seinen Koffer wieder hat, ist es doch in Ordnung. Immerhin schlafen wir zusammen in einem Zimmer und haben sozusagen die ganze Nacht für uns.' Verschwörerisch grinsten wir uns an. Das liebte ich so an Reggie. Sie dachte in vielen Dingen haargenau dasselbe wie ich. Aus diesem Grund verstanden wir uns wahrscheinlich schon damals auf Anhieb.
'Ach Nina, du warst schon so lange nicht mehr bei uns. Ich habe mein Zimmer inzwischen umrenoviert und eine neue Einrichtung bekommen. Auch sonst ist in Coral Bay einiges anders als letztes Jahr. Wir haben ein neues Hotel und damit auch mehr Besucher. Aber ich glaube, Coral Bay wird für immer ein kleiner Geheimtipp bleiben. Denn obwohl Winter ist, haben wir nie überlaufene Straßen oder volle Strände.'
'Na ja, ich finde auch, Coral Bay ist ein Geheimtipp. Es ist wunderschön. Du kannst dich unheimlich glücklich schätzen, in Australien, und vor allem in Coral Bay zu wohnen. Selbst der Name klingt traumhaft.'
Reggie sah mich amüsiert an.
'Wenn man dich so hört, könnte man fast denken, du wärst eifersüchtig.'
Ich sagte darauf garnix und grinste sie nur vielsagend an.
Plötzlich standen Ray und Gina auf. Auch Reggie drehte sich um und suchte die erneut kommende Menschenmenge ab. Ich guckte auch ein wenig in den Menschen herum und dann sah ich Blödmann breit grinsend auf unser Trüppchen zukommen.







Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9 Teil 10 Teil 11 Teil 12 Teil 13 Teil 14 Teil 15 Teil 16 Teil 17 Teil 18 Teil 19 Teil 20 Teil 21 Teil 22 Teil 23 Teil 24 Teil 25 Teil 26 Teil 27 Teil 28 Teil 29 Teil 30


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz