Wo alles schon besser gesagt ist, möchte man schweigen und kann es nicht

Autor: _Abril_
veröffentlicht am: 27.02.2009




Hallo Leute. Das ist wieder ein Versuch endlich eine meiner Fortsetzungsgeschichten fertig zu schreiben, es wäre lieb, wenn ihr mir sagen würdet, ob es euch gefällt und ob ich daran weiterarbeiten soll?! Freue mich über jede Kritik. Viel Spaß beim Leben. Eure, Abril


'Hast du an uns gedacht?' Eileen hob eilig den Blick. Hinter Shannon fiel die Haustür krachend ins Schloss. Sie zuckte zusammen. 'Natürlich habe ich das', gab sie lächelnd zur Antwort und hoffte, dass Shannon endlich mit dem lauten Rascheln aufhören würde. Sie erhob sich und begrüßte ihre Mutter mit dem Hauch eines Kusses auf die linke und rechte Wange. Als sie sich voneinander lösten, hielt Shannon sie am Handgelenk fest. 'Du bist dünn!' Das war eindeutig keine Frage, es war eine Feststellung wie sie nur Shannon machte. Eileen fragte sich ob sie irgendetwas antworten sollte. Lieber nicht, beschloss sie. Um einem Verhör zu entgehen, nahm sie das Gepäck ihrer Mutter und stellte es in ein Eck ins Wohnzimmer. Dabei ignorierte sie bewusst das Augenpaar das sich ihr in den Rücken bohrte. 'Und wo ist S-I-E?', fragte Shannon nach einer Weile und zog jede Silbe des letzten Wortes geflissentlich auseinander. Als Eileen sich wieder der älteren Frau zuwandte, sah sie wie diese eine fein gezeichnete Augenbraue hob.
'Im Schlafzimmer', flüsterte sie kurz und bündig. 'Warum flüstern wir?', fragte Shannon unvermittelt. Eileen verdrehte die goldenen Augen. 'Weil sie schläft, Mutter. Die Kleine liegt im Nebenzimmer und es hat eine halbe Ewigkeit gedauert sie in den Schlaf zu wiegen', gestand sie erschöpft. Sie rieb sich müde den Schlaf von den Augen. 'Ach Schätzchen', begann ihre Mutter von vorn, doch dieses mal unterbrach Eileen sie abrupt.
'Bitte, Mutter, keine Diskussion. Wo ist Dad?' Zwischen zusammengekniffenen Augen sah sie ihrer Mutter dabei zu wie diese mit den Armen durch die Luft fuchtelte als würde sie eine lästige Mücke vertreiben wollen. Sie kaute an der Unterlippe während sie der Standpauke lauschte.
'Dein Dad? Ach, der sucht mal wieder einen Parkplatz. Typisch New York City sag ich dir. Wärst du doch nur in Arizona geblieben. Schätzchen, in Tempe gibt es zu dieser Jahreszeit wenigstens einen Hauch an Sonnenschein. Wir haben dein altes Zimmer ganz genau so gelassen wie du es verlassen hast. Wäre es nicht klüger für dich und Rosalie wieder heimzukommen? Ich meine, hier hast du doch nichts was dich festhält.' Der letzte Satz verletzte Eileen, doch sie bemühte sich es sich nicht anmerken zu lassen.

'Mutter, das hier ist mein Zuhause . . . genauso wie Rosalies. Sie kennt nichts anderes. Und sie ist glücklich mit dem hier!' Eileen zeigte mit ausgestrecktem Arm auf die Garnitur um sich herum. Schön, vielleicht waren die Möbel nicht mehr die Modernsten, auch das Sofa war nicht mehr das was es vor einem Jahr für sie gewesen war, trotz allem liebte sie ihre kleine Wohnung. Alles hier hatte sie sich hart erarbeitet. Um dieses heimelige Leben zu haben hatte sie gekämpft.
'Meinst du?' Ihre Mutter schien skeptisch. Eileen seufzte gereizt.
