Golden Week

Autor: Seisai
veröffentlicht am: 01.05.2009




Die letzten Stunden vergingen wie im Flug. Es musste noch vieles erledigt werden, bevor alle in die Ferien gingen. Und viel Zeit war nicht mehr. Geschaeftig lief eine junge Frau, ja fast ein Maedchen, herum. Sie war ein Newbie, ein Neuling. Frisch aus der Uni und noch voller Hoffnungen. Sie war gut. Sehr gut. Sie sprach 5 Sprachen, davon 3 als Native Speaker und die anderen beiden waren auch fluessig. Doch schien sie nicht wie ein Neuling. Ein bisschen abgebrueht. Realitaetsbewusst. Eine Karrierefrau. Nicht das Traumbild von einer Ehefrau, aber durch und durch attraktiv.
Sie war eine der letzten, die das Gebaeude hinter sich liessen. Ab morgen waren Ferien fuer eine Woche. Golden Week, die wahrscheinlich beste Wortwahl. Eine Woche voller Feiertage. Es gab nur drei wirkliche Ferien im Jahr. Neujahr eine Woche, die Golden Week Ende April Anfang Mai und Obon, eine weitere Woche, im August. Viel mehr konnte man sich nicht frei nehmen. Und auch da musste man erreichbar sein. Und nach den Ferien musste man weiter sein als davor. Nicht wie in Deutschland, wo man mal im Sommer 3 Wochen und im Winter auch nochmal 3 Wochen freinimmt. Hier hatte man 14 weitere Tage, die man sich freinehmen konnte, doch die meisten konnte man nicht benutzten. Es war einfach zu viel zu tun.Die junge Frau, Lisa Hoffmann, arbeitete ca. 50 Stunden die Woche. Gesetzlich war das kein Verstoss. Und sie war jung. Sie arbeitete in einer grossen Firma und war die Kontaktperson zur Deutschen Botschaft wie zur japanischen Regierung.
Die Ferien wuerde sie in die Berge fahren, zu ihren Eltern. Raus aus der Riesenmeteropole Tokio. Sie war dort zu Hause, all die Hochhaeuser waren nicht eiskalt und erschreckend, wie es manche beschrieben, sondern es waren ihre Freunde. Und doch brauchte sie auch die Natur. Sie war immer mit ihren Eltern schon in die Berge gefluechtet, und daran sollte sich nichts aendern.
Noch an diesem Abend nahm sie den Bus in die Berge. Ihre Tasche war voll mit Unterlagen, die sie noch bearbeiten musste. Und doch hatte sie sich vorgenommen abzuschalten.Nach 3 Stunden waren sie angekommen, die Nacht war schon lange eingebrochen, doch ihr Vater ,Karl, wartete an der Bushaltestelle. Er war gross, 1,95, und viel damit nochmehr auf als ein normaler Ausslaender inmitten der Japaner. Sie umarmten sich zur Begruessung und er nahm ihr die Taschen ab und sie stiegen in das grosse Auto ein. 'Na wie war die Fahrt?' 'Ganz ok. Naja, ich hab nicht sooo viel mitbekommen.' Sie lachte. 'Wie ist die Arbeit? Macht sie denn Spass?' 'Ja, es ist sehr interessant.' 'Und du arbeitest soviel, dass du in Deutschland ins Gefaengnis muesstest.' Er schuettelte den Kopf. 'Du bist einfach zu sehr wie deine Mutter. Ihr muesst begreifen, dass Menschen schlafen muessen, und essen und trinken und nicht nur arbeiten. Sag mal, hast du eigendlich jemanden Nettes kennengelernt?' 'Mama arbeitet immernoch so schlimm? Aber sie ist doch jetzt groessten Teils hier oder?' 'Ja, ist sie. Hey und lenk nicht von der Frage ab.' 'Was war nochmal die Frage?' 'Ob du einen Freund hast, das war die Frage.' Schmunzelnd verdrehte Karl seine Augen. 'Nein. Das hast du auch vor ner Woche gefragt. Willst du etwa, dass ich heirate oder was soll das? Ich hab gedacht Vaeter wollem immer, dass die Toechter fuer immer und ewig Jungfrauen bleiben.' 'Naja unter anderen Umstaenden bestimmt. Aber ich brauch jemanden, der dich beaufsichtigt.' Das helle Lachen erhellte das dunkle Auto. 'Boah, ey! Ich leb seit 10 Jahren alleine! Ich kann sehr wohl auf mich aufpassen!' 'Sehr wohl, Frau Dr. Hoffmann!' Lisa gab ihrem Vater einen leichten Klaps auf dem schon kahlen Kopf. 'Kind wir sind angekommen.' 'Ja das seh ich selber, ich bin nicht blind.' 'Man bist du frech.' Laechelnd stieg der grosse Mann aus dem Auto und stiess sich prompt den Kopf an. 'Papa das war die Lampe. Wann laeufst du mal nicht dagegen? Du hast keine Haare, die das abpolstern, also pass mal auf!' Lachend stieg auch Lisa aus. Sie griff nach ihren Taschen, jedoch war Karl schneller. 'Oh danke.' 'Immerdoch.' Lisa laechelte.
