A Bit(e) of Hope

Autor: Kati
veröffentlicht am: 01.02.2009




Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und stierte Sassy in die Augen.
'Ich wäre an deiner Stelle vorsichtig. Die haben es faustdick hinter den Ohren, echt. Mit denen ist nicht zu spaßen.'
'Mir doch egal.'
'Hör mal, die sind nur neidisch, mehr nicht. Das legt sich wieder.'
'Neidisch? Auf was denn?'
'Ach wegen der Aktion im Bus denke ich. Das hat hier schon die Runde gemacht.'
'Was? Wegen der Sache mit Constantine?'
'Genau deshalb. Wie gesagt, das legt sich wieder.'
'Was ist hier eigentlich los? Dreht sich an dieser Schule die Sonne um diesen Typen oder was?'
'So in der Richtung.' Sassy lächelte und legte ihr Buch auf ihren Schreibtisch. 'Er ist Vertrauensschüler, Schüler- und Wohnheimsprecher. Mit ihm sollte man es sich nicht verscherzen.'
'Was? DER?!'
Kaoru schluckte schwer und rappelte sich wieder auf. Noch immer wütend strich sie sich über ihre Knie, die ziemlich schmerzten.
'Er ist in Ordnung. Mag sein, dass er etwas eigenartig ist, aber ist ok.'
'Da das Ereignis im Bus sich ja schon herum gesprochen hat, müsstest du eigentlich wissen, dass das absoluter Blödsinn ist. Er hat mich meiner Freiheit beraubt und mich außerdem geknutscht. Vor allen Leuten. Und das, obwohl er mich überhaupt nicht kennt.'

'Dann hättest du dich eben nicht auf seinen Platz setzen sollen.'
'Woher sollte ich das wissen?'
'Ich bin sicher, dass seine Kumpels dich darauf aufmerksam gemacht haben.'
'Ich bin neu hier, woher hätte ich wissen sollen, dass er ein so kranker Affe ist?'
'Er ist kein Affe.'
Sassy nahm an ihrem Schreibtisch Platz und schlug ihre Hausaufgaben auf.
'Er ist nett. Glaub mir. Er ist eigenartig, aber eben auch nett. Beruhig, komm wieder runter und gut.'
Wieder ächzte Kaoru´s Magen laut auf.
'Wann gibt es hier eigentlich was zu essen?'
'Um acht.'
'Gehst du auch essen?'
'Sehe ich aus, als würde ich meine Mahlzeiten verpassen?' Sassy drehte sich grinsend zu Kaoru um und umfasste ihre kleine Bauchrolle.
Verlegen schüttelte sie den Kopf und zog sich nun endlich etwas trockenes an. Gegen acht Uhr machten sich die beiden auf den Weg in den Speisesaal. Noch immer tuschelten und lachten die anderen Schüler über Kaoru, die sich dabei natürlich total blöd vorkam. An einem kleinen Tisch für vier Personen hielt sie schließlich und blickte Sassy fragend an. Die zuckte mit den Schultern und nickte. Nachdem beide Platz genommen hatten, vergrub sich Kaoru in ihren Händen. Noch immer konnte sie das Getuschel der anderen hören. Es machte sie wahnsinnig. Warum waren sie so gemein zu ihr? Und das alles nur, weil sie bei diesem Halbaffen auf dem Platz gesessen hatte. Oh, wenn ihre Mutter nur wüsste, was das hier für eine merkwürdige Schule ist.
Nachdem sich alle etwas zu essen geholt hatten verstummte das Tuscheln und das Geklapper von Besteck und Geschirr erhellte den Saal.
'Jetzt guck nicht so deprimiert. Wirst dich schon an alles gewöhnen, also keine Panik.'
'Ich finde es schrecklich hier. Alle reden über mich, ein Wunder, dass du so normal mit mir umgehst.'
'Hast mir ja nix getan.'
'Ja eben!' entfuhr es Kaoru etwas laut und wieder starrte sie alle an.
'Mach dir nichts draus. Wie gesagt, das hört schon auf.'
