Märchen oder wie jetzt?

Autor: Amy
veröffentlicht am: 15.12.2008




Am nächsten Morgen war totale Hektik. Ich musste mich fürchterlich beeilen, weil ich verschlafen hatte. Noch nicht mal Zeit zum frühstücken hatte ich und somit kam ich kurz vor knapp und völlig aus der Puste in der Klasse an. Eine Minute später kam auch schon meine Mathelehrerin.
'Sag mal, warum kommst du erst so spät?' - 'Hi, Emily. Ich freu mich auch dich zu sehen!' Sie lachte leise. 'Tut mir Leid, aber normalerweise bist du sogut wie nie zu spät. Also, was ist passiert?' - 'Ehm, was soll passiert sein? Muss immer was passiert sein?' - 'So wie du reagierst- ' - 'Wenn die Damen aus der 2. Reihe sich dann auch mal dem Unterricht widmen könnten?! Dankeschön.' Ich lief rot an und drehte mich mit dem Oberkörper unserer Lehrerin zu. Zugegeben ich war etwas erleichtert, dass sie uns ermahnt hatte, somit konnte ich Emily zumindest für diese Stunde ein wenig ausweichen. Natürlich war mir klar, dass ich ihr nicht Ewigkeiten ausweichen konnte. Im Grunde war ja eigentlich nichts passiert, außer dass ich den Held meiner Kindheitsträume getroffen hatte und mit diesem die halbe Nacht durchgeredet habe. Aber ansonsten…

'Also?' - 'Hmm?' - 'Emma! Wach auf! Du schuldest mir noch Rede und Antwort!' - 'Lass mich schlafen!', brummelte ich hinter meinen Armen hervor, auf die ich meinen Kopf abgestützt hatte. 'Du weißt, dass ich es eh herauskriege?!' - 'Was willst du rauskriegen?' - 'Na, warum du zu spät warst.' - 'Mensch Emily, jeder normale Mensch kommt mal zu spät! Ich war einfach zu lange wach. Das ist alles. Und jetzt lass mich schlafen, ich bin müde!' - 'Ich krieg noch die Wahrheit raus…', murmelte sie eher zu sich als zu mir und ich war auch viel zu müde um darauf zu antworten. Was hätte ich auch noch Großes sagen können?

'Hrrhrrm.' Weit in der Ferne nahm ich so grade wahr, dass sich jemand räusperte, doch das war mir egal. Ich flog grad durch meine Traumwelt und wollte auf gar keinen Fall gestört werden.
*P E N G*
Ich schrak hoch; nun doch hellwach. 'Was? Was ist los? Was ist passiert?' - 'Schön, dass sie uns die Ehre erweisen an unserem Unterricht teilzunehmen. Ihre Traumwelt muss wirklich sehr eindrucksvoll sein.' Verwirrt und noch ziemlich verschlafen blickte ich in das angesäuerte Gesicht meines Englischlehrers. 'Äh, tut mir Leid…', brachte ich gähnend hervor und die ganze Klasse fing an zu lachen. Mein Lehrer jedoch warf mir noch einen bösen Blick zu und wand sich dann wieder der Tafel zu.
Mühsam richtete ich mich auf und versuchte gegen meine schweren Augenlider
anzukämpfen. Leider vergeblich.

'Ich glaubs nicht! EMMA! Wach sofort auf und geh vor die Tür! Also wirklich!' Oh na super. Natürlich war ich wieder eingeschlafen und jetzt glotzte mir die halbe Klasse auch noch hinterher, wie ich mit hängendem Kopf vor die Tür trat.
Nach der Stunde kam Mr Jackson auf mich zu. 'Emma, könnte ich bitte noch kurz mit dir sprechen?' - 'Ehm, klar…' Ich drehte mich kurz zu Emily um, die mir deutete, dass sie draußen warte.
'Emma, was war denn grade los? Du bist noch nie eingeschlafen! Und du bist schon die ganze Zeit so abwesend! Ist irgendwas passiert?' Ach du meine Güte. Warum machen Lehrer eigentlich immer so ein Theater, wenn man mal ein bisschen abgelenkt ist?
'Nein, nein, ist nichts…' - 'Nunja, ich weiß ja, dass ihr momentan in dem Alter seid, wo das andere Geschlecht interessant wird und man sich näher kommt…' Oh bitte, bitte nicht. Das konnte der doch nicht ernst meinen! Ging der jetzt ernsthaft davon aus, dass ich mit einem heimlichen Lover, von dem ich selber noch nichts wusste, die ganze Nacht wild rumgeknutscht habe?! Ich schnitt ihm das Wort ab, ehe er noch weitere Vermutungen anstellen konnte: 'Ach, Mr Jackson, machen sie sich keine Sorgen, ich bin einfach viel zu spät ins Bett gegangen und es kommt nie wieder vor!' - 'Das will ich aber auch mal hoffen!' - 'Tut mir Leid. Auf Wiedersehen.' - 'Wiedersehen, Emma.'