'Ja, Mutter.'
'Aber denke doch bitte mal auch daran was du ihr nicht bieten kannst. Daheim könntest du es!' Daheim. In Eileens Ohren klang es nach einem Schimpfwort. Sie wollte nichts davon wissen. Schließlich ging es hier nicht um Rosalie. Es ging einzig und allein um ihre Beziehung zu Shannon. Irgendwie fühlte sich Shannon dafür verantwortlich, dass ihre Tochter sich für dieses einfache Leben entschieden hatte und dieses Schuldgefühl trieb sie geradezu zu diesem schrecklichen Pflichtbewusstsein. Eine Sache, die auf Eileen den Eindruck machte, als habe sie auf ganzer Strecke versagt.
'Hier geht dasselbe genauso gut. Möglicherweise sogar besser. Mutter, nur weil wir in New York County leben und nicht in Arizona heißt das nicht, dass wir. . .' Bevor sie sich in Rage reden konnte, wurde sie ruckartig unterbrochen. Denn da schwang die Haustür von neuem auf. 'Oh, Daddy', unbeschwert fiel sie ihm in seine offenen Arme. Sie hörte sein rauchiges Glucksen an ihrem Ohr. Wie immer kam er genau zum richtigen Zeitpunkt. Denn sie war kurz davor Shannon tatsächlich die Augen auszukratzen und nun war sie mehr als erleichtert, von diesem Plan ablassen zu können.
'Lass deinen alten Herrn doch mal zu Atem kommen. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen wie schlimm der Verkehr vor eurer Tür ist. Um einen Parkplatz zu ergattern musste ich mich erst anstellen!' Eileen ließ von ihm ab.
'Ist das nicht verboten?' Shannons Frage war ein leises Zischen.
'Das wichtigste ist doch, dass du endlich da bist', beschwichtigte sie sogleich. Eileen wusste, wie verrückt es auf New Yorks Straßen in der Rush Hour zuging.
'Wieso schaut denn deine Mutter so böse drein?', fragte er neugierig als sie ihm den schwarzen Mantel abnahm und die Tür verriegelte.
'Oh, du hast uns nur in unserem Disput unterbrochen, der - das will ich gesagt haben - noch lange nicht vorbei ist, junge Dame', beantwortete Shannon aufbrausend, ehe Eileen, der sie einen giftige Blick zuwarf, darauf reagieren konnte.
'Habt ihr euch etwa in der halben Stunde schon gestritten? Aber hallo! Kein Wunder, dass du weggelaufen bist.' Jeffry konnte ein grunzendes Feixen über seinen eigenen Witz nicht unterdrücken, doch weder Eileen noch Shannon stimmten in sein Lachen ein.
'Jeffry, halt den Mund', befahl Shannon nachdem er sich wieder gefasst hatte. Eileen war in der Zwischenzeit davongeschlichen. Sie hatte einfach keine Lust auch noch ihrem Streitgespräch beizuwohnen. 'Liebling, das war aber nur ein kleiner Spaß am Rande. Wie du weißt, kann ich es nicht leiden, wenn ihr euch streitet. Dennoch tut ihr es ununterbrochen', seine Stimme hatte plötzlich einen strengen Tonfall angenommen.
'Jeffry, also ich weiß ja nicht. Deine Tochter schlägt ganz nach dir', meinte Shannon auf einmal abwesend.
'Oh nein, Liebes. Die Schlagfertigkeit, das Selbstbewusstsein und die Halsstarrigkeit sowie den Eigensinn und den Ungehorsam . . . Genug der Eigenschaften vererbte dein x-Chromosom, ich habe schließlich keins.' Er zwinkerte Shannon zu, was ihr ein Kichern entrang.
'Du Idiot.' Lächelnd gab sie ihm einen Klaps auf den Arm. 'Du bist ein unverbesserlicher . . .'