Kaoru´s Blick blieb an Caro und ihren Freundinnen hängen, die soeben den Speisesaal betraten. Schnell hatten sie ihren Tisch ausgemacht und stolzierten auf ihn zu.
'Na? Hat sich dein Temperament wieder etwas abgekühlt?'
Kaoru starrte verbissen auf ihren Teller und nickte leicht.
'Das ist gut.' grinste Caro ihr hämisch entgegen und tätschelte unsanft über Kaoru´s Haare.Schließlich kicherten alle drei und ließen von ihr ab. Es war gut, dass sie nichts gesagt hatte und sicher hatte Sassy recht, mit dem, was sie sagte. In ein paar Tagen würde sie sicher gar nicht mehr auffallen. Sie musste sich so oder so eingewöhnen. Diese Schule war teuer, da es sich um eine private Lehranstalt handelte und sie wollte ihre Mutter nicht enttäuschen. Auch wenn sie dafür in Kauf nehmen musste, ihre ganzen Freunde zu verlieren.
Es herrschte wieder Stillschweigen, als Constantine den Saal mit seinen Kumpels betrat. Sassy legte ihr Besteck nieder und senkte den Kopf. Alles war ruhig. Nur Kaoru ließ es sich weiter schmecken. Sie würde wegen diesem Affen nicht so einen Aufriss machen. Außerdem hatte sie Hunger und er hatte noch einen gut bei ihr. Schließlich hatte sie für ihn gelogen.Constantine stoppte am Tisch der beiden und blickte Kaoru an, die sich gerade die letzte Scheibe Brot ins Gesicht stopfte.
'Schmeckt es dir?'
Eifrig nickte sie ihm zu und kaute schnell, damit sie ihm antworten konnte.
'Das ist gut. Und? Vertragt ihr beiden euch auch?'
Wieder ein nicken und schließlich schaffte Kaoru es auch, alles auf einmal herunter zu schlucken.
'Und Sassy? Wirst du mit ihr zurecht kommen?'
'Ich denke schon. Bisher verstehen wir uns sehr gut.'
'Gut, das ist gut.'
Sassy machte eine nickende Kopfbewegung und Constantine beugte sich zu ihr herunter. Leise tuschelte sie ihm etwas ins Ohr und blickte ihn fragend an. Er antwortete ihr mit einem Nicken und richte sich wieder auf.
'Dann guten Hunger ihr zwei.'
Bedächtig ging er weiter, setzte sich und begann zu essen woraufhin auch alle anderen wieder begannen zu essen. Kaoru zuckte mit den Schultern. Sie hatte einfach weiter gegessen und ihn hat es nicht gestört, wozu also dieser Aufriss? Es war einfach lächerlich, wie alle ihr Essen unangetastet ließen, bis sich der kleine Prinz endlich auch gesetzt hatte. Der Hammer war ohnehin, dass er zu spät gekommen war. Eigentlich hätte er gar nichts kriegen dürfen. Kaoru schmunzelte vor sich hin und stopfte sich eine saure Gurke in den Mund. Wenigstens das Essen war lecker hier. Das Abendbrot verlief glimpflich, niemand lachte über sie. Im Gegenteil. Von den anderen Tischen schnappte sie ab und zu ein paar Gesprächsfetzen ein und auch von dem Tisch an dem Constantine saß vernahm sie Lachen, dass sich richtig erfrischend auf sie auswirkte. Schließlich räumten alle ihr Geschirr ab und begaben sich in ihre Zimmer und so auch Sassy und Kaoru.
Es war noch eine halbe Stunde, bis sie schlafen mussten und Sassy vertiefte sich wieder in ihr Buch.
'Was liest du da?'
'Einen Thriller. Der ist gut. Wenn du magst, kannst du ihn auch lesen wenn ich durch bin.''Nein lass mal. Thriller sind nichts für mich.'
'Was liest du so?'
'Ich höre eher Musik. Wenn ich lesen muss dann lieber irgendwas romantisches oder so.''Schmalz also?'
'Nein, kein Schmalz. Eher Romantik.'
Sassy schüttelte ihre braunen Locken und grinste.
'Ja,ja. Schmalz.' korrigierte Kaoru sich und musste nun auch lachen.
