Shafts of sunlight

Autor: Naina
veröffentlicht am: 28.06.2009




Meine Neugier war am nächsten Tag schon bis ins unermessliche gestiegen. Larissa hatte ich dieses Mal nichts erzählt. Was sollte ich ihr auch als Ausrede liefern, warum er ihrer Gegenwart willen nicht gekommen war. Sie würde ihn für den völligen Feigling halten. Ich zog einen schwarzen Faltenrock an, den kannte ich noch aus früheren Zeiten. Er passte mir immer noch, da meine Hüfte keine allzu große Veränderung mehr gemacht hatte. Dazu ein schönes Oberteil. Ich hatte Freddy schon in der Schule verrückt gemacht und nun hampelte Amor um meine Beine herum, da er meine Nervosität bemerkte. Ich bürstete meine langen Haare nun schon zum zigsten Male durch und fühlte vorsichtig hinterher, ob sie auch ja nicht strohig waren. Mit Spiegel wäre das alles eine um vielfaches einfachere Angelegenheit. Meine Mutter war zum Glück arbeiten, sodass ich das Haus unbemerkt so verlassen konnte. Ich ertastete meine fertig gepackte Tasche, griff meinen Blindenstock und drehte auf dem Absatz noch einmal rum. Sollte ich mich schminken? Zumindest pudern? Ich wusste ja gar nicht, ob mein Gesicht unrein aussah. Ich fuhr noch einmal die Konturen nach. Es wirkte ebenmäßig. Doch konnte ich mich auf meinen Tastsinn hundert Prozent verlassen? Vor meinem Unfall hatte ich das Haus ohne Make-up für keine zwei Schritte mehr verlassen. Jetzt lief ich komplett ohne herum. Meine Mutter wollte ich ja auch nicht darum bitten, sich jeden Morgen hinzusetzen und mein Gesicht zu bearbeiten.Auch wenn ich die Anderen nicht sehen konnte, wollte ich dennoch, dass die, die mich sehen konnten, mich hübsch finden. Ich glaube, das ist etwas, was jedes halb weibliche Wesen nachvollziehen kann. Nach kurzem Hin und Her beschloss ich es bleiben zu lassen. Wer weiß, wie ich sonst bei ihm auftauchen würde.
Mit meinem Stock fest im Griff lief ich vollkommen sicher durch die Straßen in den Park. Ich spürte, dass ich nun im Schutz der Bäume unterwegs war. Einfach, weil die Sonne nicht mehr so erbarmungslos auf meine Haut nieder brannte und weil ich nun den Wind spürte, der sanft mit meinem Rock spielte.
Ich lief weiter und kämpfte mich zu der Bank vor. Ich hatte keine Ahnung, wie viel Uhr es war. Als ich losgelaufen war, war es bereits viertel vor drei gewesen. Meine Mum hatte mir schon lange vorgeschlagen, mir eine sprechende Blindenuhr zu kaufen, doch welch wunder…ich lehnte sie ab.
Solche Uhren sind groß und klumpig. Einfach nicht schön am Handgelenk einer Frau.Um die Wartezeit zu überbrücken holte ich meine Tragödie 'Romeo and Juliet' aus meiner Tasche und begann über den zweiten Akt zu tasten. Ich wunderte mich sehr. Frau Rotenpieler hatte uns damals gesagt, dass es nur eine vereinfachte Version als Blindenbuch gab. Anscheinend hatte sie gelogen, um zu verstecken, dass sie nicht alle auf hohem Niveau einschätzte. Traurig, ich war mir sicher, dass keiner aus unserer Gruppe zu dumm war, ein solches Theaterstück zu verstehen.
Juliet erfuhr gerade, dass sie Romeo heimlich heiraten werde. Unterstützt durch ihre liebe Amme. Ich seufzte erfüllt von romantischem Geschwärme.
'Was liest du da?', ich hörte, wie sich jemand neben mich setzte und schlug augenblicklich das Buch zu. 'Romeo and Juliet? Ist das nicht etwas, zu dem man gelangweilte Schüler normalerweise zwingen muss?'
Ich senkte meinen Kopf, um zu verhindern, dass er mein Gesicht sah, welches mit Sicherheit gerade rot anlief. Meine Haare fielen neben mein Gesicht und verhüllten mich so komplett. Ich hatte ihn gar nicht ankommen hören.
'Ich lese es freiwillig.', murmelte ich leise.
Er lachte leicht. Nicht schüchtern, dennoch sehr gehalten. Er schien es gewohnt zu sein, Gefühlsregungen zu verbergen.
'Danke, dass du gekommen bist.'