'Gentleman?', versuchte er ihr zu helfen. Shannon schüttelte den Kopf. 'Mir ist das Wort entfallen, aber es liegt mir auf der Zunge', erklärte sie. Sie griff sich auf die Stirn, als könne sie beim Massieren des Kopfes ihn dazu anregen noch schneller zu arbeiten.
'Ich weiß es: Charmeur', versuchte Jeffry es ein weiteres Mal. 'Alzheimer lässt grüßen', mischte sich Eileen ein, deren flüchtiges Verschwinden nicht aufgefallen war. Auch das sie nun in Winterjacke steckte, Haube, Schal und Handschuhe trug schien nicht weiter aufzufallen.
'Haha', erwiderte Shannon grimmig. Wie zum Schutz zog Eileen den Riemen ihrer Tasche enger um den Hals. Die kalten Blicke ihrer Mutter gingen ihr bis unter die Haut. 'Könnt ihr für heute euer Kriegsbeil nicht begraben?', erkundigte sich Jeffry theatralisch. Natürlich war ihm die Spannung zwischen seinen zwei Frauen aufgefallen. Eileen lächelte, nur allzu bereitwillig das Thema ein für alle mal fallen zu lassen.
'Klar, Daddy. Ich muss ohnehin los. In zehn Minuten bin ich mit Jessy verabredet. Ihr kommt hier also klar?' Ein einstimmiges Nicken war ihre Antwort. Sie umklammerte fest die Klinke, während sie einen letzten kritischen Blick in die Richtung ihrer Eltern warf, und sich insgeheim fragte, ob es nicht ratsamer gewesen wäre einen Babysitter für dieses Arrangement zu engagieren? Ach was, widersprach sie ihrer inneren Stimme und trat lächelnd ins schwindende Dämmerlicht der Abendsonne.
Beißende Frische erfasste sie im Handumdrehen. Wie auf Kommando wehte ihr ein tobender Wind die antarktische Kälte ins Gesicht. Automatisch verschränkte sie die Arme wie zur Verteidigung vor der Brust. Konzentriert hielt sie dann trotz des peitschenden und jaulenden Föhns nach Jessy White Ausschau.
'Lee?! Hier bin ich!' Verwirrt sah sie sich um. Wo war sie? Der Dunst, der den ganzen Tag wie ein Regenvorhang über der Stadt hing, war aufgrund der Kälte auf die Erde gesunken, woraufhin dichter Nebel sich ausgebreitet hatte, der die belebte Straße sicher verbarg. Somit sah man die Hand vor Augen kaum, was es Eileen um einiges erschwerte die Stimme, der Person zuzuordnen, der sie gehörte.
'Hey, Lee!' Echogleich tauchten erneut Jessy's Rufe an ihr Ohr. Doch noch immer keine Spur von ihr. Allmählich fühlte sie sich unbehaglich. Ihre Planung war im Eimer! Plötzlich lichtete sich links neben ihr der Nebelschleier und die Umrisse einer Gestalt nahmen vertraute Züge an. Schmunzelnd musterte sie die winkende Hand, welche ihr angab wo ihre Freundin steckte.
'Hallo, Jess! Endlich!' Bei ihrer Wiedersehensfreude umarmten sie einander ungestüm und rannten dabei beinahe einen älteren Mann um.
'Schön dich zu sehen, Lee.'
'Kann ich nur zurückgeben. Du hast mir gefehlt', gestand Eileen und begann leicht an der Kapuze von Jessy's Mantel zu ziehen.
'Was drängelst du denn so? Jetzt hetz mich nicht. Ich brauche eine kurze Verschnaufpause.' Eileen prustete los, wobei sich ihr warmer Atem schleunigst in eine Rauchwolke aus Eis verwandelte. Jessy's Auf-und-Ab-Touren waren mehr als komisch. Das nächste Gelächter konnte sie unmöglich unterdrücken, weswegen sie dem beschwingten Gemüt freien Lauf lies. Unabsichtlich biss sie sich dabei auf die Zunge, wobei ihr ein kleiner Schmerzlaut entfuhr.