Gegen halb zehn knirschte es plötzlich leise aus dem Lautsprecher im Flur.
'So ihr Lieben, es ist halb zehn. Schlafenszeit. Licht aus, Kopf zu ich höre und sehe alles. Wer nicht im Bett ist, den erwartet eine Nacht im stehen, nackt und zwar draußen.'Sassy grinste kurz und legte ihr Buch auf den Schreibtisch.
'Sag mal, diese Stimme...' Kaoru war sich nicht ganz sicher.
'...ja, das ist Constantine.' bestätigte Sassy ihre Vermutungen und knipste das Licht an ihrem Bett aus. 'Du solltest dein Licht jetzt auch löschen, das gibt sonst nur Ärger. Der Spruch mit dem draußen stehen ist nicht von ungefähr. Er hat schon mal jemanden die halbe Nacht draußen Schnee schieben lassen.'
'Bitte?! Das darf der doch gar nicht.'
'Kaoru, vergiss nicht. Diese Schule hier tickt etwas anders, also mach das Licht aus.'Kaum hatte Sassy ihren Satz ausgesprochen stand auch schon Constantine in der Tür und blickte zu Kaoru.
'Ich sagte doch, Licht aus?'
'Tut mir Leid.' zackig schaltete sie ihr Licht aus und zog sich die Decke über den Kopf.'Willst du etwa in deinen Straßenklamotten schlafen? Du wirst dich jetzt umziehen.''Ja dann geh.'
'Nein. Du ziehst dich um und zwar sofort. Oder du verbringst die Nacht draußen im stehen und nackt, klar?!'
Widerwillig warf Kaoru ihre Decke zurück und stand auf.
'Aber das Licht bleibt aus.'
'Mach jetzt, ich habe nicht ewig Zeit.'
Murrend und maulend zog sie sich um und schlüpfte wieder in ihr Bett. Von Sassy´s Seite kam kein Mucks. Sie schien schon zu schlafen und so zog es auch Kaoru vor,
schnellstmöglich zu schlafen. Constantine nahm ihre Decke, deckte sie damit zu und strich ihr über die Haare.
'Du hast heute noch deinen Neulingsbonus. Du solltest es aber nicht überreizen Kaoruchan. Morgen werde ich auf dich keine Rücksicht mehr nehmen, hast du mich verstanden?''Was soll das denn heißen?'
'Dass du morgen so zu funktionieren hast, wie alle hier. Klar?'
'Du kannst mich mal.' presste sie ihm besonders giftig entgegen. 'Mach die Tür von außen zu, du blöder Arsch.'
Mit voller Absicht pustete er ihr ins Gesicht, fing an zu lachen und schloss endlich die Tür. Rasend vor Wut setzte Kaoru sich wieder aufrecht ins Bett und ballte ihre Fäuste. Dieser selten dämliche, blöde, arrogante... Ach, es hatte ja doch keinen Zweck.

Entrüstet ließ sie sich wieder in ihr Kissen fallen und starrte an die Decke. Was für ein Tag und was für ein Typ. Ein leiser Seufzer entfuhr ihr, bevor sie schließlich einschlief.Am nächsten Morgen wurde sie durch eine ihr bekannte Stimme geweckt, die wieder durch den Lautsprecher auf dem Flur tönte.
'Einen wunderschönen guten Morgen an die Damen und Herren des Hauses, an die Lehrer und natürlich an das Küchenpersonal. Es ist halb sieben. Ich verlese nun die wichtigsten Meldungen. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag Lisa-Marie aus der Klasse sieben F. Lass den Tag entspannt angehen. Du bist heute vom Tafel- und Geschirrdienst befreit. An die Klasse neun B. Die Mathematikarbeit wird auf die ersten beiden Stunden vorverlegt. Beeilt euch bitte, damit niemand zu spät kommt. Desweiteren werden die Deutscharbeiten der Klassen acht B, sechs C und zwölf A verschoben, da Miss Connor heute krank ist. Ein genauer Termin ist nicht bekannt. Außerdem heiße ich die neue Mitschülerin Kaoru Svenson herzlich willkommen. Kaoruchan, ich hoffe, dir gefällt es hier. Sicherlich wirst du bald Anschluss finden. Seid nett zu ihr. Einen schönen Tag noch und denkt dran School rocks!'Es war kurz nach halb sieben und Kaoru kochte vor Wut. Er hatte es schon wieder gesagt.'Du blöder Affe!' schrie sie spitz heraus und knüllte ihre Bettdecke zusammen, um sie so unschön wie möglich auf ihrem Bett zu platzieren.