Kaum schloss sie die Tuer auf, stuermte ihre Mutter ihr entgegen. Anders als ihr Mann war sie nur 1,60 gross und spargelduenn. Ihre schwarzen, dicken Haare hatten weisse Straenen, doch sah sie noch so jung aus wie eh und jeh. Yumiko schaute ihre Tochter liebevoll an. Wie erwachsen diese doch geworden war. Dann nahm sie Lisa an die Hand und fuehrte sie zum Tisch, wo schon Tee auf sie wartete. Als ihr Mann an ihr vorbeiging, beugte er sich zu ihr runter und gab ihr einen Kuss. 'Wann kommt Ken eigendlich nach Hause?' Der Gesichtausdruck von Lisa zeigte die Sehnsucht zu ihrem Bruder. 'Hmm, er meinte er kommt erst in ein paar Tagen, aber er bringt seine Verlobte mit.' Ach ja, seine Verlobte. Eine reizende Frau. Lisa hatte sie sofort ins Herz geschlossen.
Obwohl es schon spaet in der Nacht war diskutierte sie mit ihrer Mutter noch ueber politische Themen. Yumiko war Medienwissenschaftlerin und hatte einen Lehrstuhl an einer sehr guten Universitaet. Lisa selber hatte einen Doktor in Politikwissenschaften.
Irgendwann kam ein verschlafener Karl aus dem elternlichen Schlafzimmer und zerrte seine Frau mit. 'Du solltest auch schlafen, Lisa.' 'Als ob ihr jetzt schlafen wuerdet.'
Kopfschuettelnd schaute sie zu ihren Eltern, die eilig ins Schlafzimmer verschwanden. Nach 35 Jahren Ehe waren sie immernoch wie frisch verliebte. Zufrieden raeumte sie die Tassen weg und ging dann ins Bett.
Am naechsten Tag wachte sie erst um 12 Uhr auf. Sie hoerte ihre Eltern unten Mittagessen. Seitdem sie hier in die Berge gezogen waren, waren sie schon sehr frueh auf den Beinen. Seufzend wickelte sich Lisa in den verwaschenen Bademantel und ging hinunter. 'Hey Schatz, auch schon aufgewacht. Willst du fruehstuecken oder gleich Mittagessen?' 'Mittagessen. Oder was gibts zum Fruehstueck? Deutsch oder Japanisch?' 'Japanisch. Reis, Misosuppe, Nimono, Fisch und Salat.' 'Fruehstueck.' Yumiko laechelte und stand auf. Dabei drueckte sie ihre Tochter in einen Stuhl und schaute sie streng an. 'Ja, Mama, ich werde mich nicht bewegen.' 5 Minuten spaeter hatte Lisa ein ganzes japanisches Fruehstueck vor sich. Ihre Mutter hatte sogar noch japanisches Omlett gemacht. 'Itadakimasu.' In Rekordzeit war alles weg. 'Na du machst eindeutig keine Diaet.' 'Karl! Lass sie! Ausserdem wuerde sie doch ganz verschwinden, wenn sie noch abnehmen wuerde! DU kannst eine Diaet gebrauchen.' Liebevoll strich Yumiko ihrem Mann ueber den Bauch und gab ihm einen Kuss. 'Okay, ich glaub ich geh dann mal...' Schnell verschwand Lisa in ihr Zimmer, schnappte sich was zum anziehen. Dann ging sie duschen. Nach ihrer sorgfaeltigen Koerperwaesche schlich sie mit einer Jacke und ihrem iPod aus dem Haus. Das Wetter war wunderbar. Schlendernd ging sie durch das kleine Waeldchen bis sie zu einem Bauernhof kam. Wie oft hatte sie dort gespielt und in dem kleinen Lokal ausgeholfen. Ein froehliches Bellen begruesste sie, als sie das Grundstueck betrat. Ein junger Golden Retriever schoss aus ihrer Hundehuette und kam ihr schwanzwedenlt entgegend.Ihr Halsband veriet ihren Namen: Nana.Als sie wegen der Leine nicht weiter konnte, bellte sie. Lisa strich der Huendin sanft ueber den Kopf und ging dann in die Kueche des Lokals. Momentan schien nicht soviel los zu sein, es war zu frueh zum Abendessen aber zu spaet zum Mittagessen oder Kaffeetrinken. 