'Aua. Mist, jetzt habe ich mir wegen dir in die Zunge gebissen!', schimpfte sie, die Zunge vorsichtig an der Oberlippe reibend.
'Selber Schuld. Du glaubst gar nicht, wie oft du die Urheberin meiner kleinen Verletzungen bist', erwiderte Jessy frech grinsend. Einen Moment schwelgten beide in Erinnerungen, bis Eileen aufschrie.
'Shit, Shit, Shit! Beweg dich. Hast du unser Vorhaben vergessen?' Jessy's Blick schoss hoch und beäugte die Mine ihrer Kindheitsfreundin vergnügt. Ihr Ausdruck im Gesicht war unergründlich.
'Wir haben Unmengen an Zeit. Wir sind früh genug dran. Hörst du?' Eileens nussbraune Augen sahen in ein unnachgiebig schauendes bernsteinfarbenes Paar. Endlich beruhigte sie sich. Jessy war Eileens bessere Hälfte. Seit sie sich im Kindergarten angefreundet hatten waren sie unzertrennlich gewesen. Sie führten eine Freundschaft die die Jahre überdauert hat. 'Sind deine Eltern bei Rose?' Die Frage riss sie aus ihren Gedanken. Ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.
'Ja.' Jessy zwinkerte ihr hellhörig geworden zu. 'Ich musste die Flucht ergreifen', fügte Eileen unnötigerweise zögernd hinzu. Seitdem sie in New York wohnte lief sie ständig davon, wenn ihre Eltern auf Besuch waren. Nicht, dass sie sie nicht liebte. Jeffry und Shannon waren einfach zu anstrengend im Laufe der Zeit geworden. Immer diese bevormundenden Worte ihrer Mutter und die umsichtige Zurückhaltung ihres Vaters. Es war schlichtweg grauenvoll. 'Das war mir klar.' Belustigt lächelten sie sich an und klatschten sich in die Hände. Damals war es ihr Mädchenclou gewesen. Aber das war Jahre her.
'Hast du Ally gesprochen? Was sagt sie?' Beide waren wieder ernst. 'Hab ich alles erledigt. Sie erwartet uns um dreiviertel Acht am Bahnhof in New Jersey. Allerdings hast du recht, wenn wir uns nicht auf den Weg machen, wird heute nichts mehr daraus', schloss sie und ergriff Eileens behandschuhte Hand. Mit großen Augen verfolgte jene, wie Jessy die freie Hand hob und pfeifend schrie: 'Taxi, hey!' Zwischen zusammengebissen Zähen erklang erneut ein schriller Pfeifton aus ihrem Mund.
'T-A-X-I!' Blitzartig stand es vor ihnen. Froh einsteigen zu können, trödelten sie ein wenig und wurden jäh zur Seite geschoben. Eileen schaute sich nach dem Störenfried um. 'Darf ich? Danke, dass sie mir ein Taxi gerufen haben. Danke, die Damen.' Der Fremde verbeugte sich ungeniert und verschwand im Inneren des Wagens. Fassungslos starrten sie auf die Glasscheibe. Jessy erwachte als Erste aus dem komaähnlichen Zustand.

'Hey, Sie!' Zornig trommelte sie mit der Faust gegen die Fensterscheibe. Das Surren des automatisch beweglichen Taxifensters befriedigte sie sichtlich, denn nun lächelte sie schief. Er steckte den Kopf hinaus.
'Wie können Sie es wagen?', brauste Jessy auf, während Eileen geistesabwesend in die goldbraunen Augen sah und ihren Blick nicht abwenden konnte. Der Dieb sah unverschämt gut aus, stellte sie seltsam erregt fest. Seine Augen leuchteten in demselben hellen Braun wie die Karamellbonbons die sie und Rose so liebten. Die gegelten honigblonden Haare standen ihm in alle Himmelsrichtungen weg, demzufolge beabsichtigt. Sie besah ihn sich eindringlicher. Seine Hautfarbe kontrastierte unglaublich zu seinem bisherigen Erscheinungsbild. Sein Gesicht war sonnengebräunt, wie Eileen es bisher bei keinem Menschen in New York erlebt hatte. Ob er das Solarium in der West Houston Street besuchte? Vielleicht, antwortete sie sich selbst. Die groben Gesichtszüge zogen tiefe Grübchen um seine virilen vollen Lippen. Die Stirn lag in Falten, aber das tat der Wirkung seines Profils keinen Abbruch. Atmen, dachte sie angestrengt und tat ihr bestmöglichstes um sich daran zu erinnern wie das ging.