'Mach doch nicht gleich morgens so einen Stress Kaoru.' Sassy wischte sich müde die Augen und gähnte laut auf.
'Hast du gehört, wie er mich genannt hat?'
'Ist doch süß, was hast du denn?'
'Süß? Süß?! Ich glaube es hackt.'
'Mensch, reg dich ab. Wenn du dir deshalb schon so einen Stress machst... Nimm es so hin und gut. Ist doch nicht schlimm. Stell dir mal vor er hätte dich Kackfratze oder Hackfresse genannt.'
'Das wäre schrecklich!'
'Na also. Meine Rede.'
'Das ist genau so schrecklich, wie Kaoruchan!'
Sassy schüttelte verständnislos ihren Kopf und zog ihr Nachthemd aus.
'Du hast ja einen Piercing!' entfuhr es Kaoru schließlich.
'Und?' lächelte Sassy ihr entgegen. 'Ist doch heutzutage nichts besonderes mehr.''Ich hätte auch gern einen, aber meine Mutter meinte, ich würde mich damit verunstalten.''So ein Käse. Sicher gibt es Leute, denen Piercings nicht stehen, aber an deinem Bauchnabel könnte ich mir durchaus vorstellen, einen zu sehen. Würde dir bestimmt stehen.'
'Meinst du?'
'Sicher und nun komm. Wir müssen noch zum Frühstück.'
Beide zogen sich rasch an und packten ihre Sachen. Nachdem sie sich im Waschraum fertig gemacht hatten, liefen sie zum Speisesaal. Wieder kreuzten andere Schüler ihren Weg. Niemand reagierte auf sie, keiner lachte, niemand tuschelte. Alles lief so ab, als wäre Kaoru nicht da. Verwundert blickte die sich um. Nun verstand sie gar nichts mehr. Sassy öffnete die Tür zum Speisesaal. Kaoru beschlich wieder ein ungutes Gefühl. Spätestens hier würde man sie wieder stillschweigend begaffen, doch auch hier, nichts. Niemand sah auf, alle redeten normal weiter und von zwei Mädchen wurden sie schließlich an den Tisch gerufen.'Setzt euch doch hier mit hin?' rief eine mit langen, roten Haaren und lächelte auch Kaoru freundlich an. 'Ich bin Susi und das hier ist Nora. Komm her, nur keine Panik, wir fressen dich schon nicht.'
'Danke.' presste Kaoru aus sich heraus und nahm mit Sassy am Tisch der beiden Platz. Sofort eröffnete Nora das Gespräch und alle vier lachten beherzt. Tief im Inneren kam Kaoru aber trotzdem nicht darauf klar, dass plötzlich alles anders war. Alle hatten sich über Nacht vollkommen geändert. Sie blickte sich um und wieder stockte ihr der Atem, als sie Caro entdeckte. Die aber rümpfte nur die Nase und ging, ohne Anstalten zu machen an ihr vorbei.Plötzlich legten alle ihr Besteck aus der Hand und Ruhe kehrte ein. Kaoru dachte ja nicht daran es ihnen gleich zu tun, doch Susi nahm ihr das Messer aus der Hand und legte es schnell ab. Schon näherte Constantine sich ihrem Tisch und blieb stehen. Mit einem lauten Krachen krachte der Teller auf den Boden und der Junge vom Nachbartisch machte sich daran, die Scherben aufzuheben.
'Spinnt der?!' flüsterte Kaoru Susi zu, doch die blickte stumm auf ihren Teller und reagierte nicht. Schließlich drehte Constantine sich zu ihr um und blickte sie an.
