Auf der anderen Seite der Nacht - Teil 35

Autor: Nacomi
veröffentlicht am: 14.04.2011


Er erstickte meine Stimme in einem wilden Kuss und ich überließ mich seinen schwarzen Edelsteinaugen, ließ mich überrollen von seiner Leidenschaft, die wie eine Welle über meinem Kopf zusammenschlug.


Seit vier Jahren waren Diego und ich ein Paar. Nach jener verhängnisvollen Nacht, als die Beziehung zwischen mir und Luìs endete bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte. Anders als Luìs es mir vorhergesagt hatte, war Diego da und half mir. Er war es, der am Morgen danach in mein Zimmer kam, um nach mir zu sehen. Er war es, der mich in den Arm nahm und wenigstens meinen Körper erwärmte. Er war der Grund, warum ich meine Augen überhaupt wieder geöffnet hatte.

Raul und ich waren allein mit Salvador zu unserem Gut zurückgefahren, nachdem wir uns von allen verabschiedet hatten und mit einigen Schwierigkeiten Salvador in den Transporter gebracht hatten. Mit Diego hielt ich die ganze Zeit Kontakt.
Ein paar Monate später stand er dann morgens mit einem Koffer auf dem Hof. Raul stellte ihn, auf mein Drängen hin, etwas widerwillig ein. Wenig später traf Contador mit einem gemieteten Hänger ein und eine Zeit lang arbeiteten wir freundschaftlich zusammen.
Bald aber spürten wir wieder jenes „Besondere“, was uns beide schon bei unserer ersten Begegnung aus der Bahn geworfen hatte. Und das tat es auch dieses Mal.
Wir waren gemeinsam zur Herde hinausgeritten, um nach ein paar trächtigen Stuten zu sehen, und rasteten im Schatten einiger Olivenbäume. Es war ein sonniger Tag und noch angenehm warm, aber bald würde es Winter werden. Am Horizont türmten sich die Wolken und der Wind hatte aufgefrischt. Die Herde war ruhig und auch die entsprechenden Stuten waren wohl noch nicht zum Abfohlen bereit. Wir steigen ab, lockerten die Sattelgurte und ließen die Pferde grasen. Eine Weile beobachteten wir die Herde und plauderten über dieses uns jenes Tier, lachten über die Jährlinge die übermütige auf ihren langen Beinen herumstelzten. „Schau mal der Braune dort, der mit den drei weißen Stiefeln“ sagte ich. „Der wird bestimmt mal ein super Reitpferd, schau nur was für ein Trab!“ „Oder die Stute dort“ warf Diego ein und deutete auf ein dunkles Stutfohlen, welches gerade versuchte der Mutter in den Schweif zu zwicken. „Was für einen schönen Körperbau sie hat. Diese schrägen Schultern, der lange Hals – ich wette, dass sie eine wahre Schönheit wird.“ Er war regelrecht begeistert von der Kleinen und ich warf ihm einen unauffälligen Blick zu. Seine rabenschwarzen Augen leuchten und als er meinen Blick bemerkte lächelte er. Und ehe ich den Blick abwenden konnte, hatten mich seine Augen hypnotisiert. Eine ganze Weile lang sahen wir uns einfach nur an. Ich hätte schwören können, dass die Luft zwischen uns in Flammen stand. Man konnte es regelrecht knistern hören. Mein Puls raste und unwillkürlich atmete ich schneller. Seine Augen erfassten jede noch so kleine Bewegung in meinem Gesicht, wie schon einmal fühlte ich mich als würde er bis auf den Grund meiner Seele blicken. Die Erinnerung an jenen Abend auf dem Hügel tat ihr Übriges.
Es war wie ein Flashback, es war helllichter Tag, aber ich fühlte mich zurückversetzt in eine mondhelle Nacht, wir beide uns gegenüber. Seine Augen aus schwarzen polierten Edelsteinen, irgendwie unheimlich glatt und kühl, aber diesmal war mein Herz aus Eis und so empfand ich seine Augen nicht als bedrohlich, sondern als vertraut. Kalter Schweiß stand mir auf der Stirn, die Spannung wurde unerträglich. Er lächelte, ein Lächeln welches seine Augen nur minimal erhellte. „Deja-vu“ sagte er leise und ich meinte ein leises Krächzen in seinem Hals wahrzunehmen. „Mmh…“ machte ich und legte den Kopf schief. „Weißt du auch noch, wie’s weiter ging?“ Er atmete hörbar aus. „Wie könnte ich nicht? Willst du denn, dass es weiter geht?“ Sein Lächeln ließ meinen Atem aussetzen. Er spannte mich auf die Folter, er provozierte mich. „Diego“ knurrte ich und versenkte mich noch mehr in seinem dunklen Blick. Blitzschnell hatte er sich zu mir gebeugt und mich mitgerissen in einem Kuss, der mit Zärtlichkeit wenig zu tun hatte. Es war genau das was ich brauchte. Überwältigt ließ ich mich fallen, ließ mich auffangen, ließ mich mitreißen und überließ ihm die Zügel nur zu gern. Wir liebten uns noch an Ort und Stelle, uns selbst und die Welt vergessend. Ohne, dass wir je darüber hätten reden müssen, war uns klar, dass es sich nie um Liebe gehandelt hatte. Wir profitierten von einander, nutzten unsere Körper, um unsere Seelen ruhig zu stellen. Aus reiner körperlicher Liebe wurde mit der Zeit Gewohnheit, wuchs Vertrauen. Wir gaben einander Geborgenheit und Halt. Es war eine schöne Illusion, der wir uns hingaben. Eine harmonische Beziehung voller Leidenschaft, ohne Eifersucht und Besitzansprüche, die uns beiden gut tat. Eigentlich passte alles zwischen uns, über Liebe sprachen wir nicht. Wir erfreuten uns lieber an der bunt schillernden Seifenblase, die es uns beiden erlaubte unsere Eispanzer aufrecht zu erhalten.