Als ich vor die Tür trat, stand Emily dort schon mit zappeligen Beinen. 'Also, wirst du mir jetzt endlich die Wahrheit sagen?' - 'Meine Güte, wann checkt ihr mal alle, dass ich einfach nur verschlafen habe! Was ist da so großes bei?! Du verschläfst mindestens 2-mal die Woche und da wird kein Trärä draus gemacht und bei mir wird schon bei einem mal zu spät kommen gemutmaßt, dass ich die ganze Nacht mit irgendwem rumknutsche!' - 'Wie meinst du das denn jetzt?'
Also erzählte ich ihr das Gespräch in Kurzfassung und fünf Minuten später saßen wir weinend vor lachen auf einer Bank auf dem Schulhof.
'Und er hat…Ernsthaft…', presste Emily mühsam zwischen zwei Lachern hervor. 'Jaah!', prustete ich zurück. 'Oh man…', sie wischte sich immer noch kichernd die Tränen von der Wange, gluckste noch einmal und holte dann tief Luft. Nur um direkt wieder in Gelächter auszubrechen. 'Ich mein, es ist ja nicht abwegig, dass man einen Freund hat, aber dass grade der Jackson darauf kommt…' Ich stimmte ihr nur nickend zu, denn ich presste meine Lippen zusammen um nicht noch mal lauthals loszulachen, da uns einige schon verwirrt anstarrten.

'Na ihr zwei, was ist so lustig?' - 'Hey, Warren.', trällerten Emily und ich im Chor. 'Ach wir lachen nur, weil…weil…', doch weiter kam sie gar nicht, da sie sich schon wieder vor lachen hin und her schaukelte. 'Ah okay, ich warte dann einfach, bis du dich beruhigt hast, ja?!' Sie nickte kichernd, stand auf und deutete auf den Getränkeautomaten, was soviel wie ‚Ich hol mir eben was zu Trinken' bedeuten sollte.

'Jetzt erzähl mal, warum habt ihr grad so gelacht?', fragte Warren grinsend. Also erzählte ich ihm alles und am Ende saß auch er da lachend, wenn auch nicht so sehr wie Emily und ich zuvor. 'Was wäre denn so abwegig, dass du einen Freund hättest?' - 'Weil ich gemein und böööse bin! Außerdem beiße ich!' - 'Jetzt sei mal ernst, Emma!' - 'Bin ich doch!...Aua! Hör auf mich zu kneifen!' Bevor ich aussprechen konnte, hatte Warren mich noch mal gekniffen und das artete jetzt in eine kleine Rangelei aus, wobei er mehr einsteckte als austeilte. Typisch Warren, wollte immer einen auf Gentlemen machen. Am Ende wurde es ihm dann glaub ich doch zu lästig und hatte kurzerhand meine beiden Handgelenke gepackt und sie auf meinen Rücken gepresst. Was wiederum bedeutete, dass unsere Gesichter sehr nahe beieinander waren.
Ich befreite mich schnell aus der unangenehmen Situation und durchwuschelte ihm die Haare. 'Mensch Warren! So kann der Jackson doch nur auf falsche Gedanken kommen!' - 'Ey, meine Haare!' Ich verdrehte die Augen und schob ihn zur Seite, sodass Emily sich zwischen uns setzen konnte. 'Gibt's was zwischen euch, das ich wissen müsste?' Kaum hatte sie die Frage ausgesprochen, kassierte sie von beiden Seiten Stöße in die Rippen und böse Blicke.Nein, zwischen Warren und mir lief nichts. Erstmal, weil er eine Freundin hatte und zweitens, weil es für mich unvorstellbar war, eine Beziehung mit Warren zu führen. Er sah zwar ziemlich gut aus und das wusste er auch, aber er war doch mein bester Freund seit ich denken konnte.
'Ach Warren, wo wir grad beim Thema sind, wo ist deine Angebetete?' - 'Schätz mal in der Cafeteria oder so.' - 'Oha, Herzbube, was ist passiert? Willst du uns dein Herz ausschütten?' Für diesen Spruch erntete ich wie immer einen Klatscher am Hinterkopf. 'Hör auf mich Herzbube zu nennen! Das ist ja noch schlimmer, als ‚Honey' ‚Sugar' oder ‚Baby'.' - 'Ne, jetzt mal ernsthaft, ist was zwischen euch was vorgefallen?' - 'Nö. Und ich muss jetzt auch gehen, sonst krieg ich wieder Ärger.' - 'Tschau, Warren!', trällerten Emily und ich im Chor, wie wir es immer taten. Er warf uns noch einen halb wütenden, halb amüsierten Blick zu und verschwand im Hauptgebäude, der Schule.

'Irgendwie ist Warren heute komisch drauf!', meinte Emily zu mir. Ich lachte. 'Das ist Warren! So ist er nun mal! Und das auch schon seit wir ihn kennen!' - 'Okay auch wieder wahr.', stimme sie mir zu und grinste.
'Kann ich heute bei dir vorbeikommen? Mein Vater bohrt heute ein bisschen bei uns rum und wir schreiben ja bald Mathe…', Emily's Satz blieb unvollendet, denn ich nickte schon. 'Ja, klar, kein Problem! Das passt mir ganz gut, dann können wir gemeinsam versagen! Wann willst du denn vorbei kommen? Dann kann ich Mum Bescheid geben.' - 'Mir egal. Möglichst früh.' - 'Willst du gleich direkt mitkommen?' Sie nickte strahlend und wir riefen beide zu Hause an, um alles zu klären.