'Hören Sie mal, sie aufgeblasener Lackaffe. Ich bin kein Flittchen, das Geld können sie sich sonst wohin schieben…' Eileen plumpste von ihrer Wolke in die Realität zurück. Beschämt senkte sie die Lider. Lieber Gott, lass mich nicht rot sein, bat sie und blieb weiterhin bewegungslos. Zum Glück schenkte ihr keiner der beiden Streithähne Beachtung. 'Tut mir Leid, Lady. Ich habe es eilig…', entschuldigte sich der Fremde und hob abwehrend die Hände. Eileen schauderte es. Seine tiefe smarte Stimme kam ihr bekannt vor. 'Wir auch', wand Jessy tapfer kämpfend ein. Sie nahm keine Notiz davon, dass er achselzuckend dem Fahrer die Richtung wies. Damit war die Zehn minütige Auseinandersetzung zu Ende. Verdrießlich blickten sie den roten Rücklichtern des Wagens nach.
'Verflucht', stieß sie frustriert hervor. Mit der Fußspitze beförderte sie einen Klumpen Schnee mit Kieselsteinen auf einen Hundehaufen auf dem Gehweg. Eileens Erstarrung hatte rechtzeitig wieder losgelassen, sodass sie ihre Hand sanft auf die Schulter ihrer Freundin platzierte.
'Da kannst du auch nichts dagegen machen. Der ist über alle Berge.' Jessy riss sich los und ballte ihre Hände zu Fäusten.
'Mistkerl!' Man las ihr die Frustration aus dem Gesicht ab. 'Der ist es nicht wert. Lass es gut sein. Wir nehmen dann eben das nächste', redete Eileen gedämpft auf sie ein. 'Welches denn?' Aus den Augenwinkeln bemerkten sie wie ein gelbes Fahrzeug vor ihnen stehen blieb. Eileen lächelte breit. 'Dieses hier.' Sie öffnete die Beifahrertür und stieg ein.
'Ich bin überzeugt.' Auf der Stelle vergaß Jessy den Anflug an Ärger, der gerade überstanden war. Eileen drehte sich kurzerhand Jessy die auf dem Rücksitz saß zu. 'Wie viel Zeit haben wir noch?' Ihre Wimpern flatterten bei jedem Augenschlag. 'Uns bleiben keine 15 Minuten mehr!' Das hatte sie befürchtet.
'Scheiße.' Sie spuckte das Wort regelrecht heraus. 'Wohin wollen Sie?' Die schroffe Stimme des Wagenlenkers lies sie aufhorchen. Flüchtig sah sie auf sein Namenschild. Bouzad - stand in schwarzen Großbuchstaben auf dem grünen Hintergrund geschrieben. Bouzad? Unwichtige Dinge lenkten sie wie gewohnt von allem ab. Kopfschüttelnd verbot sie sich weitschweifigere Gedanken über seinen Namen und ging sie auf seine Frage ein: 'Christopher Street. Sheridan Square.'
'Na dann…' Ungehalten tippte er die Eingaben in seinen kleinen Computer, räusperte sich und setzte daraufhin den Wagen in Bewegung. Achtsam lenkte er ihn aus der Parklücke und ordnete sich im Verkehr ein.
'Könnten Sie vielleicht in Erwägung ziehen etwas schneller zu fahren - bitte?' Nichts geschah.