Ich richtete meinen Kopf vorsichtig wieder auf und hoffte, dass ich wieder ganz okay aussah.'Du bist sehr hübsch, weißt du das eigentlich?', bevor ich antworten konnte, ergriff er meine Hand, 'komm mit.'
Er stand auf, und zog mich mit sanfter Gewalt nach oben. 'Du brauchst mich nicht festhalten, ich kann auch so neben dir herlaufen.', versicherte ich, rettete mich so aus seinem Griff und schnappte mir meinen Blindenstock. 'Also gut.'
Er lief los in Richtung des Ausgangs. 'Wo willst du mit mir hin?'
'Shhht es ist eine Überraschung.'
Ich folgte ihm schweigend. Mein Herz pochte so laut, dass ich Angst hatte, er könnte es hören. Ich kam mir vor, wie ein achtjähriges, naives Mädchen, welches jedem noch so gefährlichem Mann für ein fruchtiges Bonbon aus der Hand fraß.
'Hier ist mein Auto, setz dich ruhig auf die Beifahrerseite. Bekommst du das hin?', er war so freundlich, seine Stimme war so zart.
'Nein.', ich hielt mich verkrampft an meinem Stab fest. 'Soll ich dir helfen?'
'Nein!', ich wurde ungewollt lauter.
'Was ist?'
'Ich kann doch nicht einfach mit einem fremden mitfahren!'
Wieder lachte er sanft: 'Vertrau mir einfach.'
'Wieso sollte ich?! Du bist ein- Du bist nicht der Mann, dem man auf Anhieb vertraut.', wich ich aus und hielt meine Tasche fest im Griff, um zu verhindern, dass er mir erneut mein Handy klaute.
'Du vertraust mir doch längst, sonst wärst du nicht alleine hergekommen.', er lief auf die Beifahrerseite und ich hörte, wie er diese Tür öffnete. Ich jedoch blieb auf der Stelle verharren.
'Vertrauen ist das falsche Wort. Neugierde passt besser.'
'Jaymee…', murmelte er, schloss die Tür wieder und stellte sich vor mich. 'Dave.'
'Eigentlich David? Englisch ausgesprochen?'
'Ja.'
'David.', ich klopfte ihm auf die Schulter und stieg ohne weiter drüber nachzudenken auf die Beifahrerseite. 'Jetzt bin ich aber mal gespannt, wo es hingeht.'
Dave setzte sich neben mich hinters Steuer und ich hörte, wie er den Motor startete. 'Die Fahrt ist nicht allzu lang, du brauchst nur noch ein klein wenig Geduld.'
Er fuhr sehr vorschriftsmäßig, das schlussfolgerte ich daran, dass das Auto immer wieder langsamer wurde, anhielt, und wieder losfuhr. Er schien also die Regeln zu beachten, was man von ihm ja auch nicht unbedingt erwartet hatte.
'Was ist das hier für ein Auto?', ich spürte einen Ledersitz unter meinem Hintern. Das Armaturenbrett fühlte sich groß bestattet an, mit einem Bildschirm, was ich als Navigationssystem vermutete. 'Porsche.'
'Oh!', stieß ich begeistert aus und lehnte mich entspannt zurück, wobei ich stets den Griff an der Tür festhielt. Dies war eine kleine Sicherheitsmaßnahme, ohne die ich mich irgendwie unsicher fühlte.
'Wir sind da.', er stellte das Auto ab und öffnete mir sogar die Beifahrertür.
Es klickte kurz, und da war sein Porsche wieder verschlossen. 'Komm mit.'
Ich folgte seinem ruhigen, gleichmäßigen Schritt. Die Sonne war wie immer unermüdlich. 'Heute scheint es noch regnen zu wollen.', ruinierte Dave, als hätte er meine Gedanken gelesen, sofort meine Freude über das Wetter, 'Vielleicht gewittert es sogar. Merkst du, wie windig und schwül es ist?'
'Ja.'
Wir gingen über einen Parkplatz. Der vermutlich schwarze Asphalt gab die Hitze ebenfalls von unten ab. Ich konnte mir bildlich vorstellen, wie der Rauch aufstieg und kleine Vatermorganas wie Pfützen über den Boden legte.
'Hier ist eine Drehtür, nicht das du stolperst.', warnte mich Dave vor und zog mich sanft mit herein. 'Wo sind wir jetzt?'
'Hab doch noch ein klein wenig Geduld.', legte er mir ans Herz und blieb gleich darauf stehen, 'Zwei Erwachsene, bitte.'