'Ugh! Ich kann das nicht! Ich geb auf!', war mein einziger Kommentar zu dieser hässlichen Matheaufgabe und ich legte meinen Kopf auf unseren Küchentisch, wo Emily und ich verzweifelt versuchten, Mathe zumindest ein bisschen zu verstehen.
'Muuuuum?!' - 'Nur im Voraus: Ich kann Mathe grade genug um Kate zu helfen…' - 'Toll. Und jetzt?!' Ich blickte Emily fragend an, doch die hatte sich ausgestreckt auf den Boden gelegt und gab seltsame Geräusche von sich.
'Emily, hör auf zu sterben!' - 'Wieso? Es ist hoffnungslos! Wer hat Mathe erfunden? Den verklag ich auf Schmerzensgeld!' Ich lachte. Das war mal wieder typisch Emily. Wenn Warren das hören würde… 'Emily?! Ich hab DIE Idee!' - 'Wenn du mir nen Vorschlag machst, wie wir Mathe aus der Welt kriegen, ich bin dabei.' - 'Wir rufen Warren an, der erklärt uns das! Schließlich hatte der letztes Jahr bei dem Smith Mathe! Da wird er uns das ja wohl erklären können!' Ruckartig saß sie senkrecht. 'Deine beste Idee seit langem! Los, worauf wartest du? Hol das Telefon! Ja hopp jetzt!' - 'Bin ja schon unterwegs. Olle Nervensäge...' - 'War was?!' - 'Nichts, nichts…'

'Guten Tag, die Damen!' Wir seufzten vor Erleichterung auf. 'Endlich bist du da! Unser Held, unser Retter, unser Mitstreiter gegen die Ungerechtigkeit, unser Sklaventreiber…' - 'Halt die Klappe, Emily und schlag dein Mathebuch auf!' - 'Ja, oh du mein Gebieter!' Ich grinste sie an. Ich liebte es, wenn sie in dieser Art mit Warren sprach. Es war einfach irre komisch mit anzusehen.

Meine Mutter lugte um die Ecke der Küchentür, beladen mit einem Korb Wäsche. 'Tag Warren, lange nicht gesehen. Wie geht's dir?' - 'Gut, gut danke. Und selbst?' - 'Achja…wies halt so ist mit einer pubertierenden Tochter ne.' Alle Beteiligten in der Küche prusteten los. Außer mir. Unverschämtheit sich über mich lustig zu machen. Das Leben als Teenie ist auch kein Zuckerschlecken.
'Naja ich will euch mal lieber nicht stören. Ach Emma, kannst du heute Abend bitte auf Kate aufpassen? Ich bin beim Yoga.' - 'Klar. Können Warren und Emily auch bleiben?' - ''türlich. Solange ihr meine Wohnung heile lasst und keinen Blödsinn anstellt. Soll ich euch nen Film oder so ausleihen?' Ich nickte und wandte mich dann meinem bösartigsten Feind zu. Dem Mathebuch.
'Dann mal los…'

'Stopp, aus, Schluss! Ich mach nichts mehr! Mein Kopf explodiert bald! Emma, mach dass er aufhört! Der geilt sich ja richtig daran auf, zu sehen, wie wir hier verzweifeln!' Ich blickte in das grinsende Gesicht Warrens und nuschelte zwischen meinen Händen: 'Hör auf.' - 'Ne halbe Portion wie dich kann man gar nicht ernst nehmen.' Bevor ich jedoch was darauf erwidern konnte stürmte meine kleine Schwester die Küche und nahm Warren erstmal in Beschlag.
Ich hatte die leise Vermutung, dass er so was wie ihre erste große Liebe darstellte, denn ich ging mal schwer davon aus, dass sie ganz schön in ihn verschossen war. 'Hey Kate! Na, wie geht's dir?' Warren war in die Knie gegangen und hatte sie mit seinen großen Armen umarmt. 'Guuut! Bleibst du heute Abend auch da?' - 'Jap. Es sei denn Emily und Emma bringen mich vorher um, weil ich ein Sklaventreiber war.' Fragend blickte sie zwischen uns hin und her, zuckte dann mit den Schultern und wandte sich wieder an Warren. 'Kommst du mal miiit? Ich will dir was zeigen.' - 'Klar.' Und schon packte sie mit ihrer kleinen Hand die seine und führte ihn in ihr Zimmer.
'Also wenn aus denen nichts wird, dann weiß ich auch nicht…', flüsterte Emily mir in gespielt ernstem Ton zu. Ich fing lauthals an zu lachen und fiel zu guter Letzt auch noch vom Stuhl. 'Autsch, mein Po.', sagte ich seufzend, während ich mir meinen Allerwertesten rieb.







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