Auf der anderen Seite der Nacht

Autor: Nacomi
veröffentlicht am: 09.01.2010




'Verflixt aber auch!' rief ich aus. Ich hatte nun die dritte Nacht in Folge von Luìs geträumt. 'Warum geht mir dieser blöde Spanier einfach nicht aus dem Sinn!?' Ärgerlich warf ich die Bettdecke zurück, sprang aus dem Bett und knickte prompt um. 'Au!' entfuhr es mir und ich hüpfte auf einem Bein auf und ab, als es plötzlich an der Tür klopfte und Rosa in der Tür stand. Belustigt zuckten ihre Mundwinkel. 'Guten Morgen.' Rasch ließ ich meinen Fuß los und brachte ein Lächeln zu Stande. 'Guten Morgen'' Rosa lächelte ehrlich und nickte. 'Hast du gut geschlafen?' Ich nickte und war unsicher, was ich sagen sollte. 'Ich möchte dich gar nicht lange stören, aber ich denke, es gibt da etwas, was du wissen solltest. Komm mit.' Ich warf mir den Morgenmantel über und folgte ihr unsicher auf den Flur. 'Es ist gerade ein junger Mann eingetroffen. Ich habe ihn nicht so richtig verstanden, aber er fragt nach dir' redete sie im Plauderton weiter. Wie angefroren blieb ich stehen. Sie bemerkte es erst nicht, drehte sich aber dann nach mir um und zog fragend die Augenbrauen hoch. 'Wie, ehm ich meine wer…?' Sie lachte kurz, aber herzlich und kam zu mir zurück. 'Ich weiß es nicht, aber es scheint wichtig zu sein. Komm schon mit.' Sie nahm sanft meine Hand und ich folgte ihr den Flur entlang zur Treppe. Ich stieg mit zitternden Knien die ersten Stufen hinab und wagte dann einen Blick hinab ins Foyer, wo ein ziemlich abgerissen aussehender Mann stand. Zu seinen Füßen lagen ein paar Satteltaschen. Er hatte uns den Rücken zugedreht und betrachtete eines der Gemälde an der Wand. Ich erkannte ihn sofort!
'Luìs!' entfuhr es mir heiser. Und dann noch einmal, lauter jetzt. 'Luìs!' Ich riss mich von Rosa los und polterte so schnell ich konnte die Treppe hinunter. Er drehte sich um, sagte aber nichts. Auch sein Gesicht war reglos, aber ich achtete nicht darauf. Ich stolperte die letzten Stufen hinab und warf mich ihm an die Brust. Wieder einmal konnte ich meine Tränen nicht zurück halten, aber in dem Moment war es mir egal. 'Heulsuse' meinte er und schloss langsam die Arme um meinen Oberkörper. Ich war so glücklich, dass ich sein Zögern überhaupt nicht bemerkte. Ich regte mich noch nicht einmal über die 'Heulsuse' auf, sondern konzentrierte mich ganz und gar auf das Gefühl, dass er mich in seinen Armen hielt. Durch den dünnen Stoff meines Morgenmantels spürte ich ihn ganz genau, spürte seinen regelmäßigen Herzschlag an meiner Brust, spürte seinen Atem auf meinem Haar und jeden einzelnen Muskel an seinen Armen, die mich umschlossen hielten. Eine ganze Weile stand ich einfach weinend da, bis er mich schließlich von sich weg schob. 'Jetzt beruhig dich doch' meinte er und diesmal entging mir die Kälte seiner Stimme nicht. Das wunderbare Gefühl begann zu weichen, fröstelnd schlang ich de Arme um mich selbst. Ehe ich noch etwas erwidern konnte kam Rosa dazu und reichte mir ein Taschentuch, welches ich dankbar annahm. 'Rosa? Das ist Luìs, er hat mich auf meiner Reise begleitet. Er war… ehm… ja, er war sozusagen mein Reiseleiter.' Seine Mundwinkel zuckten und er stieß ein leises Schnauben aus. Rosa reichte ihm die Hand und er ergriff sie sachte. 'Willkommen, sicher möchten sie erst einmal ein Bad nehmen?' Er nickte nur dankend und Rosa rief nach irgendeinem Pepe und entfernte sich diskret. Ich starrte ihn immer noch an, war unfähig den Blick von seinem Gesicht zu wenden, welches keinerlei Regung zeigte.
Als Pepe Luìs dann zu einem der Gästezimmer führen wollte, packte ich unwillkürlich seine Hand. Belustigt drehte er sich zu mir um. 'Was denn?' Ich antwortete nicht. Er lachte trocken. 'Möchtest du mich etwa unter die Dusche begleiten?' fragte er mit einem anzüglichen Grinsen und mir blieb der Mund offen stehen. Wie konnte er es wagen?! Er lachte lauthals los und wand sich aus meinem Griff. Er lachte mich aus! Ich konnte es nicht fassen, dass er das tat. Und das, nachdem er gerade mal fünf Minuten hier war. 'Also nicht' stellte er fest, als er sich wieder beruhigt hatte. Ich hatte die Sprache noch immer nicht wieder gefunden. Es war einfach ungeheuerlich, wie unverschämt er war. Ich bereute schon wieder, dass ich mich ihm so an den Hals geworfen hatte und musste mich anstrengen nicht schon wieder in Tränen auszubrechen. Diesmal nicht vor Freude, sondern weil er mich verletzte. Huch! Was hatte ich da gerade gedacht? So ein Unfug! Ich blickte in seine Augen, die immer noch belustigt funkelten. Es war kein Unfug: er hatte mich verletzt, sehr sogar. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber ganz sicher nicht, dass er mich auslachte und dazu auch noch vor Rosa und diesem Pepe bloßstellte. Schon wollte ich mich abwenden und mich in meinem Zimmer verstecken, als seine Stimme mich zurück hielt. 'Geh besser in den Stall' meinte er und grinste immer noch. 'Da wartete noch jemand auf dich!' 'NEIN!' durchfuhr es mich und mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich wollte ihn fragen, wollte es wissen, aber ich brachte kein Wort über meine Lippen. Er musterte mich einen Augenblick und seufzte dann. 'Du weißt wer' sagte er dann leise und schon war ich herum gewirbelt und über den Hof zum Stall gerannt. Ich riss das Tor auf und die Pferde sahen mich neugierig an. Ich rannte die Stallgasse hinunter, vorbei an den Hirtepferden und dann sah ich ihn: SALVADOR!