'Hey Lisa!' Eine Frau, vielleicht 10 Jahre aelter als Lisa kam auf sie zu. 'Hey Norika! Wie geht`s? Was macht das Geschaeft? Und deine Familie?' 'Komm rein, es ist sowieso keiner da. Lass uns einen Kaffee trinken.' Die beiden Frauen umarmten sich und Norika kochte Kaffee. Dann schnappten sie sich jeweils eine Tasse. 'Wart mal, ich bring noch ein paar Katzen mit.' Grinsend lief Norika weg und kam nur wenige Minuten wieder. In jeder Hand hatte sie kleine Kaetzchen. 'Die sind 3 Monate alt.' Sie gab Lisa eines.'O Gott sind die suess.' 'Und? Wie ist es so in Tokio?' 'Naja, viel Arbeit aber es macht Spass. Du kennst mich ja. Und wie ist es verheiratet zu sein?' 'Unglaublich. Ich hab ja nie gedacht, dass ich jemals heirate, aber es ist echt witzig. Sag mal, dich sieht man auch nicht mit einem Mann rumlaufen, oder?' 'Wieso fragen mich das alle? Nein. Ich habe noch niemanden gefunden.' 'Ah apropos, wann kommt denn dein Bruder? Ich habe so Geruechte gehoert.' 'Ja, der glueckliche, hat seine Frau gefunden. Sie heiraten im Sommer. Er hat soll auch noch kommen. Also in den naechsten Tagen. Und er bringt seine Verlobte mit.' 'Mein Bruder kommt heute.' 'Oh.' Norika lachte auf. 'Ihr zwei, ihr koennt echt nicht miteinander oder?' 'Hey, er hat meine Freundin verletzt!' 'Das war vor 4 Jahren!' 'Ja, es war das letzte Mal, das ich ihn gesehen habe.' 'Er ist jetzt auch schon 33.' 'Sagt das etwas aus ueber seinen Charakter? Ich weiss nicht. Wie kann man so eine nette Schwester haben und so einen verdorbenen Charakter haben?' 'Miau' meldete sich das Kaetzchen in Lisas Armen zu Wort. Es beschwerte sich, dass Lisa aufgehoert hatte es zu kraulen. 'Ja ja, du kleines verschmusenes Ding.' Sie rieb das Wollknaeul an ihr Gesicht. 'Nana ist gewachsen wie nichts, oder?' 'Oh, ja. Sie ist aber immer noch nicht ausgewachsen. Und sie ist sooo hyperaktiv. Wenn man mit ihr spazieren geht, dann dreht sie fast durch.' Ja, Nana war ein Gute-Laune-Hund.
So fand Shun sie vor. Lachend, jeweils mit kleinen Kaetzchen im Arm. Lisa war schoener geworden in den letzten Jahren. Er richtete automatisch seine Kleidung und straffte seine Schultern, bevor er den Raum betrat. Er war gross fuer einen Japaner, sehr gross, seine 1,80 waren herausstehend. Und er war sehr schmal gebaut, wie es bei vielen Japanern der Fall war, doch war er durchtrainiert, wie Chirugen es of waren. Es schien, als waere er direkt von seinem Arbeitsplatz gekommen, er trug noch einen Anzug, der sehr teuer aussah. 'Shun! Da bist du ja!' Seine Schwester flog ihm um den Hals, nicht ohne vorher das Kaetzchen Lisa zu geben. Diese verzog ihr Gesicht. 'Hey.' 'Hi. Wie gehts dir? Du bist auch in Tokio momentan oder?' 'Ja. Du, Norika, darf ich die Kaetzchen fuer heute Abend mitnehmen? Ich bring sie wieder, wenn ich dann heut abend mit Nana spaziern gehe, ja?' 'Klar!' Und schon war sie weg. 'Na, die mag dich echt nicht.'