„Jetzt muss ich noch mal duschen“ beschwerte ich mich scherzhaft etwa eine Stunde später. Er lachte und ließ sich erschöpft in die weißen Bettlaken zurückfallen. „Brauchst du Hilfe?“ „Bloß nicht“ prustete ich. „Sonst kann ich die Gäste auch gleich nackt begrüßen.“ Ich beugte mich zu ihm hinunter und gab ihm noch einen schnellen Kuss, atmete noch einmal kurz seinen Duft ein und war schon auf dem Weg ins Bad ehe er noch etwas erwidern konnte. Während ich kurz darauf vor dem Spiegel stand und ein dezentes Make-up auftrug, huschte er an mir vorbei unter die Dusche. Ich zwang mich ihm nicht zuzusehen, ich musste mich jetzt beeilen. Um Zeit zu sparen verzichtete ich darauf das Haar zu föhnen und zog mich gleich an. „Ich geh die Zimmer vorbereiten“ rief ich. „Kannst du dann schon mal in den Stall gehen?“ Das Wasser der Dusche verstummte und er trat aus der Dusche. Einen Moment blieb ich noch stehen und starrte ihn an. Er grinste und nahm sich ein Handtuch. „Jetzt geh schon“ flaxte er und hüllte sich in das weiche Frotteetuch. Ich lachte, riss mich vom Anblick seines Körpers los und eilte bald darauf durch die Gänge, verteilte so schnell ich konnte Handtücher und frische Bettwäsche in den Gästezimmern und kontrollierte die Sauberkeit der Bäder. Dann eilte ich noch kurz in die Küche um zu überprüfen, wie die Vorbereitungen für den Brunch liefen, der den Gästen bei der Ankunft zur Verfügung stehen sollte. Der Koch war schon fleißig bei der Arbeit und so konnte ich sogar noch im Vorgarten ein paar Blumen schneiden, die ich in kleinen Vasen auf jeden Nachttisch stellte. Wie immer wollte ich alles perfekt haben. Als ich schließlich in den Stall kam, hatten die Stallburschen schon gefüttert und die Boxen ausgemistet wie jeden Morgen und die Reitpferde wurden noch einmal auf Hochglanz gebracht. „Da bist du ja“ rief mir Diego zu und lächelte mir über den Rücken einer Braunschimmelstute zu. „Samoa lahmt, hat sich wohl vertreten, ich habe ihn in den kleinen Stall gebracht und stattdessen Mambo hergeholt.“ „Ist gut“ antwortete ich. „Brauchen wir den Tierarzt?“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, nein, ist nichts Ernstes. Wir bitten Pedro später einen Blick drauf zu werfen.“ Wieder nickte ich. „Danke dir“ sagte ich und machte mich auf den Weg zum Auto. Er lachte herzhaft und seine dunklen Augen blitzten. „Wofür denn? Ich habe doch gesagt, dass ich dir helfe, schließlich ist es meine Schuld, dass du so spät aus dem Bett gekommen bist.“ „Idiot“ rief ich ihm über die Schulter zu. Lächelnd stieg ich in den VW-Bus und machte mich auf den Weg zum Flughafen. Das Leben konnte so schön sein.








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