Er stand in der hintersten Box, getrennt von den anderen und hatte seine Ohren in meine Richtung gedreht. Er wieherte leise, seine dunklen Augen saugten sich an mir fest und so schnell ich konnte stürmte ich auf ihn zu. Mit zitternden Fingern öffnete ich den Riegel und umarmte den mächtigen Hals des Braunen. Ganz still stand er, knabberte ein Bisschen an meinen Haaren und brummelte freundlich. Nachdem ich - mal wieder - ein Bisschen geweint hatte ließ ich von ihm ab und musterte ihn. Es schien ihm gut zu gehen. Er war ein Bisschen abgemagert, was seiner Schönheit aber keinen Abbruch tat. Er war bereits gestriegelt, hatte Heu und Wasser bekommen. Rasch tastete ich an dem verwundeten Bein entlang nach unten, leichten Druck auf die Sehnen ausübend. Er warf den Kopf auf und schlug mir dem Schweif. Es schien ihm noch ein wenig Schmerzen zu bereiten, aber er zog mir das Bein nicht weg. Erleichtert, dass er offensichtlich durch den Kampf mit dem Seil und dem wilden Galopp vor ein paar Tagen keinen Rückschlag erlitten hatte, ließ ich mich ins Stroh fallen. Salvador senkte seinen Kopf und prustete mich an. Ich lachte und blies sanft zurück. Tief atmete ich den warmen Pferdatem ein und hätte zerplatzen können vor Glück, als er mit seinem samtweichen Maul an meiner Wange stieß. Er hatte mich weder vergessen, noch das Vertrauen in mich verloren.
'Was machst du denn hier?' fragte eine Stimme und riss mich aus meinen Gedanken. Hastig sprang ich auf und schaute über die Boxentür zu Diego. 'Ich wollte Salvador begrüßen' erwiderte ich. 'Was dagegen?' Er lächelte und musterte mich von oben bis unten. Wieder verursachten mir seine Blicke eine angenehme Gänsehaut. 'Nein, überhaupt nicht. Aber du solltest dir eventuell etwas Passendes anziehen.' Meine Augen weiteten sich und ich sah an mir herunter. Natürlich! Ich war ja eben erst aufgestanden. 'Glotz nicht so!' fauchte ich und zog den Morgenmantel etwas fester um mich. Er hob abwehrend die Hände. 'Schon gut, schon gut.' Salvador schnaubte unruhig und legte vorsichtshalber die Ohren an. Wütend starrte ich Diego an, bis er schließlich seufzte und beschloss sich aus dem Staub zu machen. Erleichtert atmete ich aus und zupfte mir ein paar Strohhalme aus den Haaren. Dann streichelte ich noch ein Mal Salvador und huschte aus dem Stall und über den Hof ins Haus. Ich atmete erleichtert auf, als ich die Tür hinter mir ins Schloss warf, ohne dass ich jemandem begegnet war. Schnell eilte ich die Treppe hinauf und in den Flur der zu meinem Zimmer führte. Es war wirklich Zeit mir etwas anzuziehen.
Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es bereits kurz vor elf war. Dennoch beschloss ich noch schnell zu duschen und dann endlich meinen Bruder anzurufen. Jetzt wo ich Salvador wieder hatte, stand einer Rückkehr nach Hause nichts mehr im Wege. Und abgesehen davon, dass mir das heimatliche Gut und meine Familie fehlten, brannte ich auch darauf endlich zu erfahren, warum ich überhaupt dieses ganzen Strapazen auf mich genommen und Salvador den spanischen Gutsbesitzern gestohlen hatte.







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