'Na kleine Kaoruchan? Hast du gut geschlafen?'
'Leck mich.' flötete sie heraus und erntete dafür einen Blick, der eine Topfpflanze zum Verwelken bringen konnte.
'Sorry, ja ich habe gut geschlafen.'
'Das ist gut.' Constantine richtete sich auf, umfasste seine Hände hinter seinem Rücken und warf einen prüfenden Blick durch den Saal. Alles war ruhig. Sehr schön.
'Kaoru, du bist heute vom Unterricht befreit. Ich werde dir das Schulgelände zeigen und dich in deine Wahlpflichtgruppe einteilen.' Wieder hatte er sich zu ihr herunter gebeugt und blickte sie freundlich lächelnd an. Zaghaft nickte sie ihm zu.
'Iss jetzt, ich hole dich nach dem Frühstück vom Tisch ab.'
'Ist gut.'
So rechten Hunger hatte sie zwar nicht mehr, aber wer weiß, wo er sie hin schleppen wollte. Nachher steckte sie wieder in irgendeinem Keller und fand den Ausgang nicht wieder. Also stopfte sie sich noch zwei weitere Brötchen in den Mund und spülte sie mit Kaffee herunter. Gegen halb acht standen alle auf und räumten ihr Geschirr ab. Nachdem auch der letzte gegangen war, blickte sie verunsichert auf und sah sich um. Constantine saß noch immer am Tisch, trank seinen Kaffee und las Zeitung. Als er aufsah, drehte sie sich schnell wieder um und tat unschuldig.
'Setz dich zu mir Kaoruchan.'
-Mist- ging es ihr durch den Kopf und sie nahm ihre Tasse mit dem letzten Rest Kaffee, um sich zu ihm zu setzen. An der Ecke des Tisches, die am weitesten von ihm entfernt war, nahm sie Platz.
'Komm hier her.'
Er strich über seinen Nachbarstuhl und blickte sie über den Zeitungsrand hinweg an.
'Willst du noch Kaffee?'
'Hmm...'
'Dann komm her.'
Widerwillig nahm sie neben ihm Platz und ließ sich von ihm noch etwas Kaffee nachschenken.
'Du liest Zeitung?' begann sie schließlich das Gespräch.
'Sicher.'
'Ist das nicht voll langweilig?'
Er knickte eine Ecke der Zeitung nach unten und blickte sie an.
'Würde ich sie dann lesen?'
'Ich frag ja nur!'
Kaoru verleierte die Augen und schlürfte, so laut wie sie konnte ihren Kaffee.
'Geht das nicht leiser?'
'Nö.' und wieder schlürfte sie an ihrer Tasse. Plötzlich schlug er ihr die Tasse aus der Hand und packte sie im Genick.
'Du bist frech, kleine Kaoruchan und du willst deine Grenzen bei mir austesten. Das verstehe ich. Ich bin sogar so fair und sage dir wo Schluss ist, so musst du es nicht auf den Versuch ankommen lassen. Also. Lass es bleiben oder du trinkst deinen Kaffee in Zukunft durch den Strohhalm, ist das klar?!'
Mit großen Augen blickte sie ihn an und ihr Herz raste wie wild in ihrer Brust. Doch sie schaffte es nicht auch nur einen Ton heraus zu bekommen. Sein Griff im Nacken löste sich und er nahm seine Zeitung wieder auf. Vollkommen unbeeindruckt vertiefte er sich wieder in seinen Artikel.
Kaoru´s Steifheit löste sich langsam wieder und sie stand auf, um die Scherben der Tasse einzusammeln. Nachdem sie diese weggeworfen und die Pfütze aufgewischt hatte, nahm sie wieder Platz und starrte auf den Tisch.
'Wenn ich dich erschreckt oder dir gar weh getan habe, tut es mir Leid Kaoruchan.' hörte sie ihn hinter seiner Zeitung sagen, doch noch immer war ihre Mine wie versteinert und so nickte sie nur. Noch immer klopfte ihr Herz bis zum Hals.
'Hast du noch Hunger?'
Leicht schüttelte sie mit dem Kopf.
'Wo wollen wir mit dem Rundgang anfangen?'