'Drücken Sie auf das Gas, Mann!' Jessy's Unhöflichkeit löste mehr aus als Eileens freundlicher Versuch. Fünfhundert Meter vor ihrem Ziel, stöhnte Eileen auf. Der Stau war bereits einen Kilometer lang, zeigte ihr die viereckige Leuchttafel gegenüber der Kreuzung. Fahrig betätigte sie die Knöpfe des Radios.
'Machen Sie das lauter', befahl sie in brüskem Ton. Es funktionierte. 'Und hier sind wir wieder mit den neuesten Verkehrsnachrichten New York Citys. Uns wurde soeben mitgeteilt, dass es unweigerlich auf der Strecke zwischen Columbus Circle und Highway 48 zu erheblichem Stau kommt. Ursache dafür ist ein defekter LKW auf der Fahrbahn. Wir empfehlen daher allen Verkehrsteilnehmer den Stau - wenn möglich - in Richtung Lexington Avenue und Times Square zu umgehen. Für weiter Informationen…' Zittrig stellte sie das Gerät leiser. Ihr Blick war auf die Kegel der Scheinwerfer gerichtet.
'Was nun?' Jessy's gereizter Unterton war nicht zu überhören. Grübelnd saß sie schweigend einige Minuten da. Ihr war nicht aufgefallen, dass Jessy lauthals mit dem Fahrer diskutierte. Schließlich stand sie auf, schmiss paar Dollarscheine auf ihren leeren Sitz und öffnete die Tür für Jessy, welche sie mit Anstrengung aus dem Taxi zerrte.
'Was hast du vor? Das schaffen wir niemals mit diesem Idioten am Steuer!' Schlagartig war Eileen froh, dass der Fahrer ihr Gespräch nicht hören konnte. Für heute waren zu viele Beleidigungen gefallen. Sie war vom ganzen Stress müde. 'Dann laufen wir eben!' Da rannten sie los. 'Du bist verrückt, weißt du das?' 'Da habe ich ein Mal die Möglichkeit aus meinem Gefängnis auszubrechen… Ich bin nicht so dumm, es nicht zu nützen!' Trampelnd erreichten sie mit Mühe und Not die gut beleuchteten Gehwege der Houston Street.
'Mit Rose wirst du noch die größte Freude haben, sobald sie in der Pubertät steckt', schrie in diesem Moment Jessy zu ihr hinüber. Unverzüglich überquerten sie Kreuzungen, rempelten Passanten an, hasteten an Geschäften und Reklameplakaten vorbei und blieben erst am Stiegeneingang sekundenlang stehen.
Kein Wunder, dass sich die Menschenmassen teilten als sie durch sie hindurch trampelten. Die Wucht ihrer raschen Schritte klang der Horde frei wütiger Elefanten ähnlich. Die empörten Blicke der Fußgänger folgten ihnen bis sie im Tunnel verschwanden.

'Sag sowas nicht. Ich werde sie im Haus einsperren, wenn sie mehr von Timothy hat als von mir!' Gemeinsam sausten sie die Sprossen hinab und nahmen zwei Stufen gleichzeitig. 'Stimmt, als hätten dich Wände jemals bremsen können!' Jessy's Gekicher hallte in der Foyer auf.
'Pst. Das ist ein Geheimnis!' Ohne es gewahr zu werden, legte sie sich den Zeigefinger senkrecht auf den Mund.
'Natürlich. Bild dir das ruhig ein', erwiderte Jessy jubelnd. Sie wusste, dass sie Recht hatte. 'Keine Sorge, ich bin davon überzeugt!' Trotzig verzog Eileen ihre kirschroten Lippen zu einem Schmollmund.
'Du hast leicht reden. Wart es ab. Wirst schon sehen.' Sie liefen um die Ecke.
'Jessy, renn! Da ist er! Dort! Schneller, mach schon!' Auf wackeligen Knien jagten sie über den roten Fliesenboden auf die sich schließende Wagontür zu. Die alte Eisenbahn wirkte äußerlich schäbig, denn der bronzefarbene und schwarze Lack blättere allmählich ab, doch sie war ihr letztes Ticket in die Freiheit - New Jersey.