'Sehr gerne, das macht dann-'
'Psst.', unterbrach er sie und schien sich mit Handzeichen mit ihr zu unterhalten, denn ich hörte nichts mehr. 'Gut, dann wünsche ich Ihnen viel Spaß.'
'Dankeschön.', er hob irgendetwas von dem Empfangstisch und gab mir mit einem sanften Griff am Arm zu verstehen, weiter zu laufen. 'Du magst doch Tiere, nicht wahr?', fragte er schließlich und blieb erneut stehen, um sich zu mir zu drehen.
'Wenn ich jetzt nein sage, habe ich dann deinen ganzen Plan ruiniert?', fragte ich gehässig und grinste ihn dabei an. Langsam war ich kurz vorm platzen! Ich vermutete langsam einen Zoo, wobei das völlig absurd wäre, mich in einen Zoo zu bringen. Hatte ich doch eh nichts davon. Höchstens die Geräusche und den Geruch, doch das bringt es ja irgendwie auch nicht. Oder er wollte mich unnötig beleidigen und sich über mich lustig machen.
Als ich so vor mich hin überlegte, bemerkte ich gar nicht, dass mein Blick zu einer strengen Miene geworden war.
'Nein, ich hatte noch einen Notfallplan. Sollen wir ihn gleich in die Tat umsetzen?'
'Nein, ich mag Tiere ja, ich weiß nur nicht, wie du mir jetzt Tiere zeigen willst.'
'Wirst du gleich verstehen. Kannst du dich alleine umziehen? Hier rechts sind Kabinen. Oder soll ich dir helfen?'
Ich lachte leicht, bevor ich verstand, dass er es ernst meinte: 'Alles klar, Dave. Ich brauche immer Hilfe bei allem, Weißt du? Oh, man, was soll das?!', langsam wurde ich ungeduldig und ziemlich ungehalten.
'Tut mir Leid. Hier', er hielt mir etwas entgegen. Ich nahm es ihm ab und tastete es ab. Der Stoff war nicht zu verwechseln. 'Ein Badeanzug?!', schnaubte ich. 'Ja, ich dachte du willst dich nicht gleich in einem Bikini präsentieren. Ich zieh mich ebenfalls um, wir treffen uns hier wieder.', Schon entfernten sich seine Schritte. 'Toll!', was wollte er denn? Warum sollte ich das mitmachen? Natürlich, weil meine Neugier zu groß war, um es bleiben zu lassen. Also ging ich in die Kabine, die er mir gezeigt hatte und ließ meinen Rock auf den Boden gleiten. 'Was machst du da?', fragte sich die eine Hälfte in mir im Stillen. Doch ich war einfach neugierig und aufgeregt. Dave strahlte Sexappeal aus, der mich noch verrückt machte. Ich hatte mir schon so ein Bild von ihm aufgebaut, dass ich sicherlich enttäuscht sein würde, wenn er nicht so aussah, wie ich ihn mir vorstellte.
'Schön, er passt. Das freut mich.', war seine Begrüßung nach unserer Trennung. 'Jetzt komm mit.'
Da ich nun Barfuss war, spürte ich die angewärmten Fliesen unter mir. Waren wir in einem Schwimmbad? Ich roch kein Chlor.
'Deine Sachen tu ich schnell in den Safe, ja?', er nahm mir alles ab und ich hörte das Klicken.
Als wir weiter gingen, hörte ich so ein plätschern und Tiergeräusche. Im nächsten Moment blieb ich ruckartig stehen. 'Dave!', kreischte ich ihm entgegen. 'Was ist?'
'Das sind…'
'Ja?'
'Delfine!'
Ich hörte ihn leicht kichern. 'Noch kannst du aussteigen.'
'Bist du verrückt! Darf ich mit ins Becken? Zu den Delfinen?'
'Aber klar.'
Er nahm mir den Stock ab und legte ihn bei Seite. 'Halt dich an meiner Hand fest. Noch zwei Schritte…Genau, Vorsicht. Setz dich an den Beckenrand.'
Ich gehorchte ihm, während das Blut in doppelter Geschwindigkeit durch meinen Körper gepumpt wurde. Ich vernahm ein leises Plätschern und wusste, dass Dave ins Wasser gestiegen war. 'Ich hebe dich hinein, nicht erschrecken.'
Seine Hände hakten sich unter meine Arme und er hob mich mit Leichtigkeit an. Ich quietschte leicht, als das kalte Wasser meinen Körper erreichte und zog meinen Bauch ein.'Kannst du schwimmen, oder soll ich dich festhalten?'
'Das geht schon.'
Plötzlich fing ich an zu schreien. Etwas gummiartiges bewegte sich an meinen Füßen. 'Ruhig…Das ist nur ein Delfin.'