Ein Schulterzucken.
'Redest du noch mit mir?'
Wieder ein Kopfnicken.
Er ließ seine Arme mit der Zeitung auf seinen Schoß sinken und blickte sie an.
'Wenn du die ganze Zeit nur mit dem Kopf schüttelst oder mit den Schultern zuckst, verstehe ich dich nicht.'
Vollkommen regungslos starrte sie noch immer ein und den selben Punkt an. Schließlich stand Constantine auf, holte eine neue Tasse und schenkte ihr nochmals Kaffee ein.'Hier und nun zieh mal ein anderes Gesicht auf. Trink den, wie ein normaler Mensch und alles ist ok ja?'
Kaoru nahm die Tasse und trank ihren Kaffee. Constantine versank wieder in seiner Zeitung und blätterte eine Seite weiter.
'Das ihr Frauen auch immer so komisch sein müsst. So zickig, weißt du, wie ich meine? Ich finde, dass das eine total ätzende Einstellung zum Leben ist. Wenn ihr euch einfach alle ganz normal benehmen würdet, wäre es auch nicht so kompliziert mit euch.'
Langsam taute Kaoru aus ihrer Schreckenssttarre auf und blickte ihn an. Eigentlich sah sie nur seine Finger, wie sie die Zeitung umklammerten.
'Wenn eine Frau mit einem Mann schlafen will dann muss sich der Mann erst etwas einfallen lassen. Er muss sie teuer ausführen, ihr Geschenke machen und das ganze drum herum. So ein Käse. Statt sie einfach sagt -nimm mich-, aber nein. Und dann du mit deinem Kaffeegeschlürfe. Schrecklich, als ob du keine Erziehung genossen hättest.'
Mit einem Satz kippte Kaoru ihm den letzten Rest Kaffee über die Hose, zerknüllte die Zeitung und warf sie auf den Boden.
'Du selten dämlicher Arsch. Was glaubst du eigentlich, wer du bist hmm?! Dir hat man die Hose wohl mit der Kneifzange angezogen was?! Wage es dir nicht noch einmal so über mein Elternhaus zu sprechen, du niederes Subjekt!'
Sie stand auf und machte sich auf den Weg um den Speisesaal schnellstmöglich zu verlassen.'Du wirst sofort hier her kommen Kaoru.'
'Leck mich.'
'Ich nehme dich beim Wort. Ich warne dich, wenn du gehst, erlebst du dein blaues Wunder.''Tu, was du nicht lassen kannst. Ist mir mittlerweile so was von egal. Mach mit mir, was du willst, aber meine Eltern lässt du aus dem Spiel.'
Sie drehte sich um und zeigte ihm mit herausgestreckter Zunge den Stinkefinger. Mit der anderen Hand griff sie bereits nach der Türklinke und wandte sich von ihm ab. Verschreckt blieb sie stehen, als er plötzlich vor ihr stand und die Tür blockierte.
'Ich sagte doch, du sollst es dir nicht wagen zu gehen.'
'Wie hast... Wie hast du das gemacht?'
Ungläubig blickte sie zurück zum Tisch. Wie hatte er es geschafft in so kurzer Zeit an der Tür zu sein? Das war unmöglich. Spielte ihr Unterbewusstsein etwa Streiche mit ihr? Sie schüttelte den Kopf und besann sich wieder darauf, den Saal zu verlassen.
'Geh mir aus dem Weg du arroganter Schnösel.'
'Du wirst jetzt erstmal dafür sorgen, dass dieser Fleck, der im Übrigen an einer sehr unschönen Stelle entstanden ist, sich nicht noch mehr ausbreitet.'
'Ah ja? Was soll ich tun? Soll ich ihn dir aus den Fasern deiner Hose saugen?!'
'Das ist eine prima Idee.'
Er packte sie an den Schultern und drückte sie auf die Knie. Sie konnte ihm genau auf seinen Reißverschluss gucken und so sehr sie sich auch dagegen wehrte, sie musste einfach hinsehen.Plötzlich reichte er ihr eine Serviette und blickte sie erbost an.
'Wisch es weg und danach kommst du mit mir mit.'