Yumiko hatte sich ueber die Kaetzchen gefreut. Sie liebte Katzen. Gut gelaunt ging Lisa wieder durch das Waeldchen. In ihren Armen schliefen die beiden Kaetzchen.Es war inzwischen daemmrig und die Bergspitzen waren roetlich gefaerbt. Nana erwartete Lisa bereits schwanzwedelnd und bellte erfreut, als diese die Leine aus der Kiste nahm. Und dann fing es an. Nana sprag herum, rannte und huepfte im Kreis, sodass an anleinen und abketten gar nicht zu denken war. Verzweifelt versuchte Lisa Nana festzuhalten um endlich mit ihr losgehen zu koennen. Doch diese schien vor lauter Freude keine Minute ruhig sitzen zu koennen. 'Nana, Platz!' Nichts half.
Ein grosser Schatten fiel auf Lisa, was sie hochblicken liess. Shun stand da und half Lisa sofort und wortlos Nana anzubinden. 'Danke.' Die kuehle Stimme liess selbst Nana zusammenzucken. Lisa aber fiel sie kaum noch auf, sie war verbittert. Sie wollte nicht, dass er ihr half. 'Darf ich mitkommen?' 'Nein.' 'Ok, ich machs trotzdem.' Er schien seinen Spass zu haben. `Na toll.`
Die gute Laune verflogen lief Lisa Nana hinterher, oder besser gesagt, Nana zog Lisa. Neben den zwei lief Shun in grossen Schritten. Er hatte keinen Anzug mehr an, doch erschien die Kleidung von ihm `Macho` zu schreien, jedenfalls aus Lisas Sicht der Lage. Aus der Sicht einer jeden anderen Frau sah er einfach nur aus wie ein Model.
'Und wie ist deine Arbeit?' 'Gut.' 'Hast du dich schon an die Arbeitszeiten gewoehnt?' 'Als waeren die schlimmer als in der Doktorantenzeit.' 'Sind deine Kollegen symphatisch?' 'Symphatischer als du.' 'Sag mal, bist du immernoch sauer auf mich?' 'Nein.' 'Wieso?' 'Wieso?' Genervt von dem Gespraech, das sowieso zu nichts fuehrte lief Lisa los, Nana die das als eine einzigartige Idee empfand sprintete ebenfalls los, jedoch so schnell, dass Lisa promt stolperte. Doch sie fiel nicht hin. Shun war anscheinend auch losgelaufen und hatte sie im Fall aufgefangen. 'Alles okay?' Wortlos befreite sich Lisa und ging einfach weiter. Der Rest des Spazierganges herrschte eisiges Schweigen, auch Shun war das Reden vergangen.'Platz!...Gut. Hier hast du deinen Keks.' Gierig nahm Nana Lisa den Keks aus der Hand und ass ihn auf. Dann guckte sie Lisa erwartungsvoll an. 'Ich hab nichts mehr.' 'Sie will schmusen.' 'Das weiss ich auch. Aber ich muss nach Hause.' 'Musst du oder willst du einfach weg von mir?' Lisa drehte sich wuetend um und blickte Shun demonstrativ in die Augen. 'Es ist nicht so, dass ich ein gebrochenes Herz habe und dich deswegen nicht mag. Es liegt einzig und allein daran, dass ich deinen verdorbenen Charakter nicht mag.' 'Ah, und das liegt einzig allein an dem Vorfall von vor weiss nicht wieviel Jahren, als deine Freundin in mich war und mich misverstanden hat!' '1.Nein es liegt nicht nur daran, sondern an deinem schlechten Charakter und 2. Wie missverstanden? Du warst mit ihr zusammen und dann knutschst du mit einer anderen rum. Was kann man da bitte missverstehen?' '1. War ich nie mit Cathrin zusammen und 2. Hab ich Namiko nicht gekuesst sondern sie hat mich ueberfallen.' 'Ah natuerlich, der unschuldige Shun. Der arme kleine Junge.' Lisa lief los.







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