'Puh… Hehe, das war was!' Jessy quietschte vor Freude auf. Eileens leuchtende Augen erwiderten ihr strahlendes Lächeln.
'Ich krieg keine Luft mehr', jammerte sie und beugte ihren Oberkörper hinunter. Eileen rieb sich die schmerzende linke Seite.
'Seitenstechen? Das kommt vom Kinderkriegen', tuschelte Jessy, als auch sie die Pose ihrer Freundin einnahm. Kopf an Kopf schüttelte Eileen sich vor Lachen.
'Spinnerin! Das liegt am wenigen Sport betreiben.' Das Bild das sie abgaben erinnerte an zwei Schildkröten die nach Salatblättern schnappten. Der Unterschied machte nur eine Kleinigkeit aus, nämlich dass sie nach Luft rangen.
'Jaja. Rede dich nur raus.' Dieser Satz drang von weit her an ihr Ohr. Ein lang gezogener Seufzer entfuhr ihrer Kehle. Es war schlimmer als sie bislang befürchtet hatte. In ihrer Fantasie trieb eine fesselnde Männergestalt ihr Unwesen. Es durchfuhr sie heiß bei dem Gedanken an jene Augen.
'Wie Karamellbonbons', flüsterte sie und stellte sich aufrecht hin. Wild entschlossen den Fremden aus ihrem Hirn zu verbannen ging sie voraus. Jessy hinter sich. Im Schritttempo hatten sie das erste Abteil ohne Erfolg durchforstet, dann fanden sie zwei leere Sitze am Fenster hinter der nächsten Schiebetür. Fahrig fischte sie sich die roten Locken aus der Stirn. Geflissentlich ignorierte sie die neugieren Blicke der anderen Insassen.
'Von der ganzen Anstrengung bin ich am Verhungern', gestand Eileen und setzte sich. Minuten verstrichen ehe Jessy antwortete:
'Wirklich?' Sie wirkte verwundert. 'Mhm, ja', gab sie wortkarg zu.
'Soll ich dich in den Speisewagon begleiten?' Sofort war sie bei der Sache. Energisch wies Eileen sie jedoch zurück. Sie brauchte ein, zwei Augenblicke für sich. Getrost ging sie von dannen, nachdem Jessy verständnisvoll auf ihre stumme Erklärung zustimmend nickte. Sie verstanden einander sogar ohne Worte. Belebt schlenderte sie den schmalen Gang entlang. Erneut hing sie ihren Gedanken nach.
Oh. Mein. Gott. Ihre Einbildungskraft ging mit ihr durch. Ein erotisches Bild flammte vor ihrem inneren Auge auf. Auf Kommando sah sie sich und ihren Adonis nackt und verschwitzt. Wiederhallendes Gestöhne, ekstatische Spannung, wenn seine harte Stange… 'So ein Mist!' Ihre Stimme war kaum mehr als ein Piepsen. Sie würde ihn nie wieder sehen. Beschämt ihrer eigenen Gedanken wegen betrat sie mit gesenktem Haupt den Zugabteil. In ihren Adern pulsierte das Verlangen. Wie lange war es schon her? Mit Gewalt hob Eileen den Blick. Jemand versperrte ihr den Weg. Ein Augenpaar fixierte sie unvermittelt. Wie vom Blitz getroffen blieb sie stehen. Seine Blicke brannten sich in ihr Innerstes. Heiß brodelte ihr Blut, kochte und pumpte schnell durch die Venen ihres Herzens. Halb befürchtete sie, dass ihr Herz aussetzen würde, dann trommelte es jedoch ungestümer gegen ihre Brust. Dasselbe Verlangen nahm von ihr Besitz und tänzelte ihr bis in den Unterleib. Ihre arme sexuell verkümmerte Weiblichkeit stand kurz vor der Kernschmelze.









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