Irgendetwas sagte ihr, dass sie ihm nicht widersprechen sollte und so wischte sie ihm so unsanft wie möglich über die Hose. Schließlich nahm er die Serviette, knüllte sie zusammen und warf sie zielsicher in den Papierkorb.
'Komm jetzt.'
Wieder packte er sie an der Hand und führte sie durch das Wohnheim. Sie stiegen die Treppen zur dritten Etage hoch und stoppten vor einer großen Tür. Immer noch sauer fischte er die Schlüssel dafür aus seiner nassen Hose und schloss auf. Er gab ihr einen sanften Stoß und drückte sie in das Zimmer hinein.
'Was soll das? Lass mich!'
Er warf die Tür zu und schloss sie wieder ab. Zielsicher ging er auf einen Schrank zu, öffnete ihn und warf eine neue Hose auf sein Bett.
'Komm her.'
'Ich denke ja nicht dran.'
'Du wirst mir jetzt die neue Hose anziehen, nachdem du mir die alte ausgezogen hast. An deiner Stelle würde ich mich beeilen, denn wenn die Unterhose auch nass ist, wirst du sie wohl oder übel auch wechseln müssen. Und zwar mit dem Mund.'
Kaoru´s Augen wurden größer und ungläubig blickte sie ihn an.
'Das wagst du dir nicht. Zieh dich gefälligst selbst um, du Affe.'
Mit einem Satz packte er sie am Arm und zog sie unsanft an sich heran.
'Ich habe dir gesagt, dass dein Neulingsbonus nicht ewig gilt, dein Kontingent ist aufgebraucht, also tu, was ich dir sage oder es klatscht. Und zwar keinen Beifall!'
Verunsichert blickte sie sich um. Seine Stimme war scharf wie des Messers Schneide. Und keine Sekunde später erwischte sie sich schon dabei, wie sie versuchte den Knopf seiner Jeans zu öffnen.
'Das geht nicht, du bist zu fett.'
'Oder du bist zu ungelenk. Komm her, ich helfe dir.'
Mit einer Hand öffnete er den Knopf und blickte sie erwartungsvoll an.
'Na los, worauf wartest du noch?'
'Muss das sein?'
'Da hast es doch heraus gefordert. Also mach.'
Mit zittrigen Händen öffnete sie den Reißverschluss und machte einen Schritt nach hinten. Warum sollte sie ihn umziehen? Er war schließlich alt genug. Andererseits erinnerte sie sich an Sassy´s Worte. Vielleicht war es wirklich nicht gut, es sich mit ihm zu verscherzen. Wie es war, wenn er ausflippte, hatte sie ja mittlerweile schon erfahren. Er griff nach ihren Händen und zog sich mit ihrer Hilfe die Hose aus.
'Siehst du, ist doch gar nicht so schwer. Jetzt die neue Hose anziehen und wir sind fertig.'Mit rotem Gesicht nickte Kaoru ihm zu und zog ihm schließlich die neue Hose wieder an. Schelmisch grinste er sie an und schloss den Knopf, an dem sie eine ganze Weile schon herum fummelte.
'Gut, dann zeige ich dir jetzt alles.'
Er schloss die Tür auf und führte sie durch das Wohnheim.
'Hier ist die Waschküche. Dein Waschpulver und das alles kannst du hier hin stellen. Dort hinten stehen Wäschekörbe. Wenn du fertig bist kannst du dir einen nehmen. Die Die Wäscheleinen sind draußen im Garten.'
'Und wenn es regnet?'
'Dann hängst du deine Sachen auf dem Boden auf. Den zeige ich dir später.'
Er schloss die Tür wieder und lief weiter. Unsicher schlich Kaoru hinter ihm her und versuchte, sich die ganzen Wege zu merken.
'Den Speisesaal kennst du ja schon. Dort hinten, da wo die blaue Tür ist, ist der Konferenzraum. Dort solltest du dich nicht erwischen lassen. Der ist nur für Mitglieder.''Warum hast du eigentlich so ein großes Zimmer?'
'Weil ich es verdient habe.'