Daves Stimme klang unglaublich weich und zart. Er zog mich an einer Hand durch das Wasser und legte meine Hand auf den Rücken eines Tieres. 'Unglaublich.', ich streichelte die nasse Haut des Säugers. Gleichzeitig hörte ich natürlich nicht auf, meine Beine gleichmäßig zu bewegen, um an der Oberfläche zu bleiben. Der Delfin schnalzte in den hohen Tönen, wie man es immer im Fernsehen sah. 'Er will, dass du dich an seine Rückenflosse hängst.', erklärte Dave. Ich tastete mich zu dieser besagten Flosse und hielt mich fest. Sofort schwamm der Delfin los. 'Daaaaaaave! Was macht er?'
'Mit dir spielen. Keine Sorge, er tut dir nichts.', von Wort zu Wort hatte sich seine Stimme entfernt. Der Delfin schwamm schnell, doch ich hatte keine Angst. Obwohl ich nicht sehen konnte, obwohl ich nicht wusste, wo er hin schwamm. Er strahlte ein unglaubliches Gefühl von Sicherheit aus.
'Willst du mit ihm Ball spielen?', plötzlich war Dave wieder neben mir. Der Delfin war also im Kreis geschwommen. 'Geht das?'
'Klar.', er reichte mir einen Ball und ich warf ihn unkontrolliert weg. Ich hörte Plätschergeräusche und schon tippte mich das Tier mit dem Ball im Mund an. 'Fein!', lobte ich und tätschelte seinen Kopf.
Ich verlor jegliches Zeitgefühl, als ich mit Dave dort war. Und ich war unendlich traurig, als er verkündete, dass wir gehen mussten, da wir das Becken nur für eine bestimmte Zeit gebucht hatten. 'Irgendwann kommen wir noch einmal her, versprochen?'
'Ja, versprochen.'
'Ich verabschiede mich schnell.', ich gab allen drei Delfinen ein Küsschen und ging mit Dave mit. Er gab mir Duschzeug und zeigte mir, wo die Frauenduschen sind. Wir trafen uns danach wieder bei den Kabinen.
'Was hältst du davon, wenn wir jetzt Essen gehen?', schlug Dave vor, bevor wir wieder bei seinem Auto waren. 'Prima Idee.', nickte ich und band mein nasses Haar zusammen. Die Luft war schwüler geworden und ein Gewitter schien nicht mehr weit.
'Sushi?'
'Sushi?!', ich musste laut und gleichzeitig ernst lachen, 'Erst Fisch streicheln, dann essen? Wie grausam!'
'Delfine sind keine Fische sondern Säugetiere.', stellte Dave klar.
'Schlaumeier.', schmollte ich und verschränkte meine Arme auf dem Beifahrersitz.'Italienisch?'
'JA! Dave? Ich danke dir für diesen wunderschönen Tag.', senkte ich meinen Kopf und sprach aus vollem Herzen. Er reagierte erst nicht und murmelte schließlich etwas von 'gern geschehen.'
'Doch ehrlich. Das war der schönste Tag seit sehr, sehr langem!', aus einem Impuls heraus lief ich auf ihn zu und wollte ihn umarmen. Er jedoch hielt mich an meinen Schultern zurück. 'Was ist? Ich wollte mich nur bedanken.'
'Ja, gern geschehen.'
'Ich verstehe!', ich senkte enttäuscht meine Arme, 'Du willst nicht, dass ich weiß, wie du aussiehst und du hast Angst, dass ich bei einer Umarmung schon genug mitbekomme, um dich verpfeifen zu können.', ich schaukelte mich richtig hoch. 'Jaymee.'
'Komm mir nicht so! Du vertraust mir selbst nicht! Sag mir endlich, warum du dich mit mir treffen wolltest!'
'Darf man sich nicht einfach mit dir verabreden?'
Ich stampfte auf den Boden auf. 'Nein! Niemand trifft sich mit mir einfach so! Immer wollen alle was oder haben Mitleid. Bei dir ist es doch auch nicht anders. Ich gehe!', meine Stimmung war sofort am Boden. Irgendwie war ich enttäuscht von ihm. Was wollte er denn, wenn wir uns niemals berühren durften? Beziehungsweise, wenn ich ihn niemals berühren durfte, er tat es ja ständig und ich war mir sicher, dass ich ihn an seinen Händen bereits erkennen konnte. Ich marschierte mit meinem Stock davon. Ich war so gekränkt, dass er mich abgewiesen hatte. Ich wollte doch gar nichts anstellen. Ich hatte ihm lediglich danken wollen.







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