'Aha.' entfuhr es ihr trocken und sie verleierte die Augen. Wie eingebildet er doch war.'Hier kommst du in den Garten. Dort kannst du rauchen. Auf den Zimmern ist es natürlich verboten.'
'Ich rauche nicht.'
'Das ist gut, Kaoruchan.'
Sie atmete tief ein und blies die Luft verärgert durch ihr Gesicht. Es hatte sowieso keinen Zweck ihm zu sagen, dass er sie so nicht nennen sollte.
An einer weiteren Tür machte er Halt und öffnete sie. Sie führte nach draußen zu dem Weg über den sie gestern beide hergekommen waren. Kaoru blickte in Richtung Schulhof, auf dem die ganzen Klassen gerade ihre Pause verbrachten.
'Den Weg zur Schule kennst du ja. Also komm weiter.'
Sie liefen um das alte Bauernhaus und blieben auf einer großen Wiese stehen.
'Hier kannst du deine Wäsche aufhängen. Wenn es nicht regnet.'
'Ist mir schon klar.' flötete sie vor sich hin und sog die frische Brise ein, die ihr ins Gesicht wehte.
'Was ist denn da hinten?'
'Der Wald.'
'Ein Wald?'
'Ein Wald.' wiederholte er und lächelte sie an.
'Und ist da sonst noch was?'
'Geh doch hin und sieh es dir an?'
'Sag mir doch einfach, was da ist und gut.'
'Wie gesagt, geh hin und sieh nach.'
'Ja dann eben nicht.'
Bockig drehte Kaoru sich um und lief zurück ins Wohnheim. Der Typ war nicht ganz sauber. Eindeutig. Sie würde sofort zu Hause anrufen und sich abholen lassen. Die haben hier alle eine Macke. Ganz klar.
Kaoru suchte sich zu ihrem Zimmer und öffnete die Tür. Fast schon hörbar flog ihr die Kinnlade herunter, als sie Constantine an ihrem Schreibtisch sitzen sah.
'Und was hast du jetzt vor? Ich habe dir noch gar nicht alles gezeigt.'
'Wie... Wie bist du so schnell... Wie...'
'Also, was wolltest du machen? Wir haben nicht viel Zeit und müssen weiter.'
'Ich werde meine Mutter anrufen. Sie soll mich abholen. Ich habe auf das alles hier keinen Bock. Und du komischer...'
'Ja?'
'Du Freak. Du nervst. Also geh jetzt.'
'Wolltest du nicht erst wissen, wie ich hier her gekommen bin?'
'Nein, ist mir doch egal. Geh jetzt endlich.'
'Wie du meinst. Wirst schon noch sehen.'
Er stand auf und schloss die Tür hinter sich. Kaoru kramte nach ihrem Handy und wählte hastig ihre Festnetznummer ein. Es klingelte nur kurz und schon vernahm sie die vertraute Stimme ihrer Mutter.
'Hallo?'
'Mutti?'
'Kaoru, Schätzchen. Was ist los? Warum bist du nicht beim Unterricht?'
'Ich wurde freigestellt, damit mir der Wohnheimsprecher alles zeigen kann.'
'Das klingt doch nett?'
'Ist es aber nicht! Mutti hol mich ab, bitte.'
'Aber warum denn?'
'Die sind so fies hier. Gestern haben die mich in der Dusche regelrecht überfallen!'
'Ach nun komm. Sonst hast du doch auch eine große Klappe. Wehr dich und gut.'
'Wie soll ich mich denn gegen die ganze Schule wehren?'
'Die ganze Schule? Also Kaoru, hör mal. Übertreib es nicht. So schrecklich ist es sicherlich nicht. Ich habe das Prospekt genau studiert. Es wird dir schon gefallen.'
Nach einer Weile gab Kaoru es auf. Ihre Mutter würde ihr eh nicht glauben.
'Dann freue ich mich schon auf Freitag.'
'Wieso?'
'Na weil dann Wochenende ist. Holst du mich ab?'
'Äh Kaoru...'
'Was äh?'
'Kaoru. Du wirst in der Schule bleiben. Bis zu den Ferien.'







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